OGH 7Ob13/87

OGH7Ob13/8716.4.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Maier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anton K***, Spengler und Dachdecker, Telfs, Unterbirkenweg 10, vertreten durch Dr. Albert Heiss, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei D*** Allgemeine Versicherungs-Aktiengesellschaft, Wien 1., Schottenring 15, vertreten durch Dr. Martin Stoll, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung (Streitwert S 100.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 28. Oktober 1986, GZ. 1 R 239/86-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 13. Mai 1986, GZ. 16 Cg 499/85-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.243,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 385,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war mit drei weiteren Unternehmern an der Generalsanierung des Hauses Rhombergpassage-Amraser Straße 1 in Innsbruck beteiligt. Ihm oblagen die Dachdeckerarbeiten. Nach der Generalsanierung kam es in der Nacht vom 23. auf den 24. September 1984 infolge einer Verstopfung des Hauptsammelkanals zu einer Überflutung des Mietobjektes "N*** T***". Ursache der Verstopfung waren die Abfallprodukte der Generalsanierung wie zerbrochene Ziegel, Gußrohrscherben, Dachpappenreste, Verpackungsmaterial und ein abgebrochener Hammer. Die Behebung des durch den Wassereinbruch verursachten Schadens erforderte einen Aufwand von S 259.757,23. Ein Teilbetrag von S 133.961,53 wurde von der A***-E*** Versicherungs-Aktiengesellschaft (im folgenden nur A***-E***), bei der eine Gebäudeleitungswasserschadenversicherung besteht, bezahlt. Der Rest

wurde vom Auftraggeber, der

S***N*** MBH (im folgenden nur S***) den an der Generalsanierung beteiligten Unternehmern anteilsmäßig vom Werklohn abgezogen. Auf den Kläger entfiel ein Betrag von S 25.991 ohne Umsatzsteuer. Die A***-E*** macht unter anderem den Kläger für den Schaden haftbar und begehrt von ihm, gestützt auf § 67 VersVG, Ersatz.

Der Kläger hat mit der beklagten Partei eine Betriebshaftpflichtversicherung abgeschlossen, der die Allgemeinen und die Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 1978 und EHVB 1978, im folgenden nur AHVB) zugrundeliegen. Nach Art. 7.1.2 der AHVB sind Ansprüche, soweit sie aufgrund eines Vertrages oder einer besonderen Zusage über den Umfang der gesetzlichen Schadenersatzpflicht hinausgehen, von der Versicherung ausgeschlossen. Aufgrund dieser Bestimmung lehnte die beklagte Partei den vom Kläger erhobenen Deckungsanspruch ab. Sie behauptet, nach dem zwischen dem Kläger und der S*** abgeschlossenen Werkvertrag seien die einschlägigen Ö-Normen Vertragsinhalt und die Haftung des Klägers vertraglich begründet worden. Nach der Ö-Norm B 2110 haben mehrere Auftragnehmer für die in der Zeit ihrer Tätigkeit am Erfüllungsort entstandenen Beschädigungen ... z.B. durch Ablaufverstopfungen, sofern Urheber dieser Beschädigungen nicht feststellbar sind, anteilsmäßig im Verhältnis ihrer ursprünglichen Auftragssumme je Auftragnehmer bis zu einem Betrag von 0,5 % der ursprünglichen Auftragssumme zu haften. Das Erstgericht gab dem auf Feststellung der Deckungspflicht der beklagten Partei gerichteten Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht bestätigte.

Nach der Rechtsansicht der Vorinstanzen sei entgegen der Meinung der beklagten Partei ein rechtliches Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung gegeben. Die Möglichkeit einer Leistungsklage schließe nur dann die Feststellungsklage aus, wenn durch den Leistungsanspruch auch der Feststellungsanspruch ausgeschöpft werde. Dies sei dann nicht der Fall, wenn weitere als die durch ein mögliches Teilleistungsbegehren gegebenen Rechtsfolgen in Betracht kämen. Im vorliegenden Fall treffe dies zu, weil der Kläger über den bereits konkret erfolgten Abzug vom Werklohn hinaus für weitere Ersatzansprüche haftbar gemacht werde. Für den infolge Verstopfung des Hauptsammelkanals verursachten Schaden hafte der Kläger mit den übrigen an der Generalsanierung beteiligten Unternehmen solidarisch. An den Kausalitätsnachweis seien keine strengen Anforderungen zu stellen. Es genüge der Beweis einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit. Diese ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, daß der Kläger an der Generalsanierung beteiligt gewesen und die Verstopfung unter anderem auch durch Dachpappenreste im Hauptsammelkanal hervorgerufen worden sei. Es sei daher die Schlußfolgerung gerechtfertigt, daß der Kläger bzw. seine Erfüllungsgehilfen die Verstopfung mitverursacht hätten. Für das Verschulden gelte die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB, sodaß mangels gegenteiligen Beweises auch von einem Verschulden des Klägers bzw. seiner Erfüllungsgehilfen auszugehen sei. Bei Beteiligung mehrerer an dem schädigenden Ereignis, deren Anteile an der Beschädigung sich nicht bestimmen ließen, wie im vorliegenden Fall, sei nach § 1302 ABGB eine Solidarhaftung der Beteiligten gegeben. Ausgehend von diesem gesetzlichen Haftungsumfang stelle aber eine allfällige Vereinbarung der Ö-Norm B 2110 zwischen dem Kläger und der S*** keine über den Umfang der gesetzlichen Schadenersatzpflicht hinausgehende Erweiterung der Haftung des Klägers dar.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000, nicht aber S 300.000 übersteigt, und erklärte die Revision mit der Begründung für zulässig, daß die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Zulässigkeit einer Feststellungsklage hinsichtlich des gesamten Rechtsverhältnisses bei bereits bestehender Teilfälligkeit des Anspruches uneinheitlich sei.

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Meinung der beklagten Partei, daß die Feststellungsklage unzulässig sei, weil der gesamte Leistungsanspruch aus dem Schadensereignis bereits fällig und daher mit der möglichen Leistungsklage das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien endgültig bereinigt werden könne, ist unrichtig. Diese Rechtsansicht verkennt das Wesen des Anspruches des Versicherungsnehmers aus der Haftpflichtversicherung und vermengt das Deckungs- und das Haftpflichtverhältnis. Der Versicherungsanspruch in der Haftpflichtversicherung ist auf die Befreiung von begründeten und die Abwehr von unbegründeten Haftpflichtansprüchen gerichtet. Unbeschadet dieser beiden Komponenten (Befreiungs- und Rechtsschutzanspruch) handelt es sich um einen einheitlichen Anspruch des Versicherungsnehmers, der in dem Zeitpunkt entsteht und fällig wird, in dem der Versicherungsnehmer von einem Dritten auf Schadenersatz wegen eines unter das versicherte Risiko fallenden Ereignisses oder einer solchen Eigenschaft in Anspruch genommen wird, unabhängig davon, ob die Haftpflichtforderung begründet ist (Bruck-Möller-Johannsen VVG 8 IV 73 f.). Auf die Fälligkeit des Haftpflichtanspruches kommt es daher im Deckungsprozeß grundsätzlich nicht an. Im vorliegenden Fall ist es nicht strittig, daß der Kläger als Haftpflichtiger von der A***-E*** als Legalzessionarin wegen eines Schadensereignisses in Anspruch genommen wird, daß nach der allgemeinen Risikoumschreibung der AHVB unter das versicherte Risiko fällt. Strittig ist lediglich, ob nicht ein Ausschluß vom Versicherungsschutz nach Art. 7.1.2 der AHVB vorliegt. Da die beklagte Partei unter Berufung auf diese Ausschlußklausel den Versicherungsschutz ablehnt, hat der Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Deckungspflicht (7 Ob 58/86 ua). Der Frage, ob bei Möglichkeit der Geltendmachung eines Teilanspruches durch Leistungsklage eine Klage auf Feststellung des gesamten zugrundeliegenden Rechtes oder Rechtsverhältnisses zulässig ist (so RZ 1937, 147; RZ 1936, 287; Fasching LB Rdz 1101; aM JBl. 1956, 121), kommt hier jedoch keine Bedeutung zu, weil die Geltendmachung auch eines Teilanspruches durch Leistungsklage nicht möglich ist. Der Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers verwandelt sich nur dann in einem Zahlungsanspruch, wenn der Versicherungsnehmer den Dritten befriedigt oder der Anspruch des Dritten durch rechtskräftiges Urteil, durch Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt worden ist (§ 154 Abs. 1 VersVG; Bruck-Möller-Johannsen aaO 68). Mit der Ablehnung der Deckung durch die beklagte Partei wurde der Befreiungsanspruch des Klägers jedenfalls nicht schon zum Zahlungsanspruch (Prölls-Martin, VVG 23 848). Eine Feststellung der Forderung des Geschädigten durch rechtskräftiges Urteil, durch Anerkenntnis oder Vergleich wurde im vorliegenden Fall nicht einmal behauptet. Es hat sich zwar der Geschädigte ohne Zustimmung des Klägers (vgl. AS 14 f in ON 4) dadurch zum Teil bereits befriedigt, daß er vom Rechnungsbetrag des Klägers einen entsprechenden Abzug vornahm. Eine solche Aufrechnung ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers ist nur dann als Befriedigung im Sinne des § 154 Abs. 1 VersVG anzusehen, wenn die Haftpflichtforderung des Geschädigten bereits durch rechtskräftiges Urteil, durch Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt worden war. War eine solche Feststellung noch nicht getroffen, schuldet der Versicherer weiterhin Befreiung und es liegt bei ihm, ob er gegen den Geschädigten allenfalls mit Klage vorgehen will (Bruck-Möller-Johannsen aaO 69; vgl. auch Prölls-Martin aaO 878). Die Zulässigkeit der Feststellungsklage wurde daher im Ergebnis zu Recht von den Vorinstanzen bejaht. Bei der Beurteilung des Umfanges der gesetzlichen Schadenersatzpflicht des Klägers durch das Berufungsgericht wendet sich die Revision nur gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes über den Kausalitätsbeweis und bestreitet das Vorliegen einer Rechtswidrigkeit. Insoweit liegen aber erhebliche Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO nicht vor. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes zum Kausalitätsbeweis entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl. zu den vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen noch ZVR 1977/231; ZVR 1962/256). Ist aber nach diesen Grundsätzen ein Schluß auf die Beteiligung des Klägers an der Verstopfung gerechtfertigt, kann die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung vertraglicher Pflichten nicht zweifelhaft sein. Es ist allgemein anerkannt, daß der Unternehmer seine Leistung so zu erbringen hat, daß Rechtsgüter des Bestellers vor Schaden bewahrt bleiben (Krejci in Rummel, ABGB, Rdz 9 zu § 1169 mwN).

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte