OGH 9ObA54/87

OGH9ObA54/872.9.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag als Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christian Kleemann und Erich Reichelt als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Franz G***, derzeit ohne Beschäftigung, Hohenau an der March, Kirchengasse 761, vertreten durch Dr. Karl Claus, Rechtsanwalt in Mistelbach, wider die beklagte Partei S*** Z*** G*** MBH, Wien 3., Am Heumarkt 13, vertreten durch

Dr. Rudolf Krilyszyn, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 123.424,-- brutto samt Anhang, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtssachen vom 2.Dezember 1986, GZ 5 Cg 1006/86-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Gänserndorf vom 23.Juli 1986, GZ Cr 11 /86-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.657,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 514,35 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war 13 Jahre lang als Arbeiter im Werk der Beklagten in Hohenau mit einem Jahreseinkommen von netto S 220.000,-- beschäftigt.

Der Kläger begehrt S 123.424 brutto samt Anhang an Kündigungsentschädigung, Abfertigung und anteiligen Sonderzahlungen und brachte vor, er sei auf Grund von unwahren Beschuldigungen seiner Arbeitskollegin Angela G***, er habe sie am 15.Jänner 1986 zu vergewaltigen versucht, entlassen worden. Tatsächlich habe sich der Vorfall anders abgespielt. Er und Angela G*** seien zwar verheiratet, hätten aber schon seit Jahren ein Verhältnis miteinander; es sei einige Male an verschiedenen Orten, darunter auch in Betriebs- bzw. Sozialräumlichkeiten der Z*** H*** zu einem Geschlechtsverkehr gekommen. Dies sei auch am 15. Jänner 1986 der Fall gewesen. Der Kläger habe aber den Geschlechtsverkehr aber nicht erzwungen, Angela G*** sei vielmehr einverstanden gewesen. Der Vorfall habe sich in der Damengarderobe unter Ausschluß der Öffentlichkeit ereignet, so daß die Betriebsdisziplin nicht gestört worden sei. Im Berufungsverfahren brachte der Kläger ergänzend vor, daß die Beklagte bereits am 23. Jänner 1986, spätestens aber am 23.Juli 1986 vom Bestehen eines ehebrecherischen Verhältnisses und davon erfahren habe, daß die Vorgänge in den Betriebsräumlichkeiten und während der Arbeitszeit stattfanden, aber darauf nicht reagiert habe. Im übrigen seien durch dieses Verhältnis das Betriebsklima und Betriebsdisziplin nicht gestört worden, weil es bis 20.Jänner 1986 nicht einmal gerüchteweise bekannt geworden sei.

Die Beklagte wandte ein, daß die Entlassung am 20.Jänner 1986 mündlich ausgesprochen worden sei, nachdem der Kläger die gegen ihn erhobene Anschuldigung unsittlicher Handlungen gegen eine Arbeitskollegin im Betrieb zugegeben habe und dies auch durch Angela G*** bestätigt worden sei. Das Verhalten des Klägers habe nicht nur die Sittlichkeit grob verletzt, sondern sei hiedurch auch eine empfindliche Beeinträchtigung der Betriebsdisziplin zumindest zu besorgen gewesen. Der Kläger habe sich in einem Maß vertrauensunwürdig gemacht, daß der Beklagte eine Weiterbeschäftigung nicht mehr zumutbar gewesen sei. Die Einstellung des Strafverfahrens sei irrelevant, weil der Kläger gegenüber den Vertretern der Beklagten unsittliche Annäherungsversuche und "damit einen Vergewaltigungsversuch zugegeben habe". Im Berufungsverfahren brachte die Beklagte ergänzend vor, daß der Kläger mit Angela G*** Ehebruch im Sinne des § 194 StGB begangen habe und auch dadurch einen Entlassungsgrund im Sinne des § 82 lit d GewO gesetzt habe. Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und stellte im wesentlichen übereinstimmend mit dem Erstgericht folgenden Sachverhalt fest:

Bisher war es hin und wieder zu Beanstandungen durch den Arbeitgeber gekommen, weil der Kläger alkoholisiert zur Arbeit erschien und seine Leistungen zeitweise zu wünschen übrig ließen. Weitere Maßnahmen wurden vom Arbeitgeber nicht ergriffen. Der Kläger unterhielt zu der gleichfalls verheirateten Angela G*** seit etwa 8 Jahren ein intimes Verhältnis. Der Geschlechtsverkehr wurde vor allem in den Betriebsräumlichkeiten während der Arbeitszeit des Klägers oder seiner Arbeitskollegin vollzogen. Am 15.Jänner 1986 hielt sich der Kläger gegen 17 Uhr im Betriebsgelände auf, obwohl seine Arbeitszeit schon um 16 Uhr geendet hatte. Angela G*** hatte an diesem Tage Schichtdienst bis 22 Uhr. Sie verließ den Arbeitsplatz gegen 17 Uhr und suchte die Damentoilette auf. Der Kläger folgte ihr. Im Vorraum der Toilette kam es mit Einverständnis von Angela G*** zum Geschlechtsverkehr. Danach kehrte sie zu ihrem Arbeitsplatz zurück, ohne etwas von dem Vorfall zu erwähnen. Erst am 20. Jänner 1986 erstattete sie Anzeige wegen Notzucht gegen den Kläger, nachdem sie schon vorher versucht hatte, ihn anonym wegen Trunkenheit beim Lenken eines Kraftfahrzeuges anzuzeigen. Sie ging auf diese Weise gegen den Kläger vor, weil sie sich über die Äußerung des Klägers, er habe sich ihretwegen beim Intimverkehr das Knie aufgeschunden, geärgert hatte. Das gegen den Kläger wegen Verdachtes nach § 201 StGB eingeleitete Strafverfahren wurde mit Beschluß vom 23.Juni 1986 eingestellt.

Ihrem Vorgesetzten im Betrieb machte Angela G*** einige Tage nach dem Vorfall Mitteilung über die angebliche Vergewaltigung. Dies wurde am 20.Jänner 1986 dem Direktor Dr. H*** zur Kenntnis gebracht, der nach einer Aussprache mit dem Kläger und Angela G***, bei der der Kläger zumindest eine unsittliche Berührung zugab, vorerst mündlich die Entlassung aussprach. Nach Rücksprache mit der Unternehmenszentrale in Wien und Einholung der Zustimmung des Betriebsrates wurde die mündlich ausgesprochene Entlassung dem Kläger noch am selben Tag schriftlich bestätigt. Zum Zeitpunkt des Ausspruches der Entlassung war der Unternehmensleitung nichts über die langjährige ehewidrigen Beziehungen zwischen dem Kläger und Angela G*** und den Vollzug des Geschlechtsverkehrs in den Betriebsräumlichkeiten während der Arbeitszeit bekannt. Wenn er von diesen Vorgängen erfahren hätte, hätte der Betriebsdirektor sofort die Entlassung des Klägers ausgesprochen. Das intime Verhältnis zwischen dem Kläger und Angela G*** war den meisten Arbeitskollegen bekannt. Die Beklagte wurde von der Einstellung des Strafverfahrens gegen den Kläger nicht verständigt. Erstmals in der Tagsatzung vom 23. Juli 1986 gestand Angela G*** zu, mit dem Kläger schon längere Zeit intimen Kontakt in den Betriebsräumlichkeiten gehabt zu haben. Die Vorinstanzen vertraten im wesentlichen übereinstimmend die Rechtsauffassung, daß der Kläger die Voraussetzungen des Entlassungstatbestandes des § 82 lit d GewO erfüllt habe. Er habe zwar nicht das Delikt der Notzucht, sondern das des Ehebruches begangen, das nach § 194 StGB strafbar sei; auf die Strafbarkeit bleibe es aber ohne Einfluß, daß die Strafverfolgung nur über Verlangen des verletzten Ehegatten zu erfolgen habe. Ziehe man in Betracht, daß der Kläger die strafbare Handlung wiederholt in den Betriebsräumlichkeiten während der Arbeitszeit begangen habe, sei eine Gefährdung der Interessen des Arbeitgebers anzunehmen, weil die Duldung solcher Vorkommnisse und die Belassung des Klägers im Betrieb die Betriebsdisziplin untergraben könne.

Vertrauensunwürdigkeit im Sinne des § 82 lit d GewO sei daher anzunehmen.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens (geht man vom Inhalt der Ausführungen aus), der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die behaupteten Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß die Entscheidung des Erstgerichtes vor dem 31.Dezember 1986 gefällt wurde, sodaß auf das Berufungsverfahren gemäß § 101 Abs 2 ASGG noch § 25 ArbGG anzuwenden war.

Zu Unrecht wendet sich der Revisionswerber auch gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes.

Der Arbeitgeber kann auch Vorfälle als Entlassungsgründe heranziehen, von denen er erst nach Ausspruch der Entlassung erfahren hat, sofern sie im Zeitpunkt der Entlassung bereits vorgelegen sind und das Entlassungsrecht insoweit nicht untergegangen ist. Überdies muß er in dem durch die Entlassung ausgelösten Rechtsstreit nicht unverzüglich sämtliche Entlassungsgründe anführen (siehe Kuderna, Entlassungsrecht 30 mwH). Die Beklagte konnte daher auch noch im Berufungsverfahren den Ehebruch des Klägers als Entlassungsgrund geltend machen. Es kann nun dahingestellt bleiben, ob im Hinblick auf den Schutzzweck des § 194 StGB der Arbeitgeber aus nur auf Verlangen des verletzten Ehegatten strafbaren Handlungen einen Entlassungsgrund nach § 82 lit d GewO ableiten kann, auch wenn der Vollzug des ehebrecherischen Verhältnisses jahrelang während der Arbeitszeit in den Betriebsräumlichkeiten erfolgte und dies den meisten Arbeitskollegen bekannt war; hiebei ist in Erwägung zu ziehen, daß sich an der Beeinträchtigung der Arbeitgeberinteressen nichts Wesentliches geändert hätte, wären die beiden Beteiligten unverheiratet gewesen.

Läßt man nämlich die Strafbarkeit des inkriminierten Verhaltens außer Betracht, ist die Entlassung jedenfalls im zweiten Tatbestand des § 82 lit f GewO begründet. Der Kläger hat dadurch, daß er rund acht Jahre lang während der Arbeitszeit in den Betriebsräumlichkeiten mit einer Arbeitskollegin den Geschlechtsverkehr vollzog und damit die Fortsetzung seines intimen Verhältnisses über seine dienstlichen Pflichten stellte (vgl. Krejci in Rummel ABGB Rz 152 zu § 1162), seine ihm durch den Arbeitsvertrag auferlegten Pflichten beharrlich verletzt. Einer der Entlassung vorausgehenden Ermahnung bedurfte es nicht, weil der Verstoß des Klägers gegen seine Verpflichtungen offensichtlich und für ihn erkennbar war (in diesem Sinn auch 14 Ob A 38/87). Abgesehen davon war der Beklagten im Interesse der Wahrung der Disziplin im Betrieb die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger auch nur für die Kündigungsgfrist nicht mehr zumutbar, zumal das Verhalten des Klägers so schwerwiegend war und während eines so langen Zeitraumes erfolgte, daß daraus allein auf die Nachhaltigkeit seiner Willenshaltung geschlossen werden konnte (siehe Kuderna aaO 72). Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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