OGH 12Os15/87

OGH12Os15/877.5.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.Mai 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Lindner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Franz Erich V*** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 17. Dezember 1986, GZ 7 Vr 772/86-25, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch mehrere unangefochtene Teilfreisprüche enthält - wurde Franz Erich V***

1. des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 (erster Fall) StGB,

2. des Vergehens der teils vollendeten, teils versuchten Nötigung nach §§ 105 Abs. 1 und 15 StGB und

3. des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er

(zu 1) im Jahre 1982 seine am 14.März (richtig: Juli) 1973 geborene, also unmündige Nichte Eva Maria J*** durch Betasten am Geschlechtsteil zur Unzucht mißbraucht, (zu 2) a) im Jahrea1u82 Eva Maria J*** durch Drohung, er werde sie schlagen, wenn sie den vorerwähnten Vorfall jemandem erzähle, zur Unterlassung der Mitteilung dieses Vorfalls genötigt, (zu 2) b) am 25.August 1986 Christine R*** durch die Äußerung, er werde sie "heimdrehen" und niederschlagen lassen, wenn sie deshalb, weil er am 22.August 1986 Eva Maria J*** entkleidet hatte, Anzeige erstatte, zur Unterlassung dieser Anzeige zu nötigen versucht, und

(zu 3) im Sommer 1986 Günther R***, indem er ihn am Genick packte und mit dem Kopf gegen eine Tischkante stieß, vorsätzlich eine Platzwunde zugefügt hatte.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4, 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, den Strafausspruch mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Durch die Abweisung des Antrages auf Einholung eines psychologischen Gutachtens zum Beweis dafür, daß die Zeugin Eva Maria J*** "wegen altersbedingter Entwicklung zum Fabulieren neige" (Seiten 164 f dA), wurden Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht beeinträchtigt.

Eine derartige Begutachtung eines unmündigen Zeugen kommt (mit Einwilligung des gesetzlichen Vertreters) nur in besonders gelagerten Fällen in Betracht, in denen konkrete Indizien dafür vorhanden sind, daß der Zeuge vom normalen Erscheinungsbild seiner Altersstufe allenfalls abweichende Züge und Eigenschaften aufweisen könnte, die seine volle Wahrnehmungs- und Mitteilungsfähigkeit oder Aussageehrlichkeit in Frage stellen (vgl. Mayerhofer-Rieder ENr. 41, 44, 47 zu § 150, ENr. 113, 117 zu § 281 Z 4 StPO). Gerade dies traf aber weder nach den Verfahrensergebnissen, noch nach dem Inhalt des Beweisantrages selbst zu, in welchem keinerlei Anomalie im Sinne eines Abweichens der unmündigen Zeugin von einer Durchschnittspersönlichkeit gleichen Alters behauptet wird, sondern lediglich ein altersbedingtes, also geradezu der Norm entsprechendes, angebliches Fabulieren.

Der Beweisantrag ist daher zu Recht abgelehnt worden, weshalb der gerügte Verfahrensmangel (Z 4) nicht vorliegt.

Das Ersturteil ist aber entgegen den, teils formal verfehlt in der Rechtsrüge (Z 9 lit. a) enthaltenen Beschwerdeeinwendungen auch mit keinem Begründungsmangel (Z 5) behaftet:

A) Unter dem Aspekt der Identifizierung des Angeklagten als

Täter im Fall 1) des Schuldspruches war eine Erörterung der Aussage der Zeugin Eva Maria J***, wonach es zur Zeit dieses Vorfalles völlig dunkel gewesen war, entbehrlich, zumal die Zeugin ausdrücklich deponierte, den Angeklagten an seiner Stimme erkannt zu haben (S 134 dA).

B) Von einer Undeutlichkeit der zum Schuldspruch Punkt 3) wegen

des Vergehens der Körperverletzung getroffenen Feststellung, derzufolge der Angeklagte den Sohn seiner damaligen Lebensgefährtin am Genick erfaßte und mit dem Kopf gegen eine Tischkante stieß, um ihn zu verletzen, kann entgegen der Beschwerdeauffassung nicht die Rede sein. Aus dieser Urteilsannahme und der hiezu dargelegten Beweiswürdigung ergibt sich unzweideutig, welche Tatsachen in Ansehung der inneren und äußeren Tatseite des Vergehens nach § 83 Abs. 1 StGB als erwiesen angenommen wurden und aus welchen Gründen dies geschah. Die Feststellung zur subjektiven Tatseite ("... um ihn zu verletzen ...") schließt eine Deutung im Sinne einer bloß fahrlässigen Zufügung der Verletzung aus.

C) In der Frage der Ernstlichkeit der Bedrohung Christine

R***, welche dem Angeklagten unter Punkt 2) b) des Schuldspruches (als versuchte Nötigung) zur Last liegt, bedurfte es keiner Erörterung der Verantwortung des Angeklagten, wonach ihn R*** - im Zuge der Auseinandersetzung wegen des Gegenstand eines Teilfreispruches bildenden Vorfalles vom 22.August 1986 (Entkleiden der Nichte des Angeklagten) - zuvor mit dem Erschießen bedroht hätte (S 109 dA), sowie der Zeugenaussage Christine R***, in welcher sie davon sprach, bei dieser Gelegenheit zum Angeklagten geäußert zu haben, daß sie sich "vergesse" (S 116 dA). Diese Verfahrensergebnisse - den im gegebenen Zusammenhang in der Beschwerde genannten Aussagen des Zeugen M*** (S 158 ff dA) kann hiezu nichts entnommen werden - bieten keinerlei Substrat für die vom Angeklagten im Gegensatz zur Urteilsbegründung (vgl. S 11 f der Urteilsausfertigung) angestrebte Beurteilung der Bedrohung seiner damaligen Lebensgefährtin R*** als im Zusammenleben mit ihr angeblich üblich gewesene, milieubedingte und provozierte Unmutsäußerung.

Der Rechtsrüge (Z 9 lit. a) zuwider hat das Erstgericht die seinen mängelfrei begründeten Feststellungen zufolge vom Angeklagten mit dem Vorsatz (§ 5 Abs. 1 StGB), seine Lebensgefährtin von der Erstattung einer Anzeige abzuhalten, ausgesprochene Bedrohung derselben zumindest mit Verletzungen am Körper (S 6, 11, 13, 15 der Urteilsausfertigung) rechtsrichtig dem Tatbild der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB unterstellt.

Schließlich ist die Rechtsrüge auch in den Einwänden gegen den Schuldspruch 2) a) - Nötigung Eva Maria J*** durch

Bedrohung mit "Schlägen" - nicht begründet:

Es ist zwar richtig, daß im Regelfall unter der Androhung von Ohrfeigen oder Schlägen (mit der bloßen Hand) keine Drohung mit einer Verletzung am Körper (§ 74 Z 5 StGB) zu verstehen ist, doch stellt die Androhung körperlicher Züchtigung des damals 9-jährigen Kindes durch einen Erwachsenen, wie dies gegenständlich der Fall war, ein dermaßen bedeutendes, die Psyche des Kindes nachhaltig beeinflussendes Übel dar, das von diesem schlechtweg als eine schwere Beeinträchtigung seiner körperlichen Integrität empfunden wird (Mayerhofer-Rieder 2 ENr. 47 zu § 74 StGB).

Damit ist auch die Subsumtion der Bedrohung Eva Maria J*** unter das Tatbild der Nötigung rechtsrichtig erfolgt. Es war daher die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 207 Abs. 1, 28 StGB zu einem Jahr Freiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung nahm es als erschwerend die mehrfachen einschlägigen Vorstrafen und die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen, als mildernd keinen Umstand an.

Die Berufung, mit welcher der Angeklagte die Anwendung des § 37 StGB, in eventu die Herabsetzung der Freiheitsstrafe, jedenfalls aber bedingte Nachsicht der Strafe begehrt, ist nicht berechtigt. Zu den vom Erstgericht herangezogenen Strafbemessungsgründen kommen als weitere Milderungsgründe noch hinzu, daß es bei der Nötigung teilweise beim Versuch geblieben ist und daß das Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen und in einem Fall auch das Vergehen der Nötigung schon längere Zeit zurückliegen. Im übrigen hat das Erstgericht aber die Strafbemessungsgründe im wesentlichen vollständig und richtig erfaßt und zutreffend gewürdigt. Auch wenn schwerwiegendere Fälle der Unzucht und der Nötigung denkbar sind, ist die vom Erstgericht verhängte Strafe keineswegs zu hoch bemessen, wenn man das Vorleben des Angeklagten und das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen berücksichtigt. Die Höhe der verhängten Freiheitsstrafe entspricht somit dem Schuld- und Unrechtsgehalt der Taten des Angeklagten. Die Voraussetzungen des § 37 StGB liegen schon wegen der Höhe der verhängten Strafe nicht vor. Bedingte Strafnachsicht kam bei der Persönlichkeit und dem Vorleben des Angeklagten, bei dem sich diese Maßnahme schon wiederholt als wirkungslos erwiesen hat, nicht in Betracht.

Der Berufung war somit ein Erfolg zu versagen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte