OGH 9Os3/87

OGH9Os3/871.4.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.April 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schopper als Schriftführer in der Strafsache gegen Günther S*** wegen Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 130 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 23.Oktober 1986, GZ 28 Vr 5314/85-29, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Knob, und der Verteidigerin Dr. Ullmann, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Verfahrens über seine Nichtigkeitsbeschwerde zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auch einen (unbekämpft gebliebenen) Teilfreispruch enthaltenden - Urteil wurde der 22-jährige Günther S*** (im zweiten Rechtsgang abermals) des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 130 erster Fall StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in Schwaz in der Zeit vom 20. September 1985 bis zum 10.Oktober 1985 in insgesamt sechs Fällen zum Nachteil verschiedener Geschäftsinhaber fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S nicht übersteigenden Wert, nämlich diverse Lebensmittel im Gesamtwert von ca 465 S, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er die Taten in der Absicht begangen hat, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5 und 10, der Sache nach auch Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, über die allein im Gerichtstag zu erkennen war, weil dem Angeklagten infolge seines unbekannten Aufenthaltes die Ladung zum Gerichtstag über die von ihm außerdem ergriffene Berufung nicht zugestellt werden konnte.

Rechtliche Beurteilung

Soweit der Beschwerdeführer zunächst einleitend pauschal auf die Ausführungen seiner im ersten Rechtsgang ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde verweist und diese aufrechterhält, so übersieht er, daß Rechtsmittel stets unmittelbar ausgeführt werden müssen und Hinweise auf frühere Schriftsätze nicht genügen; auf den Inhalt eines in einem früheren Rechtsgang eingebrachten Rechtsmittels ist daher nicht Bedacht zu nehmen

(vgl. Mayerhofer-Rieder StPO 2 ENr. 33, 34 zu § 285). Der Mängelrüge (Z 5) zuwider hat das Schöffengericht sowohl die Feststellung, daß der Angeklagte sich nicht ernsthaft um eine Arbeit bemüht hat, an einer regelmäßigen Beschäftigung nicht interessiert war und deswegen schließlich von seinem Vater aus der elterlichen Wohnung hinausgeworfen wurde (S 132), als auch die Annahme gewerbsmäßigen Handelns, wobei der Angeklagte insgesamt die Wegnahme von Lebensmitteln in einem deutlich über 500 S liegenden Gesamtwert ins Auge gefaßt hatte (S 133), durchaus zureichend, denkrichtig und im Einklang mit den Verfahrensergebnissen begründet (S 135, 136 und 137). Wenn der Beschwerdeführer dagegen einwendet, es sei nicht erwiesen und im Akteninhalt nicht gedeckt, daß er wegen seiner Arbeitsscheu von seinem Vater aus der Wohnung verwiesen wurde, so negiert er die diesbezüglichen Bekundungen seines Vaters (S 58; verlesen in der Hauptverhandlung S 125), die - ebenso wie im übrigen auch die eigenen Angaben des Angeklagten im Beiakt 38 Vr 3553/86 des Landesgerichtes Innsbruck (s dort S 63) - die bekämpfte Urteilsannahme decken. Daß der Angeklagte gewerbsmäßig gehandelt hat, wurde vom Gericht - entgegen dem Beschwerdevorbringen - keineswegs nur auf Grund der Aussage des Zeugen K*** als erwiesen angenommen, wird doch in den Urteilsgründen im gegebenen Zusammenhang (lediglich) darauf hingewiesen, daß die Bekundungen dieses Zeugen mit der aus der Würdigung aller Verfahrensergebnisse gewonnenen diesbezüglichen Überzeugung der Tatrichter im Einklang stehen (S 135). Die Argumentation des Gerichtes, es sei auszuschließen, daß jemand, der (wie der Angeklagte) wiederholt Lebensmittel im durchschnittlichen Wert von jeweils ca 100 S zu stehlen beabsichtigt, davon ausgehe, seine Beute werde insgesamt die Bagatellgrenze von ca 500 S nicht übersteigen (S 136), ist zwar nicht zwingend, jedenfalls aber nicht denkgesetzwidrig. Was der Beschwerdeführer dagegen einwendet, zeigt nicht einen formalen Begründungsmangel auf, sondern stellt sich in Wahrheit bloß als unzulässige und damit unbeachtliche Bekämpfung der erstrichterlichen Beweiswürdigung dar.

Die Mängelrüge geht daher insgesamt fehl.

Die auf die Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Rechtsrüge entbehrt, soweit sie die Feststellung gewerbsmäßiger Tatbegehung negiert, der gesetzmäßigen Ausführung. Im übrigen aber, nämlich in Ansehung der angestrebten Tatbeurteilung bloß als Vergehen der Entwendung, kommt ihr keine Berechtigung zu. Für die Annahme des besonderen Schuldmerkmals der Not im Sinn des § 141 StGB ist es zwar in der Regel ohne Bedeutung, ob diese Not durch den Täter verschuldet ist oder nicht. Die in Rede stehende privilegierende Tatmotivation ist jedoch nicht schon dann gegeben, wenn der individuelle Täter seine augenblickliche Lage im Tatzeitpunkt subjektiv als Not empfindet; die Beurteilung hat vielmehr nach einem objektiven Maßstab zu erfolgen, und zwar darnach, ob in der Lage des Täters von einem rechtstreuen Menschen, der nach seiner körperlichen und seelischen Widerstandskraft demselben Personenkreis angehört wie der Täter, kein anderes Verhalten zu erwarten wäre (SSt 50/62). Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes handelt aber nicht aus Not im Sinn des § 141 StGB, wer stiehlt, obwohl es ihm möglich gewesen wäre, seinen Lebensunterhalt legal zu verdienen und er diese Möglichkeit aus Arbeitsscheu nicht genutzt hat (vgl. abermals SSt 50/62; idS auch 11 Os 49/81 sowie Bertel im Wr Komm Rz 6, Kienapfel BT II Rz 35 und Leukauf-Steininger, Komm 2 RN 11, jeweils zu § 141 StGB). Nach den Urteilsfeststellungen hat es der Angeklagte absichtlich unterlassen, seinen Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen; er hatte von vornherein die Absicht, sich durch die Wiederholung von Lebensmitteldiebstählen eine für längere Zeit wirksame, der Sicherstellung seines Unterhaltes dienende Einkommensquelle zu erschließen (S 132, 133). Angesichts der damit dokumentierten asozialen Grundeinstellung des Angeklagten kann ihm ein Handeln aus Not, wie es § 141 StGB voraussetzt, nicht zugute gehalten werden, sodaß dem angefochtenen Urteil der behauptete Subsumtionsirrtum nicht anhaftet.

Da schließlich auch der (im Rahmen der Strafberufung) der Sache nach geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO nicht vorliegt, weil die vom Beschwerdeführer angestrebte Anwendung des § 42 StGB (schon) im Hinblick auf die (ein Jahr übersteigende) Strafdrohung des § 130 StGB nicht in Betracht kommt, war die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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