OGH 7Ob569/87

OGH7Ob569/8714.5.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hans J***, Gastwirt, Lienz, Andrä-Kranz-Gasse 3, vertreten durch Dr. Wilfried Seirer, Rechtsanwalt in Lienz, wider die beklagte Partei Franz L***, Besitzer, Lienz, Andrä-Kranz-Gasse 3, vertreten durch Dr. Bruno Pedevilla, Rechtsanwalt in Lienz, wegen Feststellung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 20.Jänner 1987, GZ 1 a R 482/86-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Lienz vom 1.Juni 1986, GZ 2 C 402/85-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.719,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 247,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zwischen den Parteien herrscht Streit darüber, ob es sich bei dem vom Kläger und seiner inzwischen verstorbenen Ehefrau mit dem Rechtsvorgänger des Beklagten, dessen Vater, am 29.11.1952 abgeschlossenen Bestandvertrag betreffend das im Parterre des Hauses Andrä Kranz-Gasse 3 in Lienz gelegene sogenannte "Adler-Stüberl" um eine Geschäftsraummiete oder eine Unternehmenspacht handelt. Der Kläger begehrte die Feststellung, daß eine Geschäftsraummiete vorliege.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach seinen Feststellungen führten bereits die Großeltern des Beklagten von 1927 bis 1944/1945 in dem Objekt einen Gasthausbetrieb unter der Geschäftsbezeichnung "Schwarzer Adler". Dann übernahm der Vater des Beklagten den Gasthausbetrieb. Gegen Ende des Krieges wurde der östliche Teil des Hauses, in dem ein Feinkostgeschäft untergebracht war, von Bomben zerstört. Die Räume des Gasthausbetriebes lagen an der Westseite, der Gasthausbetrieb konnte daher nach einer nur 14tägigen Unterbrechung wieder aufgenommen werden. Der Vater des Beklagten führte den Betrieb bis zu der krankheitsbedingten Schließung am 30.4.1952. In den Folgemonaten strebte er eine Verpachtung an. Er wurde mit dem Kläger einig und es kam zum Abschluß der als Pachtvertrag bezeichneten Vereinbarung (Beilage 18), deren Inhalt vom Erstgericht festgestellt wurde. Danach sollten dem Kläger auch die Konzession zum Betrieb des Gast- und Schankgewerbes und die zum Betrieb bestimmten Einrichtungsgegenstände laut Inventar überlassen werden. Es wurde eine Betriebspflicht festgelegt. Die Pächter waren verpflichtet, den Bestandgegenstand durch Vornahme von Investitionen innerhalb einer bestimmten Frist betriebsfähig zu machen. Die Pächter hatten alles zu vermeiden, was dem Ruf und dem Namen des Hauses schaden könnte. In den nicht in Bestand gegebenen Räumen des Hauses beabsichtigte der Verpächter das Gewerbe der Fremdenbeherbergung einzurichten. Beide Vertragsteile verpflichteten sich daher, ausschließlich in ihrer Betriebsart tätig zu sein und den anderen nicht zu konkurrenzieren.

Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses war vom Vater des Beklagten der östliche Bereich des Hauses, allerdings in verkleinertem Umfang, wieder aufgebaut worden. Für einen Gasthausbetrieb konnten damals nur die beiden westseitigen Räume mit den Nebenräumlichkeiten benützt werden. Die Küche befand sich im ersten Stock. Die Ausstattung des Betriebes war verbraucht, abgenützt und nicht mehr zeitgemäß. Vom Inventar übernahmen die Pächter lediglich 4 bis 5 Tische, welche heute noch in Verwendung stehen, und einige zwischenzeitig ausgeschiedene Sessel. Warenvorräte wurden mit Ausnahme eines geringen Quantums an Schnaps und Weinbrand nicht übernommen, zumal der Gasthausbetrieb vom 1.5.1952 bis 6.3.1953 geschlossen war. Die im Pachtvertrag vorgesehene Überlassung der Konzession konnte nicht realisiert werden, weil der Vater des Beklagten über eine radizierte Konzession verfügte und eine Aufspaltung in Teilberechtigungen (Beherbergungsgewerbe - Gast- und Schankgewerbe) nicht möglich war. Am 22.8.1953 wurde dem Kläger eine eigene Gast- und Schankgewerbekonzession in der Betriebsform eines Cafe-Restaurants verliehen. Ausgesprochene Stammgäste wurden von den Pächtern nicht übernommen. Mit einem Investititionsaufwand von rund S 600.000 führte der Kläger folgende Investitionen durch: Die Einrichtung einer Küche und von sanitären Anlagen im Bereich des ehemaligen Saales, die Reparatur der Kühlanlage, die Umgestaltung des Schankraumes zur Abwasch, eines Durchganges zu einem Arbeitsraum und eines Abstellraumes zu weiteren sanitären Anlagen, ferner die Ausgestaltung der beiden Cafehausstuben östlich der Wappenstube, wo sich vor der Bombardierung der Hausflur, ein Büroraum und ein Teil des Ladengeschäftes befunden hatten. Die sogenannte Schwemme und die Wappenstube wurden ebenso wie die weiteren angeführten Räume mit neuen Böden versehen; hinzu kamen teilweise neue Fenster und Türen. Die Elektroanlagen waren zu erneuern, die Gasträume wurden mit Lautsprechern versehen. Die Ofenheizung ließ der Kläger durch eine Etagenheizung ersetzen. Neben Architektenleistungen waren Baumeister-, Zimmerermeister-, Heizungs-, Installations-, Elektriker-, Bodenleger-, Tischler-, Tapezierer-, Verglaser-, Maler- und Kunstschmiedearbeiten erforderlich. Nach Beendigung des Umbaues und mit der Eröffnung am 7.3.1953 war ein für damalige Zeitbegriffe moderner Gasthausbetrieb entstanden. Vor dem Umbau war das Speisen- und Getränkeangebot zumindest während der letzten Zeit bescheiden. Zwischen 1947 und 1952 lag der Gesamtumsatz zwischen S 91.269 und S 183.043,29. Dagegen machte der Kläger im Rumpfjahr 1953 einen Umsatz von S 1,006.922, im Jahre 1954 von S 1,301.805, im Jahre 1955 von S 1,344.986 und im Jahre 1956 von S 1,433.148. Dies erreichte er aufgrund des gehobenen Angebotes an Speisen, insbesondere auch an Konditorwaren, und an Getränken sowie der verbesserten Ausstattung und Vergrößerung der Betriebsanlagen. Das Erstgericht verneinte das Vorliegen einer Unternehmenspacht. Es ging bei seiner rechtlichen Beurteilung davon aus, daß die Entscheidung, ob Geschäftsraummiete oder Unternehmenspacht vorliege, nach den Umständen des Einzelfalles zu treffen sei. Nach Abwägung der im vorliegenden Fall für und gegen eine Unternehmenspacht sprechenden Umstände gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, daß kein lebendes Unternehmen Vertragsgegenstand gewesen sei: Es seien weder ein Kundenstock, noch Betriebsmittel und Vorräte in nennenswertem Umfang vorhanden gewesen. Auch die Geschäftsräume hätten nicht der Gebrauchsabsicht entsprochen und hätten von den Pächtern erst auf eigene Kosten in Betriebsbereitschaft gesetzt werden müssen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es teilte dessen Rechtsansicht und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteigt.

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Wie bereits die Vorinstanzen im Sinne der ständigen Rechtsprechung dargelegt haben, lassen sich für die Unterscheidung der Unternehmenspacht von der Geschäftsraummiete keine festen, allgemein anwendbaren Regeln aufstellen. Ein Bestandverhältnis ist im allgemeinen dann als Unternehmenspacht zu beurteilen, wenn ein lebendes Unternehmen Vertragsgegenstand ist, also eine organisierte Erwerbsgelegenheit mit ihrem good will dem Bestandnehmer zur Benützung überlassen wird. Dabei hat ihm der Bestandgeber nicht nur die Geschäftsräume, sondern auch die übrigen zum Betrieb erforderlichen Unternehmensbestandteile wie die Geschäftseinrichtung, die Betriebsmittel, die Gewerbeberechtigung und den Kundenstock beizustellen. Im Einzelfall müssen aber nicht alle diese Merkmale auf den Bestandgegenstand zutreffen. Auch wenn der Bestandnehmer die Gewerbeberechtigung selbst beibringt (MietSlg.32.162/23) oder Einrichtungsgegenstände anschaffen muß (MietSlg.34.206), kann im Einzelfall noch immer eine Unternehmenspacht vorliegen. Die Betriebsmittel unterliegen einem natürlichen Verschleiß bzw. müssen von Zeit zu Zeit als überaltet ausgeschieden werden. Ersetzt sie dann der Pächter, so ändert dies am Wesen des Besatndvertrages nichts. Ein entscheidendes Merkmal eines Pachtverhältnisses ist im Regelfall die Betriebspflicht (MietSlg.37.775/7, 34.206, 32.162/23; 1 Ob 720/86). Das Fehlen einzelner der obgenannten Betriebsgrundlagen läßt daher noch nicht darauf schließen, daß eine Geschäftsraummiete und nicht eine Unternehmenspacht vorliegt, wenn nur die übrigen Betriebsgrundlagen vom Bestandgeber beigestellt werden und ein lebendes Unternehmen als wirtschaftliche Einheit fortbesteht (MietSlg.25.112, 24.128; 7 Ob 729/82). Auch ein stillgelegtes Unternehmen kann nach diesen Grundsätzen Gegenstand eines Pachtvertrages sein, wenn es sich nur um einen vorübergehenden Zustand handelt und einer jederzeitigen Wiederaufnahme des Betriebes nichts im Wege steht (MietSlg.34.206 mwN). Aus der von den Vorinstanzen im vorliegenden Fall vorgenommenen Abwägung der für und gegen das Vorliegen eines Pachtverhältnisses sprechenden Umstände ist hervorzuheben, daß die Überlassung der vom Kläger überdies erst umzugestaltenden Räume überwog und daß die Vertragspartner selbst davon ausgegangen sind, daß der Kläger den Bestandgegenstand erst durch eigene Investitionen betriebsfähig zu machen hat (Punkt V des Pachtvertrages). Diese Investitionen erforderten einen erheblichen Aufwand. Es kann daher nicht mehr davon ausgegangen werden, daß der Kläger lediglich einzelne dem natürlichen Verschleiß unterlegene Betriebsmittel erneuert hätte. Waren zudem ein Warenlager und ein nenneswerter Kundenstock nicht vorhanden und der Betrieb bereits seit Monaten eingestellt, ist die Rechtsansicht der Vorinstanzen zu billigen, daß hier in Wahrheit kein lebendes Unternehmen Gegenstand des Bestandvertrages war. Dem Hinweis des Beklagten, daß auch ein erst zu errichtendes Unternehmen Gegenstand eines Pachtvertrages sein kann, ist entgegenzuhalten, daß auch in einem solchen Fall der Bestandgeber dem Bestandnehmer alle wesentlichen Betriebsgrundlagen überlassen muß (MietSlg.35.163 mwN).

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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