OGH 2Ob15/87

OGH2Ob15/8730.6.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Leopold R***, Pensionist, 9112 Griffen, Rakounig 13, vertreten durch Dr. Gert Seeber, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagten Parteien

1. Walter D***, Maschinist, 9112 Griffen, Rakounig 5, und 2. D*** Allgemeine Versicherungs-AG, 1010 Wien, Schottenring 15, beide vertreten durch Dr. Kurt Dellisch, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 250.000 S und Feststellung (Revisionsstreitwert 212.200 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 23. Oktober 1986, GZ 7 R 152/86-37, womit infolge Berufungen der klagenden Partei und der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 22. Mai 1986, GZ 28 Cg 238/84-29, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Soweit die Revision die Bemessung des Schmerzengeldzuspruches bekämpft, wird sie zurückgewiesen; im übrigen wird dem Rechtsmittel nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, den Beklagten die mit 10.641,07 S (darin 1.920 S Barauslagen und 792,82 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger erlitt bei einem Verkehrsunfall am 1. Oktober 1982 als nicht angegurteter Beifahrer eines vom Erstbeklagten gelenkten und gehaltenen, bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKWs schwere Verletzungen mit Dauerfolgen. Der Erstbeklagte wurde mit rechtskräftiger Strafverfügung des Bezirksgerichtes Völkermarkt wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 4 StGB schuldig erkannt, weil er den Kläger dadurch am Körper schwer verletzt habe, daß er "infolge überhöhter Geschwindigkeit und unaufmerksamer Fahrweise mit dem PKW von der Fahrbahn abkam und über eine Böschung stürzte".

Unter Berücksichtigung einer Teilzahlung von 150.000 S forderte der Kläger an restlichem Schmerzengeld 250.000 S. Der Unfall sei auf das Alleinverschulden des Erstbeklagten zurückzuführen, den Kläger als Beifahrer treffe kein Mitverschulden. Wenn der Kläger auch zum Zeitpunkt des Unfalles nicht angegurtet gewesen sei, treffe ihn deshalb kein Mitverschulden, weil er infolge seiner starken Alkoholisierung nicht imstande gewesen sei, sich anzugurten. Die Beklagten bestritten das Klagebegehren, beantragten Klagsabweisung und wendeten ein, daß den Erstbeklagten am Zustandekommen des Verkehrsunfalles kein Verschulden treffe, sondern der Unfall alleine darauf zurückzuführen sei, daß der zwar alkoholisierte, aber noch zurechnungsfähige Kläger sich auf den Vordersitz des PKW des Erstbeklagten gesetzt habe und während der Fahrt so auf den Erstbeklagten gestürzt sei, daß dieser weder das Fahrzeug ordnungsgemäß lenken noch durch Gaswegnahme und Betätigung der Bremse entsprechend den Ereignissen abbremsen habe können. Dieses Herüberfallen des Klägers sei für den Erstbeklagten weder voraussehbar noch abwendbar gewesen. Den Kläger treffe ein zumindest 90 %iges Mitverschulden, da er den Erstbeklagten zu einer Geburtstagsfeier eingeladen hatte und wußte, daß dem Erstbeklagten und ihm nach der Geburtstagsfeier noch die gemeinsame Heimfahrt mit dem PKW des Erstbeklagten bevorstehe. Er hätte daher sowohl seinen eigenen Alkoholkonsum als auch jenen des Erstbeklagten in einem entsprechend begrenzten Umfang halten müssen, doch habe er dies nach seinen eigenen Angaben nicht getan. Der Kläger sei auch zu dem alkoholisierten Erstbeklagten trotz Kenntnis von dessen Alkoholisierung in den PKW eingestiegen. Der Kläger sei keineswegs so alkoholisiert gewesen, daß er nur mit fremder Hilfe den PKW des Erstbeklagten habe besteigen können. Er sei selbst in diesen PKW ohne fremde Hilfe eingestiegen und habe sich, obwohl er am Beifahrersitz Platz nahm, nicht angegurtet. Wäre er angegurtet gewesen, wäre der Unfall vermieden worden. Der Kläger müßte sich daher auf jeden Fall ein Mitverschulden anrechnen lassen. Die Beklagten bestritten auch die Höhe des Schmerzengeldes und das Bestehen von Dauerfolgen.

Das Erstgericht sprach dem Kläger 100.000 S sA an restlichem Schmerzengeld zu und stellte die Haftung der Beklagten gegenüber dem Kläger zur Gänze für sämtliche künftige Unfallsschäden fest, das Mehrbegehren von 150.000 S sA wurde abgewiesen. Das Erstgericht traf zu den im Revisionsverfahren noch strittigen Fragen des Schmerzengeldes und der Kürzung des Schmerzengeldanspruches des Klägers wegen Verletzung der Pflicht zur Gurtenanlegung zusammengefaßt folgende Feststellungen: Der Kläger erlitt bei dem Unfall ein Schädelhirntrauma mit Contusio cerebri, eine Schädelbasisfraktur, ein Trauma der Halswirbelsäule mit Verrenkungsbruch C 6 auf den 7. Halbswirbel mit Rückenmarksschädigung in Höhe des C 6, eine Nasenbeinfraktur mit Blutung aus Nase und linkem Ohr, Rißquetschwunden und Hautabschürfungen im Gesicht, am Unterarm links, am Becken rechts, in der Hüftgegend am Unterschenkel sowie Quetschungen und Verbrennungen 3. Grades der Finger 2 und 3 links mit Verlust des 2. Fingers links, Deformierung des 3. Fingers links mit Versteifung im Mittelphalanxgelenk. Es bestand noch im Jahre 1983 an den Händen eine deutliche Kraftminderung, doch waren bei der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. H*** keine relevanten objektivierbaren neurologischen Ausfälle mehr nachweisbar. Die mäßiggradige spastische Paraparese der Beine mit reduzierter Kraftleistung in allen Gelenken war aber nach wie vor bei der Untersuchung nachweisbar, allerdings ist die Kraftleistung bereits deutlich besser geworden. Abzugrenzen von der ursprünglich spastischen Tetraparese sind Veränderungen, die durch die alkoholbedingte Polyneuropathie verursacht sind. Dazu gehören insbesondere zunehmende Gefühlsstörungen in Richtung Zehen und Fingerspitzen, Tapsigkeit des Ganges und Lähmungserscheinungen, vornehmlich in den Muskeln, die den Vorfuß und die Zehen in der Bewegung beeinflussen. Unabhängig davon bestehen aber deutliche Hinweise verminderten Kraft sowie der Sensibilitätsstörung auf Grund der Störung im Bereich des Rückenmarkes (Verrenkungsbruch zwischen C 6 und C /). Derzeit ist die Gebrauchsfähigkeit der Hände praktisch der Norm entsprechend, lediglich etwas eingeschränkt durch Tremorsymptomatik (Fingerzittern, dies jedoch am ehesten hervorgerufen durch Alkohol). Die Gebrauchsfähigkeit der Beine ist deutlich herabgesetzt, auch wenn die alkoholbedingte Polyneuropathie außer Acht gelassen wird. In den ersten Tagen nach dem gegenständlichen Verkehrsunfall hat sich ein Delirium tremens ausgebildet der Kläger war in einer an sich lebensgefährlichen Situation. Die Länge dieses schweren Ausnahmezustandes dürfte mit etwa 7 bis 10 Tagen anzunehmen sein, exakte Angaben lassen sich aus der Krankengeschichte nicht mehr eruieren. Gesichert kann jedoch werden, daß eine entsprechende medikamentöse Therapie durchgeführt wurde und das an sich bedrohliche Krankheitsbild wiederum folgenlos ausgeheilt ist. Wenn auch ein Delirium tremens aus verschiedenen Gründen auftreten kann und an sich eine Komplikation bei chronischem Alkoholkonsum darstellt, so kann doch gesagt werden, daß nach einem Unfall vermehrt ein derartiges schweres Krankheitsbild auftreten kann. Die Kausalität des Delirium tremens zum Unfallsgeschehen kann nicht von der Hand gewiesen werden.

Der Kläger war insgesamt 185 Tage in Spitalsbehandlung und mußte durch 91 Tage einen Brust-Kopf-Gipsverband tragen. Bei Berücksichtigung des gesamten Behandlungsverlaufes erlitt der Kläger 7 bis 10 Tage starke, 40 bis 44 Tage mittlere und 100 Tage leichte Schmerzen. Sowohl aus unfallchirurgischer Sicht als auch aus neurologischer Sicht sind Dauerfolgen gegeben. Die Dauerfolgen aus unfallchirurgischer Sicht betreffen den Teilverlust des 2. Fingers der rechten Hand sowie die Bewegungseinschränkung im Halswirbelsäulenbereich. Aus neurologischer Sicht stellt die unfallsbedingte teilweise Wuerschnittlähmung auf jeden Fall eine Dauerfolge dar. Auf Grund der Rückenmarksschädigung durch den Verrenkungsbruch der 6. auf den 7. Halswirbel ergab sich auch eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von zunächst 60 %. Dieses Ausmaß war 1 Jahr nach dem Unfall gegeben und es trat zwischenzeitig eine Besserung ein, sodaß anläßlich der Untersuchung durch den Neurologen Dr. H*** die Minderung der Erwerbsfähigkeit nur noch 40 % beträgt. Wenn auch neurologischerseits keine Komplikationen in Zukunft mehr zu erwarten sind, kann ein Auftreten von epileptischen Anfällen nicht ganz ausgeschlossen werden (spättraumatische epileptische Anfälle). Der Kläger war nach dem Ende der Geburtstagsfeier hochgradig alkoholisiert, konnte aber gerade noch selbst in den PKW des Erstbeklagten einsteigen. Er war auf Grund seiner Alkoholisierung nicht in der Lage, den Sicherheitsgurt anzulegen. Der Erstbeklagte war nicht alkoholisiert und voll fahrtüchtig; er legte weder sich selbst noch dem Kläger den Sicherheitsgurt an. In rechtlicher Hinsicht erachtete das Erstgericht ein Schmerzengeld von insgesamt 250.000 S für angemessen und verneinte ein Mitverschulden des Klägers an dem Unfall. Auf Grund seiner durch die starke Alkoholisierung eingeschränkten Dispositionsfähigkeit treffe ihn auch kein Mitverschulden durch das Nichtanlegen des Sciherheitsgurtes, zumal ihn der Erstbeklagte auch nicht dazu aufgefordert habe.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung des Klägers gegen das Urteil des Erstgerichtes nicht Folge; hingegen wurde der Berufung der Beklagten Folge gegeben und das Urteil des Erstgerichtes dahin abgeändert, daß unter Einbeziehung des unbekämpft gebliebenen und des bestätigten Teiles der Entscheidung dem Kläger insgesamt 50.000 S sA zugesprochen und die Haftung der Beklagten für künftige Schmerzengeldansprüche des Klägers zu 80 %, für alle übrigen künftigen Unfallsschäden zur Gänze festgestellt wurde. Das Mehrbegehren von 200.000 S sowie das Feststellungsmehrbegehren wurden abgewiesen, das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es insgesamt entschieden hat, einschließlich des in Geld bestehenden Teiles 300.000 S nicht übersteigt, der Wert des bestätigten Teiles jedoch 60.000 S und jener des abändernden Teiles 15.000 S übersteigt, sowie daß die Revision sowohl gegen den bestätigenden als auch gegen den abändernden Teil der Entscheidung zulässig sei. Das Berufungsgericht erachtete das erstgerichtliche Verfahren als mängelfrei und übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes hinsichtlich des Unfallsherganges, der Verletzungen und der Unfallsfolgen des Klägers als unbedenklich. Hinsichtlich des Ausmaßes der alkoholbedingten Beeinträchtigung des Klägers traf es nach teilweiser Beweiswiederholung folgende Feststellungen:

Der Kläger war am Ende seiner Geburtstagsfeier stark alkoholisiert, jedoch zeitlich und örtlich orientiert und in der Lage, ohne fremde Hilfe das Fahrzeug des Erstbeklagten zu besteigen und am Beifahrersitz Platz zu nehmen. Es kann nicht festgestellt werden, daß der Kläger auf Grund seiner Alkoholisierung nicht in der Lage gewesen wäre, sich selbst mit dem vorhandenen Sicherheitsgurt anzugurten, wozu er allerdings vom Erstbeklagten, der sich ebenfalls nicht angurtete, auch nicht angehalten wurde.

Zur Frage der Kürzung des Schmerzengeldanspruches des Klägers wegen Unterlassung der Gurtenanlegung führte das Berufungsgericht aus, daß der Kläger verpflichtet gewesen sei, sich anzugurten. Es stehe auch nicht fest, daß der Kläger etwa infolge Alkoholisierung nicht in der Lage gewesen wäre, dieser Verpflichtung nachzukommen. In einer solchen Situation hätten aber, entgegen der Meinung des Klägers nicht etwa die Beklagten zu beweisen, daß die Verletzungen des Klägers nicht eingetreten wären, hätte er sich vorschriftsmäßig angegurtet, sondern es wäre Sache des Klägers gewesen, zur Vermeidung einer Kürzung seines Schmerzengeldanspruches nachzuweisen, daß die Folgen des Unfalles auch dann in gleicher Weise eingetreten, d.h. seine Verletzungen gleichwertig schwer gewesen wären, wenn er sich angegurtet hätte. Eine solche Behauptung habe der Kläger in erster Instanz gar nicht aufgestellt, wie auch keine Beweise, geschweige denn Feststellungen in dieser Richtung vorzuliegen. Nur dann, wenn der Kläger bewiesen hätte, daß auch die Unfallsfolgen gleich schwer oder noch schwerer gewesen wären, wenn er sich angegurtet hätte, dürfte keine Kürzung seines Schmerzengeldanspruches erfolgen. Was nun die Quote des sogenannten "Gurtenmitverschuldens" anlange, sei zu bedenken, daß die Intensität dieses Mitverschuldens nur nach den Umständen des einzelnen Falles beurteilt werden könne, wobei eine Verletzung der Gurtenanlegungspflicht im Regelfall nur als leichter Verstoß mit einem geringen Schuldgehalt anzusehen sei. Die Rechtsprechung nehme daher meist eine Quote von 25 % an. Es sei aber jeweils auch auf das Ausmaß des Verschuldens des Schädigers - hier des Erstbeklagten - Bedacht zu nehmen und dieses mit jenem des Geschädigten zu vergleichen. Sei etwa das Verschulden des Fahrzeuglenkers an der Auslösung des Unfalles sehr schwer und treffe den Verletzten daran überhaupt kein Mitverschulden, so könnte allenfalls sogar das Verschulden an der Nichtanlegung des Gurtes zu vernachlässigen sein. Die Rechtsprechung habe aber auch Mitverschuldensquoten von 20 % bei besonderer Lage des Falles als angemessen angesehen. Bei Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falles sei die Annahme einer 20 %igen Mitverschuldensquote deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger zwar nicht als deliktsunfähig angesehen werden konnte, er jedoch in seiner Einsicht in die von ihm zu vertretende Sorgfaltspflichtverletzung alkoholisierungsbedingt eingeschränkt gewesen sei, während dem Erstbeklagten ein weit größeres Verschulden anzulasten sei, hätte er es doch in der Hand gehabt, zu veranlassen, daß der Kläger entweder im Fond des Wagens Platz nehme oder sich tatsächlich angurte. Dazu komme, daß der Erstbeklagte eine überhöhte Geschwindigkeit gewählt und auch kein unfallverhinderndes Bremsmanöver ausgeführt habe. Angesichts dieser Komponenten sei es daher gerechtfertigt, aber auch erforderlich, eine Kürzung der gegenwärtigen und künftigen Ansprüche des Klägers aus dem Titel des Schmerzengeldes um 20 % vorzunehmen. In diesem Sinne sei auch das Feststellungsbegehren neu zu fassen und das Mehrbegehren des Klägers abzuweisen gewesen.

Hinsichtlich der Bemessung des Schmerzengeldes billigte das Berufungsgericht die vom Erstgericht vorgenommene Festsetzung mit insgesamt 250.000 S. Hievon seien wegen des Mitverschuldens des Klägers durch Verletzung der Gurtenanlegungspflicht 20 %, somit 50.000 S abzuziehen, sodaß der Schmerzengeldanspruch des Klägers 200.000 S betrage, wovon die Beklagten bereits eine Teilzahlung von 150.000 S geleistet hätten, sodaß dem Kläger noch 50.000 S gebührten. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Klägers aus den Anfechtungsgründen nach § 503 Abs. 1 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne des Zuspruches von insgesamt 250.000 S sA und Feststellung der Haftung der Beklagten zur Gänze für sämtliche künftige Unfallsschäden des Klägers. Die Beklagten beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zurückzuweisen, allenfalls dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben. Der Revisionsgrund nach § 503 Abs. 1 Z 2 ZPO liegt nicht vor (§ 510 Abs. 3 ZPO).

Soweit die Revision die Bemessung des Schmerzengeldes bekämpft, ist sie unzulässig.

Nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO ist die Revision, wenn sie nicht schon nach § 502 Abs. 2 und 3 ZPO unzulässig ist, überdies nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Gemäß § 508 a Abs. 1 ZPO ist das Revisionsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht gebunden. Von einer erheblichen Rechtsfrage des materiellen Rechts kann nicht gesprochen werden, wenn für die Bemessung des Schmerzengeldes die besonderen Umstände des Einzelfalles als einer von vielen möglichen Fallgestaltungen den Ausschlag geben. Zwar könnte zur Wahrung der Rechtseinheit auch eine Schmerzengeldbemessung revisibel sein, die von einer in ständiger Rechtsprechung anerkannten Ermessensübung extrem abweicht. Die bloßen Umstände des Einzelfalles dagegen sind nicht maßgebend.

Im vorliegenden Fall kann aber keine Rede davon sein, daß das Berufungsgericht bei der Schmerzengeldbemessung von einer in ständiger Rechtsprechung anerkannten Ermessensübung extrem abgewichen wäre. Der Entscheidung über die Höhe des Schmerzengeldes kommt daher nicht die Bedeutung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zu, sodaß in diesem Umfang die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Revision im Sinne der genannten Gesetzesstelle nicht vorliegen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision war daher in diesem Umfang als unzulässig zurückzuweisen.

Soweit die Revision die Kürzung des Schmerzengeldanspruches des Kläges wegen Verletzung der Gurtenanlegungspflicht bekämpft, ist sie zwar zulässig (§ 502 Abs. 4 Z 1 ZPO), aber nicht berechtigt. Der Revisionswerber führt aus, bei der Prüfung der Frage, ob die Ansprüche des Klägers wegen des Nichtanlegens des Gurts quotenmäßig zu kürzen seien, komme es nicht darauf an, ob der Kläger allenfalls (physisch) in der Lage war, sich anzugurten, sondern darauf, ob er für das Nichtanlegen des Gurts verantwortlich gemacht werden könne, oder ob ihm die Tatsache des Nichtanlegens nicht als (Mit-)Verschulden angelastet werden könne. Auch bereits eine Berauschung in einem Umfange, die die Zurechnungsfähigkeit noch nicht völlig ausschließe, könne jedenfalls dann, wenn sie auch nur das vom Berufungsgericht festgestellte Ausmaß gehabt haben sollte, sich bereits so auswirken, daß man dem Kläger eben kein Verschulden mehr an dem Umstand, daß er sich nicht selbst angegurtet habe, anlasten könne. Es möge sein, daß der Kläger nach dem Platznehmen im PKW (physisch) noch in der Lage gewesen wäre, mit der Hand nach der Gurtschnalle zu greifen und diese in die Gurtbuchse zu stecken, doch sei er sicher auf Grund seiner hochgradigen Alkoholisierung nicht mehr in der Lage gewesen, zu wissen, daß er einer Verpflichtung zum Gurtenanlegen entsprechen müßte, wie er auch nicht in der Lage gewesen sei, irgend ein Risiko zu erkennen, das sich aus der Nichtanlegung der Gurte ergebe. Beides wäre aber erforderlich, um zugunsten der Beklagten dem Kläger die Schmerzengeldansprüche kürzen zu können. Wenn schon im Normalfall, also bei völlig zurechnungsfähigen Mitfahrern, die Mitverschuldensquote wegen des Nichtanlegens der Gurte mit maximal 25 % ausgemessen werde, müsse bei einer hochgradigen Alkoholisierung, die den Kläger zumindest nahe an den Zustand einer die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden vollen Berauschung gebracht habe, eine Mitverschuldensquote als nicht gerechtfertigt erkannt werden, zumal ja der Erstbeklagte in Kenntnis dieser hochgradigen Alkoholisierung ein besonderes Maß an Verantwortung für seinen Beifahrer auch dahin gehabt hätte, diesen entweder im Fond des Wagens zu placieren oder zumindest ihm die Gurten anzulegen.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Gemäß Art. III der 3. KFG-Novelle BGBl. 1976/352 i.d.F. BGBl. 1984/253 sind, sofern der Sitzplatz eines Kraftfahrzeuges nach kraftfahrgesetzlicher Anordnung mit einem Sicherheitsgurt ausgerüstet ist, der Lenker und beförderte Personen, die einen solchen Sitzplatz benützen, je für sich zum bestimmungsgemäßen Gebrauch des Sicherheitsgurtes verpflichtet. Die Verletzung dieser Pflicht begründet, jedoch nur soweit es sich um einen allfälligen Schmerzengeldanspruch handelt, im Falle der Tötung oder Verletzung des Benützers durch einen Unfall ein Mitverschulden an diesen Folgen im Sinne des § 1304 ABGB. Das Mitverschulden ist soweit nicht gegeben, als der Geschädigte beweist, daß die Folge in dieser Schwere auch beim Gebrauch des Sicherheitsgurtes eingetreten wäre. Die Höhe der Mitverschuldensquote hängt von den Umständen des Einzelfalles sowie von der Schwere der Zurechnungsmomente beim Schädiger und beim Geschädigten ab. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß der Gesetzgeber die Verletzung der Gurtenanlegungspflicht im Regelfall als leichten Verstoß mit geringem Schuldgehalt angesehen hat (vgl. ZVR 1982/26 u.a.). Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewendet, ist darauf Bedacht zu nehmen, daß nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes der Kläger am Ende seiner Geburtstagsfeier stark alkoholisiert, jedoch zeitlich und örtlich orientiert und in der Lage war, ohne fremde Hilfe das Fahrzeug des Erstbeklagten zu besteigen und am Beifahrersitz Platz zu nehmen. Es konnte nicht festgestellt werden, daß der Kläger auf Grund seiner Alkoholisierung nicht in der Lage gewesen wäre, sich selbst mit dem vorhandenen Sicherheitsgurt anzugurten. Entgegen der Auffassung der Revision läßt sich aus den Feststellungen keineswegs ableiten, daß der Kläger zwar physisch noch in der Lage gewesen wäre, den Sicherheitsgurt anzulegen, jedoch zufolge seiner starken Alkoholisierung für das Nichtanlegen der Gurte nicht verantwortlich gemacht werden könnte. Mangels Feststellung einer die Zurechnungsfähigkeit des Klägers ausschließenden Alkoholisierung ist ihm daher die Verletzung der Gurtenanlegungspflicht als Mitverschulden anzulasten. Was die Ausmessung der Mitverschuldensquote anlangt, hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt, daß bei Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles die Annahme einer 20 %igen Mitverschuldensquote gerechtfertigt ist, weil einerseits der Kläger nicht als deliktsunfähig, jedoch in seiner Einsicht in die von ihm zu vertretende Sorgfaltspflichtverletzung infolge der Alkoholisierung eingeschränkt war, während andererseits dem Erstbeklagten, der nicht alkoholisiert war, ein weit schwererwiegendes Verschulden anzulasten ist, weil er nicht veranlaßte, daß der Kläger entweder auf den Rücksitzen des PKWs Platz nahm oder sich tatsächlich angurtete und überdies eine überhöhte Geschwindigkeit einhielt und ein unfallverhinderndes Bremsmanöver unterließ. Die Beklagten haben die Höhe der Mitverschuldensquote nicht bekämpft. Durch die Ausmessung der infolge der Verletzung der Gurtenanlegungspflicht dem Kläger anzulastenden Mitverschuldensquote mit 20 % kann sich der Kläger jedenfalls nicht beschwert erachten.

Der Revision war daher in diesem Umfang ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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