OGH 14ObA19/87

OGH14ObA19/8717.6.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Josef Fellner und Mag. Karl Dirschmied als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Alfred P*** KG, Bau- und Brennstoffe, Kitzbühel, St. Johanner Straße 22-26, vertreten durch Dr. Albert Feichtner, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wider die beklagte Partei Walter M***, Kraftfahrer, Kitzbühel, Josef-Herold-Straße 22, vertreten durch Dr. Klaus Reisch, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen S 72.813,76 s.A. und Herausgabe (Streitwert S 5.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 9. Oktober 1986, GZ 1 a Cg 13/86-42, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Kitzbühel vom 27. Jänner 1986, GZ Cr 84/84-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 5.443,80 (darin S 385,80 Umsatzsteuer und S 1.200 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war seit 25. Februar 1980 im Unternehmen der Klägerin als Kraftfahrer beschäftigt. Er hatte vor allem Holztransporte nach Südtirol durchzuführen. Am 9. Oktober 1981 wurde er entlassen. Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 9. März 1984, 22 Hv 35/83, wurde er des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt. Das Strafgericht legte ihm zur Last, daß er in der Zeit vom 27. Februar 1981 bis 9. Oktober 1981 mit dem Vorsatz, sich unrechtmäßig zu bereichern, bei der Geltendmachung der Benzinkosten mehr Kilometer angegeben habe, als die Fahrtstrecke betrug, und überhöhte Rechnungen vorgelegt habe. Dadurch habe er der Klägerin einen zwar S 5.000 nicht aber S 100.000 übersteigenden Schaden zugefügt.

Mit der Behauptung, der Beklagte habe sie durch diese Manipulationen beim Tanken um S 67.993,20, aus einer (unrichtigen) Kassaabrechnung um S 3.502,20 und durch eine Privatfahrt mit dem LKW um S 4.200 geschädigt, verlangt die Klägerin S 72.813,76 sA. Weiters begehrt sie die Herausgabe von 11 Tachographenblättern über die Zeit vom 3. September bis 5. Oktober 1981, deren Rückgabe der Beklagte versprochen habe, sie aber grundlos nicht herausgebe. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Er habe nicht mit Rechnungen manipuliert, er habe nur tatsächlich verbrauchte Treibstoffmengen verrechnet. Da seine Entlassung ungerechtfertigt erfolgt sei, wende er seine Ansprüche auf restliches Entgelt samt Überstunden, anteilige Sonderzahlungen und Kündigungsentschädigung von insgesamt S 64.500 aufrechnungsweise als Gegenforderung ein. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren unter Verneinung des Bestandes der Gegenforderung statt. Es stellte im wesentlichen fest:

Der Beklagte war verpflichtet, in Italien Dieselkraftstoff zu tanken. Diesen bezog er in der Regel auf einer Tankstelle in Sterzing. Er kaufte dort aber auch verschiedene Waren wie Autoshampoo, Arbeitshandschuhe, Deodorant udgl., die er aber nicht bezahlte, sondern sich deren Gegenwert in der Rechnung als Kraftstoff ausweisen ließ. Im September 1981 unternahm der Beklagte mit dem LKW eine Privatfahrt nach Rovereto, um für einen Bekannten Fliesen abzuholen. Durch diese Privatfahrt entstand der Klägerin ein Schaden von S 4.200.

Wegen dieser Unregelmäßigkeiten kontrollierte die Klägerin die Abrechnungen des Beklagten genauer. Dabei stellte sich heraus, daß der Beklagte für eine Fahrtstrecke von 3.291 km 2.400 l Dieselkraftstoff verrechnet hatte, was einem Verbrauch von 73 l pro 100 km entsprach. Der Treibstoffverbrauch des beladenen LKW betrug aber nur zwischen 38 und 50 l. Auch bei widrigen Verhältnissen überstieg der Verbrauch die 50 l-Grenze nicht. Selbst bei unangepaßter Fahrweise oder erhöhter Geschwindigkeit ergab sich kein höherer durchschnittlicher Kraftstoffverbrauch als 45 l pro 100 km. Unter Zugrundelegung eines solchen Verbrauches ergab sich ein verrechneter Mehrverbrauch von 20,44 l pro 100 km und in Anbetracht sämtlicher vom Beklagten gefahrener Kilometer ein solcher von

13.736 l. Bei einem Dieselpreis von Lire 330 je Liter und einem durchschnittlichen Umrechnungskurs zur Zeit des Dienstverhältnisses von S 1,50 für 100 Lire, errechnet sich daraus ein Schaden der Klägerin von S 67.993,20.

Über seine Manipulationen zur Rede gestellt, gab der Beklagte zu, daß er pro Tankvorgang einen Mehrbetrag von Lire 10.000 bis 15.000 auf die Treibstoffrechnung setzen habe lassen. Um sich rechtfertigen zu können, wurden dem Beklagten

11 Tachographenscheiben ausgehändigt, die er jedoch seither nicht mehr zurückgab.

Der Beklagte erhielt auch Treuhandgelder. Er kam jedoch seiner Verrechnungspflicht nicht nach, wodurch der Klägerin ein Schaden von S 3.502,20 entstand. Überstunden leistete der Beklagte nur selten; diese wurden ihm jeweils durch Zeitausgleich abgegolten. Er erhielt die ihm zustehenden Nacht- und Auslandszulagen. Soweit noch Ansprüche auf Entgelt und Urlaubsabfindung bis zur Entlassung bestanden, fanden sie bei der Errechnung des Klagebetrages Berücksichtigung.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Beklagte wegen Begehens einer strafbaren Handlung im Sinne des § 82 lit d GewO zu Recht entlassen worden sei. Durch die Vorlage überhöhter Rechnungen habe er der Klägerin den nach § 273 ZPO ermittelten Schaden vorsätzlich zugefügt. Eine Mäßigung des Ersatzanspruches gemäß § 2 DHG komme daher nicht in Betracht. Er habe auch die zu Unrecht zurückbehaltenen Tachographenscheiben herauszugeben. Hingegen seien seine restlichen Lohnansprüche richtig abgerechnet worden. Eine Kündigungsentschädigung und die begehrte Weihnachtsremuneration gebühre ihm wegen der gerechtfertigten Entlassung nicht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch, traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht und ergänzte diese noch wie folgt:

Der Beklagte fuhr mit dem LKW insgesamt 67.203 km. Er verrechnete der Klägerin für diese Fahrten 43.976 l Diesel, was einem Verbrauch von 65,44 l pro 100 km entspricht. Da aber für 100 km selbst bei Überladung des Fahrzeugs nur ein durchschnittlicher Maximalverbrauch von 45 l Diesel pro 100 km angemessen war, verrechnete der Beklagte pro 100 gefahrene Kilometer um 20,44 l Treibstoff zu viel. Daraus folgt, daß der Beklagte der Klägerin insgesamt S 67.994,65 zu viel an Treibstoff verrechnete. Im übrigen billigte das Berufungsgericht die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Am Grunde des Anspruches bestehe schon wegen der strafgerichtlichen Verurteilung kein Zweifel. Auf das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz könne er sich wegen seines vorsätzlichen Verhaltens nicht berufen. Gegenforderungen stünden ihm wegen der gerechtfertigten Entlassung nicht zu.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Bestimmung des § 268 ZPO hindert den Zivilrichter nicht, über die Tatsachenfeststellungen des Strafrichters hinaus zusätzliche Tatsachen festzustellen (Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 861). Auch wenn daher der die strafgesetzlichen Wertgrenzen übersteigende Schaden nicht mehr zu den den Schuldspruch notwendigerweise bedingenden Tatsachen gehört (JBl 1986, 239), besteht für eine gesonderte Beurteilung des S 5.000 übersteigenden Schadens hier schon deshalb keine Veranlassung, als die Vorinstanzen über die Schadenshöhe ohnehin auf das Beweisverfahren gegründete Feststellungen getroffen haben. An der Beurteilung des Handelns des Beklagten als vorsätzlich ändert sich dadurch nichts, da der gesamte Schaden auf die gleiche Weise durch die Manipulationen mit überhöhten Treibstoffrechnungen verursacht wurde. Das Berufungsgericht hat auch alle für die rechtliche Beurteilung erforderlichen Feststellungen getroffen. Soweit sich der Revisionswerber gegen die Anwendung der Bestimmung des § 273 ZPO wendet, ist ihm entgegenzuhalten, daß für eine nach freier Überzeugung festgesetzte Höhe der Forderung ohnehin kein Raum blieb und das Berufungsgericht diese Bestimmung gar nicht angewendet hat. Der Schaden der Klägerin wurde vielmehr nach eingehender Beweisaufnahme konkret festgestellt. Inwieferne bei einer Aufteilung des durch die Manipulationen verursachten Schadens in einen solchen bis S 5.000 und einen solchen, der diesen Betrag übersteigt, ein "Abgehen vom Vorsatz" anzunehmen sei, ist unerfindlich. Mit ihren diesbezüglichen Ausführungen wendet sich die Revision daher lediglich in unzulässiger Weise gegen die Beweiswürdigung der Vorinstanzen; dies gilt auch für ihre Ausführungen, daß der Beweis, dem Beklagten seien 11 Tachographenblätter übergeben worden, mißlungen sei.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

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