Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Anton Josef P*** wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Punkt II des Urteilssatzes und demgemäß in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen; mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft - sofern sie den Strafausspruch dieses Angeklagten anficht - und der genannte Angeklagte darauf verwiesen. Zur Entscheidung über die Berufungen der Staatsanwaltschaft - sofern sie den Strafausspruch des Angeklagten Rene Eduard K*** bekämpft - und dieses Angeklagten (K***) werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rene Eduard K*** des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG (I 1 a und b) sowie des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SuchtgiftG (I 2) und Anton Josef P*** zu II des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG als Beteiligter (§ 12 StGB) schuldig erkannt.
Danach haben
I) Rene Eduard K***
1) in Innsbruck den bestehenden Vorschriften zuwider insgesamt 85 Gramm Kokain, welches er in Flirsch am Arlberg vom schweizerischen Staatsangehörigen Alfred L*** um 100.000 S erworben hatte, sohin Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr gesetzt, und zwar
- a) Ende November 1986 42 Gramm und
- b) am 18.Dezember 1986 43 Gramm;
2) in Innsbruck und anderen Orten außer den Fällen der §§ 12 und 14 a SuchtgiftG den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte erworben und besessen, nämlich im Zeitraum Sommer 1985 bis November 1986 50 Gramm Haschisch bzw. im Zeitraum Herbst 1985 bis Herbst 1986 in unbekannten Mengen "Kokain und Suchtgift", nämlich Kokain in mindestens drei Fällen anderen unbekannt gebliebenen Personen überlassen und II) Anton Josef P*** zur Ausführung der unter
Punkt I 1 a) genannten Tat beigetragen (§ 12 StGB), indem er das Suchtgiftgeschäft mit Alfred L*** vermittelte und bei der Übergabe zugegen war.
Beide Angeklagten meldeten gegen das Urteil Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung, die Staatsanwaltschaft Berufung an. Der Angeklagte K*** hat in der schriftlichen Ausführung seines Rechtsmittels ausdrücklich erklärt, nur mehr die Berufung aufrecht zu erhalten, woraus sich schlüssig die Zurückziehung der angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerde ergibt. Der Angeklagte P*** hat die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung, die Staatsanwaltschaft die Berufung zur schriftlichen Ausführung gebracht.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde:
Rechtliche Beurteilung
Diesem Rechtsmittel, das auf § 281 Abs. 1 Z 4 und 10 StPO gestützt wird, kommt aus dem zuletzt genannten Nichtigkeitsgrund Berechtigung zu.
Die Verfahrensrüge (Z 4) ist allerdings nicht begründet. Der Angeklagte P*** hat in der Hauptverhandlung (S 234) die Vernehmung des Zeugen Alfred L*** zum Beweis dafür beantragt, daß zwischen ihm und dem Zeugen nie über Menge und Preis eines allfälligen Suchtgifthandels gesprochen wurde und er daher davon auch nichts wissen konnte. Diesen Beweisantrag wies das Schöffengericht mit der Begründung ab (S 235), daß der Beschwerdeführer vor dem Landesgendarmeriekommando und in der Hauptverhandlung angegeben habe, daß von Mengen die Rede war. Durch die Ablehnung der begehrten Beweisaufnahme wurden Verteidigungsrechte nicht verletzt. Der Angeklagte P*** hat vor der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Tirol am 4.März 1987 angegeben, L*** hätte ihm mitgeteilt, daß er auch ein halbes Kilogramm "Koks" (Kokain) besorgen könne bzw. in dieser Größenordnung von ihm "Koks" zu erwerben sei (S 195). In der Hauptverhandlung am 16.April 1987 hielt er seine Angaben vor dem Landesgendarmeriekommando aufrecht und wiederholte, daß L*** unter anderem gesagt habe, er könne ein halbes Kilo Koks liefern. Angesichts dieser Depositionen des Beschwerdeführers hätte es schon im Beweisantrag zusätzlicher Ausführungen bedurft, warum trotz seiner erwähnten Angaben aus der Vernehmung des Zeugen L*** zu erwarten gewesen wäre, daß zwischen den Genannten nicht über die Menge des allenfalls zu verhandelnden Kokains gesprochen worden wäre. Ob aber über den Preis des Suchtgifts gesprochen wurde, ist für den Sachausgang vorliegend unentscheidend.
Berechtigt ist hingegen die Rechtsrüge (Z 10). Wie bereits dargetan, liegt dem Nichtigkeitswerber zur Last, durch Vermittlung des Suchtgiftgeschäfts und Anwesenheit bei der Übergabe dazu beigetragen zu haben, daß Rene Eduard K*** Ende November 1986 in Innsbruck 42 Gramm Kokain, sohin eine große Menge Suchtgift in Verkehr setzte, das er vorher in Flirsch am Arlberg von Alfred L*** erworben hatte. Der Beitragstäter muß eine kausale Beziehung zur Tat, so wie sie sich abgespielt hat, haben; die wesentlichen Deliktsmerkmale der vom Haupttäter begangenen Tat müssen vom Vorsatz des Beitragstäters erfaßt sein (Foregger-Serini StGB3, Anm. IV zu § 12). Auf den gegenständlichen Fall bezogen bedeutet dies, daß eine Beitragstäterschaft des Beschwerdeführers zum Verbrechen nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG nur dann angenommen werden könnte, wenn er mit zumindest bedingtem Vorsatz erwogen hätte, der Haupttäter K*** werde das Suchtgift in Verkehr setzen. Hätte er jedoch nur in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen, daß der Haupttäter das Suchtgift zum Eigenkonsum verwenden würde, käme nur eine Unterstellung der Tat nach § 16 Abs. 1 SuchtgiftG, § 12 dritter Fall StGB in Frage. In dieser Richtung läßt das Ersturteil jegliche Feststellung vermissen.
Schon aus diesem Grund erweist sich die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung in Ansehung des Angeklagten P*** als unvermeidlich, sodaß schon bei einer nichtöffentlichen Beratung der zum Vorteil des genannten Angeklagten ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde sofort Folge zu geben war.
Im neu durchzuführenden Verfahren werden auch Feststellungen dahin zu treffen sein, welche Konzentration an Reinsubstanz die erwähnten 42 Gramm Kokain aufgewiesen haben, um verläßlich beurteilen zu können, ob damit das Tatbestandsmerkmal der "großen Menge" im Sinn des § 12 Abs. 1 SuchtgiftG erfüllt ist.
Zu den Berufungen:
Infolge der Aufhebung des den Angeklagten P***
betreffenden Schuldspruches waren die Staatsanwaltschaft mit ihrer diesen Angeklagten betreffenden Berufung sowie dieser selbst mit seiner Berufung auf die getroffene Entscheidung zu verweisen. Da die für die Zuständigkeitsregelung in § 296 Abs. 1 StPO maßgebende ratio legis in bezug auf die Berufung des Angeklagten K*** und die diesen Angeklagten betreffende Berufung der Staatsanwaltschaft wegen der vollständigen Erledigung der Rechtsmittel des Angeklagten P*** sowie der diesen Angeklagten betreffenden Berufung der Staatsanwaltschaft schon bei der nichtöffentlichen Beratung nicht wirksam wird, weil über die in Rede stehenden Berufungen nur nach einem ausschließlich darüber anzuordnenden Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden könnte, war insofern das weitere Rechtsmittelverfahren in sinngemäßer Anwendung des § 285 b Abs. 6 StPO und teils des (durch § 219 StPO bloß in erster Instanz in seiner Anwendbarkeit begrenzten) § 58 StPO an das Oberlandesgericht Innsbruck abzugeben (vgl. EvBl. 1980/151, 10 Os 123/82 u.a.).
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