OGH 5Ob554/87

OGH5Ob554/879.6.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Martha D***, Hausfrau, Klagenfurt, Karawankenzeile 29/II/9, vertreten durch Dr. Franz Müller-Strobl, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider den Antragsgegner Ing. Ferdinand D***, ÖBB-Beamter, Klagenfurt, Wurzelgasse 28, vertreten durch Dr. Gerhard Fink, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens im Sinne der §§ 81 ff EheG infolge der Revisionsrekurse beider Teile gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 16. Februar 1987, GZ 1 R 62/87-16, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 27. November 1986, GZ 18 F 26/86-9, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs des Antragsgegners wird nicht Folge gegeben. Dem Revisionsrekurs der Antragstellerin wird teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß und der erstgerichtliche Beschluß (dessen Punkte 1 und 2 aufrecht bleiben) werden dahin abgeändert, daß die Antragstellerin schuldig erkannt wird, dem Antragsgegner binnen 4 Monaten eine Ausgleichszahlung in der Höhe von 90.000 S zu leisten.

Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin binnen 14 Tagen einen Beitrag von S 12.000 (einschließlich 10 % Umsatzsteuer) zu den Verfahrenskosten aller drei Instanzen zu leisten.

Text

Begründung

Die zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner am 8. April 1952 geschlossene Ehe, der zwei Söhne (geboren am 30. Mai 1955 bzw. 18. November 1957) entstammen, wurde (nach Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft der Ehegatten im Jahre 1980 (am 5. Mai 1986) gemäß § 55 Abs 3 EheG mit dem Ausspruch geschieden, daß der klagende Ehemann die Zerrüttung der Ehe allein verschuldet hat.

Im gegenständlichen Verfahren wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens nach §§ 81 ff EheG besteht zwischen den geschiedenen Eheleuten Einigkeit darüber, daß die Antragstellerin die ehemalige Ehewohnung, nämlich die dem Antragsgegner gehörende Eigentumswohnung in Klagenfurt, Karawankenzeile 29 II 9, samt den Einrichtungsgegenständen gegen Entrichtung einer Ausgleichszahlung an ihn ins Eigentum übertragen erhalten soll. Während die Antragstellerin einen Betrag von 70.000 S zu leisten bereit ist, begehrt der Antragsgegner, ausgehend von einem Zeitwert der Eigentumswohnung (abzüglich der darauf noch lastenden Verbindlichkeiten) von 292.000 S, mindestens einen Betrag von 117.000 S.

Das Erstgericht sprach aus, daß die Ehewohnung samt Einrichtungsgegenständen der Antragstellerin zur alleinigen und ausschließlichen Benützung zugewiesen werde, (Punkt 1), daß ihr Eigentumsrecht an den Miteigentumsanteilen, mit denen das Wohnungseigentum an der Ehewohnung verbunden ist, grundbücherlich einzuverleiben sei (Punkt 2), sowie daß die Antragstellerin schuldig sei, dem Antragsgegner binnen 4 Monaten eine Ausgleichszahlung von 117.000 S zu leisten (Punkt 3). Es traf folgende Feststellungen:

Die Anschaffung der Ehewohnung erfolgte mit Kaufvertrag vom 19. Juni 1969. Die monatlichen Zahlungen für die Wohnung betragen

1.328 S, wobei Müllabfuhr, Grundsteuer, Kanalgebühr und Rückzahlungsrate inbegriffen sind. Während aufrechter Ehe hat die Antragstellerin gelegentlich als Kinderfrau gearbeitet, daneben den Haushalt geführt und für die Pflege und Erziehung der beiden ehelichen Kinder gesorgt. Der Antragsgegner ist während der gesamten Dauer der Ehe bei den Österreichischen Bundesbahnen beschäftigt gewesen. Das Einkommen der Antragstellerin besteht aus Unterhaltszahlungen durch den Antragsgegner in der Höhe von 7.700 S monatlich und aus zwei monatlichen Renten von zusammen 5.200 S. Der Zeitwert der Eigentumswohnung beträgt 420.000 S, unter Berücksichtigung des Darlehensrückstandes per 31. Dezember 1985 288.000 S. Der Wert der Einrichtungsgegenstände liegt zwischen 20.000 S und 30.000 S.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß die Berufstätigkeit des Antragsgegners und die Haushaltsführung sowie Kindererziehung samt der vorübergehenden Beschäftigung der Antragstellerin als Kinderfrau einen Aufteilungsschlüssel von 1 : 1 rechtfertigten, daß aber unter Bedachtnahme auf die Einkommensverhältnisse der Antragstellerin die Ausgleichszahlung lediglich mit 117.000 S anzusetzen sei, zumal der Antragsgegner selbst diese Summe begehrt habe. Um eine Kreditaufnahme für die Ausgleichszahlung zu ermöglichen, sei die Zahlungsfrist mit 4 Monaten zu bestimmen.

Gegen den erstgerichtlichen Beschluß erhoben beide Parteien Rekurs. Die Antragstellerin strebte die Festsetzung der Ausgleichszahlung mit 70.000 S, der Antragsgegner deren Festsetzung mit 156.500 S (d.i. die Hälfte des Zeitwertes der Eigentumswohnung von 288.000 S und der Einrichtungsgegenstände von 25.000 S), zahlbar binnen einem Monat, an.

Das Rekursgericht gab beiden Rekursen nicht Folge und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Es führte aus:

Die Antragstellerin verweise darauf, daß die Einkommenssituation des Antragsgegners weit besser sei als ihre, was sich daraus ergebe, daß sich das Einkommen des Antragsgegners unter Einbeziehung der anteilsmäßigen Sonderzahlungen und nach Abzug der an sie zu leistenden monatlichen Unterhaltsbeiträge von 7.700 S auf monatlich über 20.000 S belaufe, dem ihr Einkommen von lediglich S 12.900 S monatlich gegenüberstehe. Der Antragsgegner hebe hervor, daß die Antragstellerin bei ihrem Einkommen ohne Schwierigkeiten eine Ausgleichszahlung von 156.500 S leisten könne, wobei ihr die Abwicklung einer Kreditaufnahme binnen Monatsfrist zumutbar sei. Grundsätzlich sei festzuhalten, daß die Höhe der Ausgleichszahlung nach § 94 EheG nach billigem Ermessen festzusetzen sei. Die hiebei zu beachtenden Billigkeitserwägungen könnten der beispielsweisen Aufzählung des § 83 EheG, aber auch § 94 Abs 2 EheG entnommen werden, seien aber nicht darauf beschränkt. Es komme daher nicht nur auf Gewicht und Umfang des Beitrages jedes Ehegatten zur Anschaffung des ehelichen Gebrauchsvermögens und zur Ansammlung der ehelichen Ersparnisse, auf das Wohl der Kinder und auf die nach § 81 Abs 1 EheG in Anschlag zu bringenden sowie auf die nach § 83 Abs 1 EheG zu berücksichtigenden Schulden, sondern auch darauf an, den vormaligen Ehegatten den Beginn eines neuen Lebensabschnittes tunlichst zu erleichtern. Es sei daher anzustreben, die Folge der Scheidung in wirtschaftlicher Hinsicht in einer für beide Teile möglichst ausgeglichenen Weise zu regeln. Die wirtschaftliche Grundlage der nunmehr getrennten Lebensführung solle nach dem konkreten Standard der beiderseitigen Lebensverhältnisse für beide Teile so weit wie möglich gesichert werden. Die Antragstellerin strebe unter Hinweis auf ihr Einkommen eine Herabsetzung der Ausgleichszahlung an. Nun könne aber nicht etwa gesagt werden, daß ihr Einkommen gering wäre und ihr geschiedener Ehegatte seinen Anteil an dem gemeinsamen Vermögen gegen eine unverhältnismäßig geringe Entschädigung aufzugeben hätte. Es müßten auch die Interessen des weichenden geschiedenen Ehegatten berücksichtigt werden. Auch dürfe bei der Festsetzung einer Ausgleichszahlung die Verschuldensentscheidung im Ehescheidungsverfahren nicht zu stark in Anschlag gebracht werden. Nach der von der Antragstellerin ins Auge gefaßten Lösung wäre es so, daß dem Antragsgegner weniger als die Hälfte des gemeinsamen Vermögens verbliebe, was hier sicher dem Ziel der Billigkeitserwägungen, ein individuell gerechtes Aufteilungsergebnis herbeizuführen, widerspräche. Daran ändere auch der von der Antragstellerin ins Treffen geführte, allerdings nicht festgestellte Umstand nichts, daß das Einkommen des geschiedenen Ehegatten bedeutend höher als ihres sei, denn es dürfe nicht übersehen werden, daß der Antragsgegner darauf angewiesen sei, sich eine neue Wohnmöglichkeit zu schaffen. Aus diesen Erwägungen könne dem Antrag der Antragstellerin, die Ausgleichszahlung auf 70.000 S herabzusetzen, nicht nähergetreten werden, zumal in den vom Erstgericht festgestellten monatlichen Belastungen durch die ehemalige Ehewohnung von 1.328 S die Rückzahlungsrate bereits enthalten sei, also im Gegensatz zu der im Rekurs der Antragstellerin vertretenen Auffassung nicht allzu sehr ins Gewicht falle.

Richtig sei zwar, daß der Antragsgegner eine Ausgleichszahlung von mindestens 117.000 S angestrebt habe, sodaß also nich etwa davon ausgegangen werden könne, der Antragsgegner hätte sich mit diesem Betrag begnügen wollen. Allerdings dürfe nicht übersehen werden, daß jede Zahlungsverpflichtung eines Ehegatten, die diesen in seiner neuen wirtschaftlichen Lage, wenn auch unter äußerster Anspannung seiner Kräfte, nicht wohl bestehen ließe, der nach § 94 Abs 1 EheG zu beachtenden Billigkeit widerspräche, wobei darauf Bedacht zu nehmen sei, daß der an der Ehescheidung unschuldige Teil in einem gewissen Maß besser zu bedenken sei als der schuldige Teil. Jedenfalls solle der völlig schuldlose Teil nicht infolge der durch das ehewidrige Verhalten des anderen Teiles ausgelösten Aufteilung des Gebrauchsvermögens in unzumutbare wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen. Halte man sich diese Grundsätze vor Augen, dann werde offenbar, daß der vom Erstgericht festgesetzte Ausgleichszahlungsbetrag auch nach oben hin die Grenze darstelle. Immerhin müsse die Antragstellerin zur Aufbringung der Ausgleichszahlung einen Kredit aufnehmen, der sie auf Jahre hinaus bedeutend einschränke. Das Rekursgericht sehe sich demnach nicht veranlaßt, zugunsten des Antragsgegners von der Entscheidung des Erstgerichtes abzuweichen, was auch für die Zahlungsfrist gelte, wobei auf § 94 Abs 2 EheG Bedacht zu nehmen sein. Eine Frist von 4 Monaten erscheine durchaus erforderlich, um sämtliche Kreditformalitäten bei der nicht unbedeutenden Höhe des Kredits abwickeln zu können.

Es erweise sich aber auch der Rekurs des Antragsgegners im Kostenpunkt als nicht berechtigt. Der Umstand allein, daß der Antragsgegner mit der Überlassung der Ehewohnung samt Einrichtungsgegenständen an die Antragstellerin einverstanden gewesen sei, habe das Erstgericht nicht der Prüfung des Wertes dieser Wohnung und der Beiträge der Parteien zur Wertschöpfung enthoben. Es bestehe daher kein Anlaß, die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin anzulasten, zumal der Antragsgegner einen wenn auch nicht bestimmten, so doch höheren Betrag an Ausgleichszahlung begehrt habe, als er tatsächlich zuerkannt erhalten habe. Weil beide Parteien mit ihren Rekursen erfolglos, mit ihren Rekursbeantwortungen hingegen erfolgreich geblieben seien, seien die Kosten des Rekursverfahrens gegeneinander aufzuheben gewesen. Im Sinne des § 232 Abs 1 AußStrG sei der Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig zu erklären gewesen, weil der Gegenstand, über den das Rekursgericht entschieden hat, an Geld den im § 502 Abs 3 ZPO bezeichneten Betrag von 60.000 S übersteigt. Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes richten sich die Revisionsrekurse beider Parteien. Die Antragstellerin strebt die Herabsetzung der ihr auferlegten Ausgleichszahlung auf 70.000 S, der Antragsgegner deren Erhöhung auf 156.500 S sowie deren Zahlung binnen Monatsfrist an; die Antragstellerin stellt hilfsweise noch einen Aufhebungsantrag. Beide Parteien beantragen in ihren Revisionsrekursbeantwortungen, dem Rechtsmittel der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Die Antragstellerin macht zusammengefaßt geltend, daß die von ihr zu leistende billige Ausgleichszahlung mit Rücksicht auf das wesentlich höhere Einkommen des Antragsgegners sowie dessen Alleinverschulden an der Ehezerrüttung einerseits und die ihr mögliche sowie unzumutbare Kreditaufnahme - sie habe inzwischen ein Alter von 67 Jahren erreicht, die Eigentumswohnung sei mit einem Wohnhauswiederaufbaufonds-Darlehen von 132.000 S

belastet - andererseits mit 70.000 S festzusetzen sei. Der Antragsgegner steht zusammengefaßt auf dem Standpunkt, daß unter Berücksichtigung der für ihn gegebenen Notwendigkeit, sich eine neue Wohnmöglichkeit zu schaffen, nur eine Festsetzung der Ausgleichszahlung in der Höhe der Hälfte des Wertes der der Antragstellerin zugewiesenen Ehewohnung samt Einrichtungsgegenständen, also mit 156.500 S, der Billigkeit entspreche und die Antragstellerin die zur Leistung dieser ihr auch zumutbaren Ausgleichszahlung erforderliche Kreditaufnahme mit Rücksicht auf die günstigen Bonitätsvoraussetzungen - sie sei nunmehr Alleineigentümerin der Eigentumswohnung - innerhalb Monatsfrist bewerkstelligen könne.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragsgegners ist nicht berechtigt; dem Revisionsrekurs der Antragstellerin kommt teilweise Berechtigung zu. Die Rechtsmittel werden aus Zweckmäßigkeitsgründen unter einem erledigt.

Beide Parteien sind sich darüber einig, daß die Umstände des vorliegenden Falles einen Aufteilungsschlüssel von 1 : 1 billig erscheinen lassen. Einverständnis besteht zwischen den Parteien auch darüber, daß der Antragstellerin als dem an der Ehescheidung schuldlosen Teil die Ehewohnung samt den Einrichtungsgegenständen zukommen soll. Was die Höhe der Ausgleichszahlung betrifft, so hat das Rekursgericht die nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bei der Festsetzung einer billigen Ausgleichszahlung im Sinne des § 94 EheG zu beachtenden Momente zwar zutreffend dargelegt, aber nicht richtig gewichtet. Nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes rechtfertigen die unterschiedlichen Einkommensverhältnisse der geschiedenen Eheleute (die Antragstellerin erhält monatlich 7.700 S an Unterhalt vom Antragsgegner und 2.000 S an Pension aus Italien sowie laut Beilage 3 3.223,20 S - offenbar 14mal jährlich - von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter; der Antragsgegner bezieht als ÖBB-Beamter laut Beilage B 23.916 S - offenbar 14mal jährlich -), das Alleinverschulden des Antragsgegners an der Ehezerrüttung und der Grundsatz, daß jede Zahlungsverpflichtung eines Ehegatten, die diesen in seiner neuen wirtschaftlichen Lage trotz äußerster Anspannung seiner Kräfte nicht wohl bestehen ließe, der nach § 94 Abs 1 EheG zu beachtenden Billigkeit widerspräche, eine Ausgleichszahlung der Antragstellerin von 90.000 S. Der Oberste Gerichtshof ist in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen der Auffassung, daß es der Antragstellerin im Hinblick auf ihr Einkommen und die ihr zugewiesene Ehewohnung möglich und zumutbar ist, innerhalb von 4 Monaten einen Kredit zur Leistung dieser Ausgleichszahlung aufzunehmen.

Es war daher dem Revisionsrekurs des Antragsgegners nicht Folge zu geben und dem Revisionsrekurs der Antragstellerin teilweise Berechtigung zuzuerkennen.

Den Revisionsrekursausführungen des Antragsgegners im Kostenpunkt ist zu erwidern, daß die Kostenentscheidung der Vorinstanzen vom Obersten Gerichtshof auch nicht mit einem nach § 232 AußStrG zulässigen Revisionsrekurs bekämpft werden kann (EFSlg 50.139, 8 Ob 501/86 ua).

Infolge des teilweisen Erfolges des Revisionsrekurses der Antragstellerin hatte der Oberste Gerichtshof über die Verfahrenskosten aller drei Instanzen zu erkennen; diese Entscheidung beruht auf § 234 AußStrG.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte