Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 4.243,80 (darin S 385,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war beim Beklagten seit 9. Juli 1984 mit einem Monatsgehalt von S 13.000, 14 mal jährlich, als Angestellte beschäftigt. Die Auszahlung des Gehalts erfolgte auf ein Gehaltskonto. Da ihr der Beklagte das Gehalt für November 1984 samt anteiligen Sonderzahlungen in Höhe von S 19.624 netto nicht überwies, erklärte sie mit Schreiben vom 3. Dezember 1984 ihren vorzeitigen Austritt.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten an restlichem Gehalt, Kündigungsentschädigung, anteiligen Sonderzahlungen und Urlaubsentschädigung einen der Höhe nach unstrittigen Betrag von S 99.667 brutto und eine Barauslagendifferenz von S 489,50 netto. Sie brachte vor, daß ihr der Beklagte das ihr zustehende Novembergehalt trotz Nachfristsetzung und Androhung des Austritts nicht gezahlt habe. Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Das Novembergehalt sei in Anrechnung auf von der Klägerin bezogene Waren einbehalten worden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren hinsichtlich S 99.667 brutto und S 102,10 netto, jeweils samt Anhang, statt und wies das Mehrbegehren von S 387,40 netto samt Anhang ab. Es stellte im wesentlichen fest:
Die Klägerin hatte schon vor dem gegenständlichen Arbeitsverhältnis für den Beklagten gearbeitet. Ihre vor dem 9. Juli 1984 liegenden Ansprüche wurden in Textilien abgegolten. Als der Novemberbezug weder bar ausgezahlt noch auf ihr Konto überwiesen wurde, urgierte die Klägerin ihr Gehalt vorerst mündlich. Da diese Urgenzen nichts fruchteten, forderte die Klägerin den Beklagten mit eingeschriebenem Brief vom 3. Dezember 1984 auf, ihr das Gehalt entweder sofort bar auszuzahlen oder es so zu überweisen, daß sie spätestens am Freitag, dem 7. Dezember 1984, darüber verfügen könne; sollte sich das Geld am 7. Dezember 1984 noch immer nicht auf ihrem Konto befinden, sehe sie sich gezwungen, rechtliche Schritte gegen den Kläger zu unternehmen. Am letzten Tag der Nachfrist beendete die Klägerin nach Ablauf ihrer Arbeitszeit ihre Arbeit wie bisher um etwa 13,30 Uhr. Als sie wegging, teilte ihr die Gattin des Beklagten mit, daß noch ein freier Mitarbeiter des Beklagten namens J*** mit dem Geld kommen werde. Da sich ein Hinweis auf J*** mehrmals als leere Versprechung herausgestellt hatte, nahm die Klägerin diese Mitteilung nicht ernst und verließ den Arbeitsplatz. Am Nachmittag stellte sie bei Kassaschluß fest, daß auf ihrem Konto nichts eingegangen war. Mit eingeschriebenem Brief vom selben Tag erklärte sie ihren vorzeitigen Austritt. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Austritt der Klägerin zu Recht erfolgt sei; die eingeklagten Ansprüche stünden der Klägerin mit Ausnahme von Barauslagen, welche sie für die Gattin des Beklagten persönlich aufgewendet habe, zu. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGG neu durch, traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht und ergänzte diese wie folgt:
Karl J*** war bekannt, daß der Beklagte das Gehalt der Klägerin nur sehr schleppend ausgezahlt hatte. Er selbst erhielt keinen Auftrag des Beklagten, der Klägerin das Novembergehalt am 7. Dezember 1984 auszuzahlen.
Im übrigen billigte das Berufungsgericht die Rechtsauffassung des Erstgerichtes.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Mängelrüge erschöpft sich teils in unzulässiger Bekämpfung der Beweiswürdigung und teils, soweit mit ihr dem Berufungsgericht vorgeworfen wird, die Klärung unterlassen zu haben, ob der vorzeitige Austritt der Klägerin tatsächlich berechtigt gewesen sei, in einer Erörterung der Rechtslage. Ein Verstoß gegen Verfahrensgesetze wird nicht aufgezeigt. Nach den Feststellungen ist von einer vorläufigen Stundung des Gehalts bis 7. Dezember 1984 und einer anschließenden Nachfristsetzung bis 11. Dezember 1984 keine Rede. Abgesehen davon wurde der Klägerin das Novembergehalt bis heute nicht überwiesen.
Nach § 26 Z 2 AngG ist als ein wichtiger Grund, der den Angestellten zum vorzeitigen Austritt berechtigt, insbesondere anzusehen, wenn der Dienstgeber das dem Angestellten zukommende Entgelt vorenthält. Wohl kann in der Regel eine einmalige kurzfristige Verzögerung der Entgeltzahlung noch nicht als ungebührliches Verhalten im Sinne des Gesetzes gewertet werden (Arb. 10.477 ua), doch kommt es bei der Beurteilung der Berechtigung eines Austritts stets auf die Umstände des Einzelfalles an (Arb. 10.147), die hier eine schon vorher schleppend erfolgte Gehaltszahlung aufzeigen. Andererseits kann daraus aber nicht abgeleitet werden, die Klägerin hätte durch die bisherige Hinnahme eines solchen Verhaltens ihr Austrittsrecht verwirkt (Schwarz in DRdA 1957, 110 f). Die Klägerin urgierte ihre gemäß § 15 AngG spätestens am 30. November 1984 fällig gewordenen Bezüge vorerst mündlich und sodann am 3. Dezember 1984 schriftlich, wobei sie dem Beklagten eine Nachfrist von sieben Tagen gewährte (siehe dazu Martinek - Schwarz aaO 570 f). Soweit der Beklagte in der Revision nur das Austrittsschreiben vom 7. September 1984 mit einer "Nachfristsetzung bis 11. Dezember 1984" wahrhaben will, übergeht er die Feststellungen der Vorinstanzen über den - von ihm auch gar nicht bestrittenen - Zugang des Schreibens vom 3. Dezember 1984. Wann dem Beklagten das Austrittsschreiben der Klägerin, das keine neuerliche Nachfrist mehr enthielt, zukam, ist ohne Bedeutung. Auch die weiteren Ausführungen der Revision, der Beklagte sei bereit gewesen, der Klägerin die Bezüge am 7. Dezember 1984 um 15,00 Uhr - sohin nach Ablauf ihrer Arbeitszeit - auszuzahlen, sie habe die Entgegennahme des Geldes jedoch vereitelt, erschöpfen sich lediglich in für eine Rechtsrüge in dritter Instanz unzulässigen Behauptungen (§ 504 ZPO). Ob das Entgelt in Benachteiligungsabsicht, aus Nachlässigkeit oder aus Unvermögen des Beklagten zurückgehalten wurde, ist gleichgültig (Martinek - Schwarz aaO 563; Arb. 10.147, jeweils mwH).
Bei dieser Sachlage haben die Vorinstanzen in dem beanstandeten Zahlungsverzug des Beklagten mit Recht ein "ungebührliches Vorenthalten" des der Klägerin gebührenden Entgelts im Sinne des § 26 Z 2 AngG und damit einen wichtigen Grund zur vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses gesehen. Das hat aber zur Folge, daß die Klägerin gemäß § 29 Abs. 1 AngG ihre der Höhe nach außer Streit gestellten vertragsmäßigen Ansprüche auf das Entgelt für den Zeitraum, der bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch ordnungsgemäße Kündigung durch den Arbeitgeber hätte verstreichen müssen, behielt.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.
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