Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die zweitbeklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Text
Begründung
Mit der Behauptung, die Beklagten verletzten die Ansprüche
1) bis 4) des österreichischen Patents Nr. 315.545, das sich auf eine Bodenbearbeitungsmaschine beziehe, stellte die klagende Partei ein Unterlassungs-, Rechnungslegungs-, Gewinnherausgabe- und Veröffentlichungsbegehren. Hilfsweise beantragte sie, die Beklagten zu verhalten, ihr ein angemessenes Entgelt zu zahlen, dessen ziffernmäßige Festsetzung ebenfalls dem Ergebnis der Rechnungslegung vorbehalten bleibe.
Die Beklagten beantragten, die Klage abzuweisen und wendeten unter anderem Nichtigkeit des Patents der klagenden Partei im Umfang der vier eingeklagten Patentansprüche ein. In der Folge trat hinsichtlich der Erstbeklagten Ruhen des Verfahrens ein (S 215). In der Tagsatzung vom 5. Februar 1986 brachte die Zweitbeklagte vor, daß sie am 3. Februar 1986 bei der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes einen Nichtigkeitsantrag eingebracht habe; die klagende Partei stellte dieses Vorbringen außer Streit (S 246). Das Erstgericht unterbrach das Verfahren mit Beschluß vom 5. Februar 1986, GZ 19 Cg 38/85-78, gemäß § 156 Abs 3 PatG bis zur rechtskräftigen Beendigung des von der Zweitbeklagten eingeleiteten Nichtigerklärungsverfahrens.
Mit Antrag vom 17. September 1986 beantragte die Zweitbeklagte die Fortsetzung des Verfahrens. Die klagende Partei habe mit der am 21. März 1986 beim Patentamt eingelangten Eingabe auf ihr Patent teilweise, und zwar insbesondere auch im Umfang der eingeklagten Ansprüche, verzichtet; die Patentansprüche 1) bis 4) seien daher mit Wirkung vom 22. März 1986 weggefallen und dem Unterlassungsbegehren somit die Grundlage entzogen. Das Patentamt habe über den Nichtigkeitsantrag zwar noch nicht entschieden, doch habe es die Verzichtserklärung zur Kenntnis zu nehmen und seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Da die Nichtigerklärung auf den Zeitpunkt der Anmeldung zurückwirke, stehe fest, daß das Patent der klagenden Partei zumindest in den Ansprüchen 1) bis 4) von Anfang an nichtig, also ein Scheinpatent gewesen sei; damit fehle auch den übrigen Urteilsbegehren die Grundlage. Das Nichtigkeitsverfahren, dessen Dauer nicht abzusehen sei, könne nur mit einer Nichtigerklärung des Patentes im Umfang der Ansprüche 1) bis 4) enden; damit sei der Unterbrechungsgrund weggefallen.
Das Erstgericht gab diesem Antrag statt und ordnete mit Beschluß vom 18.September 1986, GZ 19 Cg 38/85-80, die Fortsetzung des Verfahrens an. Da die Klägerin auf ihr Patent zum Teil verzichtet habe, habe das Patentamt mit Beschluß vom 18.April 1986 das neue Schutzbegehren formuliert; aus diesem ergebe sich, daß die kennzeichnenden Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 1) bis 4) nunmehr im Oberbegriff des neuen Anspruches 1) aufscheinen. Der Verzicht sei am 22.März 1986 wirksam geworden. Da damit die streitverfangenen ursprünglichen Ansprüche 1) bis 4) nicht mehr geschützt seien, sei auch das Nichtigkeitsverfahren bezüglich dieser Ansprüche erledigt. Die Anhängigkeit des Nichtigkeitsverfahrens hinsichtlich anderer Ansprüche hindere die Fortsetzung des unterbrochenen Verfahrens nicht.
Infolge Rekurses der klagenden Partei wies das Rekursgericht den Antrag der zweitbeklagten Partei auf Fortsetzung des Verfahrens ab; zugleich sprach es aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes 300.000 S übersteige. Das Rekursgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß ein Verzicht des Patentinhabers auf das Patent nicht die Wirkung habe, daß das Patent rückwirkend für nichtig zu erklären sei; das Verfahren vor der Nichtigkeitsabteilung des Patentamtes sei vielmehr gemäß § 117 PatG mit Beschluß einzustellen, sofern der Antragsteller nicht unter Glaubhaftmachung eines rechtlichen Interesses auf der Durchführung beharre. Es bestehe daher die Möglichkeit, daß auch über die Nichtigkeit eines erloschenen Patentes abgesprochen werde. Diese Möglichkeit sei hier noch offen, weil das Nichtigkeitsverfahren bisher noch nicht eingestellt worden sei. Da eine Fortsetzung des unterbrochenen Zivilverfahrens gemäß § 156 Abs 4 PatG erst nach Rechtskraft der Entscheidung über die Vorfrage erfolgen dürfe, sei der Fortsetzungsantrag der Zweitbeklagten unbegründet.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Zweitbeklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist schon deshalb zulässig, weil er sich gegen die Abweisung eines Fortsetzungsantrages und somit gegen die Anordnung einer Unterbrechung richtet (§ 192 Abs 2 ZPO); im übrigen kommen hier besondere Bestimmungen zur Anwendung, die es dem Gericht zur Pflicht machen, über eine Vorfrage nicht selbst zu entscheiden, sondern sein Verfahren bis zur Entscheidung einer anderen Behörde über diese Vorfrage zu unterbrechen (Fasching Kommentar II 936; RZ 1963, 157; 4 Ob 389/78 ua).
Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.
Die zweitbeklagte Partei vertritt in ihrem Rechtsmittel im wesentlichen den Standpunkt, daß die Klägerin durch den Verzicht und die Einschränkung der Patentansprüche ihren Nichtigkeitseinwand voll anerkannt habe; dadurch sei die Nichtig. des Patents "offenbar" und für das Prozeßgericht mit Sicherheit vorhersehbar geworden, daß die strittigen Ansprüche für nichtig erklärt werden würden. Damit sei aber der gesetzliche Unterbrechungsgrund ebenso weggefallen wie in den analogen Fällen, in denen die Nichtigkeit offenbar zu verneinen sei. Diesen Ausführungen ist folgendes entgegenzuhalten:
Die Patentgesetz-Novelle 1977 BGBl. 349 hatte das Gericht verpflichtet, das Verfahren zu unterbrechen, wenn das Urteil davon abhängt, ob das Patent nichtig ist (§ 48). Durch diese Neufassung des § 156 Abs 3 PatG wurde den Gerichten die selbständige Beurteilung von Vorfragen über die Gültigkeit und Wirksamkeit eines Patentes im Verletzungsverfahren generell entzogen; der Einwand der Nichtigkeit hatte die Unterbrechung des Verfahrens zwingend zur Folge. Dieses durfte erst nach Rechtskraft der Entscheidung über die Vorfrage fortgesetzt werden (§ 156 Abs 4 PatG; EB 490 BlgNR 14. GP 16 f; ÖBl 1985, 38 = SZ 57/68). Diese Regelung gab dem Patentverletzer die Möglichkeit, das Verletzungsverfahren dadurch zu verzögern, daß er mutwillig die Nichtigkeit des Patentes einwendete; das Gericht hatte in diesem Fall das Verfahren selbst dann zu unterbrechen, wenn der Einwand offenbar nicht zutraf: Derartige mutwillige Verfahrensverzögerungen sollten durch die Neufassung des § 156 Abs 3 PatG durch die Patentrechts-Novelle 1984 BGBl. 234 verhindert werden (RV 1984 in Schönherr MSA Patentrecht [1984] § 156 Anm. a). Die aufgezeigte Bestimmung wurde dadurch aber nur insofern eingeschränkt, als eine Unterbrechung des Verfahrens dann nicht zu erfolgen hat, wenn die Nichtigkeit offenbar zu verneinen ist (s. dazu auch Jahn in GesRZ 1984, 101; derselbe in GRURInt. 1984, 501). In allen anderen Fällen ist die Unterbrechung des Verfahrens nach wie vor nicht in das Ermessen des Gerichtes gestellt. Der Einwand des Revisionsrekurses, § 156 Abs 3 PatG müsse im Wege der Interpretation - etwa historisch-teleologisch oder durch "Füllung" einer planwidrigen Gesetzeslücke - dahin ausgelegt werden, daß das Gerichtsverfahren auch dann nicht zu unterbrechen ist, wenn die Nichtigkeit offenbar zu bejahen sei, übersieht die eindeutige Gesetzeslage und den erklärten Zweck der Regelung. Die erst in der Patentrechts-Novelle 1984 erfolgte Einschränkung zu Lasten des Patentverletzers kann daher nicht als planwidrige Lücke angesehen werden. Das Gesetz ist, gemessen an seiner Absicht und seiner immanenten Teleologie, nicht unvollständig geblieben. Die Ansicht, daß ein weiterer Ausnahmetatbestand auch zugunsten des angeblichen Patentverletzers wünschenswert wäre, rechtfertigt noch nicht die Annahme einer Gesetzeslücke (Koziol-Welser 7 I 23). Durch die von der Revisionsrekurswerberin verlangte Bedachtnahme auf die bisherigen Ergebnisse des Verfahrens vor dem Patentamt würde nichts anderes als die früher bestandene Doppelgeleisigkeit wieder eingeführt, welche die Patentgesetz-Novelle 1977 gerade beseitigen wollte. Selbst ein wahrscheinlicher oder absehbarer Ausgang des Verwaltungsverfahrens kann daher vom Gericht nicht vorweggenommen werden.
Im übrigen ist dem Rekursgericht beizupflichten, daß ein Verzicht auf Patentansprüche nur ex nunc, die Nichtigerklärung aber ex tunc wirkt, woraus sich ein rechtliches Interesse an der weiteren Verfahrensdurchführung ergibt (Friebel-Pulitzer, Österreichisches Patentrecht 2 , 378 IV. 8). Nach § 117 PatG ist das Verfahren mit Beschluß einzustellen, sofern der Antragsteller nicht auf die Durchführung beharrt; ein solcher Beschluß ist als Endentscheidung anzusehen. Daraus folgt, daß mit dem Verzicht der klagenden Partei auf Patentansprüche das Nichtigkeitsverfahren noch nicht zwangsläufig erledigt ist. Von der Lösung dieser verwaltungsrechtlichen Vorfrage hängt aber die Berechtigung der Begehren auf Rechnungslegung und Gewinnherausgabe ab; lediglich dem Unterlassungsbegehren wäre durch den Verzicht der klagenden Partei der Boden entzogen. Da sohin weder der gesetzliche Unterbrechungsgrund noch der angestrebte Zweck der Vermeidung einer Doppelgeleisigkeit weggefallen ist, kann der auf ausdrücklichen Gesetzesbefehl hin erlassene Unterbrechungsbeschluß nicht aufgehoben werden (Fasching aaO 937).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)