OGH 4Ob356/87

OGH4Ob356/8714.7.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Angst, Dr. Petrag und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei "BABY + KIND" Walter H*** Großhandel mit Baby- und Kinderausstattung & Renate H*** Gesellschaft m.b.H., Salzburg, Vogelweiderstraße 63, vertreten durch Dr. Peter Schmautzer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B*** Kinderwagen und Spielwaren Handelsgesellschaft m. b.H., Wien 10., Favoritenstraße 154, vertreten durch Dr. Werner Sporn, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Zahlung von S 1.998,-- s.A. und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisioralverfahren S 200.000,--) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 15.April 1987, GZ 2 R 60/87-9, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 30.Jänner 1987, GZ 37 Cg 430/86-5 abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen. Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die klagende Partei betreibt den Großhandel mit Baby- und Kinderausstattung. Sie ist sei Jahren österreichische Generalvertreterin der in der BRD ansässigen Frankonia Kinderausstattung G.m.b.H. & Co KG, von der sie ua Kinder-Sicherheitsautositze (im folgenden auch: "Kindersitze") der Marke "Storchenmühle" bezieht.

Am 17.6.1983 beantragte die klagende Partei die Typengenehmigung des von der Frankonia Kinderausstattungen GmbH & Co KG bezogenen Kindersitzes "Storchenmühle" Type P*** Gl-Z 9011. Der Artikel wurde einer behördlichen Überprüfung unterzogen; sodann wurde am 19.11.1984 vom Bundesministerium für Verkehr zu

Zl 85.717/1-IV/6-1983 der Typengenehmigungsbescheid erlassen, mit dem die genannte Type einer "Rückhalteeinrichtung für Kinder, bestehend aus einem Sicherheitsgurt für Kinder (Geschirrgurt) und einem Kindersitz" gemäß § 35 KFG 1967 und § 1 c KDV 1967 genehmigt wurde. Das behördliche Genehmigungszeichen besteht aus dem Großbuchstaben A in einem Kreis und der Zahl 04922. Die beklagte Partei betreibt einen Kleinhandel mit Kinderwagen und Spielwaren. Sie verkauft auf Grund von Direktimporten aus der BRD gleichfalls den genannten Frankonia-Kindersitz

"P*** GL-Z 9011". Die von der beklagten Partei vertriebene Originalware trägt jedoch nicht das Genehmigungszeichen A-4922, sondern ein deutsches Prüfzeichen (Beilage 1), das außer der Wortbildmarke "Storchenmühle" im wesentlichen den Hinweis auf die Überprüfung des Kinder-Sicherheits-Autositzes durch den TÜV (= Technischer Überwachungsverein) Rheinland-Köln und die Eignung des Gerätes für Kinder im Alter von ca 8 Monaten bis ca 3 1/2 Jahren sowie die Vermerke "EGE-R 44" und - in einem Kreis - "E 4" enthält. Die klagende Partei behauptet, die beklagte Partei verstoße durch den Verkauf dieser Kindersitze, die sie unter Umgehung des Alleinvertriebsrechtes der klagenden Partei importiere, gegen die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften, nach denen der Verkauf und die Verwendung von Kindersitzen ohne (österreichisches) Genehmigungszeichen unzulässig sei. Sie führe dadurch die Abnehmer in Irrtum, welche erwarteten, die gekaufte Ware auch benützen zu dürfen. Die klagende Partei begehrt daher mit dem - im wesentlichen dem Wortlaut des Klagebegehrens folgenden - Sicherungsbegehren, der beklagten Partei mit EV zu verbieten, Kindersitze der Marke "Storchenmühle" ohne Genehmigungszeichen anzubieten und zu vertreiben.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens, weil Kindersitze keiner Typengenehmigung nach dem KFG 1967 bedürften. Selbst wenn aber eine solche Genehmigung erforderlich wäre, würde sie auf Grund des Übereinkommens BGBl 1971/177 über die Annahme einheitlicher Bedingungen für die Genehmigung der Ausrüstungsgegenstände und Teile von Kraftfahrzeugen und über die gegenseitige Anerkennung der Genehmigung gemäß § 35 Abs 5 KFG 1967 durch die vorliegende "EGE-Genehmigung" ersetzt. Der von der klagenden Partei erwirkte Typengenehmigungsbescheid erstrecke sich auch auf die von der beklagten Partei importierten Exemplare der genehmigten Type. § 5 Abs 1 KFG wonach das für eine Type festgesetzte Genehmigungszeichen vollständig sichtbar und dauernd gut lesbar und unverwischbar angebracht werden muß (lit c), sei keine wettbewerbsregelnde Norm; dadurch, daß das Zeichen nicht angebracht wurde, erleide nur die beklagte Partei selbst einen wettbewerbsrechtlichen Nachteil. Auch bestehe zwischen den Streitteilen kein Wettbewerbsverhältnis.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Der klagegegenständliche Kinder-Sicherheitsautositz sei während seiner widmungsgemäßen Verwendung mit dem Fahrzeug fest verbunden und daher ein Ausrüstungsgegenstand im Sinne des § 5 Abs 1 KFG 1967; er bedürfe einer von der Prüfung des Kraftfahrzeuges getrennten Prüfung. Ausrüstungsgegenstände dieser Art dürften für Fahrzeuge, die für den Verkehr in Österreich bestimmt seien, nur feilgeboten werden, wenn sie einer genehmigten Type angehörten und das für die Type festgesetzte Genehmigungszeichen aufwiesen; letzteres müsse vollständig sichtbar, dauernd gut lesbar und unverwischbar an dem Ausrüstungsgegenstand angebracht sein. Die ausländische Genehmigung einer Type und ihr Kennzeichen entsprächen den Anforderungen des § 5 Abs 1 KFG 1967 nur dann, wenn sie vom Bundesminister für Verkehr anerkannt worden seien; das deutsche Genehmigungszeichen des klagegegenständlichen Kindersitzes sei aber dem österreichischen Genehmigungszeichen "A 04922" nicht als gleichgestellt anerkannt worden. Das von der beklagten Partei erwähnte Übereinkommen BGBl 1971/177 ersetze die ministerielle Anerkennung (in Österreich) nicht.

Die beklagte Partei habe daher gegen § 5 Abs 1 KFG 1967 verstoßen, weil an den von ihr verkauften Kindersitzen das für diese Type festgesetzte Genehmigungszeichen nicht angebracht war. Diese Verletzung sei aber nicht geeignet, das zwischen den Streitteilen - trotz unterschiedlicher Abnehmerkreise bestehende - Wettbewerbsverhältnis irgendwie zu beeinflussen; die beklagte Partei verschaffe sich durch das Unterbleiben einer solchen Kennzeichnung keinen Wettbewerbsvorteil.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei Folge und erließ das beantragte Verbot mit dem einschränkenden Beisatz: "sofern nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wird, daß sie (= die Kindersitze) nur mit diesem Genehmigungszeichen verwendet werden dürfen"; es sprach aus, daß der Wert des von der Abänderung betroffenen Streitgegenstandes S 15.000,--, nicht jedoch S 300.000,-- übersteige und der Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Das Rekursgericht billigte die Ansicht der ersten Instanz, daß für die klagsgegenständlichen Kindersitze eine österreichische Typengenehmigung nach § 35 KFG 1967 erforderlich sei, und führte dazu ergänzend aus, daß derartige Ausrüstungsgegenstände entweder einer gemäß § 35 Abs 1 KFG 1967 genehmigten oder einer im Ausland genehmigten Type angehören müssen, deren Genehmigung gemäß § 35 Abs 4 KFG 1967 anerkannt worden sei. Nach § 1 c Abs 8 a KDV müßten Sicherheitsgurte für erwachsene Personen der Regelung Nr. 16 BGBl 1980/504 entsprechen, Diese zum "Homologisierungsübereinkommen" BGBl 1971/177 ergangene Regelung betreffe Sicherheitsgurte für erwachsene Personen. Eine andere "Regelung", die Sicherheitsgurte für Kinder betreffe, sei zu diesem Übereinkommen nicht erlassen worden. Die Genehmigung von Sicherheitsgurten für Kinder richte sich daher nach den in § 23 KDV enthalten Bestimmungen; § 1 c KDV sei auch auf Sicherheitsgurten für Kinder anzuwenden. Auch der zitierte Typengenehmigungsbescheid des Bundesministeriums für Verkehr vom 19.11.1984 gründe sich auf § 35 KFG 1967 und § 1 c KDV.

Die klagegegenständlichen "Kindersitze" dürften daher in Österreich nur dann feilgeboten oder verwendet werden, wenn sie einer genehmigten Type angehörten, den geltenden Vorschriften entsprächen und auch das Genehmigungszeichen aufwiesen. Da die von der beklagten Partei vertriebenen Kindersitze zwar dem Typengenehmigungsbescheid des Bundesministeriums für Verkehr vom 19.11.1984 entsprächen, an ihnen aber nicht das dafür bestimmte Typenzeichen angebracht sei, verstoße schon das Feilbieten dieser Gegenstände gegen § 5 Abs 1 KFG 1967. Die beklagte Partei vertrete nach wie vor die Ansicht, daß die von ihr vertriebenen Kindersitze nicht genehmigungspflichtig seien; sie habe auch nicht behauptet, ihre Kunden auf das Fehlen eines gültigen Genehmigungszeichens hingewiesen zu haben, obwohl sie verpflichtet gewesen wäre, ihre Kunden über das Fehlen des Genehmigungszeichens betreffend die inländische Typengenehmigung und auf die mit der Verwendung der Gegenstände ohne diese Zeichen verbundenen Folgen (Strafbarkeit gemäß § 134 KFG 1967) aufzuklären. Die beklagte Partei nütze daher den Irrtum von Kunden aus, die mangels Aufklärung zu der Annahme verleitet würden, daß sie den Kindersitz ohne weiteres verwenden dürften. Darin liege ein Verstoß gegen § 2 UWG.

Die beklagte Partei erhebt Revisionsrekurs mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen; hilfsweise beantragt sie die Aufhebung der Entscheidung der zweiten Instanz. Die klagende Partei beantragt, dem Revisionsrekurs der beklagten Partei nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Das Rekursgericht stützt das von ihm erlassene Verbot nur noch auf die von der beklagten Partei hervorgerufene Irreführung (§ 2 UWG) des Publikums, das mangels Aufklärung zu der Annahme verleitet werde, den Kindersitz ohne weiteres verwenden zu dürfen. Dieses Verbot der zweiten Instanz ist entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin durch das Sicherungsbegehren gedeckt, mit dem ihr verboten werden soll, Kindersitze der Marke "Strochenmühle" ohne Genehmigungszeichen anzubieten und zu vertreiben. Dieses Sicherungsbegehren wurde in der Klage vor allem damit begründet, daß der Konsument nicht wisse, daß er diesen Kindersitz ohne Genehmigungszeichen nicht verwenden dürfe, und dadurch in Irrtum geführt werde. Da die klagende Partei den von der zweiten Instanz in den Spruch aufgenommenen einschränkenden Beisatz ("sofern nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wird, daß sie nämlich die Kindersitze nur mit diesem Genehmigungszeichen verwendet werden dürfen") nicht bekämpft hat, dieser Teil des Spruches aber mit einem auf § 1 UWG (wegen Vestoßes gegen gesetzliche Vorschriften) gestützten Unterlassungsgebot unvereinbar wäre, ist die angefochtene einstweilige Verfügung nur noch dahin zu prüfen, ob eine Verletzung des § 2 UWG vorliegt.

Im Rahmen dieses Rechtsgrundes kommt es aber auf die im Revisionsrekurs breit behandelte Frage, ob ein Kindersitz ein Ausrüstungsgegenstand im Sinne des § 5 Abs 1 KFG 1967 ist, ob die auf Grund der Verordnungsermächtigung des § 26 a KFG 1967 für die Genehmigung von Sicherheitsgurten erlassene Vorschrift des § 1 c KDV auf Kindersitze (wenigstens sinngemäß) anwendbar ist, und ob nur der Gurt oder auch der übrige Teil des Kindersitzes genehmigungspflichtig ist, nicht an. Die beklagte Partei weiß jedenfalls seit der Einleitung dieses Verfahrens, daß das zuständige Bundesministerium für die klagegegenständliche Type eines Kindersitzes, gestützt auf § 35 KFG 1967 und § 1 c KDV 1967, einen Typengenehmigungsbescheid erlassen hat. Da sich dieser Bescheid schon begrifflich auf alle der genehmigten Type entsprechenden Exemplare des betreffenden Ausrüstungsgegenstandes bezieht, soweit sie im Inland feilgeboten und für Fahrzeuge, die für den Verkehr im Inland bestimmt sind, verwendet werden, muß die beklagte Partei damit rechnen, daß durch die zuständigen Behörden und Sicherheitsorgane auch kontrolliert wird, ob das Genehmigungszeichen auf den in Österreich in Verwendung stehenden Ausrüstungsgegenständen gut sichtbar, dauernd gut lesbar und unverwischbar angebracht ist (§ 35 Abs 2 KFG 1967). Der beklagten Partei muß bewußt sein, daß Kunden, die bei ihr derartige Kindersitze kaufen, die nicht mit dem von der Behörde zugewiesenen Genehmigungszeichen versehen sind, Gefahr laufen, wegen eines Verstosses gegen § 5 Abs 1 lit c KFG 1967 gemäß § 134 Abs 1 KFG 1967 verwaltungsbehördlich bestraft zu werden. Daraus folgt aber, daß die beklagte Partei unabhängig davon, ob die von ihr gegen die Anwendung der §§ 5 und 35 KFG 1967 auf Kindersitze angebrachten Zweifel stichhältig sind oder nicht, zum Schutz ihrer Kunden vor Anständen bei Fahrzeugkontrollen und dgl. verpflichtet war, die von ihr in den inländischen Verkehr gebrachten Kindersitze mit dem von der Behörde festgesetzten Genehmigungszeichen zu versehen, sofern sie die Käufer über die möglichen Rechtsfolgen des Fehlens eines inländischen Genehmigungszeichens nicht aufklärte.

Wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat, kann auch im Verschweigen einer Tatsache eine Irreführung im Sinne des § 2 UWG liegen, wenn eine Aufklärung des Publikums zu erwarten war. Das wird vor allem überall dort der Fall sein, wo einer bestimmten Tatsache nach der Verkehrsauffassung eine solche Bedeutung zukommt, daß die Nichterwähnung dieses Umstandes geeignet ist, das Publikum in relevanter Weise in Irrtum zu führen (ÖBl 1984, 153; ÖBL 1985, 71 und 101; auch ÖBl 1981, 21 und ÖBl 1982, 126; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht14, 981; Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 23). Der Käufer, der eine Ware in einem inländischen Geschäft erwirbt, kann in aller Regel erwarten, sie ohne Einholung einer besonderen, erst die Sicherheit des Produktes bescheinigende behördliche Genehmigung verwenden zu dürfen; er darf gewöhnlich voraussetzen, daß die gekaufte Ware der Natur des Geschäftes gemäß benützt und verwendet werden kann (vgl. § 922 ABGB). Die beklagte Partei hat daher gegen § 2 UWG verstoßen, wenn sie derartige Kindersitze verkaufte, ohne für die Anbringung des inländischen Genehmigungszeichens zu sorgen oder die Käufer auf den allfälligen Rechtsmangel aufmerksam zu machen.

Da die beklagte Parte ihren Standpunkt, infolge Fehlens einschlägiger gesetzlicher Bestimmungen im KFG und in der KDV nicht verpflichtet zu sein, dieses Genehmigungszeichen an den Kindersitzen anzubringen (weil gar keine Genehmigungspflicht vorliege), während des vorliegenden Verfahrens aufrechterhalten hat, könnte ihr auch der Umstand, daß sie vom Vorliegen des Typengenehmigungsbescheides des Bundesministeriums für Verkehr vom 19.11.1984 erst im Zuge dieses Verfahrens Kenntnis erlangt hätte, nicht zugute kommen. Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 78, 393, 402 EO, 40, 50 ZPO.

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