OGH 1Ob611/87

OGH1Ob611/8715.7.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** M***-M***, Anstalt des öffentlichen Rechts, vertreten durch Dr. Max Dengg, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Alois S***, Hotelier, Seefeld, vertreten durch Dr. Rudolf Wieser, Dr. Friedrich Hohenauer und Dr. Martin Zanon, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 401.303,03 samt Anhang infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 18.November 1986, GZ 1 R 242/86-44, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 2.Juni 1986, GZ 16 Cg 427/84-39, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 14.564,25 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.236,75 Umsatzsteuer und S 960,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Adam S*** war am 1.3.1981 Vorsitzender des Vorstandes der klagenden Partei. § 5 Abs 7 seines Dienstvertrages mit der klagenden Partei vom 3.2.1982 mit Wirkung vom 1.3.1977 hat folgenden Wortlaut:

"Bei einer durch Unfall oder Erkrankung verursachten Dienstunfähigkeit werden die Bezüge unbefristet, längstens jedoch bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses (§ 6) weitergezahlt. Art.96 BayBG gilt entsprechend."

Am 1.3.1981 gegen 13 Uhr wollte Adam S*** im "Klosterbräu-Braukeller" im Hotel Klosterbräu in Seefeld zu Mittag essen. Unternehmensträger ist die Hotel Klosterbräu, Alois S*** KG, deren einziger Komplementär der Beklagte ist. Adam S*** las eine an der Hauswand angebrachte Speisekarte. Als er von dem Podest vor dem Eingang auf die Straße trat, rutschte er im unmittelbaren Eingangsbereich zum Hotel Klosterbräu beinahe unter dessen Vordach auf einer dort vorhandenen und schon länger bestehenden Eisfläche, die unter einer dünnen nicht gestreuten Neuschneedecke lag und für Fußgänger nicht ohne weiteres als solche zu erkennen war, aus. Er kam etwa einen halben Meter westlich vom Podium entfernt zu Sturz. Adam S*** erlitt einen Oberschenkelhalsbruch. Dadurch war er vom 1.3.1981 bis 31.10.1981 völlig erwerbs- und arbeitsunfähig. In diesem Zeitraum erbrachte die klagende Partei aufgrund der Bestimmung des § 5 Abs 7 des Dienstvertrages an Adam S*** Zahlungen von insgesamt DM 113.074,97. Die klagende Partei begehrt den Zuspruch des Betrages von S 401.303,03 samt Anhang als Hälfte ihrer aufgrund des § 5 Abs 7 des Dienstvertrages an Adam S*** für die Dauer dessen Arbeitsunfähigkeit erbrachter Zahlungen. Der Beklagte hafte, weil der Zugang zu den Betrieben des Unternehmens trotz Schnee- und Eisglätte nicht ordnungsgemäß gestreut gewesen sei. Die dienstvertraglich vereinbarte Geltung des Art.96 des Bayrischen Beamtengesetzes bewirke eine antizipierte Abtretung der Adam S*** gegen einen etwaigen Schädiger zustehenden Schadenersatzansprüche in dem Umfang, in dem bei einem Beamten des Freistaates Bayern insoweit eine Legalzession eintrete. Durch diese Klausel werde vermieden, daß bei einer auf Dritteinwirkung beruhenden Dienstunfähigkeit jeweils im Einzelfall vor der Weitergewährung der Dienstbezüge eine Abtretung der Schadenersatzansprüche hereingenommen werde. Der Beklagte wendete, soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist, ein, es werde von der klagenden Partei offenbar die Dienstleistung des Adam S*** so hoch geschätzt und bewertet, daß ihm auch im Krankheitsfall ein gleichbleibender Bezug zugesichert worden sei. Damit sei aber von vornherein bei krankheitsmäßiger Unterbrechung der Arbeit ein Verdienstentfall zwischen den Dienstvertragspartnern als nicht gegeben vereinbart gewesen. Wenn daher der Krankheitsfall eintrete, dürfe die klagende Partei aufgrund der dienstrechtlichen Vereinbarung das Entgelt gar nicht mindern, weil der Bezug desselben auch im Krankheitsfall als Entgeltvereinbarung zugesichert sei. Dem Dienstnehmer entstehe daher durch den Krankheitsfall von vornherein gar kein Schaden, weil ein Verdienstausfall bei krankheitsbedingter Unterbrechung der Arbeit aufgrund des Dienstvertrages gar nicht eintreten könne. Wenn aber ein Schaden gar nicht eintreten könne, dann könne er denkunmöglich an einen Dritten zur Geltendmachung abgetreten werden. Die Abtretung der Schadenersatzansprüche sei keine Bedingung für die Weiterzahlung der Bezüge gewesen. Es liege daher ein nicht ersetzungsfähiger Drittschaden vor.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, die Fortzahlungspflicht habe die klagende Partei nur unter der Bedingung des im Vertrag durch den Hinweis auf Art.96 BayBG vereinbarten Forderungsüberganges gesetzlicher Schadenersatzansprüche auf sich genommen. Auf die Schadenersatzansprüche Adam S*** sei österreichisches Recht anzuwenden. Den Unternehmensträger hätten Verkehrssicherungspflichten zumindest für den unmittelbaren Nahbereich der Zugänge zu den Betrieben getroffen. Um der Verkehrssicherungspflicht gegenüber den potentiellen Gästen nachzukommen, habe der Hotelier bzw. seine Angestellten dafür Sorge zu tragen, daß ein sicherer Zugang zu den Betrieben möglich sei. Da die Eisglätte keineswegs unvermittelt und überraschend aufgetreten sei, sei diese Sorgfaltspflicht verletzt worden. Die dienstrechtlichen Beziehungen zwischen der klagenden Partei und Adam S*** und die Abtretung der Schadenersatzansprüche Adam S*** an die klagende Partei seien nach deutschem Recht zu beurteilen. Wenn der Dienstgeber zu einer Weiterzahlung der Bezüge nicht verpflichtet gewesen sei, sie also unterlassen oder an Bedingungen habe knüpfen können, sei ein Verdienstentgang des Verletzten anzunehmen. Der damit dem Verletzten zustehende Schadenersatzanspruch gegen den Ersatzpflichtigen könne auch zediert werden. Es handle sich nicht um einen Fall bloßer Schadensverlagerung vom Verletzten auf einen Dritten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Die Fragen des anzuwendenden Rechtes und die grundsätzliche Haftung des Beklagten für die Folgen des Unfalles des Adam S*** seien vom Erstgericht zutreffend gelöst worden. Gesetzliche Schadenersatzansprüche des Adam S*** gegen Dritte seien aufgrund des Dienstvertrages insoweit an die klagende Partei kraft Vereinbarung übergegangen, als die klagende Partei während einer auf der Körperverletzung beruhenden Aufhebung der Dienstfähigkeit zur Gewährung von Gehaltszahlungen verpflichtet gewesen sei. Nach dem hier anzuwendenden deutschen Recht könnten derartige künftige Forderungen abgetreten werden. Die Rechtsgrundlage, aus der der künftige Anspruch erwachsen solle, brauche noch nicht zu bestehen. Auch die Ungewißheit über die Person des künftigen Schuldners schade nicht. Strittig sei nur, ob in einem solchen Fall die abgetretene künftige Forderung unmittelbar in der Person des Abtretungsempfängers entstehe oder ob sie eine logische Sekunde lang zum Vermögen des Abtretenden gehöre. Ein solcher Durchgangserwerb werde dann angenommen, wenn die Rechtsgrundlage für die abgetretene Forderung noch nicht vorhanden sei, wie dies im Falle eines künftigen Schadenersatzanspruches zutreffe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten, in der die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanzen über die Frage des anzuwendenden Rechtes und über die grundsätzliche Haftung des Beklagten für die Unfallsfolgen nicht mehr bekämpft werden, ist nicht berechtigt.

Der Revisionswerber vertritt weiterhin die Ansicht, entscheidungswesentlich sei die Frage, ob die klagende Partei die Dienstleistungen des Adam S*** so hoch schätzte und bewertete, daß Adam S*** auch im Krankheitsfall ohne Rücksicht auf die vereinbarte Abtretung die Weiterzahlung seines Entgeltes zugesichert worden sei. Stünde dies fest, könne Adam S*** einen Schaden nicht erlitten haben. Der Nachteil der klagenden Partei wäre dann bloß mittelbar.

Nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland können künftige Forderungen abgetreten werden, wenn die abgetretenen Forderung bestimmbar bezeichnet ist. Es genügt die Benennung der juristischen Entstehungsgrundlage (BGHZ 88, 205,206 f; Heinrichs in Palandt46 437; Roth in Münchener Kommentar2 § 398 BGB Rz 60, 61). Die Abtretung künftiger Schadenersatzforderungen aus Anlaß einer vertraglichen Regelung über die Lohnfortzahlung im Krankheits- oder Unglücksfall ist daher zulässig (BGHZ 43, 378, 380) und, wenn für einen solchen Fall eine Legalzession nicht angeordnet ist, in entsprechender Anwendung des § 255 BGB geboten (OGH VersR 1986, 1032; Putzo in Palandt46 743; Schaub in Münchener Kommentar § 616 BGB Rz 146). Einhelliger Ansicht entspricht es, daß der Schädiger sich in einem solchen Fall nicht darauf berufen kann, dem Dienstgeber sei wegen des Anspruches auf Fortzahlung der Vergütung kein Schaden entstanden (Putzo aaO 656; Heinrichs aaO 258 mwN). Selbst nach dem Vorbringen des Beklagten entsprach die Lohnfortzahlung im Falle der Dienstverhinderung durch Krankheit oder Unfall dem freien Willensentschluß der klagenden Partei. Das Motiv, warum sie sich zu einer solchen im Interesse des Dienstnehmers gelegenen Fürsorgeleistung entschloß, ist irrelevant, weil sie diese Leistungen jedenfalls nicht zum Vorteil eines an sich schadenersatzpflichtigen Schädigers erbringen wollte und Adam S*** mit der durch die Zitierung des Art.96 BayBG vereinbarten Vorausabtretung allfälliger Schadenersatzansprüche nur seiner dienstvertraglichen Verpflichtung entsprach. Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung 8 Ob 81/85 = VersR 1986, 1032, bereits ausgesprochen, daß in einem solchen Fall der Schadenersatzanspruch des Dienstnehmers, den er ohne die Weiterzahlungsvereinbarung als Folge der unfallsbedingten Arbeitsbehinderung gehabt hätte, aufrecht bleibt und vom Dienstgeber geltend gemacht werden kann. Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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