OGH 10Os27/87

OGH10Os27/8712.5.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Mai 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kleindienst-Passweg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Jürgen H*** und andere Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Christian S*** sowie über die Berufungen der Angeklagten Jürgen H***, Rudolf S*** und Waldemar B*** gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 4.Dezember 1986, GZ 20 b Vr 7233/86-116, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, und der Verteidiger Dr. Gelbmann, Dr. Geissler und Dr. Mühl, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Jürgen H***, Christian S***, Rudolf S*** und Waldemar B*** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 erster Fall StGB schuldig erkannt, weil sie am 20.Juni 1986 in Wien in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) teils mit Gewalt gegen Personen, teils durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB), nämlich durch Festhalten sowie durch Stöße, Schläge und Tritte, nachgenannten Personen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz wegnahmen oder abnötigten, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

  1. 1. dem Klaus S*** 200 S Bargeld,
  2. 2. dem Robert W*** 150 S Bargeld und eine Armbanduhr Marke Gander im Wert von 2.500 S,

    3. dem Christian W*** 600 S Bargeld und eine goldene Halskette im Wert von 1.000 S,

    4. dem Norbert R*** 700 S Bargeld und eine Armbanduhr Marke Swatch im Wert von 500 S sowie

    5. der Andrea C*** 600 S Bargeld, drei Armreifen und eine Halskette in nicht mehr genau feststellbarem Wert.

    Das Urteil gründet sich auf den Wahrspruch der Geschwornen, welche in bezug auf den Angeklagten Christian S*** die Hauptfrage 2 nach dem obgenannten Verbrechen stimmeneinhellig bejaht und die hiezu gestellte Zusatzfrage 1 nach Zurechnungsunfähigkeit im Sinn des § 11 StGB ebenso stimmeneinhellig verneint haben, sowie Eventualfragen (1) nach einer Tatbegehung im Zustand voller Berauschung gleichwie (2) nach Diebstahl und (4) nach Hehlerei, die ihrerseits mit Zusatzfragen (2, 3) in Richtung § 11 StGB und mit Eventualfragen (3, 5) in Richtung § 287 StGB verbunden waren, unbeantwortet ließen.

    Den ihn betreffenden Schuldspruch bekämpft der Angeklagte S*** mit Nichtigkeitsbeschwerde aus der Z 8 und 12 des § 345 Abs. 1 StPO. Unter Geltendmachung des erstgenannten Nichtigkeitsgrundes rügt der Beschwerdeführer, daß in der den Geschwornen erteilten schriftlichen Rechtsbelehrung die Abgrenzung zwischen "psychischer Beihilfe" und "bloßem Untätigsein" zu wenig herausgearbeitet worden sei. In dieser Belehrung wurden aber ohnehin jedenfalls die Begriffe "Beitragstäterschaft" und "Raubgenossenschaft" vollständig und richtig dargetan; dies wird in der Rüge auch gar nicht angezweifelt. Demgemäß waren Erläuterungen über die Abgrenzung zwischen psychischer Beihilfe und bloßem Untätigsein durchaus entbehrlich, zumal auch eine Tatbegehung durch Unterlassung im Sinn des § 2 StGB vorliegend nicht aktuell ist und folgerichtig ebenfalls nicht Gegenstand der Rechtsbelehrung war.

Rechtliche Beurteilung

Auch der Vorwurf, die Rechtsbelehrung hätte angesichts der "Abgrenzungsproblematik" zwischen einem Diebstahl und einer Beteiligung an einem gleichzeitig von anderen begangenen Raub abstrakte Beispiele dazu enthalten sollen, geht fehl. Denn die Rechtsbelehrung hat nicht nur - wie der Beschwerdeführer selbst erkennt - auf die Ergebnisse des Beweisverfahrens keine Rücksicht zu nehmen, sodaß dem Erstgericht die schriftliche Erläuterung des Sachverhaltes, der sich aus den an die Geschwornen gerichteten Fragen ergibt, verwehrt war (EvBl 1952/100, RZ 1972, 132), sondern tunlichst auch keine Bezugnahme auf kasuistische Beispielsfälle zu enthalten, da diese geeignet sein können, die Geschwornen zu Vergleichen mit dem in den Fragen konkretisierten Tatgeschehen anzuregen und insoweit mittelbar ihre Beweiswürdigung zu beeinflussen (ÖJZ-LSK 1979/356 zu § 321 StPO).

Nur der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang auf die Bestimmung des § 323 Abs. 2 StPO verwiesen, wonach die Erörterung der Verantwortung der Angeklagten und der (konkreten) in der Hauptverhandlung durchgeführten Beweismittel der mündlichen Besprechung des Vorsitzenden mit den Geschwornen vorbehalten ist. Mangels jeglicher Substantiierung einer sachbezogenen Erörterung unzugänglich ist die Behauptung, die Geschwornen seien "über die Folgen, die sich aus dem Schema der Haupt- und Eventualfragen ergeben, nur unvollständig belehrt und damit bei der Kompliziertheit der hier gegenständlichen Problematik in die Irre geführt" worden. Sind doch die Folgen der Bejahung oder Verneinung der an die Geschwornen gerichteten Fragen in der schriftlichen Rechtsbelehrung (S 27-29) ohnedies zutreffend angeführt worden.

Der mit der Rechtsrüge (Z 12) geltend gemachte Nichtigkeitsgrund aber kann nur durch einen Vergleich des im Wahrspruch als erwiesen angenommenen Sachverhalts mit dem im Urteil darauf angewendeten Gesetz - und nicht, wie der Beschwerdeführer vermeint, durch eine Gegenüberstellung von Verfahrensergebnissen mit dem (die verba legalia verwendenden) Verdikt - prozeßordnungsgemäß dargestellt werden (EvBl 1971/116). Indem er davon ausgeht, keinen Tatbeitrag zum Raub geleistet sowie keinen Raubvorsatz gehabt zu haben und hiezu auf seine Verantwortung verweist, nach der er sich nur in Richtung Diebstahl und Hehlerei schuldig bekannt hatte, wobei er behauptet, die Geschwornen seien offenbar der irrigen Ansicht gewesen, daß er durch seine bloße Anwesenheit am Tatort das Verbrechen des schweren Raubs erfüllt habe, setzt sich der Angeklagte über die im Wahrspruch festgestellten Tatsachen - auch hinsichtlich der subjektiven Tatseite - hinweg und bringt solcherart den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht zu einer gesetzmäßigen Ausführung (EvBl 1970/286; SSt 41/61; SSt 43/33).

Die zum Teil unbegründete und zum Teil nicht gesetzmäßig ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verhängte nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB Freiheitsstrafen, und zwar

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