OGH 6Ob543/87

OGH6Ob543/879.4.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Jensik, Dr. Schlosser und Mag. Engelmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*** V*** reg. Genossenschaft mbH, 8570 Voitsberg, Conrad-von-Hötzendorfstraße 5, vertreten durch Dr. Jürgen Hadler, Rechtsanwalt in Voitsberg, wider die beklagte Partei Rosa Maria DI M*** (auch Barborini Rosa Maria DI M***), Hausfrau, I-33017 Tarcento, Loneriacco, Provinz Udine, Italien, vertreten durch Dr. Norbert Kosch, Dr. Ernst Schilcher, Dr. Jörg Beirer und Dr. Roman Kosch, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wegen S 3,095.952,-- s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgerichtes vom 15. Dezember 1986, GZ 4 R 178/86-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Voitsberg vom 23. Jänner 1986, GZ 2 C 406/84-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 24.699,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 2.027,25 Umsatzsteuer und S 2.400,- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Notariatsakt vom 23.März 1978, errichtet in Köflach, hat die damals in 8572 Bärnbach, Ziegelwerkstraße 22, wohnhaft gewesene Beklagte ihrem Ehegatten Commendatore Amadio DI M***, der damals unter derselben Anschrift wohnhaft war, eine Vollmacht erteilt, wonach letzterer ermächtigt wurde, die Beklagte in allen bürgerlichen und Strafrechtsangelegenheiten sowohl vor Gerichts-, politischen und Finanzbehörden als auch außerbehördlich zu vertreten, insbesondere auch in Vollstreckungs- und Sicherungsverfahren vor Gericht zu vertreten, in ihrem Namen unbewegliche Sachen gerichtlich zu erstehen, in ihrem Namen Rechtsstreite anhängig zu machen, die Zustellung von Klagen und was immer für Namen habenden Beschlüssen, Bescheiden und dergleichen und insbesondere von jenen in Grundbuchssachen anzunehmen, Vergleiche zu schließen, Vormerkungen und Einverleibungen in öffentliche Bücher zu erwirken, grundbücherliche Eintragungen aller Art zu bewilligen, insbesondere Einverleibungs- und Löschungserklärungen abzugeben, bei Behörden Vorstellungen zu machen, zu rekurrieren, Berufungen einzubringen und Nichtigkeitsbeschwerden zu überreichen und von diesen Rechtsmitteln und Berufungen wieder abzustehen, Gelder und Geldeswert zu erheben und darüber rechtsgültig und löschungsfähig zu quittieren, was immer für bewegliche und unbewegliche Sachen und Rechte zu veräußern oder entgeltlich und unentgeltlich zu erwerben und zu übernehmen, Anleihen und Darlehen zu schließen, Zahlungen zu leisten, Gesellschaftsverträge zu errichten, sich auf schiedsrichterliche Entscheidung zu vergleichen und Schiedsrichter zu wählen, bei Verlassenschaftsabhandlungsfällen in ihrem Namen Erbserklärungen mit etraoder ohne die Rechtswohltat der "Inventur" abzugeben, die bezüglichen Ausweise eidesstättig zu fertigen und zur Einantwortung nötige Schritte einzuleiten, in Vertretungen gegen Konkursmassen den Vermögensverwalter und die Kreditorenausschüsse zu wählen, auch im Verhinderungsfall einen Rechtsfreund oder anderen Bevollmächtigten nach seiner eigenen Wahl und Einsicht mit gleicher oder minder ausgedehnter Vollmacht zu substituieren und überhaupt alles vorzukehren, was er nach seiner Einsicht nötig und nützlich erachten wird. Dafür versprach sie, ihm alle seine und seines Stellvertreters in Gemäßheit dieser Vollmacht unternommenen Schritte für genehm zu halten und als von ihr selbst geschehen anzusehen. Eine Ermächti ung, im Namen der Beklagten eine Bürgschaft einzugehen, ist in diesem Notariatsakt nicht ausdrücklich enthalten. Auch sonst liegt eine schriftliche Bevollmächtigung, wonach die Beklagte ihren Gatten zum Abschluß eines Bürgschaftsvertrages ermächtigte, nicht vor. Mit Kreditvertrag vom 18.12.1978 hat die klagende Partei sowohl Comm. Amadio DI M*** als auch der Comm. Amadio DI M*** und Söhne, Steinzeug- und Schamottefabrik, Kommanditgesellschaft, Ziegelwerk Siget in der Wart, einen Kredit im Höchstbetrag von drei Millionen Schilling eingeräumt. In diesem Kreditvertrag verpflichteten sich die Kreditnehmer, dem Kreditgeber genehme Bürgen zu stellen. Mit Bürgschaftsvertrag vom selben Tag hat Comm. Amadio DI M*** unter Berufung auf die erwähnte Vollmacht vom 23.3.1978 namens der Beklagten gegenüber der klagenden Partei die Haftung für das mit dem Kreditvertrag gewährte Darlehen als Bürgin und Zahlerin im Sinne des § 1357 ABGB (zur ungeteilten Hand mit den weiteren Bürgen Ermes DI M*** und Luciano DI M***, die beide persönlich die Urkunde unterfertigten) übernommen. Dieser Bürgschaftsvertrag trägt nicht die Unterschrift der Beklagten. Über das Vermögen der Comm. Amadio DI M*** und Söhne KG sowie über jenes des Comm. Amadio DI M*** wurden zu S 34/82 und S 35/82 des Landesgerichtes Eisenstadt Konkursverfahren eröffnet. Die Beklagte ist im Jahre 1983 nach Italien übersiedelt.

Mit der Behauptung, daß zum Stichtag 31.12.1982 die Forderung der klagenden Partei gegenüber Comm. Amadio DI M*** und der Comm. Amadio DI M*** und Söhne KG mit S 3,095.952,-- aushafte, begehrte die klagende Partei, die Beklagte als Bürgin und Zahlerin schuldig zu erkennen, ihr diesen Betrag samt 12,5 % Zinsen seit 1.1.1983 zu bezahlen.

Die Beklagte hat insbesondere eingewendet, daß Comm. Amadio DI M*** nicht ermächtigt gewesen sei, Bürgschaftserklärungen für sie abzugeben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsansicht, daß der von Comm. Amadio DI M*** abgeschlossene Bürgschaftsvertrag die Beklagte nicht verpflichtet habe, da ihm keine gültige Vollmacht hiezu erteilt worden sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es ging von der Anwendbarkeit inländischen Rechtes aus und folgerte in rechtlicher Hinsicht, nach § 1346 Abs.2 ABGB sei es zur Gültigkeit des Bürgschaftsvertrages erforderlich, daß die Bürgschaftserklärung des Bürgen schriftlich abgegeben werde. Bei Abgabe einer Bürgschaftserklärung durch einen Bevollmächtigten sei daher nicht nur die Schriftlichkeit des Abschlusses des Bürgschaftsvertrages durch den Bevollmächtigten Gültigkeitsvoraussetzung, sondern der Bevollmächtigte müsse eine schriftliche, ausdrücklich auf diese Gattung lautende Vollmacht haben. Wenngleich der Bürgschaftsvertrag unter den im § 1008 ABGB genannten Geschäften, für die eine Gattungsvollmacht erforderlich ist, nicht ausdrücklich genannt sei, ergebe sich aus der durch die Dritte Teilnovelle eingefügten Bestimmung des § 1346 Abs.2 ABGB, wonach für die Gültigkeit einer Bürgschaftsverpflichtung Schriftlichkeit gefordert wird, daß auch die Bevollmächtigung zum Abschluß dieser Gattung von Geschäften nur schriftlich erteilt werden könne. Eine Generalvollmacht, in der die Bevollmächtigung nicht ausdrücklich erwähnt sei, entspreche nicht der Formvorschrift des § 1346 Abs.2 ABGB. Da eine schriftliche Bevollmächtigung des Comm. Amadio DI M*** zum Abschluß des Bürgschaftsvertrages vom 18.12.1978 nicht vorgelegen sei, sei die Beklagte durch diesen Vertrag mangels Einhaltung der Formvorschrift der Schriftlichkeit nicht verpflichtet worden.

Rechtliche Beurteilung

Die von der klagenden Partei gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision ist nicht berechtigt. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nach Prüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht vor (§ 510 Abs.3 ZPO).

Soweit die klagende Partei in ihrer Revision auf die erst vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage nach dem anzuwendenden Sachrecht - das Gericht zweiter Instanz hat unterstellt, daß sowohl die Beklagte als auch ihr Ehegatte italienische Staatsangehörige sind - eingeht und diesem vorwirft, es sei bei der Lösung der kollisionsrechtlichen Frage von bloßen Vermutungen ausgegangen, ist ihr entgegenzuhalten, daß der Bevollmächtigungsvertrag zwischen den Eheleuten DI M*** in Köflach abgeschlossen wurde und nach dem im Abschlußzeitpunkt noch in Geltung gestandenen § 36 ABGB (vgl. dazu § 50 IPR-Gesetz und Schwimann in Rummel, ABGB, Rz 1 hiezu) dem allgemeinen Schuldstatut, also dem Recht des Abschlußortes, unterliegt (EvBl 1961/251; Schwind, Handbuch des Österreichischen Internationalen Privatrechts, 312). Das ist, sofern - wie hier - nicht unter Beweis gestellt wurde, daß bei Abschluß des Vertrages auf ein anderes Sachrecht Bedacht genommen wurde, auch dann maßgeblich, wenn der Vertrag zwischen Ausländern abgeschlossen wurde (Walker-Verdroß-Satter in Klang 2 I/2 237). Die Vorinstanzen haben demnach zutreffend österreichisches Recht angewendet. Nach Lehre und Rechtsprechung (SZ 14/58; JBl 1958, 551, Stanzl in Klang 2 IV/1 811; Strasser in Rummel aaO Rz 17 zu §§ 1006-1008) ist § 1008 erster Satz ABGB dahin ausdehnend auszulegen, daß auch für die Abgabe von Bürgschaftserklärungen durch einen Bevollmächtigten eine auf die Gattung von Geschäften lautende - und schriftliche - Vollmacht erforderlich ist. Es trifft zwar zu, daß es angesichts der grundsätzlichen Formfreiheit von Gattungs- und Einzelvollmacht stets Auslegungsfrage ist, inwieweit in einer schriftlichen Generalvollmacht, die durch eine Reihe von Gattungs- und Einzelvollmachten ergänzt wird, nicht auch eine weitere Gattungsvollmacht erteilt wurde (vgl. Strasser aaO Rz 21). Diese Frage schneidet die klagende Partei mit ihrem Hinweis auf § 914 ABGB augenscheinlich an. Sie übersieht dabei jedoch, daß aus der Aufzählung der im einzelnen angeführten Rechtsgeschäfte, zu welchen die Beklagte ihren Ehemann bevollmächtigt hat, keineswegs auf die Bürgschaft als Übernahme der Haftung für eine fremde Verbindlichkeit geschlossen werden kann. Aus der Bevollmächtigung zur Aufnahme von Darlehen, deren Valuta dem Darlehensnehmer zugute kommt, kann somit keineswegs auf die Vollmacht auch zur Übernahme von Bürgschaften geschlossen werden. Dem Gericht zweiter Instanz ist somit darin beizupflichten, daß die klagende Partei keine wirksame Bevollmächtigung des Comm. Amadio DI M*** zur Abgabe von Bürgschaftsverpflichtungen durch die Beklagte nachzuweisen imstande war. Die klagende Partei zieht zwar die Richtigkeit der Lehre und Rechtsprechung in bezug auf das Erfordernis einer auf Bürgschaftserklärungen lautenden Gattungsvollmacht in Zweifel, ihre nicht näher begründeten Argumente sind jedoch nicht dazu angetan, die analoge Anwendung des § 1008 ABGB auf Bürgschaftserklärungen einer neuerlichen Prüfung zu unterziehen.

Soweit sich die klagende Partei erstmals in der Berufung darauf stützte, die Beklagte habe den Bevollmächtigungsvertrag in Kaufmannseigenschaft abgeschlossen, war darauf als unbeachtliche Neuerung nicht näher einzugehen. Die klagende Partei selbst hat die Beklagte in der Klageschrift als Private bezeichnet. Im übrigen begründete auch die Beteiligung der Beklagten an "diversen Firmen" ihres Ehegatten jedenfalls noch nicht deren Kaufmannseigenschaft. Eine mündlich erteilte Vollmacht zur Abgabe von Bürgschaftserklärungen würde schon am Gebot der Schriftlichkeit scheitern. Das auch den Bürgen und Zahler schützende Schriftformgebot (SZ 7/402; Gamerith in Rummel aaO Rz 9 zu § 1346 ABGB) macht es erforderlich, an die Bevollmächtigungserklärung des Machtgebers dieselben strengen Maßstäbe anzulegen wie an die vom Machthaber im Vollmachtsnamen angeschlossenen Geschäfte; demnach ist jedenfalls schriftliche Ermächtigung zu Bürgschaftserklärungen erforderlich.

Der Revision war ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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