OGH 7Ob18/87

OGH7Ob18/8716.4.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Maier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erwin F***, Heizung-Sanitäre-Ölfeuerung, Hall in Tirol, Recheisstraße 2, vertreten durch Dr. Walter Spiess, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei E*** A*** V***-AG,

Landesdirektion Tirol, Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 51-53, vertreten durch Dr. Heinz Bauer und Dr. Harald E. Hummel, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Feststellung (Streitwert S 150.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 21. Jänner 1987, GZ 5 R 385/86-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 26. September 1986, GZ 8 Cg 154/86-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.225,45 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 565,95 an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger, der bei der beklagten Partei betriebshaftpflichtversichert ist, errichtete im Jahre 1984 auf Grund eines Auftrages der F*** & L*** Baugesellschaft mbH für eine Wohnhausanlage in Innsbruck Heizungs-, sanitäre und Lüftungsanlagen. In der zweiten Winterperiode nach Baubeginn, am 17. Februar 1986, wurde vom Bauleiter in den Kellerräumen von drei der fünf Häuser der Anlage ein bis zu 1,70 m hoher Wasserstand entdeckt, der erhebliche Schäden zur Folge hatte. Ein Bogenformstück der Wasserleitung war geplatzt. Der aufgeplatzte, 14 cm lange Millimeterriß im Außennahtbereich des Bogens war durch Spannung entstanden, wobei der Frost (Eisbildung in der Rohrleitung) primär als Auslöser wirkte. Korrosion und Materialfehler sind als Schadensursache auszuschließen. Es liegt auch kein installationsfachlicher Mangel vor. Die F*** & L*** Baugesellschaft mbH vertritt die Ansicht, die Sanierungsmaßnahmen gingen zu Lasten des Klägers, weil dieser für den Schaden verantwortlich sei. Die beklagte Partei hat den Versicherungsschutz in qualifizierter Form (§ 12 Abs 3 VersVG) abgelehnt.

Der Kläger begehrt die Feststellung, die Beklagte hafte ihm aus der bestehenden Betriebshaftpflichtversicherung für alle Ansprüche, die aus dem Schadensfall vom 17. Februar 1986 in der von der F*** & L*** Baugesellschaft mbH errichteten Reihenhausanlage geltend gemacht werden.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage und wendet ein, die Wohnhausanlage sei vor dem 17. Februar 1986 letztmalig am 6. Februar 1986 kontrolliert worden. Der Wasserschaden sei nach dem 6. Februar 1986 zu einem nicht konkret feststehenden Zeitpunkt, jedoch allmählich eingetreten, weil im Zeitraum bis zum 17. Februar 1986 ein plötzlicher Temperatursturz nicht zu verzeichnen gewesen sei und auch für den Fall etwaiger starker Temperaturschwankungen die Witterung auf das Rohrsystem nur einen solchen Einfluß hätte haben können, daß ein plötzlicher Schadenseintritt nicht denkbar sei.

Das Erstgericht gab der Klage statt und traf zu dem bereits wiedergegebenen unbestrittenen Sachverhalt folgende Feststellungen:

Der Witterungsverlauf vom 6. bis zum 17. Februar 1986 war durch ein Hochdruckgebiet über Skandinavien gekennzeichnet, das an seiner Ostflanke Kaltluft in Richtung Alpen steuerte. Einschübe feuchter Luftmassen verursachten gelegentlich Schneefälle, jedoch nur in geringem Ausmaß. Die Kaltluftzufuhr begann am 5. Februar 1986. An diesem Tag wurden noch Werte über dem Nullpunkt gemessen. Ab dem 6. Februar 1986 lagen auch die Tagesmaxima unter null Grad. Die Tiefsttemperaturen wurden am 11. Februar 1986 mit Mindestemperaturen zwischen -12,9 und -14,4 Grad und am 12. Februar 1986 mit Mindesttemperaturen zwischen -13,5 und -16,5 Grad erreicht. Ab dem 13. Februar 1986 stiegen die Temperaturen wieder an. Die Tagesmaxima überstiegen am 13. Februar 1986 erstmals null Grad und erreichten bis zum 17. Februar 1986 Werte von 7,4 und 8,5 Grad. Die Mindestwerte stiegen bis zum 16. Februar 1986 auf minus 3,1 Grad bis minus 3,9 Grad an. Ein plötzlicher Temperatursturz ist in der Zeit vom 6. bis zum 17. Februar 1986 nicht aufgetreten. Es verstärkte sich lediglich die Kaltluftzufuhr, die am 5. Februar 1986 begonnen hatte, bis zum 10. Februar 1986, während die Temperaturen in der Folge bis zum 16. Februar 1986 wieder leicht anstiegen. Wann in der Zeit der Kälteperiode der Frostvorgang in der Leitung derart eintrat, daß er zum Riß führte, der beim Schmelzen des Wassers durch Wasseraustritt offenbar wurde, kann nicht festgestellt werden.

Art. 7 Punkt 10 der hier geltenden Allgemeinen Haftpflichtversicherungsbedingungen (AHVB 1978) hat folgenden Wortlaut: "Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an Sachen durch die allmähliche Einwirkung von Temperatur, Gasen, Dämpfen, Flüssigkeiten, Feuchtigkeit oder nicht atmosphärischen Niederschlägen (wie Rauch, Ruß, Staub usw.)".

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, bei einem Frostschaden an einem Wasserleitungsrohr fehle das Kriterium der Allmählichkeit. Es komme nicht darauf an, ob die Temperatur, die zum Frostschaden geführt habe, allmählich (oder plötzlich) abgesunken sei, sondern darauf, ob der Schaden durch eine allmähliche Einwirkung aufgetreten sei oder ein plötzliches Ereignis darstelle. Ein Frostschaden trete nicht wie etwa das Verrosten allmählich im Lauf der Zeit ein, er ereigne sich in einer verhältnismäßig kurzen Zeit. Der von der beklagten Partei geltend gemachte Risikoausschluß sei daher nicht gegeben.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der Streitwert, über den es entschieden hat, S 60.000,--, nicht jedoch S 300.000,-- übersteigt, und daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte dessen rechtliche Beurteilung. Die Revision sei zuzulassen gewesen, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob ein durch einen Kälteeinbruch verursachtes Einfrieren von Wasser in Leitungsrohren mit anschließendem Zerplatzen von der Ausschlußklausel des Art. 7 Pkt. 10 der AHVB 1978 erfaßt sei, fehle. Die beklagte Partei bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im klageabweisenden Sinn abzuändern. Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die beklagte Partei vertritt die Ansicht, die allmähliche Änderung der Temperaturverhältnisse habe allmählich den Schadenseintritt zur Folge gehabt. Der Umstand, daß dieser dann kurzfristig beim Schmelzen des Eises offenbar geworden sei, könne daran nichts ändern.

Das Revisionsgericht schließt sich dieser Ansicht nicht an. Nach im Wesentlichen übereinstimmender Ansicht von Lehre (Prölss/Martin, VersVG 23 968; Wussow, AHB 7 , 340 ff und Bruck-Möller-Johannsen, VersVG 8 IV 402) und Rechtsprechung (VersR 1983, 355; 7 Ob 25/85 = VersRdSch 1987/17) muß die allmähliche Einwirkung iS des Art. 7 Punkt 10 der AHVB (im Wesentlichen ident mit § 4 Punkt I Z 5 der deutschen AHB) hinsichtlich der einwirkenden Ursache, nicht aber hinsichtlich des Schadensereignisses gegeben sein. Angesichts der Verschiedenartigkeit der in Betracht kommenden Ursachen läßt sich kein bestimmter Zeitraum als Voraussetzung für die allmähliche Einwirkung aufstellen. Es kommt auch nicht so sehr darauf an, wie lange die Einwirkung dauert, als daß sie sich ihrer Natur nach allmählich vollzieht (Wussow aaO). Der Gegensatz zu "allmählich" ist nicht nur "plötzlich", sondern auch "rasch" oder "kurzfristig", so daß sich feste zeitliche Grenzen nicht ziehen lassen (Johannsen aaO). Das Wesen der allmählichen Einwirkung besteht in dem längeren Vorhandensein einer Ursache in etwa gleichbleibendem Umfang, so daß der Schaden nicht durch die einmalige kurzfristige Einwirkung herbeigeführt werden kann, sondern die Ursache gerade in dem ständigen Einwirken liegt (Wussow aaO).

Der Zweck der Allmählichkeitsklausel ist der Ausschluß von Gefahrenlagen, deren Eintritt, Ablauf und Folgen meist unberechenbar sind und bei denen der Nachweis des Schadensursprunges wie der Verantwortlichkeit oft schwierig ist (Prölls/Martin aaO, Johannsen aaO, Wussow aaO 342, Hartun, Die Allgemeine Haftpflichtversicherung, 62). Doch greift der Ausschluß - bei Vorliegen der anderen Voraussetzungen - dennoch ein, wenn die Entstehungsursache im konkreten Fall klärbar ist (Prölss/Martin aaO). Der Zweck des Ausschlußtatbestandes erfordert im vorliegenden Fall eines unter Frosteinwirkung geplatzten Wasserleitungsrohrstücks keineswegs eine Einordnung unter diesen Risikoausschluß. Denn die Ursache des Rohrbruches und die Verantwortlichkeit hiefür sind ohne besondere Schwierigkeiten zu erheben, der Eintritt einer derartigen Gefahrenlage bei Frost ist ohne weiteres erkennbar (vgl. hiezu auch Jabornegg in VersRdSch 1987, 54).

Gerade bei Temperatureinwirkungen bedarf es im Einzelfall einer genauen Prüfung der Frage, ob die Einwirkung eine allmähliche oder eine plötzliche gewesen ist. Anhaltspunkte gibt die Empfindlichkeit des Einwirkungsobjekts gegenüber Temperaturschwankungen. Es gibt Objekte, die nur duch die elementare Gewalt einer Einwirkung zu Schaden kommen könne, während sie gegen stetige Einflüsse viel unempfindlicher sind. Zu prüfen ist deshalb, ob der konkrete Schaden auf die Stetigkeit und Dauer oder auf die (plötzliche) Gewalt der Temperatureinwirkung zurückzuführen ist (Hartung aaO 64). Im Falle des Einfrierens von Wasser in Leitungsrohren mit anschließendem Zerplatzen kann es nicht als wesentlich angesehen werden, ob die Temperaturen rascher oder langsamer abgesunken sind. Zwar wird ein rascheres Absinken der Temperatur auch ein rascheres Einfrieren des Leitungswassers zur Folge haben. Es ist aber nicht von entscheidender Bedeutung, ob die Rohre etwas früher oder etwas später gesprengt werden und ob die Kälte länger oder weniger lang eingewirkt hat. Denn es ist die Gewalt des sich durch die Kälte ausdehnenden Wassers, das die Rohre sprengt. Die Dauer der Einwirkung der Kälte spielt daher im allgemeinen keine wesentliche Rolle (Hartung aaO; iglS Bruck-Möller-Johannsen aaO 403; der gegenteiligen Meinung von Prölss/Martin aaO 969 vermag sich das Revisionsgericht nicht anzuschließen).

Ein Allmählichkeitsschaden ist daher, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, nicht gegeben.

Die Revision erweist sich damit als unbegründet, so daß ihr ein Erfolg versagt bleiben mußte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte