OGH 9ObA25/87 (9ObA26/87, 9ObA27/87, 9ObA28/87, 9ObA29/87, 9ObA30/87, 9ObA31/87, 9ObA32/87, 9ObA33/87)

OGH9ObA25/87 (9ObA26/87, 9ObA27/87, 9ObA28/87, 9ObA29/87, 9ObA30/87, 9ObA31/87, 9ObA32/87, 9ObA33/87)1.7.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Rudda und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien

  1. 1. Vojislav A***, Schlosser, Wien 16., Seeböckgasse 30/1/20,
  2. 2. Josef B***, Monteur, Stegersbach 182, 3. Helmut B***, Dreher, Gattendorf 149, 4. Franz S***, Monteur, Sollenau, Neuwiesmuthstraße 7, 5. Gerhard S***, Monteur, Deutsch-Wagram, Werkgasse 23, 6. Kurt T***, Monteur, Wien 10.,

    Angeligasse 78-80/1/27 und 7. Walter W***, Dreher, Wien 21., Freiligrathplatz 6/2/5, alle vertreten durch Josef Redl, Sekretär der Gewerkschaft Metall-Bergbau-Energie, Wien 4., Plösslgasse 15, dieser vertreten durch Dr. Adolf Fiebich und Dr. Vera Kremslehner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei T*** & Co Gesellschaft mbH, Tankstellen- und Serviceeinrichtungen, Wien 17., Wattgasse 78-80, vertreten durch Dr. Egon Sattler, Rechtsanwalt in Wien, wegen restliche S 5.483,38, S 3.450, S 5.302,66, S 7.155,26, S 3.708,33, S 4.886,62 und S 6.760,33 brutto samt Anhang (Gesamtstreitwert S 36.746,58), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 20. November 1986, GZ 44 Cg 154/86-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 21. Juni 1985, GZ 8 Cr 1727/84-6, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das Urteil des Erstgerichtes in Ansehung der Revisionswerber wiederhergestellt.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 4.876,88 bestimmten Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens (darin S 1.404,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger waren Arbeitnehmer der Beklagten. Sämtliche Arbeitsverhältnisse wurden durch arbeitgeberseitige Kündigung im Jahre 1984 beendet.

Die Kläger begehrten restlichen Urlaubszuschuß für das Jahr 1984 und zwar der Erstkläger S 5.483,38, der Zweitkläger S 4.140, der Drittkläger S 5.891,84, der Viertkläger S 7.155,26, der Fünftkläger S 5.812,24, der Sechstkläger S 5.863,94 und der Siebentkläger S 6.760,33, jeweils brutto samt Anhang. Es sei üblich gewesen, den gesamten Urlaubszuschuß am 15. Juli eines jeden Jahres auszubezahlen. Der Zweitkläger und der Viertkläger begehrten überdies S 12.056,86 bzw. S 5.198,13 brutto; diese Ansprüche sind nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens.

Die Beklagte bestritt diese der Höhe nach außer Streit stehenden Ansprüche.

Das Erstgericht gab der Klage bezüglich des Erst-, Zweit-, Dritt-, Viert-, Sechst- und Siebentklägers zur Gänze und bezüglich des Fünftklägers mit einem Betrag von S 4.450 brutto samt Anhang statt und wies das Mehrbegehren des Fünftklägers von S 1.362,24 brutto samt Anhang ab.

Es stellte folgenden für das Revisionsverfahren noch wesentlichen Sachverhalt fest:

Seit dem Jahre 1971 akontiert die Beklagte den Urlaubszuschuß im Juni zu etwa 70 % und bezahlt den Rest im Juli aus; dies auch dann, wenn der Urlaub erst später angetreten wird. Lediglich wenn ein Arbeitnehmer seinen Urlaub schon vor Juni bzw. Juli konsumierte, wurde ihm der Urlaubszuschuß schon zu einem früheren Zeitpunkt ausgezahlt. Nur in den letzten Jahren kam es zu geringfügigen Abweichungen in den Auszahlungsterminen. Der Restbetrag wurde in den Jahren 1981 und 1982 im Hinblick auf Betriebsferien im Juli erst im August ausgezahlt. Im Jahre 1982 erfolgte die Akontozahlung erst im Juli, im Jahr 1983 am 27. Juli, die Restzahlung und Abrechnung am 15. August. Wenn ein Arbeitnehmer nach Auszahlung des kompletten Urlaubszuschusses etwa im September aus dem Betrieb der Beklagten ausschied, wurde bisher in keinem Fall eine Rückverrechnung des Urlaubszuschusses vorgenommen. Auch im Jahre 1984 wurden Ende Juni 70 % der Urlaubszuschüsse an alle Arbeitnehmer akontiert, eine Restauszahlung wurde jedoch nicht mehr durchgeführt. Die Kündigung des Viertklägers erfolgte zum 27. Juli 1984, die der übrigen Kläger in den Monaten August und September 1984.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß bei der Beklagten seit 1971 die Auszahlung des Urlaubszuschusses generell in der aus den Feststellungen ersichtlichen Form durchgeführt und eine Rückzahlung bei Ausscheiden des Arbeitnehmers nie verlangt worden sei. Die Kläger hätten daher Anspruch auf Auszahlung der ungekürzten Urlaubszuschüsse für 1984.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei, die den Zuspruch von S 12.056,86 an den Zweitkläger und von S 5.198,13 an den Viertkläger aus dem Titel der Einbeziehung der Auslösen in die Sonderzahlungen unbekämpft ließ, teilweise statt, sprach aus dem Titel des Urlaubszuschusses für 1984 dem Zweitkläger S 690, dem Drittkläger S 589,18, dem Fünftkläger S 741,67 und dem Sechstkläger S 977,32, jeweils brutto, zu und wies die aus diesem Titel erhobenen Begehren des Erstklägers, Viertklägers und Siebentklägers sowie die Mehrbegehren des Zweit-, Dritt-, Fünft- und Sechstklägers ab. Nach Neudurchführung des Verfahrens gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG übernahm das Berufungsgericht die Feststellungen des Erstgerichtes und stellte folgenden weiteren Sachverhalt fest:

Die Dienstverhältnisse des Erstklägers sowie des Viertklägers endeten am 27. Juli 1984, die des Drittklägers und des Siebentklägers am 10. August 1984 und die des Zweit-, Fünft- und Sechstklägers am 30. September 1984.

Abschnitt XVII des auf die Arbeitsverhältnisse der Parteien anzuwendenden Kollektivvertrages für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe enthält unter anderem folgende Bestimmungen:

"5. Der Arbeitnehmer hat einmal in jedem Kalenderjahr zum gesetzlichen Urlaubsentgelt Anspruch auf einen Urlaubszuschuß. Dieser Urlaubszuschuß beträgt ohne Rücksicht auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit 4 1/3 Wochenverdienste.

6. Der Urlaubszuschuß ist bei Antritt des Urlaubes fällig. Bei Teilung des Urlaubs gebührt nur der entsprechende Teil des Urteilszuschusses.

Wird ein Urlaub, auf den bereits Anspruch besteht, in einem Kalenderjahr nicht angetreten bzw. verbraucht, ist der für dieses Kalenderjahr noch zustehende Urlaubszuschuß mit der Abrechnung für Dezember auszubezahlen.

7. Arbeitnehmer erhalten im Eintrittsjahr den aliquoten Teil des Urlaubszuschusses vom Eintrittsdatum bis zum Ende des Kalenderjahres (je Woche 1/52stel).

Dieser ist bei Antritt des Urlaubes fällig.

Wird ein Urlaubsanspruch bis zum Ende des Kalenderjahres nicht erworben oder der Urlaub nicht angetreten, wird dieser aliquote Urlaubszuschuß am Ende des Kalenderjahres ausbezahlt.

8. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach Verbrauch eines Urlaubes und Erhalt des Urlaubszuschusses, jedoch vor Ablauf des Kalenderjahres endet, haben den auf den restlichen Teil des Kalenderjahres entfallenden Anteil des Urlaubszuschusses dann zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis auf eine der nachstehenden Arten aufgelöst wird:

  1. a) Kündigung durch den Arbeitnehmer,
  2. b) Entlassung aus Verschulden des Arbeitnehmers (§ 82 GewO),
  3. c) Austritt ohne wichtigen Grund.

    9. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor Verbrauch eines Urlaubes endet, haben Anspruch auf den aliquoten Teil des Urlaubszuschusses, entsprechend ihrer jeweils im Kalenderjahr zurückgelegten Dienstzeit (je Woche 1/52stel).

    Dieser Anspruch entfällt bei:

  1. a) Entlassung aus Verschulden des Arbeitnehmers (§ 82 GewO),
  2. b) Austritt ohne wichtigen Grund."

    Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, es sei nicht erwiesen, daß nach der bei der Beklagten bestehenden Übung die Auszahlung des Urlaubszuschusses auch dann erfolgte, wenn im Zeitpunkt der Auszahlung bekannt gewesen sei, daß das Dienstverhältnis noch während des Kalenderjahres enden werde. Daraus, daß die Auszahlung der restlichen Urlaubszuschüsse spätestens am 15. August eines jeden Jahres erfolgte, könne nicht abgeleitet werden, daß die Beklagte die Fälligkeit des gesamten Urlaubszuschusses zu diesem Zeitpunkt habe anerkennen wollen. Entsprechend der Regelung im Abschnitt XVII Punkt 6 erster Satz und Punkt 9 des Kollektivvertrages gebühre dem Arbeitnehmer daher der aliquote Urlaubszuschuß entsprechend dem Prozentsatz des verbrauchten Urlaubes oder der Dauer der im Kalenderjahr zurückgelegten Dienstzeit, wobei der höhere der ermittelten Prozentsätze maßgeblich sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Parteien - die Revision des Zoran S*** wurde vom Berufungsgericht rechtskräftig

zurückgewiesen - ist berechtigt.

Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zu Recht wenden sich die Revisionswerber gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, trotz regelmäßiger Gewährung des gesamten Urlaubszuschusses bereits zu einem früheren als dem im Kollektivvertrag bestimmten Zeitpunkt der Fälligkeit könne der Arbeitgeber bei vorhersehbarer Auflösung des Arbeitsverhältnisses - wenn etwa wie im vorliegenden Fall die Kündigung durch den Arbeitgeber beabsichtigt oder bereits erfolgt sei - von dieser Übung einseitig abgehen, den Urlaubszuschuß nur aliquot auszahlen und den gekündigten Arbeitnehmer auf die ungünstigere Regelung des Kollektivvertrages verweisen. Daß trotz regelmäßiger Zahlung vor der im Kollektivvertrag vorgesehenen Fälligkeit vom Arbeitgeber eindeutig zum Ausdruck gebracht worden wäre, daß es sich nur um eine freiwillige, unverbindliche und jederzeit widerrufliche Maßnahme handle, hat die hiefür beweispflichtige Beklagte nicht einmal behauptet. Sie hat ebensowenig vorgebracht, daß diese vorverlegte Zahlung auf Grund einer generellen, im voraus erlassenen Regelung nur jenen Arbeitnehmern gewährt worden sei, die sich im Zeitpunkt der Fälligkeit in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befunden hätten (vgl. SZ 48/135; Arb. 9.579). Es ist daher davon auszugehen, daß sämtliche Arbeitnehmer der Beklagten, ob gekündigt oder ungekündigt, im Hinblick auf den für sie erkennbaren Vepflichtungswillen der Beklagten (Arb. 9.786, 9.812, 10.434 ua) damit rechnen konnten, zum betriebsüblichen Auszahlungstermin den gesamten Urlaubszuschuß zur Verfügung zu haben; ihnen ist damit ein Rechtsanspruch auf ungekürzte Auszahlung des Urlaubszuschusses zu diesem Zeitpunkt erwachsen (§ 863 ABGB).

Zieht man in Betracht, daß der restliche Urlaubszuschuß ab dem Jahre 1971 regelmäßig im Juli ausgezahlt wurde, dann läßt der Umstand, daß infolge Betriebsurlaubs im Juli in den Jahren 1981 und 1982 der restliche Urlaubszuschuß erst am 15. August und dann auch noch im Folgejahr - ohne einen derartigen Anlaß - wieder am 15. August gezahlt wurde, weder einen zwingenden Schluß darauf zu, daß der Arbeitgeber damit einseitig die bisherige Übung abändern wollte, noch gar, daß die Arbeitnehmer mit einer derartigen vertragswidrigen Änderung des bisherigen Auszahlungsmodus zu ihrem Nachteil einverstanden waren.

Es ist daher auch für das Jahr 1984 von einer durch betriebliche Übung begründeten Fälligkeit des gesamten restlichen Urlaubszuschusses im Juli auszugehen, sodaß die Kläger, deren Dienstverhältnisse in diesem Zeitpunkt noch aufrecht waren, Anspruch auf ungekürzte Auszahlung des gesamten Urlaubszuschusses haben. Da die Arbeitsverhältnisse durch Arbeitgeberkündigung endeten, ist auch ein Anspruch der Beklagten auf aliquote Rückerstattung gemäß Abschnitt XVII Punkt 8 des Kollektivvertrages zu verneinen. Der Revision war daher Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichtes in Ansehung der Revisionswerber wiederherzustellen. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50, 54 ZPO. (Ein Teil der im Verfahren erster Instanz erwachsenen Gebühren wurde erst in zweiter Instanz und daher verspätet verzeichnet.)

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