OGH 14Os64/87

OGH14Os64/8710.6.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.Juni 1987 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Hörburger, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kleindienst-Passweg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Vladan S*** wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht St.Pölten vom 29. Jänner 1987, GZ 24 Vr 195/86-98, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Nurscher, und des Verteidigers Dr. Stern, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem - auf dem (stimmeneinhelligen) Wahrspruch der Geschwornen beruhenden - angefochtenen Urteil wurde der am 4. November 1951 geborene jugoslawische Staatsangehörige Vladan S*** der Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 (Z 1) StGB (Punkt A/I/2 b des Urteilssatzes), des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 erster und zweiter Fall StGB (Punkt A/I/1 a-c), der versuchten schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 StGB (Punkt A/I/2 a) und des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 zweiter Fall StGB (Punkt A/II) sowie des Vergehens nach § 36 Abs. 1 "lit. a und b" (richtig: Z 1 und 2; vgl BGBl. 1986/443) WaffenG (Punkt B/1 und 2) schuldig erkannt.

Das Verbrechen der schweren Nötigung liegt ihm zur Last, weil er am 11.Feber 1986 in Hadersfeld in Gesellschaft des zwischenzeitig verstorbenen Slobodan C*** als Beteiligten (§ 12 StGB) mit Gewalt gegen Personen, nämlich durch Fesseln und Einschließen der Elfriede W***, des Friedrich W***, des Reinhold W*** und des Roland W*** in einem Kellerraum, sowie durch Bedrohen der Genannten mit dem Erschießen und Vorhalten einer Pistole, sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tod, Friedrich W*** zur Herausgabe der Schlüssel des PKW Marke Honda Civic, polizeiliches Kennzeichen N 579.A72, und zur Duldung der Benützung des Fahrzeuges nötigte. Ausdrücklich nur diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 6 und 8 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Mit dem Hinweis, für den Fall, daß der Täter nach erfolgter räuberischer Besitznahme weitere Gewalt oder Drohung gegen den Beraubten zur Sicherung der Flucht oder zu dem Zweck anwendet, die Beute in Sicherheit zu bringen, liege eine straflose Nachtat vor, die dem Täter nicht gesondert zugerechnet werden dürfe, rügt er als Mangel der Fragestellung (Z 6) das Unterbleiben der Stellung einer Zusatzfrage dahin, "zu welchem Zweck die in der Hauptfrage III abgenötigte Duldung der Benützung des PKW N 579.A72 in Verbindung mit der Nötigung zur Herausgabe des Autoschlüssels erfolgte". Dieser Vorwurf geht fehl, weil nach der Prozeßordnung echte Zusatzfragen (§ 313 StPO) nur auf das Vorliegen von Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgründen oder der Voraussetzungen mangelnder Strafwürdigkeit (§ 42 StGB) gerichtet und unechte Zusatzfragen (§ 316 StPO) lediglich zur Erfassung strafsatzbestimmender Erschwerungs- und Milderungsgründe gestellt werden dürfen. Keiner dieser Fälle wird von der Beschwerde behauptet. Eine Zusatzfrage (zur Hauptfrage III) des Inhalts, wie sie der Beschwerdeführer reklamiert, sieht das Gesetz hingegen nicht vor, sodaß deren Stellung zu Recht unterblieben ist. Gleichermaßen versagt die (ebenfalls auf die zuvor wiedergegebene Argumentation gestützte) Rüge der Rechtsbelehrung (Z 8), deren vom Beschwerdeführer insoweit behauptete Unvollständigkeit seiner Meinung nach geeignet gewesen sei, die Geschwornen "über die Rechtsfrage und Rechtslage zur Hauptfrage III irrezuleiten".

Denn nach § 321 Abs. 2 StPO muß sich die Rechtsbelehrung lediglich (für jede Frage gesondert) auf eine Darlegung der gesetzlichen Merkmale jener strafbaren Handlungen, auf welche die Schuldfragen (Haupt- und Eventualfragen) gerichtet sind, auf eine Auslegung der in sämtlichen Fragen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes und auf eine Klarstellung des Verhältnisses der einzelnen Fragen zueinander sowie der Folgen ihrer Bejahung oder Verneinung erstrecken. Zu Erklärungen über die Voraussetzungen einer bloßen Scheinkonkurrenz besteht dabei regelmäßig schon deshalb kein Anlaß, weil nach jener strafbaren Handlung, die diesfalls in der anderen aufgeht, gar keine Frage zu stellen ist (vgl § 312 Abs. 2 StPO sowie SSt. 46/11; Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr 22 a zu § 345 Z 8), die Belehrung sich aber - wie eben ausgeführt - auf die tatsächlich gestellten Fragen zu beschränken hat.

Der Rechtsansicht des Beschwerdeführers hätte demnach nur dadurch Rechnung getragen werden können, daß nach dem Verbrechen der (schweren) Nötigung gar keine Hauptfrage gestellt wird (vgl Mayerhofer-Rieder aaO ENr 14 zu § 312), was aus der Z 6 des § 345 Abs. 1 StPO zu rügen gewesen wäre; in dieser Richtung hat der Beschwerdeführer den bezeichneten Nichtigkeitsgrund aber nicht geltend gemacht.

Im übrigen übersieht der Beschwerdeführer, daß selbst nach seiner eigenen, von den Geschwornen dem Wahrspruch mitzugrunde gelegten (geständigen) Verantwortung (S 451/II iVm S 163 f, 167/I, 395 ff/II) durch die eingangs wiedergegebenen Tatbegehungsmittel (Gewalt und Drohung) nach dem sorgfältig ausgeheckten Tatplan nicht nur den Mitgliedern der Familie W*** in deren Wohnhaus in Hadersfeld befindliche Sachen (Münzen, Pretiosen, Silberdraht und Bargeld) weggenommen, sondern darüber hinaus auch noch der Autoschlüssel und die Duldung der Benützung des Fahrzeuges des Friedrich W*** zwecks (rascher) Durchführung des im Anschluß daran (mit Bereicherungsvorsatz) geplanten Eindringens in das Goldschmiedegeschäft der Elfriede W*** in Wien-Brigittenau abgenötigt wurde; zudem diente der in Rede stehende PKW - abermals der eigenen Verantwortung des Angeklagten zufolge - keinesfalls (ausschließlich) der Verbringung der Beute an einen sicheren Ort oder der Flucht, wurde doch das Fahrzeug nach dem Umladen der Raubbeute in den zu diesem Zweck in einer Entfernung von 400 bis 1000 m vom Wohnhaus der Familie W*** in Hadersfeld bereitgestellten Mietwagen (vgl. S 163/I, 18, 30/II) gleichfalls zur Fahrt zu dem bezeichneten Geschäftslokal verwendet, wo die Täter nach dem Eindringen von der inzwischen verständigten Polizei gestellt und (der Mittäter) Slobodan C*** bei einem Schußwechsel von Polizeibeamten angeschossen und tödlich verletzt wurde. Werden aber - wie hier - durch die gegen das Raubopfer gerichteten Tathandlungen (auch) andere - vom Raub nicht betroffene - Rechtsgüter erfaßt, so unterliegen diese jedenfalls einer gesonderten Beurteilung (vgl. Leukauf-Steininger Kommentar2 RN 48, 49; Zipf im WK Rz. 57 jeweils zu § 142).

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten - wegen des im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde erörterten Verbrechens der schweren Nötigung wie auch der eingangs bezeichneten, ihm nach dem unbekämpft gebliebenen Schuldspruch weiters zur Last liegenden strafbaren Handlungen - nach §§ 28, 143 erster Strafsatz StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Jahren. Dabei wertete es das Zusammentreffen von vier Verbrechen mit zwei Vergehen, eine einschlägige Vorstrafe (wegen schweren Raubes), die brutale und rücksichtslose Vorgangsweise und die planmäßige Vorbereitung der Straftaten als erschwerend, hingegen das umfassende Geständnis, die Zustandebringung des geraubten Gutes und den Umstand, daß es in zwei Fällen beim Versuch blieb, als mildernd. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe an; ihr kommt keine Berechtigung zu.

Eine vom Angeklagten unter Berufung auf ein Privatgutachten Dris. S*** aus dem Jahr "1976" - welches seinen Angaben zufolge in dem seine Vorverurteilung betreffenden Strafverfahren, AZ 20 c Vr 9258/78 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, vorgelegt worden sein soll - als (weiterer) Milderungsgrund reklamierte verminderte Zurechnungsfähigkeit (§ 34 Z 11 StGB) könnte, abgesehen davon, daß dem bezüglichen Vorstrafakt verläßliche Anhaltspunkte hiefür nicht zu entnehmen sind, schon deshalb nicht entscheidend zum Vorteil des Angeklagten ausschlagen, weil sich aus der spezifischen Persönlichkeitsstruktur im Zusammenhalt mit dem Verhalten bei Begehung der in Rede stehenden Straftaten zugleich seine besondere Gefährlichkeit ergibt, wodurch der relevierte Milderungsgrund entsprechend relativiert wird (vgl 12 Os 107/76). Mit dem ihm ohnehin zugebilligten reumütigen Geständnis (§ 34 Z 17 StGB) hinwieder ist vorliegend auch der damit verbundene Beitrag zur Wahrheitsfindung dem Grunde nach erfaßt; dessen Gewichtung fällt in den Bereich der abschließenden Wertung aller für die Strafbemessung maßgebenden Erwägungen.

Die demzufolge im wesentlichen richtig und vollständig angenommenen Strafzumessungsgründe - in deren Rahmen dem Angeklagten allerdings die zweifache Eignung der Tat zum Verbrechen des schweren Raubes noch zusätzlich anzulasten gewesen wäre - hat das Geschwornengericht auch ihrem Gehalt entsprechend durchaus zutreffend gewürdigt. Angesichts des hohen Schuld- und Unrechtsgehalts der vorliegenden Straftaten und des einschlägig belasteten Vorlebens des Berufungswerbers, welches ihn nicht zuletzt im Hinblick auf die Verbüßung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe wegen schweren Raubes wie auch angesichts der reiflichen Überlegung und genauen Vorbereitung der vorliegenden Straftaten und der Intensität der dabei aufgewendeten Energie als einen Rechtsbrecher charakterisiert, dem es in gravierendem Maße an Verbundenheit mit den rechtlich geschützten Werten fehlt und der sich bedenkenlos - auch durch die Begehung schwerer Delikte - über die Schranken des Rechts hinwegsetzt, ist die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe jedenfalls nicht zu hoch bemessen, sodaß auch der Berufung ein Erfolg zu versagen war.

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