OGH 7Ob581/87

OGH7Ob581/874.6.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichsthofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers Dr. Kurt E***, Universitätsprofessor, Patsch, Serlesweg, wider die Antragsgegnerin Dr. Laura E***, Fachärztin, Bozen, Via Cadorna 2/e, wegen gesonderter Wohnsitznahme, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 30. Jänner 1987, GZ 2 b R 207/86-46, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 3. September 1986, GZ 2 F 3/85-41, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies im zweiten Rechtsgang das Begehren des Antragstellers auf Feststellung, daß die Weigerung der Antragsgegnerin, in die gemeinsame Wohnung nach Patsch zu ziehen, bzw. deren gesonderte Wohnungsnahme in Italien unrechtmäßig war und ist, ab. Nach seinen Feststellungen haben die Streitteile am 27. April 1979 geheiratet. Als Ehewohnung diente ihnen zunächst eine Mietwohnung in Innsbruck, Andechsstraße 18. Die Antragsgegnerin führte den Haushalt. Im Jahre 1981 wurde diese Wohnung aufgekündigt, weil die Streitteile beabsichtigten, in ihr eigenes Haus in Patsch zu ziehen. Dieses Haus wurde dann aber nicht zeitgerecht fertiggestellt. Ein weiterer Verbleib in der Ehewohnung war aber nicht möglich, weil der Eigentümer nach der Aufkündigung bereits einen anderen Mietvertrag abgeschlossen hatte. Die Ehegatten trennten sich daher Ende Oktober 1981. Sie vereinbarten, nach Fertigstellung des Hauses in Patsch dort die eheliche Lebensgemeinschaft wieder aufzunehmen. Die Antragsgegnerin zog mit dem ehelichen Kind zu ihren Eltern nach Bozen, um dort ihre Ausbildung zum Facharzt für Augenheilkunde abzuschließen. Sie nahm im Dezember 1981 eine Stellung im Krankenhaus in Bozen an und schloß ihre Ausbildung zum Facharzt im Oktober 1982 ab. Im Jahre 1983 erlangte sie die österreichische Staatsbürgerschaft. Im Mai 1983 erhielt sie von einem Abgeordneten zum Nationalrat Bescheid, daß das in Italien erworbene Facharztdiplom in Österreich anerkannt werde. Seit Dezember 1981 hat die Antragsgegnerin ein eigenes Arbeitseinkommen. Sie machte nie für sich gerichtlich einen Unterhaltsanspruch geltend.

Das Haus in Patsch war ab September 1982 bezugsfertig. Im Herbst 1983 ließ der Antragsteller der Antragsgegnerin wissen, sie solle nach Österreich kommen, er werde sie im Haus aufnehmen und ihr den Unterhalt reichen. Die Antragsgegnerin reagierte darauf, daß ihr das nicht genüge, um ihre Stellung als Augenärztin aufzugeben. Im Jahre 1983 war die Ehe noch nicht zerrüttet. Erst im Jahre 1984 trat eine "Abkühlung" in den Beziehungen der Ehegatten ein. In einem sachlich gehaltenen Schreiben vom 6. September 1984 forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin unter Setzung einer Frist bis 31. März 1985 auf, die eheliche Gemeinschaft durch Rückkehr in das gemeinsame Haus wieder aufzunehmen. In ihrem Antwortschreiben vom 20. Dezember 1984 begründete die Antragsgegnerin ihr Festhalten am bestehenden Zustand damit, daß der Antragsteller weder für sie noch für das Kind Unterhalt bezahlt habe, der Unterhalt durch ihn nicht abgesichert sei und sie in Innsbruck keine Stellung als Augenfachärztin erhalten werde. Am 28. Oktober 1985 brachte der Antragsteller beim Landesgericht Innsbruck die Klage auf Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Antragsgegnerin ein. Die Antragsgegnerin bestritt nicht, daß die Ehe zerrüttet ist, behauptete jedoch, daß das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe den Antragsteller treffe.

Nach der Auffassung des Erstgerichtes seien weder die behauptete mangelnde Alimentierung noch die günstigere Erwerbsmöglichkeit in Italien ein zureichender Grund für die Weigerung der Antragsgegnerin, in die gemeinsame Wohnung zu ziehen. Derzeit habe die Antragsgegnerin keinen Unterhaltsanspruch, weil sie sich weigere, die eheliche Gemeinschaft aufzunehmen, und weil bei der Unterhaltsbemessung auch ihr eigenes Einkommen zu berücksichtigen sei. Für den Fall der Aufnahme der ehelichen Gemeinschaft habe ihr der Antragsgegner die Alimentierung zugesichert. Die Voraussetzungen für die Ausübung des Berufes der Antragsgegnerin in Österreich seien gegeben. Eine allfällige zeitliche Unterbrechung ihrer Berufstätigkeit bis zur Erlangung einer Anstellung oder einer eigenen Praxis müsse die Antragsgegnerin in Kauf nehmen. Da jedoch nunmehr die Ehe zerrüttet sei, sei der Antragsgegnerin ein Zusammenleben mit dem Antragsteller nicht mehr zumutbar. Es sei daher die begehrte Feststellung nicht zu treffen, weil eine Trennung der Entscheidung dahin, daß die Weigerung der Antragsgegnerin bis zur Zerrüttung der Ehe unrechtmäßig gewesen sei, seither aber rechtmäßig sei, nicht gemacht werden könne.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es teilte dessen Rechtsansicht und führte aus, daß Gegenstand des außerstreitigen Verfahrens nach § 92 Abs. 3 ABGB nicht nur das einleitende, bereits in der Vergangenheit liegende und allenfalls bereits wieder beendete Verhalten der gesonderten Wohnungsnahme eines Ehegatten, sondern auch der noch andauernde und gegenwärtige Zustand sein soll, sodaß eine Teilung des Feststellungsbegehrens in verschiedene Phasen nicht in Betracht komme.

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs des Antragstellers ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Ehe der Streitteile wurde am 4. Mai 1987 gemäß § 55 a EheG rechtskräftig geschieden. Mit Vergleich vom gleichen Tage verzichteten beide Teile auf Unterhalt auch für den Fall der Not und geänderter Verhältnisse (15 Cg 408/85 des Landesgerichtes Innsbruck).

Nach § 90 ABGB sind die Ehegatten zum gemeinsamen Wohnen verpflichtet. Davon ist jener Ehegatte vorübergehend entbunden, dem das Zusammenwohnen mit dem anderen nicht zumutbar ist, oder dessen vorübergehende abgesonderte Wohnungsnahme aus wichtigen persönlichen Gründen gerechtfertigt ist (§ 92 Abs. 2 ABGB). Gemäß § 92 Abs. 3 ABGB kann die Rechtmäßigkeit des Verhaltens jedes Ehegatten bei der Wohnungsverlegung oder der vorübergehenden Wohnungsnahme vorher oder nachher auf Antrag jedes Ehegatten vom Außerstreitrichter überprüft werden. Ein Leistungsbegehren kann jedoch mit einem solchen Antrag nicht verbunden werden. Die Entscheidung des Außerstreitrichters hat nur feststellenden Charakter und kann nicht vollstreckt werden (Schwimann, Die nichtvermögensrechtlichen Ehewirkungen im neuen Recht in ÖJZ 1976, 365 f, insbesondere 370; Koziol-Welser, Grundriß7 II 180; Ent, Die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe in NZ 1975, 148; vgl. auch SZ 54/29). Der Zweck des Verfahrens vor dem Außerstreitrichter erschöpft sich somit in einer präjudiziellen Vorklärung für ein allfälliges späteres Unterhalts- oder Scheidungsverfahren (Schwimann aaO; Ent aaO). Ist die Ehe rechtskräftig geschieden und wurde ein Unterhaltsanspruch, für den die Entscheidung des Außerstreitrichters noch präjudiziell sein könnte, nicht erhoben, kann eine Entscheidung nach § 92 Abs. 3 ABGB ihrem Zweck nicht mehr dienlich sein. Die Entscheidung hätte nur mehr theoretische Bedeutung. Dies gilt auch für den Fall, daß die obgenannten Voraussetzungen (Scheidung der Ehe und mangelndes Unterhaltsbegehren) erst im Verlaufe eines Rechtsmittelverfahrens gegen eine Entscheidung des Außerstreitrichters nach § 92 Abs. 3 ABGB eintreten. Dem Rechtsmittelwerber kann dann nämlich kein Interesse an einer Änderung oder Beseitigung der angefochtenen Entscheidung mehr zukommen (vgl. Maurer in RZ 1981, 5 f). Das Vorhandensein eines Rechtsmittelinteresses ist aber für die Zulässigkeit eines jeden Rechtsmittels - auch im Außerstreitverfahren - erforderlich. Es muß nicht nur bei Erhebung des Rechtsmittels gegeben sein, sondern auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung darüber fortbestehen. Es ist nämlich nicht Sache der Gerichte, über Fragen zu entscheiden, die nur abstrakt-theoretische Bedeutung haben (EvBl. 1973/204; EFSlg. 25.695 ua). Fehlt das Rechtsmittelinteresse im Zeitpunkt der Entscheidung, ist das Rechtsmittel zurückzuweisen (NZ 1970, 182). Im vorliegenden Fall wurde die Ehe der Streitteile am 4. Mai 1987 bei beiderseitigem Unterhaltsverzicht geschieden. Es steht überdies fest, daß die Antragsgegnerin vorher einen Unterhaltsanspruch gerichtlich nie geltend machte. Eine Entscheidung nach § 92 Abs. 3 ABGB kann daher keine präjudiziellen Wirkungen mehr entfalten. Dem Rekurswerber fehlt daher ein Rechtsmittelinteresse.

Demgemäß ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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