Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Friedrich W*** und Johann M*** von der wider sie wegen Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 - letzterer iVm § 12 zweiter Fall - StGB erhobenen Anklage gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Nach dem Anklagevorwurf hätten in Wien
I./ Friedrich W*** am 19.November 1984 als Beamter des Finanzamtes für Körperschaften mit dem Vorsatz, dadurch, "den Staat an seinem Recht auf Ausstellung wahrheitsgemäßer Urkunden zu schädigen" (vgl. dagegen ÖJZ-LSK 1983/48 zu § 302 Abs 1 StGB), seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, indem er für Johann M*** eine zur Vorlage beim Magistrat der Stadt Wien (Stadtbaudirektion) bestimmte Bescheinigung ausstellte, wonach (gegen die Johann M*** & Co Gesellschaft mbH) Abgabenforderungen gegenwärtig nicht bestünden, obwohl tatsächlich Steuerschulden in der Höhe von 1,018.186 S bestanden; und II./ Johann M*** den Erstangeklagten Friedrich W*** zu der vorangeführten Tat bestimmt, indem er ihn zur Ausstellung jener Bescheinigung aufforderte.
Diesen Freispruch begründete das Schöffengericht damit, daß Friedrich W*** zur Austellung der Bescheinigung "im Rahmen des ihm nach § 20 BAO eingeräumten Ermessens" objektiv befugt gewesen sei, daß er dabei (dementsprechend) "weder mit Schädigungs- noch mit wissentlichem Mißbrauchsvorsatz" gehandelt habe, weil dem Unternehmen des Zweitangeklagten Zahlungserleichterungen gewährt und deren Bedingungen eingehalten worden waren, sodaß kein sofort fälliger Abgabenrückstand bestanden habe, und daß im Hinblick auf verschiedene Erlässe des Bundesministeriums für Finanzen mit Bezug auf § 48 a BAO bei ihm kein Unrechtsbewußtsein vorgelegen sei; auch eine Beurteilung seines Verhaltens nach § 311 StGB komme nicht in Betracht, weil er nicht eine Tatsache objektiv unrichtig beurkundet und sich zur Ausstellung der Bescheinigung für befugt gehalten habe. Johann M*** hinwieder habe schon im Juli 1984 bei gleicher Sachlage eine derartige Bescheinigung anstandslos erhalten und habe auch im gegenständlichen Fall den Erstangeklagten keineswegs zur Ausstellung dieser Bescheinigung überreden müssen; überdies könne nach herrschender Rechtsprechung - wobei sich das Gericht auf Bertel (im WK § 302 Rz. 92) beruft - der Nichtqualifizierte nicht in weiterem Umfang strafbar sein als der Qualifizierte.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit einer auf die Gründe der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, mit der sie hinsichtlich beider Angeklagten einen Schuldpsruch im Sinn der Anklage oder allenfalls des (von M*** als Bestimmungstäter im Sinn des § 12 zweiter Fall StGB begangenen) Vergehens nach § 311 StGB anstrebt, der jedoch keine Berechtigung zukommt.
In rechtlicher Beziehung ist dem Beschwerdevorbringen (Z 9 lit a) zwar einzuräumen, daß den Abgabenbehörden in bezug auf unrichtige öffentliche Beurkundungen objektiv kein Ermessensspielraum (§ 20 BAO) zusteht und daß solche auch nicht etwa durch die abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht (§ 48 a BAO) gerechtfertigt sein können.
Zur subjektiven Tatseite weicht jedoch die Beschwerdeführerin vom Urteilssachverhalt ab, soweit sie meint, nach den erstgerichtlichen Feststellungen könne "als festgestellt gelten", daß der Angeklagte W*** bei Ausstellung der Bescheinigung wissentlich seine Befugnis zur Vornahme von Amtsgeschäften mißbraucht habe; denn ebendiese Annahme hat das Schöffengericht, wie eingangs dargestellt, ausdrücklich abgelehnt (US 6, 7). Materiellrechtliche Nichtigkeitsgründe können aber nur durch einen Vergleich des im Urteil als erwiesen angenommenen Sachverhalts mit dem darauf angewendeten Gesetz prozeßordnungsgemäß dargetan werden. Einen Begründungsmangel (Z 5) in Ansehung der zuletzt relevierten Feststellungen erblickt die Anklagebehörde darin, daß sich der Angeklagte Friedrich W*** - weiteren Konstatierungen zufolge - vor Ausstellung der Bescheinigung für Johann M*** über das damalige Nichtbestehen von Abgabenforderungen vom Vorliegen eines Abgabenrückstandes zu Lasten von dessen Unternehmen in der Höhe von mehr als 1 Million S überzeugt hatte, woraus nach Auffassung der Beschwerdeführerin "die einzig mögliche Schlußfolgerung" abzuleiten sei, daß der Erstangeklagte "wider besseres Wissen eine Urkunde mit unwahrem Inhalt" ausgestellt habe. Diesem Einwand zuwider kann jedoch der Begriff einer "gegenwärtig nicht bestehenden Abgabenforderung" nach dem Sinn und Zweck der in Rede stehenden Formularbescheinigung immerhin denkmöglich auch in dem eingeschränkten Sinn verstanden werden, daß damit das Nichtbestehen von solchen fälligen Abgabenforderungen zum Ausdruck gebracht wird, die nicht ordnungsgemäß abgestattet werden und darum der Annahme einer fiskalischen Unbedenklichkeit entgegenstünden. Dies umso mehr, als nach der vom Erstgericht vorrangig verwerteten (US 7), die Verantwortung des Angeklagten Friedrich W*** stützenden Zeugenaussage des Mag. Gerhard R***, Oberrat im Bundesministerium für Finanzen, darüber, ob und bejahendenfalls mit welchem Inhalt derartige allgemeine Bescheinigungen (FLD-Formular LNr Verf 34 a) in ähnlich gelagerten Fällen ausgestellt werden dürfen oder nicht, bei den Finanzämtern weitgehend Unklarheit herrschte, weshalb der konkrete Vorfall vom Bundesministerium für Finanzen auch zum Anlaß einer erlaßmäßigen Regelung genommen werde (S 370 ff).
Demnach erweist sich die entscheidende Annahme des Schöffengerichtes dahin, daß sich der Angeklagte W*** zur Ausstellung der inkriminierten Bescheinigung bei der gegebenen Sachlage für befugt hielt (US 7/8), als durchaus zureichend begründet, sodaß es sich erübrigt, auf die weitere Frage nach dem Tatbestandserfordernis eines über den bloßen Urkundengebrauch im Rechtsverkehr hinausgehenden (vgl. abermals ÖJZ-LSK 1983/48) Schädigungsvorsatzes dieses Angeklagten in bezug auf konkrete Rechte anderer - hier: der Gemeinde Wien auf Abstandnahme von Vertragsabschlüssen mit unverläßlichen Kontrahenten - einzugehen. Schon aus diesen die subjektive Tatseite betreffenden Erwägungen kommt mithin eine rechtliche Beurteilung des festgestellten Tatverhaltens des Angeklagten Friedrich W*** als Mißbrauch der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB nicht in Betracht. Damit ist aber der weitere Beschwerdevorwurf, ein dem Angeklagten W*** unterlaufener (indirekter) Verbotsirrtum, der ihn das Unrecht seiner Tat nicht erkennen ließ, sei unentschuldbar und darum (nach § 9 Abs 3 StGB) nicht zu beachten, inaktuell. Denn zur Wirksamkeit eines Entschuldigungsgrundes (hier: eines nicht vorwerfbaren Rechtsirrtums über die Tragweite des § 48 a BAO als Rechtfertigungsgrundlage) ist nach § 9 Abs 1 StGB das Vorliegen des objektiven und subjektiven Tat-Unrechts, also der Tatbestandsmäßigkeit des betreffenden Täterverhaltens, vorauszusetzen; letztere ist indessen im gegebenen Fall nach dem zuvor Gesagten in Ansehung der subjektiven Tatseite auszuschließen, sodaß es auf die Frage nach einer Entschuldbarkeit des dieser Annahme zugrunde liegenden Rechtsirrtums gar nicht ankommt (vgl. SSt. 48/78 u.a.).
Auch der (gegenüber § 302 Abs 1 StGB subsidiäre) Tatbestand der falschen Beurkundung im Amt nach § 311 (erster Fall) StGB kommt - dem dahin zielenden Beschwerdevorbringen (Z 9 lit a) zuwider - nach den Urteilskonstatierungen nicht in Betracht. Dieses Delikt setzt nämlich den Vorsatz voraus, ein Recht, ein Rechtsverhältnis oder eine (rechtlich bedeutsame) Tatsache fälschlich, also objektiv unrichtig, zu beurkunden. Einen solchen, auf die Unrichtigkeit des Inhalts der ausgestellten Bescheinigung gerichteten Vorsatz des Angeklagten Friedrich W*** hat aber der Schöffensenat, wie oben dargetan, ausdrücklich verneint, indem er diesem den guten Glauben zugestand, das "gegenwärtige Nichtbestehen von Abgabenforderungen" bescheinigen zu dürfen, weil das abgabepflichtige Unternehmen den vom Finanzamt festgesetzten Zahlungsmodalitäten nachkam; von darauf bezogenen Feststellungsmängeln kann daher entgegen der Rechtsrüge keine Rede sein.
In Ansehung des Zweitangeklagten Johann M*** hinwieder ist der Rechtsrüge (Z 9 lit a) in objektiver Hinsicht zwar darin beizupflichten, daß zur Annahme einer Bestimmungstäterschaft (§ 12 zweiter Fall StGB) ein "Überreden" des unmittelbaren Täters (§ 12 erster Fall StGB) nicht erforderlich ist; dazu genügt vielmehr jedes Ursächlich-Werden für dessen (obgleich allenfalls ohne tatbestandsmäßigen Vorsatz gefaßten) Handlungsentschluß, wie im vorliegenden Fall durch den Antrag auf Ausstellung der Bescheinigung. Nicht stichhältig dagegen ist die - im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) der Sache nach erhobene - Behauptung von Feststellungsmängeln (Z 9 lit a) zur subjektiven Tatseite der diesem Angeklagten vorgeworfenen Bestimmung des Erstangeklagten zum Mißbrauch der Amtsgewalt (§§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB). Denn insoweit ist das Schöffengericht - wie sowohl dem die Freispruchsbegründung einleitenden Hinweis darauf, daß M*** schon einmal bei gleicher Sachlage eine gleichlautende Bescheinigung des Finanzamtes anstandslos erhalten hatte und auch im gegenständlichen Fall mit seinem Begehren ohneweiters durchdrang, als auch der Bezugnahme auf die eingangs zitierte Lehrmeinung, die in ihrem im Urteil wiedergegebenen Teil das Erfordernis eines Wissens des extranen Bestimmungstäters von der zumindest objektiven Mißbräuchlichkeit des von ihm ausgelösten Verhaltens des Beamten (als unmittelbarem Täter) betrifft, deutlich genug zu entnehmen ist - ersichtlich davon ausgegangen (US 8), daß (auch) er es keineswegs für gewiß hielt (§ 5 Abs 3 StGB), der die (von ihm beantragte) Bescheinigung ausstellende Erstangeklagte mißbrauche dabei seine amtlichen Befugnisse.
Angesichts dieses Fehlens schon des (auch) für den Bestimmungstäter, der gemäß § 1 Abs 1 StGB als Täter den Tatbestand auf der subjektiven Tatseite voll verwirklichen muß (vgl. RZ 1987/4 u. a.), geltenden primären subjektiven Tatbestandserfordernisses eines Wissens vom zumindest objektiven Befugnismißbrauch durch den Beamten bedarf es im vorliegenden Fall keiner Erörterung der weiteren Frage, inwieweit sich ein derartiges Wissen des Zweitangeklagten im Sinn des § 14 Abs 1 Satz 2 zweiter Fall StGB zudem auf den unrechtsbegründenden Vorsatz des Erstangeklagten hätte erstrecken müssen, um den durch § 12 zweiter Fall StGB erweiterten Tatbestand des § 302 Abs 1 StGB zu erfüllen (vgl. dazu abermals RZ 1987/4 sowie Friedrich in RZ 1986, 259 rSp bis 261 oben, insbes. vor FN 101); dieses Verbrechen wurde demnach dem Angeklagten M*** zu Recht nicht angelastet.
Für eine Annahme dahin aber, daß sich letzterer über die inhaltliche Richtigkeit der angestrebten amtlichen Bescheinigung Gedanken gemacht, geschweige denn, daß er eine Tatsachenwidrigkeit des Inhalts dieser öffentlichen Urkunde in seinen (auch nur bedingten) Vorsatz aufgenommen hätte, sodaß er - unter der Annahme des Nichtvorliegens eines Schädigungsvorsatzes seinerseits im Sinn des § 302 StGB (vgl. nochmals ÖJZ-LSK 1083/48) - immerhin nach §§ 12, 311 (erster Fall) StGB oder allenfalls nach §§ 228 StGB zu bestrafen wäre, fehlt es nicht nur an entsprechenden Feststellungen im Urteil, sondern auch an jeglichem konkreten Anhaltspunkt in den Verfahrensergebnissen, sodaß die (insoweit nicht näher substantiierte) Rechtsrüge (Z 9 lit a) in diese Richtung hin gleichfalls versagt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher zu verwerfen.
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