OGH 15Os78/87

OGH15Os78/8724.7.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.Juli 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Swoboda als Schriftführer in der Strafsache gegen Ekhard N*** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht Wels vom 19.März 1987, GZ 16 Vr 1126/86-88, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Dr. Rzeszut, und des Verteidigers Dr. Winkler, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden Urteil wurde der Angeklagte Ekhard N*** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB sowie des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Ihm liegt zur Last, am 5.Juli 1986 in Marchtrenk die am 29. April 1980 geborene, mithin unmündige Melanie A*** 1./ durch Erwürgen und Zuhalten des Mundes vorsätzlich getötet und außerdem

2./ auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht zu haben, indem er sie an den nackten Schamlippen betastete und ihr den Stiel einer WC-Bürste in die Scheide rammte, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung, nämlich mehrfache Einrisse im Bereich der Scheide, insbesondere einen Riß der hinteren Scheidewand, zur Folge hatte.

Die Geschwornen hatten die Hauptfragen nach Mord (Nummer 1 des Fragenschemas) und nach Unzucht mit Unmündigen (Nummer 2) bejaht, die Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit im Sinne des § 11 StGB (Nummer 3) aber verneint und dementsprechend die auf Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung lautende Eventualfrage (Nummer 4) sowie die zu dieser Eventualfrage gestellte Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit (Nummer 5) unbeantwortet gelassen.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Gründe der Z 8 und 11 lit b des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch keine Berechtigung zukommt. Unzutreffend ist das Vorbringen unter dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund, die schriftliche Rechtsbelehrung zur Zusatzfrage nach der Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit (Nummer 3 des Fragenschemas), die Ausführungen über die sogenannte "psychologisch-biologische oder gemischte Methode" enthalte, sei durch ein beim Zusammenheften der betreffenden Blätter unterlaufenes Versehen unvollständig sowie "äußerst undeutlich bzw unverständlich". Der relevierte (der unrichtigen Bezeichnung im Beschwerdevorbringen zuwider den S 188/189 in Band III des Aktes zu entnehmende) Abschnitt der Rechtsbelehrung läßt nämlich weder den behaupteten noch sonst einen Ausfertigungsfehler erkennen, der geeignet gewesen wäre, die Geschwornen bei der Beurteilung der Frage der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten im Tatzeitpunkt zu beirren. Dem Beschwerdevorbringen kann aber auch nicht gefolgt werden, soweit unter Hinweis auf das Fehlen einer spezifisch psychiatrischen Vorbildung der Geschwornen die Rechtsbelehrung zu der in Rede stehenden Zusatzfrage als zu "kurz bzw kursorisch" gerügt wird. Gegenstand der Rechtsbelehrung, deren Aufgabe in der allgemein verständlichen Erläuterung von in den einzelnen Fragen enthaltenen Rechtsbegriffen besteht, können nur rechtliche Umstände sein (§ 321 Abs 2 StPO), während die Erörterung von nach den Verfahrensergebnissen indizierten tatsächlichen Besonderheiten des Einzelfalls ausschließlich der gemäß § 323 Abs 2 StPO im Anschluß an die Rechtsbelehrung abzuhaltenden Besprechung des Vorsitzenden mit den Geschwornen vorbehalten bleibt (vgl Mayerhofer-Rieder, StPO2, Nr 14 und 15 zu § 345 Z 8). Die den Seiten 22 bis 26 der schriftlichen Rechtsbelehrung (Band III/S 188 bis 192) zu entnehmenden Ausführungen lassen dem Beschwerdestandpunkt zuwider weder hinsichtlich der nach § 11 StGB für die Zurechnungsfähigkeit maßgeblichen Beurteilungskriterien der Diskretions- und Dispositionsfähigkeit noch in bezug auf die für deren Aufhebung in Betracht kommenden biologischen Zustände (Geisteskrankheit, Schwachsinn, tiefgreifende Bewußtseinsstörung bzw andere schwere, einem dieser Zustände gleichwertige seelische Störung) Unklarheiten offen und bedurften keiner wie immer gearteten Ergänzung, von der der Beschwerdeführer im übrigen konkret nicht vorzubringen vermag, worin sie noch zu bestehen gehabt hätte. Eine (unsinnige) Belehrung dahin, daß es Menschen gebe, die "nicht aus Zellen, sondern aus Schichten bestehen" und "selbstverständlich" in der Lage seien, "das Universum zu sprengen", war selbstredend nicht zu erteilen. Insbesondere ist auch jener Abschnitt der Rechtsbelehrung vollständig, der die Begriffsbedeutung schwerer (einer Geisteskrankheit, dem Schwachsinn oder einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung gleichwertiger) seelischer Störung behandelt (Band III/S 191, 192).

Soweit der Beschwerdeführer aber im Zusammenhang mit der Verneinung der Zusatzfrage nach seiner Zurechnungsunfähigkeit (Nummer 3 des Fragenschemas) den der Niederschrift der Geschwornen zu entnehmenden Hinweis auf die Gutachten der dem Verfahren als gerichtspsychiatrische Sachverständige beigezogenen Universitätsprofessoren Dr. P*** und Dr. J*** (Band III/S 207) als Indiz einer auf unvollständiger Belehrung beruhenden Überforderung der Laienrichter reklamiert, bleibt er jede schlüssig nachvollziehbare Begründung dieser Behauptung schuldig. Das Wesen des in Rede stehenden Nichtigkeitsgrundes hinwieder verkennt der Beschwerdeführer insoweit, als er nach Art einer Schuldberufung die inhaltlich im wesentlichen konformen Gutachten der genannten Sachverständigen mit Hilfe von gerichtsärztlichen Untersuchungsbefunden in Frage zu stellen versucht, die im Zuge wiederholter, in den Jahren 1983 bis 1986 gegen den Angeklagten anhängig gewesener Anhaltungsverfahren erstellt worden waren. Abgesehen davon, daß die früheren stationären Aufnahmen des Angeklagten in psychiatrischen Krankenhäusern - worüber die in der Hauptverhandlung verlesenen (Band III S 151) Krankengeschichten beigeschafft worden waren - ohnedies von beiden Gutachtern berücksichtigt wurden (vgl insbesondere Band II/S 145 bis 155, 198 bis 204 und Band III/S 123, 127, 131, 137 und 148), erschöpft sich der durch § 345 Abs 1 Z 8 StPO eröffnete Anfechtungsrahmen in der Geltendmachung zur Irreleitung der Geschwornen geeigneter sachlicher Unrichtigkeit, Unvollständigkeit, Undeutlichkeit oder Widersprüchlichkeit der schriftlichen Rechtsbelehrung. Daß es sich bei der im Beschwerdevorbringen enthaltenen Bezugnahme auf (noch dazu erst der Rechtsmittelausführung angeschlossene Aktenauszüge) um keine Relevierung derartiger Mängel der Rechtsbelehrung handelt, bedarf keiner weiteren Erörterung. Dieser Abschnitt der Beschwerdeargumentation führt weder den geltend gemachten noch sonst einen Nichtigkeitsgrund aus.

Sinngemäßes gilt aber auch für das (nach den Denkgesetzen nicht nachvollziehbare und daher keiner sachlichen Erwiderung zugängliche) unter Berufung auf Ausführungen in einem Schreiben einer nicht verfahrensbeteiligten Person gemachte Vorbringen der Beschwerde, die Rechtsbelehrung lasse ein Eingehen auf den "von Geistern" auf Alkoholiker ausgeübten Zwang zu Tötungshandlungen vermissen. Schließlich wird mit dem auf § 345 Abs 1 Z 11 lit b StPO gestützten Einwand, der angefochtene Schuldspruch beruhe auf "unrichtiger Anwendung des § 11 StGB" ebenfalls weder der - einen Vergleich des Wahrspruches mit dem Gesetz erfordernde - angerufene noch sonst ein Nichtigkeitsgrund dargetan.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach § 75 StGB zu lebenslanger Freiheitsstrafe und ordnete gemäß § 21 Abs 2 StGB dessen Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher an.

Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend das Zusammentreffen zweier Verbrechen und das besonders brutale Vorgehen gegenüber einem wehrlosen unmündigen Opfer, als mildernd dagegen eine die Dispositionsfähigkeit des Angeklagten zwar herabsetzende, jedoch nicht aufhebende seelische Abartigkeit.

Der die Verhängung einer zeitlichen Freiheitsstrafe anstrebenden Berufung des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu. Die Argumentation des Berufungswerbers, das Erstgericht habe "sozusagen die Todesstrafe" über ihn verhängt, weil die lebenslange Freiheitsstrafe bedeute, daß ihn "nur der Tod von dieser Freiheitsstrafe wiederum entlastet", bedarf im Hinblick auf ihre Unsachlichkeit keiner Erwiderung.

Die Abartigkeit des Angeklagten führte - zu Recht - zum unangefochten gebliebenen Ausspruch der Anstaltsunterbringung. Daß dieser Umstand aber im Rahmen der Erwägungen des Geschwornengerichtes zur Strafzumessung keine Berücksichtigung gefunden habe, ist eine durch nichts gedeckte Spekulation; das Erstgericht führte diesen Umstand vielmehr ausdrücklich als mildernd an und setzte hinzu, daß er auch Grund für die Anordnung der Anstaltsunterbringung war (US 7).

Angesichts der Verantwortung des Angeklagten zum Tathergang, die sich auf die Behauptung einer Erinnerungslosigkeit und das Einräumen der Möglichkeit, die Tat begangen zu haben, beschränkte, kann weder von einem reumütigen Geständnis, noch von einem wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung gesprochen werden (§ 34 Z 17 StGB). Im Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung wurde vom Verteidiger - abweichend vom bisher behandelten Inhalt der schriftlichen Berufungsausführung - das Ergebnis der im Verfahren erster Instanz eingeholten Sachverständigengutachten und damit die Annahme, der Angeklagte sei zur Zeit der Tat zurechnungsfähig gewesen, bezweifelt. Damit wurde aber dem Wesen nach eine im Rechtsmittelverfahren gegen geschwornengerichtliche Urteile nicht vorgesehene Bekämpfung des Wahrspruches der Geschwornen nach Art einer Schuldberufung unternommen, für die - ebensowenig wie im Nichtigkeitsverfahren - auch im Rahmen der Entscheidung über die Berufung Raum bleibt (§ 295 Abs 1 StPO).

Die Strafzumessungsgründe wurden vom Geschwornengericht somit durchaus zutreffend und vollständig festgestellt und auch ihrem Gewichte nach richtig gewertet. Dem festgestellten Erschwerungsgrund besonderer Brutalität gegenüber einem wehrlosen sechsjährigen Kind, das auf grauenhafte Weise ums Leben gebracht wurde, kommt besonderes Gewicht zu. Die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ist in diesem Fall voll gerechtfertigt.

Auch der Berufung des Angeklagten war deshalb ein Erfolg zu versagen.

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