OGH 10ObS6/87

OGH10ObS6/8730.6.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Rudolf Pokorny und Karl-Siegfried Pratscher als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Helene I***, Pensionistin, 4052 Ansfelden, Freindorferstraße 37, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** DER

A***, 1092 Wien, Rossauer Lände 3, (Landesstelle Linz, 4021 Linz, Volksgartenstraße 14), wegen Ruhens einer Witwenpension und Pflicht zum Rückersatz, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Feber 1987, GZ 12 Rs 15/87-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Oberösterreich in Linz vom 15. Oktober 1986, GZ 4 C 142/86-8 (12 Cgs 184/87 des Landesgerichtes Linz), bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:

"1.) Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin Witwenpension für Oktober 1985 samt Sonderzahlung ohne Berücksichtigung des Ruhens, wegen eines daneben noch erzielten Erwerbseinkommens aus einer gleichzeitig ausgeübten Erwerbstätigkeit als Bedienstete der Post- und Telegraphenverwaltung, zu leisten.

2.) Die Beklagte hat die Rückforderung des mit ihrem Bescheid vom 26. März 1986, AZ 47-1924 270662/60, für Oktober 1985 festgestellten Überbezuges an Witwenpension von S 1.891,30 von der Klägerin zu unterlassen und dieser die bereits einbehaltenen Beträge binnen 14 Tagen nachzuzahlen.

3.) Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen die mit S 1.188,-- (darin enthalten S 108,-- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 1.188,-- (darin enthalten S 108,-- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen."

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 26. März 1986, AZ 47-1924 270662/60, stellte die Beklagte fest, daß die Witwenpension der Klägerin nach § 94 ASVG im Oktober 1985 mit S 974,90 ruht(e), forderte den (unter Berücksichtigung der im Oktober 1985 gebührenden Pensionssonderzahlung errechneten) Überbezug von S 1.891,30 nach § 107 Abs 1 ASVG zurück und rechnete ihn nach § 103 Abs 1 Z 2 ASVG auf die ab 1. Mai 1986 fällige Pensionsleistung auf, wobei sie erklärte, daß sie den Überbezug in zehn Raten von S 189,10 einbehalten werde.

Während die Klägerin in den übrigen Monaten des Jahres 1985 neben ihrer Witwenpension von S 4.310,90 als Vertragsbedienstete der Post- und Telegraphenverwaltung nur ein Erwerbseinkommen von S 5.799,-- erzielte, machte ihr Bruttobezug im Oktober 1985 wegen einer Belohnung von S 1.450,-- S 7.249,-- aus.

In ihrer Klage vom 19. Juni 1986 bekämpfte die Klägerin die Feststellung des Ruhens und die Berechtigung der Beklagten zur Rückforderung eines dadurch entstandenen Überbezuges und begehrte, den Bescheid der Beklagten aufzuheben, die Rückerstattung der bereits einbehaltenen Beträge binnen vier Wochen ab der Entscheidung und die sofortige Einstellung des Einbehaltens weiterer Raten. Die Klägerin vertrat die Meinung, daß die einmal jährlich, und zwar im Oktober ausgezahlte Zulage von S 1.450,-- nach § 49 Abs 3 Z 16 ASVG nicht als Entgelt (im Sinne des Abs 1 und 2 der zitierten Gesetzesstelle) gelte.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und bestritt die Rechtsansicht der Klägerin.

Das Schiedsgericht der Sozialversicherung für Oberösterreich in Linz wies das (von ihm umformulierte) Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, die Einbehaltung des Überbezuges an Pension von insgesamt S 1.891,30 ab 1. Mai 1986 zu unterlassen, die bereits einbehaltenen Beträge der Klägerin innerhalb von vier Wochen ab der Entscheidung zurückzuerstatten und die Einbehaltung von weiteren Raten aus diesem Titel sofort einzustellen, ab und verurteilte die Klägerin, der Beklagten den Überbezug an Pension von insgesamt S 1.891,30 abzüglich bereits geleisteter Zahlungen rückzuerstatten. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen ist die Klägerin seit 4. März 1974 ununterbrochen mit wechselndem Beschäftigungsausmaß bei der Post beschäftigt. Die im Oktober 1985 gewährte Zulage von S 1.450,-- stelle eine Belohnung für Post- und Telegraphenbedienstete dar, für die es keine Rechtsgrundlage gabe, die aber "in Form einer" (richtig wohl: gemäß einer) Dienstanweisung des Bundesministeriums für öffentliche Wirtschaft und Verkehr, Generaldirektion für die Post- und Telegraphenverwaltung, jährlich gewährt werde und ein sozialversicherungspflichtiges Einkommen darstelle. Diese Belohnung werde Mitte Oktober jeden Jahres an alle Bediensteten ausgezahlt, auch an solche, die ein Diensttelefon oder kein Telefon hätten. Es besteht keine Möglichkeit, die jährliche Belohnung nicht im Oktober auszuzahlen. Die Klägerin müßte sie aber nicht annehmen.

Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes handelt es sich bei dem im Oktober 1985 ausgezahlten Betrag nicht um einen Bezug, der unter die Ausnahmebestimmung des § 49 Abs 3 Z 16 ASVG fällt, sondern um ein "sozialversicherungspflichtiges Einkommen". Im Oktober 1985 sei daher ein Überbezug von S 1.891,30 entstanden, den die Beklagte nach § 107 Abs 1 ASVG rückfordern könne.

In ihrer nur wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobenen Berufung bekämpfte die Klägerin die Rechtsansicht des Erstgerichtes über die Nichtanwendbarkeit des § 49 Abs 3 Z 16 ASVG zwar nicht, meinte aber, daß die vom Dienstgeber gewährte, im Oktober jeden Jahres ausgezahlte Belohnung eine Sonderzahlung darstelle und daher kein Erwerbseinkommen im Sinn des § 94 ASVG sei. Die Berufungswerberin beantragte daher, das erstgerichtliche Urteil dahin abzuändern, daß die Beklagte die Einbehaltung des Überbezuges an Pension von S 1.891,30 ab 1. Mai 1986 zu unterlassen, der Klägerin die bereits einbehaltenen Beträge innerhalb von 4 Wochen zurückzuzahlen und die Einbehaltung weiterer Raten aus diesem Titel sofort einzustellen habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge und sprach aus, daß die Revision nach § 46 Abs 2 Z 1 ASGG zulässig sei. Nach Meinung der zweiten Instanz ist entscheidend, ob es sich bei den im Oktober 1985 ausgezahlten S 1.450,-- um ein aus der unselbständigen Erwerbstätigkeit der Klägerin gebührendes Entgelt im Sinn des § 94 Abs 3 lit a ASVG handelt. Unter Entgelt sei das im § 49 ASVG umschriebene Bruttoentgelt zu verstehen, Sonderzahlungen seien nicht zu berücksichtigen, weil sie nicht ausdrücklich erfaßt seien. Daß die Ausnahmebestimmung des § 49 Abs 3 Z 16 ASVG hier nicht zutreffe, werde auch in der Berufung nicht mehr bekämpft. Der im Oktober 1985 gezahlte Betrag stelle keine freiwillige soziale Zuwendung des Dienstgebers an bestimmte Gruppen der Dienstnehmer im Sinn der Z 11 der zitierten Bestimmung dar. Die Belohnung, die sich auf § 19 GG 1956 stütze, werde nämlich nicht aus sozialen Gründen, sondern nach Maßgabe der vorhandenen Mittel für besondere Leistungen gewährt, die nicht nach anderen Vorschriften abzugelten seien. Auch andere Ausnahmetatbestände träfen hier nicht zu. Der im Oktober 1985 ausgezahlte Betrag stelle auch keine Sonderzahlung dar. Sonderzahlungen seien Bezüge im Sinn des § 49 Abs 1 ASVG, die nur in größeren Zeiträumen gewährt würden. Tatbestandsmerkmal sei aber, daß der Dienstnehmer auf diese Bezüge Anspruch habe. Dies sei hier aber nicht der Fall, weil auf freiwillig gewährte Belohnungen im Sinn des § 19 GG 1956 kein Anspruch bestehe. Der im Oktober 19895 ausgezahlte Betrag gelte daher als bei der Prüfung der Voraussetzungen des Ruhens des Pensionsanspruches zu berücksichtigendes Entgelt im Sinn des § 49 Abs 1 ASVG. In der mit unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache begründeten Revision, in welcher die Klägerin die Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne ihres schon in der Berufung gestellten Antrages begehrt, wiederholt sie ihre Rechtsmeinung, daß der im Oktober 1985 ausgezahlte Betrag eine Sonderzahlung sei. Allenfalls könnte es sich dabei um eine freiwillige soziale Zuwendung des Dienstgebers an alle Dienstnehmer im Sinn des § 49 Abs 3 Z 11 ASVG handeln.

Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nach § 46 Abs 2 Z 1 ASVG zulässig; sie ist auch berechtigt.

Wird neben einem Anspruch auf Witwenpension noch Erwerbseinkommen aus einer gleichzeitig ausgeübten Erwerbstätigkeit erzielt, so ruhten im Kalenderjahr 1985 40 vH der Witwenpension mit dem Betrag, um den das im Monat gebührende Erwerbseinkommen S 6.156,-- überstieg, höchstens mit dem Betrag, um den die Summe aus Pension zuzüglich Hilflosenzuschuß und Erwerbseinkommen im Monat den Betrag von S 10.585,-- überstieg (§ 94 Abs 1 und 2 ASVG). Als Erwerbseinkommen im Sinn des Abs 1 der zitierten Bestimmung gilt nach deren Abs 3 lit a bei einer gleichzeitig ausgeübten unselbständigen Erwerbstätigkeit das aus dieser Tätigkeit gebührende Entgelt.

Unter Entgelt sind nach § 49 Abs 1 ASVG die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus aufgrund des Dienstverhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.

Sonderzahlungen, das sind Bezüge im Sinn des Abs 1, die in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen gewährt werden, wie zB ein 13. oder 14. Monatsbezug, Weihnachts- oder Urlaubsgeld, Gewinnanteile oder Bilanzgeld, sind nach Abs 2 der letztzitierten Gesetzesstelle als Entgelt nur nach Maßgabe der Bestimmungen des § 54 ASVG und der sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, in denen die Sonderzahlungen ausdrücklich erfaßt werden, zu berücksichtigen.

Als Entgelt im Sinn des Abs 1 und 2 des § 49 ASVG gelten nach dessen Abs 3 Z 11 nicht freiwillige soziale Zuwendungen des Dienstgebers an alle Dienstnehmer oder bestimmte Gruppen seiner Dienstnehmer oder an den Betriebsratsfonds sowie einmalige soziale Zuwendungen des Dienstgebers, die individuell bezeichneten Dienstnehmern aus einem besondern Anlaß gewährt werden, wie zB Geburtsbeihilfen, Heiratsbeihilfen, Ausbildungs- und Studienbeihilfen, Krankenstandsaushilfen.

Von den auf volle Schilling gerundeten Sonderzahlungen nach § 49 Abs 2 ASVG sind nach dessen § 54 Abs 1 in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung Sonderbeiträge mit dem gleichen Hundertsatz wie für sonstige Bezüge nach § 49 Abs 1 zu entrichten; hiebei sind die in einem Kalenderjahr fällig werdenden Sonderzahlungen bis zum sechzigfachen Betrag der für die betreffende Versicherung in Betracht kommenden Höchstbeitragsgrundlage (§ 45 Abs 1) unter Bedachtnahme auf § 45 Abs 2 zu berücksichtigen. Dem Vertragsbediensteten gebühren nach § 8 a Abs 1 VBG 1948 das Monatsentgelt und allfällige Zulagen. Außer dem Monatsentgelt gebührt dem Vertragsbediensteten nach Abs 2 leg.cit. für jedes Kalendervierteljahr eine Sonderzahlung in der Höhe von 50 vH des Monatsentgeltes und der Haushaltszulage, die ihm für den Monat der Auszahlung zustehen. Für die Nebengebühren der Vertragsbediensteten gelten nach § 22 Abs 1 leg.cit. die einschlägigen Bestimmungen für die Bundesbeamten sinngemäß. Eine Nebengebühr ist nach § 15 Abs 1 Z 7 GG 1956 die Belohnung im Sinn des § 19 dieses Gesetzes. Danach können dem Beamten nach Maßgabe der vorhandenen Mittel für besondere Leistungen, die nicht nach anderen Vorschriften abzugelten sind, Belohnungen gezahlt werden. Mit Zustimmung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Finanzen können Belohnungen auch aus sonstigen besonderen Anlässen gezahlt werden.

Leistungssachen sind nach § 354 ASVG unter anderem Angelegenheiten, in denen es sich um die Feststellung des Ruhens eines Anspruchs auf eine Versicherungsleistung (Z 1) und um die Feststellung der Verpflichtung zum Rückersatz einer zu Unrecht empfangenen Versicherungsleistung (Z 2) handelt.

Die zitierte Gesetzeslage zeigt, daß das bestätigende Urteil des Berufungsgerichtes auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache beruht (§ 503 Abs 1 Z 4 ZPO), und zwar auf der unrichtigen Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts, der schon wegen der fehlenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes erhebliche Bedeutung im Sinne des § 46 Abs 2 Z 1 ASGG zukommt (§ 503 Abs 2 ZPO).

Der der Klägerin im Oktober 1985 von ihrem Dienstgeber als "Belohnung" ausgezahlte Betrag von S 1.450,-- stellt einen unter den Entgeltbegriff des § 49 Abs 1 ASVG fallenden Geldbezug dar, auf den die Klägerin als pflichtversicherte Dienstnehmerin entweder Anspruch hatte oder den sie darüber hinaus aufgrund des Dienstverhältnisses erhielt.

Weil diese "Belohnung" zwar jährlich und damit regelmäßig, aber nur im Oktober gezahlt wird, handelt es sich um einen Bezug, der in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen gewährt wird und damit auch um eine Sonderzahlung im Sinn des § 49 Abs 2 ASVG. Darunter sind verpflichtende oder - entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes - freiwillige Zuwendungen im Sinn des § 49 Abs 1 leg.cit. - gleich welcher Benennung - zu verstehen, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit in bestimmten, über die Beitragszeiträume hinausgehenden Zeitabschnitten wiederkehren, wobei die Regelmäßigkeit der Leistungen im wesentlichen aus der Dienstgeberzusage oder aus dem tatsächlichen Ablauf der Ereignisse zu beurteilen ist (vgl. auch die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes: zB SoSi 1981, 215 mit weiteren Judikaturhinweisen; SVSlg. 28.703).

Weil Sonderzahlungen nach § 49 Abs 2 ASVG als Entgelt nur nach Maßgabe des § 54 ASVG und der sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, in denen die Sonderzahlungen ausdrücklich erfaßt sind, zu berücksichtigen sind, was hinsichtlich des Begriffs des Erwerbseinkommens im Sinn des § 94 Abs 1 und 3 lit a ASVG nicht der Fall ist (Gehrmann-Rudolph-Teschner, ASVG 558 Anm. 6 zu § 94), muß hier nicht geprüft werden, ob diese Sonderzahlung auch eine freiwillige soziale Zuwendung des Dienstgebers an alle Dienstnehmer oder bestimmte Gruppen seiner Dienstnehmer darstellt, in welchem Fall sie nach § 49 Abs 3 Z 11 ASVG nicht als Entgelt im Sinn der Abs 1 und 2 leg.cit. gelten würde, obwohl die in diesen beiden Absätzen genannten Voraussetzungen gegeben wären.

Das angefochtene Urteil war daher wie aus dem Spruch ersichtlich abzuändern.

Die Kostenentscheidungen beruhen auf § 77 Abs 1 Z 1 lit a und Abs 2 ASGG und der Höhe nach auf den verzeichneten Ansätzen.

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