Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung
Die Streitteile sind Staatsangehörige der Bundesrepublik Deutschland und haben seit dem Jahre 1963 ihren gemeinsamen Wohnsitz in Österreich. Ihrer am 19.6.1962 in Stuttgart-Vaihingen geschlossenen Ehe entstammen die Kinder Heidi, geboren am 10.2.1963, Margit, geboren am 16.9.1964, und Birgit, geboren am 14.8.1969. Mit der Behauptung, die häusliche Gemeinschaft der Streitteile sei seit dem Jahre 1981 aufgehoben, begehrt der Kläger in der am 3.4.1986 eingebrachten Klage die Scheidung der Ehe gemäß den §§ 1565, 1566 und 1568 Abs 2 BGB.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung, weil die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten nach wie vor aufrecht und die Ehe nicht gescheitert sei.
Das Erstgericht wies die Klage ab.
Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es die Ehe der Streitteile gemäß § 1565 Abs 1 BGB schied. Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhebt die Beklagte eine auf § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages gerechtfertigt.
Nach den erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen wohnen die Streitteile seit dem Jahre 1964 in Erlendorf in einem eigenen, vom Kläger erbauten Haus. Im Jahre 1981 vereinbarten sie schriftlich, daß die Wohnverhältnisse im Hinblick auf das "durch die Trennung der Eheleute" getrübte Familienverhältnis zwecks Ermöglichung eines Zusammenlebens im Hause derart geregelt werden, daß der Kläger das eine Zimmer allein und die Beklagte mit den Kindern die beiden anderen Zimmer bewohnt, während die Nebenräumlichkeiten gemeinsam benützt werden. Auch die Unterhaltsverhältnisse wurden geregelt. Zu dieser Auflösung der ehelichen und häuslichen Gemeinschaft im Jahre 1981 kam es, weil die Beklagte dem Kläger ständig Vorwürfe und er "ihr nichts recht machte". Sie hatte ihn "zu jeder Zeit für alle Begebenheiten des Lebens zur Seite gestellt". Tatsächlich ist die häusliche und eheliche Gemeinschaft nunmehr seit September 1985 aufgehoben. Die vorgenannte Vereinbarung über die räumliche Trennung hatte nur bis zum Februar 1982 gehalten, sodann "verschmolz der Haushalt wieder" und die Eheführung war bis zum September 1985 wieder normal. Der letzte Geschlechtsverkehr der Streitteile fand vor dem September 1985 statt. Seit letzterem Zeitpunkt ist die Ehe der Streitteile zerrüttet. Die Beklagte kocht seither für den Kläger nur noch, wenn er zu Hause ist, und wäscht ihm teilweise die Wäsche. Dieser hat ihr den Haustorschlüssel entzogen und alles versperrt, sodaß sie die im Sinne der Vereinbarung benutzten Räume nur durch den Keller betreten und nicht beheizen kann. Während der Woche bewohnt die Beklagte mit der Tochter Birgit in Villach ein Zimmer, doch kommt sie bis zu dreimal wöchentlich nach Erlendorf. Die mj. Birgit kann nur von Villach aus täglich ihren Lehrplatz in Klagenfurt erreichen. Die Beklagte fühlt sich verpflichtet, für das Wohl dieses Kindes und dessen Beaufsichtigung zu sorgen, sie würde allerdings auch während der Woche in Erlendorf bleiben, wenn der Kläger bereit wäre, die Unterbringungskosten für die mj. Birgit zu übernehmen. Der Kläger war ursprünglich damit einverstanden, daß die Beklagte während der Woche in Villach bleibt, nunmehr ist er anderer Meinung. Zur Fortsetzung der Ehe ist er nicht mehr bereit, jedoch damit einverstanden, daß die Beklagte im Hause weiterhin wohnt, wenn sie ihn in Ruhe läßt. Die Beklagte bezieht als technische Arbeiterin ein Monatseinkommen von S 7.000,--. Seit dem Jahre 1981 leistet ihr der Kläger keinen Unterhalt. Zur Hereinbringung des Unterhaltes der mj. Birgit mußte gegen ihn Exekution geführt werden. Er ist ein fleißiger Arbeiter, aber eigenwillig und für die Beklagte trotz deren wiederholten Versuchen seit September 1985 unansprechbar. Die Beklagte wäre bereit, mit dem Kläger wiederum einen gemeinsamen Haushalt zu führen. Sie hat die Kinder nicht gegen ihn aufgehetzt, er hat vielmehr diese lieblos behandelt und beschimpft. Gegenüber der Familie legte er immer schon einen rauhen Ton an den Tag, die Beklagte beschimpfte er mit unfeinen Ausdrücken und stieß und drückte sie. Im Zuge einer Auseinandersetzung versetzte er ihr vor mehreren Jahren auch eine Ohrfeige, sodaß ihr rechtes Trommelfell platzte. Der Kläger leidet an starken Depressionen und ist aggressiv und eine sonderlinghafte Persönlichkeit. Seine ablehnende Haltung gegenüber der Beklagten kann medizinisch nicht erklärt werden. Seit zwei Jahren bezieht er eine Invaliditätspension. Bis September 1985 war er immer zu Hause, seither hält er sich oft in den Bergen auf und kommt selten nach Hause. Nach Beendigung der Lehre der mj. Birgit will die Beklagte wieder für ständig nach Erlendorf ins Haus zurückkehren.
In seiner rechtlichen Beurteilung verwies das Erstgericht auf die Bestimmungen der §§ 1565 bis 1568 BGB. Danach kann eine Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Gescheitert ist eine Ehe, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, daß die Ehegatten sie wiederherstellen. Unwiderleglich vermutet wird, daß die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit drei Jahren getrennt leben, was auch innerhalb der ehelichen Wohnung der Fall sein kann. Gemäß § 1568 BGB soll die Ehe nicht geschieden werden, obwohl sie gescheitert ist, wenn und solange die Aufrechterhaltung der Ehe im Interesse der ehelichen Kinder aus besonderen Gründen ausnahmsweise notwendig ist oder wenn und solange die Scheidung für den Antragsgegner, der sie ablehnt, auf Grund außergewöhnlicher Umstände eine so schwere Härte darstellen würde, daß die Aufrechterhaltung der Ehe unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers ausnahmsweise geboten erscheint.
In Anwendung der vorgenannten Bestimmungen auf den vorliegenden Fall erklärte das Erstgericht, die Ehegatten lebten hier erst über ein Jahr getrennt, "sodaß trotz Feststellung der Aufhebung der ehelichen und häuslichen Gemeinschaft die Härteklausel zum Tragen kommt und die Ehe gemäß § 1568 BGB nicht zu scheiden war". Im einzelnen führte das Erstgericht auf S.7 seines Urteiles hiezu aus, die Aufrechterhaltung der ehe erscheine im Interesse der mj. Birgit bis zu deren Volljährigkeit noch notwendig. Für die, obgleich selbst verdienende, Beklagte würde die Scheidung der Ehe eine schwere Härte darstellen, zumal die Ehezerrüttung im überwiegenden Maße vom Kläger verursacht worden sei. Im Falle der Scheidung würde die pensionsrechtliche Stellung der Beklagten wesentlich verschlechtert werden. Es lägen daher die Voraussetzungen des § 1368 BGB vor. Aus seiner Erklärung, die Beklagte könne im Hause wohnen, wenn sie ihn in Ruhe lasse, gehe aber auch noch eine winzige Chance einer Versöhnung der Streitteile hervor. Die Aussagen der beiden Kinder ließen erkennen, daß diese sehnlichst die Aufrechterhaltung der Ehe der Elten wünschten. Abschließend führte das Erstgericht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung aus, trotz der Zerrüttung der Ehe bestehe im Sinne des § 1565 BGB noch die Erwartung der Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft der Streitteile, weil der Kläger der Beklagten weiterhin das Wohnen im Hause gestatte, eine Besserung seiner derzeit bestehenden depressiven Stimmungslage und weiters bei ihm die Einsicht zu erwarten sei, daß die Aufrechterhaltung der Ehe bei seinem Alter für ihn, die Beklagte und die Kinder das Beste sei. Somit ergebe sich, daß die Ehe der Streitteile wohl zerrüttet, aber noch nicht gescheitert sei, weshalb die Scheidungsklage derzeit abgewiesen werden müsse. Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen der behaupteten Berufungsgründe der Nichtigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie der unrichtigen Tatsachenfeststellung und unrichtigen Beweiswürdigung, hielt jedoch die Rechtsrüge des Klägers für gerechtfertigt. Die Vermutung des Erstgerichtes, daß sich die depressive Stimmungslage des Klägers wieder bessern und er zum Willen, die Ehe fortzusetzen, zurückfinden werde, finde in den Beweisergebnissen keine Stütze. Gegen die Annahme einer Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft spreche das ablehnende Gesamtverhalten des Klägers, der von der Beklagten nur noch in Ruhe gelassen werden wolle und lediglich zur seinerzeitigen Benützungsregelung hinsichtlich der Wohnräume stehe. Ein Schluß auf eine allfällige künftige Versöhnung ließe sich aus seinem Gesamtverhalten nicht ziehen. Es lägen aber auch nicht die Voraussetzungen für die Annahme vor, daß die Aufrechterhaltung der Ehe aus besonderen Gründen im Interesse der mj. Birgit notwendig sei oder daß die Ehescheidung für die Beklagte eine Härte im Sinne des § 1568 BGB darstelle. Die Beklagte habe selbst keine konkreten Gesichtspunkte im vorbezeichneten Sinne vorgebracht. Die bald 18-jährige Birgit lebe überwiegend mit der Beklagten in Villach. Bei den festgestellten unliebsamen Verhältnissen im Hause der Streitteile sei nicht ersichtlich, welche positiven Aspekte sich bei den zeitweisen Aufenthalten im Elternhaus für die Tochter aus der Aufrechterhaltung der Ehe ihrer Eltern ergeben könnten. Da die Beklagte wohnversorgt sei, ein eigenes Einkommen beziehe, faktisch die überwiegende Zeit ohnehin auch ihre eigenen Wege gehe und die Verhältnisse im Hause unerfreulich und von der ablehnenden Haltung des Klägers geprägt seien, könne auch eine für die Beklagte mit der Scheidung verbundene besondere Härte nicht erkannt werden. Die vom Erstgericht angeführte Möglichkeit einer pensionsrechtlichen Schlechterstellung der Beklagten finde in deren Vorbringen keine Deckung, abgesehen davon vermöchten derartige versorgungsrechtliche Folgen keinen Härtefall zu begründen. Somit sei unter den gegebenen Umständen die Verweigerung der vom Kläger verlangten Ehescheidung auch nicht unter den Gesichtspunkten des § 1568 BGB gerechtfertigt. In der Revision wird vorgebracht, das Berufungsgericht habe zu Unrecht die Feststellungen, welche das Erstgericht zur Annahme eines Härtefalles und eines besonderen Interesses der mj. Birgit an der Aufrechterhaltung der Ehe ihrer Eltern bewogen hätte, übergangen und sei unzulässigerweise auch von der Feststellung abgegangen, daß aus dem Verhalten des Klägers noch eine Chance der Versöhnung hervorgehe. Selbstverständlich hätte die Scheidung der Ehe der Eltern für die mj. Birgit nachteilige Folgen, zumal gerade Kinder, die während der Woche auswärts wohnten, eher labil seien und unter der Scheidung der Ehe der Eltern besonders schwer litten. Das Berufungsgericht sei weiters von der Feststellung, daß die Kinder die Aufrechterhaltung der Ehe ihrer Eltern sehnlichst wünschten, ohne Beweiswürdigung abgegangen. Richtig sei die Ausführung des Erstgerichtes, daß die Scheidung für die Beklagte eine schwere Härte darstellen würde und die Aufrechterhaltung der Ehe auch unter Berücksichtigung der Belange des Klägers ausnahmsweise geboten erscheine. Dies ergebe sich aus dem Alter beider Streitteile, der sonderlinghaften Verhaltensweise des Klägers und seiner depressiven Stimmungslage. Es sei mit Sicherheit anzunehmen, daß der Kläger nach kurzer Zeit zur Einsicht kommen werde, daß die Aufrechterhaltung der Ehe für ihn, die Beklagte und die Kinder das Beste sei. Insgesamt lägen die Voraussetzungen für die Anwendung des § 1568 BGB und die Erwartung der Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft der Streitteile vor. Das Scheidungsbegehren sei daher abzuweisen.
Zu diesen Ausführungen hat das Revisionsgericht erwogen:
Im Sinne des § 20 IPR-G sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Scheidung einer Ehe nach dem für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe maßgebenden Recht im Zeitpunkt der Ehescheidung zu beurteilen. Die persönlichen Rechtswirkungen einer Ehe hinwiederum sind gemäß § 18 Abs 1 Z 1 leg.cit. nach dem gemeinsamen, mangels eines solchen, nach dem letzten gemeinsamen persönlichen Statut der Ehegatten, soferne es einer von ihnen beibehalten hat, zu beurteilen.
Da vorliegendenfalls beide Streitteile Staatsangehörige der Bundesrepublik Deutschland sind, haben die Unterinstanzen zu Recht die durch das deutsche 1.Eherechtsreformgesetz eingeführten Bestimmungen des BGB über die Ehescheidung als maßgebend erachtet. Nach § 1565 Abs 1 Satz 1 BGB kann eine Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Als gescheitert gilt sie im Sinne des zweiten Satzes dieser Gesetzesstelle, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, daß die Ehegatten sie wiederherstellen. Gemäß § 1566 Abs 1 BGB wird unwiderlegbar vermutet, daß die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten mit der Scheidung einverstanden sind. Nach Abs 2 leg.cit. wird unwiderlegbar vermutet, daß die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit drei Jahren getrennt leben. Das Fehlen einer häuslichen Gemeinschaft liegt auch dann vor, wenn die Ehegatten innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt leben (§ 1567 Abs 1 BGB). Nach der Anordnung des § 1568 BGB soll die Ehe nicht geschieden werden, obwohl sie gescheitert ist, wenn und so lange die Aufrechterhaltung der Ehe im besonderen Interesse der aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder aus besonderen Gründen ausnahmsweise notwendig ist oder wenn und solange die Scheidung für den Antragsgegner, der sie ablehnt, auf Grund außergewöhnlicher Umstände eine so schwere Härte darstellen würde, daß die Aufrechterhaltung der Ehe auch bei Berücksichtigung der Belange des Antragstellers ausnahmsweise geboten erscheint. Die - in der Klage und vom Erstgericht zitierte - Bestimmung des § 1568 Abs 2 BGB wurde vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig aufgehoben (siehe Palandt BGB46 Anm.1 zu § 1568; NJW 81, 108).
Erste Voraussetzung für die vom Kläger begehrte Scheidung der Ehe der Streitteile erscheint somit, daß sie im Sinne des § 1565 Abs 1 BGB gescheitert ist, weil nicht mehr erwartet werden kann, daß die Ehegatten sie wiederherstellen. Liegt diese Voraussetzung nicht vor, dann kommt die Anwendung der Härteklauseln des § 1568 BGB nicht in Betracht, weil diese ausdrücklich von einer gescheiterten Ehe ausgehen.
Vorliegendenfalls hat nun das Erstgericht einerseits die Härteklauseln - besonderes Interesse des Kindes mj. Birgit an der Aufrechterhaltung der Ehe der Eltern, schwere Härte der Scheidung für die Beklagte - angewendet und die Scheidung aus diesem Grunde abgelehnt. Andererseits hat es auf eine, wenn auch geringe Chance der Versöhnung der Streitteile verwiesen und sodann, wenngleich im Rahmen der rechtlichen Beurteilung, ausdrücklich erklärt, trotz der Zerrüttung der Ehe der Streitteile bestehe noch im Sinne des § 1565 Abs 1 BGB die Erwartung der Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft der Streitteile, weil der Kläger der Beklagten weiterhin das Wohnen gestatte, eine Besserung seiner derzeit bestehenden depressiven Stimmungslage und weiters bei ihm auch die Einsicht zu erwarten sei, daß die Aufrechterhaltung der Ehe in seinem Alter für ihn, die Beklagte und die Kinder das Beste sei. Hieraus ergebe sich, daß die Ehe der Streitteile noch nicht gescheitert sei und deswegen die Scheidungsklage derzeit abgewiesen werden müsse.
Die gemäß § 1565 Abs 1 Satz 1 BGB vorzunehmende Beurteilung, ob noch erwartet werden kann, daß die Ehegatten die Lebensgemeinschaft wiederherstellen werden, die sogenannte Eheprognose, stellt einen Akt richterlicher Tatwürdigung dar (Rolland, Kommentar zum 1. Eherechtsreformgesetz2, Rz 25 zu § 1565; Palandt aaO, Anm.1,2 zu § 1565; BGH NJW 78, 1810). Im Hinblick auf die erstgerichtliche, somit als Tatsachenfeststellung zu wertende Beurteilung, die Ehe sei noch nicht gescheitert, weil noch die Erwartung der Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft der Streitteile bestehe, war dem Erstgericht die rechtliche Prüfung, ob vorliegendenfalls die Härteklauseln zum Tragen kommen, vom Gesetz (§ 1568 BGB) von vornherein verwehrt und erfolgte daher rechtsirrtümlich. Dem Berufungsgericht oblag es, im Hinblick auf die erhobene Beweis- und Tatsachenrüge und die ihr zuzuordnenden Berufungsausführungen die erstgerichtliche, in Form einer tatsächlichen Schlußfolgerung getroffenen Tatsachenfeststellung über die bestehende Erwartung der Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft der Streitteile zu überprüfen. Daß diese erstgerichtliche Schlußfolgerung mit den Gesetzen der Logik und der Erfahrung eindeutig in Widerspruch stünde, kann nicht gesagt werden. Nur unter dieser Voraussetzung hätte das Berufungsgericht aber, weil es dies tat, im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung von ihr abgehen dürfen (RZ 1967, 105; Arb 7588; 2 Ob 235/76, 2 Ob 279/71, 1 Ob 182/67 ua). Das Ziehen von bestimmten Schlüssen im Tatsachenbereich gehört grundsätzlich zur Beweiswürdigung, von welcher das Berufungsgericht im übrigen ohne Beweiswiederholung auch nicht mit der Begründung, es handle sich um keine zwingenden Schlüsse - hier, daß es sich nur um Vermutungen des Erstgerichtes handle - abweichen kann (SZ 48/120, SZ 57/121).
Die Revisionswerberin hat diesen berufungsgerichtlichen Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz, wenngleich unrichtig im Rahmen der Rechtsrüge, ausdrücklich geltend gemacht. Die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens ist daher wahrzunehmen und muß zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen, weil die Abweichung von den erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen hier für die Entscheidung des Falles von ausschlaggebender Bedeutung ist.
Das Berufungsgericht wird im fortgesetzten Verfahren eine Überprüfung der erstrichterlichen Beweiswürdigung durch Wiederholung der für die Erstellung einer Eheprognose erforderlichen Beweise vorzunehmen haben. Für die Beurteilung, ob die Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft der Streitteile noch erwartet werden kann, ist maßgeblich, ob die Ursachen der seit September 1985 bestehenden Ehezerrüttung voraussichtlich nur vorübergehend oder auf Dauer wirksam sein werden, ob also mit der Behebung der in der Ehegemeinschaft vorgefundenen Störungen gerechnet werden kann und die Ehekrise, insbesondere auch im Hinblick auf den Charakter und die Veranlagung der beiden Ehegatten, das bisherige Verhalten in der Ehe, das Vorhandensein oder das Fehlen jeglicher Versöhnungsbereitschaft usw., demnach überwindbar sein dürfte oder nicht. Gewinnt das Gericht nicht die Überzeugung von der unheilbaren Zerrüttung der Ehe, dann kommt eine Scheidung nicht in Betracht (Schwab, Handbuch des Scheidungsrechtes, Rz 92, 99, 149; Palandt aaO).
Sollte das Berufungsgericht anders als das Erstgericht zur Feststellung des endgültigen Scheiterns der Ehe kommen, wäre auf den Widerspruch der Beklagten (ON 2, AS 6) im Sinne des § 1568 BGB einzugehen. Dabei wird - worauf das Berufungsgericht im angefochtenen Urteil bereits verwies - von Bedeutung sein, daß der Antragsgegner die Voraussetzungen der Härteklausel, soweit damit nicht die Interessen von Kindern geltend gemacht werden, konkret zu behaupten und zu beweisen hat (Schwab aaO Rz 149; Ambrock aaO, 130 f), ein diesbezügliches substantiiertes Vorbringen vor den Tatsacheninstanzen (Palandt aaO Rz 22, 25 zu § 1568 BGB; Münchner Komm. Rz 54, 86 zu § 1568) vorliegendenfalls jedoch seitens der Beklagten fehlt. Das amtswegige wahrzunehmende Kinderinteresse bezieht sich nach der ausdrücklichen Anordnung des § 1568 BGB lediglich auf minderjährige, also noch nicht 18 Jahre alte Kinder (vgl. Ambrock aaO 128 f).
Aus den dargestellten Gründen war somit der Revision im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)