OGH 10Os40/87

OGH10Os40/8726.5.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.Mai 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kleindienst-Passweg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Josef A*** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 2, 129 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16.Dezember 1986, GZ 9 c Vr 7781/86-82, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik, und des Verteidigers Dr. Gugg, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und der Privatbeteiligten Johanna I*** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird,

1. in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde im Punkt II B des Schuldspruches und demzufolge im Ausspruch über die rechtliche Beurteilung der zu Punkt II (vormals A und B, jetzt nur noch A) bezeichneten Tathandlungen als teils versuchter schwerer Betrug nach §§ 147 Abs. 2 und 15 StGB,

2. gemäß § 290 Abs. 1 StPO im Punkt IV 1 des Schuldspruches und demgemäß in der Bezifferung des Wertes der laut Punkt IV gestohlenen Sachen mit mehr als 100.000 S, im Ausspruch über die rechtliche Beurteilung der zu Punkt IV bezeichneten Tathandlungen (zur Gänze) sowie in der Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche, soweit sie den Zuspruch von 15.000 S an die Privatbeteiligte Johanna I*** betrifft, und

3. demgemäß im Strafausspruch sowie im Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft

aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen.

II. Der Angeklagte wird mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde, soweit sie sich auf Punkt IV 1 des Schuldspruches bezieht, sowie mit seiner Berufung wegen Strafe auf die zu I. getroffene Entscheidung verwiesen.

III. Ansonsten wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

IV. Der Berufung gegen die Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche der Johanna I*** in der restlichen Höhe von 1.000 S wird Folge gegeben, auch der Zuspruch dieses Betrages an die genannte Privatbeteiligte aufgehoben und diese insoweit gemäß § 366 Abs. 2 StPO auf den Zivlrechtsweg verwiesen.

V. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die auf den erfolglos gebliebenen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem (auch einen Teilfreispruch enthaltenden) angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Josef A*** der Vergehen des Geldwuchers nach § 154 Abs. 1 StGB (Punkt I 1 und 2 des Urteilsspruches), des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2; 12 und 15 StGB (Punkt II A und B) sowie der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 StGB (Punkt III) und des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 2, 129 Z 1 (Punkt IV 1 und 2) schuldig erkannt:

Darnach hat er in Wien

I. die Zwangslage und den Leichtsinn Nachgenannter dadurch ausgebeutet, daß er sich jeweils für eine Leistung, die der Befriedigung eines Geldbedürfnisses diente, einen Vermögensvorteil gewähren ließ, der im auffallenden Mißverhältnis zu der eigenen Leistung stand, nämlich

1. am 23.August 1982 von Anita L*** für die Vermittlung eines Darlehens von 30.000 S einen Bargeldbetrag von 10.000 S, und

2. am 30.November 1982 von Ursula S*** für die Vermittlung eines Darlehens von 40.000 S ein Bargeldbetrag von 15.000 S;

II. mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen A/ am 28.Jänner 1983 dem Gottlieb K*** zum Verkauf von Schmuckstücken verleitet, wodurch der Genannte um 4.982 S am Vermögen geschädigt wurde, und zwar durch die Vorgabe, ein zahlungsfähiger und zahlungswilliger Käufer zu sein, und B/ am 10.Jänner 1983 als Beteiligter (§ 12 StGB) mit der abgesondert Verfolgten Ingrid N*** Angestellte der

C***-B*** Ottakring zur Zuzählung eines Kredites von 90.000 S, sohin zu Handlungen, welche das genannte Geldinstitut (um diesen Betrag) am Vermögen schädigen sollten, zu verleiten versucht, indem er für die Genannte, die beschäftigungslos war, eine Lohnbestätigung besorgte und diese den Kreditantrag stellte;

III. sich am 20.April 1982 ein Gut, das ihm anvertraut worden war, nämlich ihm von Johanna I*** für Richard M*** übergebene 1.000 S, mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern; sowie

IV. fremde bewegliche Sachen in einem 100.000 S übersteigenden Wert Nachgenannten mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

  1. 1. am 20.April 1983 der Johann I*** 15.000 S, und
  2. 2. am 27.Mai 1985 in Gesellschaft als Beteiligter (§ 12 StGB) mit den abgesondert Verfolgten Siegfried D*** und Herbert S*** Verfügungsberechtigten der Firma W*** Silberwaren AG Bremen 209 Stück silberne Besteckteile im Wert von 91.000 S durch Einbruch in das Lager der Firma W*** Silberwarenverkaufs Ges.m.b.H. Wien. Im Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung wurde vom Verteidiger die Erklärung abgegeben, daß das Urteil nur mehr in den Punkten I 1, II B und IV 1 des Schuldspruches, und zwar allein im Umfang der in der Rechtsmittelschrift zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 4 StPO enthaltenen Ausführungen bekämpft und die Nichtigkeitsbeschwerde im übrigen Umfang zurückgezogen werde. Bekämpft werden - wie schon in der insoweit aufrecht bleibenden Rechtsmittelschrift - der Strafausspruch und die Zuerkennung eines Ersatzanspruches von 1.000 S an die Privatbeteiligte Johanna I*** mit Berufung (der Zuspruch von weiteren 15.000 S an die Genannte blieb unangefochten).

    Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt teilweise Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Zu den "Vorbemerkungen" zur Verfahrensrüge, die nicht zurückgezogen wurden, genügt ein Hinweis darauf, daß die bemängelte Unterlassung der Zustellung von vor der Hauptverhandlung eingebrachten schriftlichen Beweisanträgen des Verteidigers an den Staatsanwalt (§ 222 Abs. 2 StPO) vom taxativen Katalog der Nichtigkeitsgründe nicht erfaßt wird, ganz abgesehen davon, daß nicht zu erkennen ist, inwiefern diese Unterlassung für den Angeklagten eine Beschwer mit sich gebracht haben sollte. Auf die in diesem Zusammenhang angestellten rechtspolitischen Überlegungen allgemeiner Art einzugehen aber ist müßig, weil der Oberste Gerichtshof nur über konkrete deutlich und bestimmt bezeichnete Nichtigkeitsgründe zu befinden hat (§ 285 a Z 2 StPO).

Zum Urteilsfaktum I 1:

Hiezu moniert der Angeklagte, daß von der Vernehmung der Anita L*** Abstand genommen worden sei, obwohl sein Verteidiger erklärt habe, auf deren Vernehmung nicht zu verzichten; eine Ausforschung sei gar nicht erst versucht worden.

Letztere Behauptung ist aktenwidrig. Am 2.Dezember 1986 wurde der Polizei ein Erhebungsauftrag zur Ausforschung des Aufenthaltes der Zeugin L*** erteilt (ON 78). Die Nachforschungen verliefen negativ (ON 79), einem überdies erteilten Auftrag zur Vorführung der Zeugin konnte wegen deren unbekannten Aufenthaltes nicht entsprochen werden (ON 80). Diese Vorgänge wurden im übrigen dem Beschwerdeführer eingangs der Hauptverhandlung vom 16.Dezember 1986 ausdrücklich bekanntgegeben (S 343 II). Da das relevierte Beweismittel demnach dem Gericht nicht zur Verfügung stand, kann sich der Angeklagte - der übrigens selbst die Vernehmung der genannten Zeugin gar nicht beantragte - in seinen Verteidigungsrechten nicht beschwert erachten.

Nach diesen Erhebungsergebnissen war die im Vorverfahren abgelegte Aussage der Zeugin Anita L*** in der Hauptverhandlung gemäß § 252 Abs. 1 Z 1 StPO auch ohne das Einverständnis des Angeklagten zu verlesen, desgleichen die von ihr erstattete Anzeige gemäß § 252 Abs. 2 StPO. Das Erstgericht konnte sich zu Recht auf die solcherart in der Hauptverhandlung vorgetragenen Beweismittel stützen. Von einem Vorgang, der an die "lettres de chachet" erinnern soll, kann bei diesem prozeßordnungsgemäßen Vorgehen überhaupt keine Rede sein; die diesbezüglich gegen das Erstgericht erhobene Polemik - durch einen Vergleich mit Zuständen wie sie vor der französischen Revolution geherrscht hätten - ist daher völlig fehl am Platz.

Der Oberste Gerichtshof hat im übrigen auch keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 252 Abs. 1 Z 1 StPO. Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen der Verfahrensrüge in diesem Zusammenhang der Sache nach eine Mängelrüge (Z 5) ausführt, indem er behauptet, das Erstgericht habe sich mit unzureichender Begründung über einen Widerspruch im Vorbringen der Zeugin L*** betreffend die Geldübergabe an ihn im Kreditinstitut hinweggesetzt, ist auch jener Vorwurf nicht stichhältig; denn in Ansehung dieses vom Erstgericht als nicht entscheidungswesentlich erkannten Umstands, hat der Angeklagte selbst in der Hauptverhandlung eingeräumt (S 284/II), unmittelbar nach der Zuzählung eines Betrages von 60.000 S an die Zeugin L*** sowie den faktisch gleichfalls als Darlehensnehmer aufgetretenen Svetomir S*** eine "Provision" von beiden erhalten zu haben.

Die Rüge der Abweisung des Antrages auf Ausforschung und zeugenschaftliche Vernehmung des mit dem Kreditfall L*** befaßten Mitarbeiters des "Vereines für Konsumenteninformation" ist gleichfalls unberechtigt. Denn das Schöffengericht ging ohnedies davon aus, daß die Genannte erst nach Vorsprache bei der Konsumentenberatung gegen den Angeklagten Anzeige erstattete (US 11). Dafür aber, daß sie dort erst "auf den Gedanken gebracht" worden sein könnte, "es könne sich hier eine Möglichkeit eröffnen, zu Geld zu kommen", und solcherart zu falschen Angaben veranlaßt worden wäre, was der Beschwerdeführer rein spekulativ unterstellt, bestehen nicht die geringsten Anhaltspunkte.

Dem mit diesem Antrag unternommenen Versuch einer eklatanten bloßen Erkundungs-Beweisführung ist demnach das Erstgericht völlig zu Recht nicht nähergetreten, sodaß die abermals kraß polemische "Annahme", es hätte "bei jedem anderen Angeklagten diesen Argumenten Gehör geschenkt", verbunden mit der rethorischen Frage, ob die Vorstrafenliste die Beweiswürdigung ersetze, neuerlich jeglicher sachlicher Grundlage entbehrt. Demnach sei der Beschwerdeführer nur der Vollständigkeit halber auf die ihm anscheinend unbekannte Möglichkeit einer Beweisführung durch Parteienvernehmung (§§ 371 ff. ZPO) hingewiesen, um ihn darüber aufzuklären, daß es auch im Zivilprozeß nicht der "höheren Weihen" oder des "Heiligenscheines" einer Zeugenschaft bedarf, um einer glaubwürdigen Darstellung gegenüber einer unglaubwürdigen bei der Urteilsfindung zum Durchbruch zu verhelfen.

Zum Faktum II B:

Mit Recht hingegen rügt der Beschwerdeführer die Abweisung seines Antrages auf Vernehmung des Gerhard L*** als Zeugen zum Beweis dafür, daß er auf dessen Beteuerung vertraut habe, Ingrid N*** werde - nach Beschaffung einer Wohnmöglichkeit in Wien mittels des angestrebten Kredits - einen Arbeitsplatz im AKH erhalten und dadurch in der Lage sein, das Darlehen ordnungsgemäß zurückzuzahlen (vgl S 275, 323 ff., 345, 346/II), den das Erstgericht im wesentlichen mit einem Hinweis auf das Eingeständnis des Angeklagten, eine falsche Lohnbestätigung beschafft zu haben, abwies (S 326 und 346/II).

Durch diese Abweisung wurden in der Tat Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers beeinträchtigt.

Im Urteil wird nämlich dessen Verantwortung, von Ingrid N*** oder anderen Personen wäre ihm versichert worden, daß die Genannte einen Arbeitsplatz im AKH erwarte, auf Grund der Aussage dieser Zeugin als unglaubwürdig abgelehnt und ausgeführt, daß die begehrte Vernehmung des Gerhard L*** an jener Feststellung, wonach der Angeklagte für den Kreditantrag eine falsche Gehaltsbestätigung beibrachte und solcherart "zumindest in Kauf" nahm, daß die Kreditnehmerin den Kredit nicht werde zurückzahlen können, nichts hätte ändern können (US 20 f.).

Zu Recht wendet der Beschwerdeführer dagegen ein, daß die Beschaffung einer falschen Lohnbestätigung für sich allein noch nicht zwingend ein Handeln mit (zumindest) bedingtem Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz impliziert, wobei er auf jene Verfahrensergebnisse verweist, nach denen die Kontakte zwischen ihm und der Zeugin L*** (im wesentlichen) über Gerhard L*** als Mittelsmann - teils auch über dessen Bekannte Silvia M*** und Gabriele F*** - gingen (S 13 ff./I, 41/I, 103 ff./I, 33/I, 312 f./II, 315 ff./II). Damit aber erscheint es in der Tat für die Beurteilung der Frage, ob der Angeklagte eine Schädigung der C***-B*** im Falle einer Kreditgewährung an Ingrid

N*** ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, von maßgeblicher Bedeutung, welche näheren Informationen er über die Kreditwürdigkeit dieser Kreditwerberin von L*** (oder allenfalls von dessen Lebensgefährtin oder deren Schwester) erhalten hatte und ob diese Mitteilungen bei ihm allenfalls die Vorstellung erzeugen konnten, Ingrid N*** werde in der Lage sein, nach (alsbald zu erwartender) Erlangung eines Arbeitsplatzes im AKH einen zum Zweck der Wohnungsbeschaffung aufgenommenen Kredit von 90.000 S zurückzuzahlen.

Es kann demnach nicht ausgeschlossen werden, daß die Vernehmung des Zeugen L*** zu anderen für die Beurteilung der inneren Tatseite beim Beschwerdeführer günstigeren Verfahrensergebnissen hätte führen können. Insoweit ist daher in der in Rede stehenden Antragsabweisung ein den Nichtigkeitsgrund der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO bewirkender Verfahrensmangel gelegen, der in bezug auf dieses Urteilsfaktum zu einer Aufhebung des Schuldspruches und zur Anordnung der Verfahrenserneuerung nötigt.

Zum Urteilsfaktum IV 1:

Diesem Schuldspruch haftet ein mit der Beschwerde nicht geltend gemachter, jedoch gemäß § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmender materiellrechtlicher Nichtigkeitsgrund im Sinn der Z 9 lit b des § 281 Abs. 1 StPO an, weil der nach seiner Flucht im Ausland in Berlin verhaftete Angeklagte nach der Aktenlage wegen dieser Tat nicht an die Republik Österreich ausgeliefert wurde und daher insoweit nicht hätte verfolgt und abgeurteilt werden dürfen (§ 70 ARHG, Art 14 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 19. Dezember 1957, BGBl. 1969/320).

Nach dem vom Senator für Justiz und Bundesangelegenheiten in Berlin übermittelten Beschluß des Kammergerichtes Berlin vom 12. Mai 1986, G-Nr. (IV) Ausl. A. 99/86 (48/86), wurde nämlich die Auslieferung des Beschwerdeführers ausschließlich wegen der im Steckbrief des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 17. März 1986 (S 89 ff./II) umschriebenen Straftaten bewilligt (S 165 ff./II).

Nachdem der Untersuchungsrichter am 2.Mai 1986 über die Interpol von der vorläufigen Festnahme des Angeklagten in Berlin verständigt und um die schnellstmögliche Übersendung der erforderlichen Unterlagen zum Zweck der Auslieferung ersucht worden war (ON 38), erließ er am 20.Mai 1986 den (auch das in Rede stehende Diebstahlsfaktum enthaltenden) Haftbefehl (ON 40) und übermittelte ihn am 27.Mai 1986 (abgefertigt am 30.Mai 1986 - S 3 k verso) dem Bundesministerium für Justiz mit dem Ersuchen, die Auslieferung des Angeklagten zur Strafverfolgung wegen der in diesem Haftbefehl beschriebenen Straftaten (mithin auch wegen des Diebstahls von 15.000 S zum Nachteil der Johanna I***) zu erwirken (ON 43). Zum Unterschied vom Haftbefehl des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 20.Mai 1986 (S 125 ff./II) war aber - aus nach der Aktenlage nicht erfindlichen Gründen - in dem der Auslieferung zugrundeliegenden Steckbrief der Verdacht des am 20.April 1983 in Wien verübten Diebstahls von 15.000 S zum Nachteil der Johanna I*** nicht enthalten.

Dem (formellen) Auslieferungsersuchen vom 27.Mai 1986 kamen jedoch die deutschen Behörden insofern zuvor, als der Berliner Senator für Justiz und Bundesangelegenheiten bereits am 28.Mai 1986 die Auslieferung - allerdings auf Grund des das in Rede stehende Diebstahlsfaktum noch nicht enthaltenden Steckbriefes vom 17. März 1986 - bewilligte (ON 44).

Da eine Erwirkung einer nachträglichen Auslieferung ungeachtet dieses der Sache nach ergänzenden Auslieferungsersuchens (§§ 68 Abs. 1, 70 Abs. 1 Z 3, AHRG, Art 14 Abs. 1 lit a EurAuslÜbk) nicht aktenkundig ist und im Hinblick darauf, daß auch die Voraussetzungen des § 70 Abs. 1 Z 1 oder 2 ARHG, Art 14 Abs. 1 lit d EurAuslÜbk nicht gegeben sind, liegt somit hinsichtlich der in Rede stehenden Straftat, auf die sich die Auslieferungsbewilligung nicht erstreckte, ein von der Anklagebehörde, vom Schöffengericht und vom Verteidiger übersehenes Verfolgungshindernis vor.

Es bedarf somit der Klärung, welcher Erledigung dieses Ersuchen zugeführt wurde oder ob allenfalls das Verfahren darüber noch anhängig ist. Entsprechende Erhebungen werden somit in einem noch zu ergänzenden Verfahren vorzunehmen sein, wobei, wenn eine Klärung nicht in kurzem Wege vorgenommen werden kann, allenfalls zur Vermeidung von Verzögerungen des im Hinblick auf die weitere kassatorische Entscheidung notwendigen zweiten Verfahrensganges die Möglichkeit einer Ausscheidung des Verfahrens wegen des hier in Rede stehenden Diebstahlsfaktums in Betracht gezogen werden sollte. Wegen der aufgezeigten Verletzung des (wie dargestellt gesetzlich verankerten) Prinzips der Spezialität der Auslieferung war daher das Urteil im Punkt IV 1 des Schuldspruches aufzuheben und auch insoweit die Verfahrenserneuerung anzuordnen.

Im erneuerten Verfahrensgang wird im übrigen zu beachten sein, daß bei einem Verfahrensergebnis, das nicht zu einem Schuldspruch wegen des zum Nachteil der Johanna I*** verübten Diebstahls von 15.000 S führt, womit eine Qualifikation des Diebstahls nach § 128 Abs. 2 StGB nicht gegeben wäre, der dem Angeklagten nach dem rechtskräftigen Teil des Schuldspruches (IV 2) zur Last fallende Diebstahl nach § 128 Abs. 1 Z 4 StGB zu qualifizieren wäre. Der Angeklagte war demgemäß mit seiner den Schuldspruch zu Punkt IV 1 aus anderen Gründen bekämpfenden Nichtigkeitsbeschwerde auf diese Entscheidung zu verweisen.

Auch mit seiner Berufung wegen Strafe war der Angeklagte auf die mit der Kassation verbundene Aufhebung des Strafausspruches zu verweisen.

Aus der kassatorischen Entscheidung zum Urteilsfaktum IV 1 folgt aber auch weiters, daß dem Adhäsionserkenntnis, soweit es die Verurteilung des Angeklagten zur Zahlung eines Betrages von 15.000 S an Johanna I*** betrifft, die Grundlage entzogen ist, weshalb es insoweit aufgehoben werden mußte.

Zur Berufung wegen der privatrechtlichen Ansprüche:

Bezüglich des mit Berufung angefochtenen Zuspruches eines weiteren Betrages von 1.000 S an die genannte Privatbeteiligte ergibt sich aus dem an sich unbekämpften Schuldspruch zu Punkt III, daß das Schöffengericht der Anklage nicht zu folgen vermochte, wonach der Angeklagte letzterer 1.000 S betrügerisch herausgelockt hätte. Es stellte vielmehr fest, daß er zum Abschluß eines Kreditvermittlungsvertrages für das Kreditbüro M*** und zum Inkasso von 1.000 S Kreditvermittlungsgebühr berechtigt war, diesen ihm von Mohann I*** für das Kreditbüro M*** anvertrauten Betrag jedoch nicht an seinen Dienstgeber ablieferte und demnach das Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 zum Nachteil seines Dienstgebers beging (US 17 f.). Weshalb bei diesen Tatsachenkonstatierungen dennoch eine Verurteilung zur Zahlung des Betrages von 1.000 S an Johanna I*** erging, wird im angefochtenen Urteil nicht begründet. Es wird insbesondere auch nicht konstatiert, daß etwa eine vertretungsbefugte Person des Kreditbüros deren aus dem deliktischen Verhalten des Angeklagten resultierenden Schadenersatzanspruch an die Zeugin I*** zur Kompensation mit deren aus der Nichterfüllung des Kreditvermittlungsvertrages erfließendem Rückforderungsanspruch abgetreten hätte.

Demnach war der gegen eine Verurteilung zur Zahlung von 1.000 S an Johann I*** gerichteten Berufung des Angeklagten (ebenfalls) Folge zu geben.

Das Adhäsionserkenntnis war demnach auch in diesem Umfang aufzuheben und die Privatbeteiligte I*** insoweit auf den Zivilrechtsweg zu verweisen (§ 366 Abs. 2 StPO).

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