OGH 2Ob565/87

OGH2Ob565/8728.4.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei D*** Allgemeine Versicherungs Aktiengesellschaft, Schottenring 15, 1010 Wien, vertreten durch Dr. Walter Schuppich, Dr. Werner Sporn, Dr. Michael Winischhofer, Dr. Martin Schuppich, Rechtsanwälte in Wien, wider die Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei 1. Erwin S***, Gewerbetreibender, Währinger Straße 76/11, 1090 Wien, 2. Dr. Robert S***, Richter, Blümelgasse 1/19, 1060 Wien, beide vertreten durch Dr. Karl Hochhaltinger, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 3,622.937,-- s.A., infolge Revisionsrekurses der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 23. Jänner 1987, GZ 16 R 290/86-36, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 1.August 1986, GZ 1 Cg 201/86-9, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs, dessen Kosten die klagende und gefährdete Partei selbst zu tragen hat, wird nicht Folge gegeben. Die Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die klagende und gefährdete Partei (in der Folge: Klägerin) leistete den Beklagten und Gegnern der gefährdeten Partei (in der Folge: Beklagte) auf Grund der Meldung über einen Einbruchsdiebstahl in einem Tonstudio eine Entschädigung von S 3,622.937,--. Mit der Begründung, die Beklagten hätten den Einbruchsdiebstahl nur vorgetäuscht, um in den Genuß der Versicherungsleistung zu kommen, begehrt die Klägerin den Betrag von S 3,622.937,--. Außerdem beantragt die Klägerin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, womit zur Sicherung ihres Anspruches auf Zahlung des Klagsbetrages die Verwahrung der beweglichen körperlichen in der Gewahrsame der Beklagten befindlichen Sachen einschließlich Geldes bewilligt werde. Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung ohne Anhörung der Beklagten, machte die Wirksamkeit aber von einer (von der Klägerin in der Folge auch tatsächlich erlegten) Kaution von S 1,000.000,-- abhängig. Das Gericht erster Instanz nahm den Anspruch als bescheinigt an und folgerte daraus, daß die Straftat auch die Gefahr von Vereitelungsmaßnahmen zur Erhaltung des strafgesetzwidrigen Erfolges miteinschließe.

Das Rekursgericht änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abgewiesen wird. Nach den vorliegenden Umständen sei der Verdacht eines durch die beiden Beklagten begangenen Versicherungsbetruges zwar naheliegend. Dies schließe aber nicht ohne weiteres die Behauptung einer Gefährdung des Anspruches in sich ein. Der vom Erstgericht zitierten Entscheidung ZBl 1932/189, wonach für die Wahrscheinlichkeit der Anspruchsvereitelung maßgebend sei, ob auf Grund der bescheinigten Eigenschaften und des Verhaltens des Gegners der gefährdeten Partei naheliegend sei, daß er ohne die beantragte einstweilige Verfügung die Befriedigung des Anspruches erheblich erschweren werde, sei ein in diese Richtung weisendes Verhalten bzw. gerechtfertigte Annahme einer entsprechenden Charaktereigenschaft des Gegners der gefährdeten Partei unzweifelhaft zugrunde gelegen. Zweifellos sei jedes betrügerische Verhalten von der Hoffnung des Täters geleitet, damit Erfolg zu haben. Der Schluß, daß ein solcher bei den Betrugshandlungen geschickt vorgehender Täter trotz eingeleiteten Strafverfahrens versuchen werde, die widerrechtlich erworbenen Vermögensvorteile dem Rückgriffsanspruch des Gläubigers zu entziehen, gehe aber zu weit. Diese Folgerung würde letztlich dazu führen, daß bei allen Anspruchsbescheinigungen auf Grund von Straftaten ohne Rücksicht auf die Täterpersönlichkeit keine konkrete Gefährdungsbescheinigung mehr erforderlich wäre (vgl. 8 Ob 545/82). Auch der Umstand, daß sich die Gegner der gefährdeten Partei in Untersuchungshaft befänden (oder befunden hätten), genüge allein für die Bescheinigung der Gefährdung des Anspruches noch nicht (vgl. QuHGZ 1968/47; EvBl 1971/112). Auch die bloße Bestreitung des behaupteten Anspruches rechtfertige noch nicht die Annahme, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Anspruches gefährdet werden könnte. Vielmehr müßte zu einer derartigen Bestreitung noch irgendein weiterer Umstand hinzukommen, der eine solche Besorgnis konkret begründet erscheinen lasse (vgl. EvBl 1964/371). Die klagende Partei habe jedoch kein in diese Richtung deutendes Vereitelungsverhalten der beiden Beklagten behauptet.

Die Klägerin bekämpft den Beschluß des Rekursgerichtes mit Revisionsrekurs, in welchem sie die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes beantragt.

Der Vertreter der Beklagten, dem der Revisionsrekurs am 3.3.1987 zugestellt wurde, gab am 31.3.1987 eine Revisionsrekursbeantwortung zur Post.

Da gemäß § 402 Abs 1 letzter Satz EO die Frist für die Rekursbeantwortung 14 Tage beträgt, wurde die Rechtsmittelbeantwortung der Beklagten verspätet eingebracht. Sie war daher zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Die Klägerin führt im wesentlichen aus, aus der Absicht der Gegner, sich einen ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen, folge zweifelsfrei das Bestreben, diesen Vorteil auch zu bewahren. Dieses Bestreben werde manifestiert, wenn der Täter, statt den Schaden gutzumachen oder den Ersatzanspruch mindestens anzuerkennen, den Anspruch bestreitet und damit seine Auffassung zu erkennen gibt, über die widerrechtlich erlangten Vorteile verfügen zu können. Selbst wenn man eine durchschnittliche Vorsatztat nicht als geeignete Grundlage für eine Anspruchsgefährdung annehme, unterscheide sich der vorliegende Sachverhalt von einer solchen durchschnittlichen Vorsatztat; es lägen zahlreiche konkrete Umstände vor, die die Gefährdung des Anspruches erkennen ließen. Es habe zur Begehung des Versicherungsbetruges eines sorgfältig geplanten Vorgehens und der Betätigung erheblicher krimineller Energie bedurft. Weder das gegen die Beklagten eingeleitete Strafverfahren noch die verhängte Untersuchungshaft hätten an der Intensität des Täterwillens und der Absicht, die widerrechtlich erlangten Vorteile zu bewahren, etwas ändern können. Es könne daher nicht daran gezweifelt werden, daß die Beklagten neben ihren Bemühungen, einen für sie positiven Ausgang des Strafverfahrens zu erzielen, auch bestrebt sein werden, die erlangten wirtschaftlichen Vorteile auch für den Fall zu sichern, daß das Strafverfahren für sie negativ ausgehen sollte. Die Beklagten seien nach dem von ihnen eingenommenen Rechtsstandpunkt zu einer uneingeschränkten Verfügung über die Versicherungsleistung bzw. die daraus angeschafften Sachwerte berechtigt. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb sie eine solche Verfügung nicht auch treffen sollten, zumal damit kein weiteres Risiko verbunden wäre. Diese Umstände grenzten die vorliegende Straftat hinlänglich von anderen "durchschnittlichen" Straftaten ab. Gerade die von den Beklagten behauptete Rechtmäßigkeit der Vermögensverschiebung räume diesen die unbeschränkte Möglichkeit ein, ohne die beantragte einstweilige Verfügung mit der Versicherungsleistung bzw. den daraus angeschafften Sachen nach Gutdünken zu disponieren und damit den Rückforderungsanspruch der Klägerin zu gefährden. Dazu komme das Mißverhältnis zwischen dem Ausmaß der Vermögensverschiebung und dem vor dem Versicherungsbetrug vorhandenen Vermögen der Beklagten, das offensichtlich nicht einmal zur Befriedigung eines Bruchteils des Rückforderungsanspruches der Klägerin hinreichen würde. Die von der Klägerin erbrachte Entschädigungsleistung sei der einzig adäquate Deckungsfonds für den Rückforderungsanspruch der Klägerin. Dieser Deckungsfonds würde durch jede Verfügung der Beklagten reduziert. Die Klägerin habe Anspruch, die geleistete Entschädigung sicherzustellen und daher Bargeld in Empfang zu nehmen. Dies umsomehr, als nach dem konkret behaupteten und durch den Strafakt bescheinigten Verhalten der Beklagten (diese bestätigten, aus der Zahlung Privatwohnungen angeschafft zu haben), eine weitere Reduktion der vorhandenen Geldmittel dringend zu befürchten sei.

Diesen Ausführungen ist folgendes entgegenzuhalten:

Die Klägerin macht gegen die Beklagten eine Geldforderung geltend. Zur Sicherung einer solchen kann gemäß § 379 Abs 2 Z 1 EO eine einstweilige Verfügung nur getroffen werden, wenn wahrscheinlich ist, daß ohne sie der Gegner der gefährdeten Partei durch Beschädigen, Zerstören, Verheimlichen oder Verbringen von Vermögensstücken durch Veräußerung oder andere Verfügungen über Gegenstände seines Vermögens, insbesondere durch darüber mit dritten Personen getroffene Vereinbarungen, die Hereinbringung der Geldforderung vereiteln oder erheblich erschweren würde. Maßgebend ist, ob die Wahrscheinlichkeit besteht, daß ohne einstweilige Verfügung die Befriedigung des Anspruches erheblich erschwert würde. Das ist zu bejahen, wenn konkrete Umstände bescheinigt sind, die es wahrscheinlich machen, daß durch das Verhalten des Gegners die Hereinbringung der Geldforderung vereitelt oder erheblich erschwert werden würde. Erforderlich ist eine subjektive Gefährdungshandlung (Heller-Berger-Stix 2706), die dann gegeben ist, wenn Eigenschaften oder ein Verhalten des Gegners der gefährdeten Partei bescheinigt werden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit die Annahme von Vereitelungshandlungen besorgen lassen (ZBl 1932/189; EvBl 1971/112 ua.). Vorausgesetzt ist ein positives Handeln des Gegners der gefährdeten Partei (Heller-Berger-Stix 2706).

Die Klägerin begründete ihre Besorgnis der Vereitelung oder Erschwerung der Hereinbringung ihrer Forderung damit, es bestehe die Gefahr, daß die Beklagten über Vermögensgegenstände verfügen werden. Das Bestehen einer derartigen objektiven Gefahr reicht zur Bewilligung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung einer Geldforderung aber nicht aus. Die erforderliche Bescheinigung einer subjektiven Gefährdung wurde nicht erbracht. Aus dem von den Vorinstanzen als bescheinigt angenommenen Versicherungsbetrug ergibt sich nicht, daß die Beklagten für den Fall, daß ihre strafbare Handlung als erwiesen angenommen werden sollte und sie zur Rückzahlung der empfangenen Versicherungsleistung verhalten würden, die Rückzahlungsansprüche durch Verfügungen über ihr Vermögen vereiteln werden. Dafür spricht auch nicht der Umstand, daß die Beklagten den Versicherungsbetrug bestreiten, denn es ist das Recht der Verdächtigen, sich gegen die Einleitung eines Strafverfahrens und eine strafgerichtliche Verurteilung zur Wehr zu setzen. Sonstige Umstände, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit von Gefährdungshandlungen durch die Beklagten ergeben würde, hat die Klägerin nicht behauptet. Den Rechtsmittelausführungen, es sei kein Grund vorhanden, weshalb die Beklagten nicht Verfügungen über die Vermögensgegenstände treffen sollten, ist entgegenzuhalten, daß dies für die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung nicht ausreicht. Es ist nicht Sache der Beklagten, Gründe anzuführen, warum sie keine Vermögensverminderung vornehmen werden, sondern die Klägerin hätte die Wahrscheinlichkeit einer von den Schuldnern veranlaßten Vermögensminderung glaubhaft machen müssen (4 Ob 513/82). Auch die Ausführungen darüber, daß es sich bei den Fahrnissen, deren Verwahrung beantragt wurde, um den einzigen Deckungsfonds handle, sind nicht geeignet, die beantragte einstweilige Verfügung zu rechtfertigen. Es hätte nämlich trotzdem der Bescheinigung bedurft, daß die Gefahr besteht, daß die Beklagten diesen Deckungsfonds vermindern werden.

Zutreffend hat daher das Rekursgericht trotz Bescheinigung des Anspruches den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgewiesen, weil die erforderliche Bescheinigung einer Gefährdung nicht erbracht wurde.

Aus diesem Grund mußte dem Revisionsrekurs ein Erfolg versagt bleiben.

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