OGH 11Os33/87

OGH11Os33/8731.3.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 31.März 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Cortella als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Franz N*** wegen des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach dem § 209 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 28. Jänner 1987, GZ 26 Vr 3.051/86-29, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wegen Strafe wird ein Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung anberaumt werden. Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 24.März 1946 geborene Gastwirt Franz N*** des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach dem § 209 StGB (I) und des (in Tateinheit verwirklichten) Vergehens des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach dem § 212 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt. Darnach trieb er mit nachfolgenden bei ihm als Lehrlinge beschäftigten noch nicht 18 Jahre alten Jugendlichen gleichgeschlechtliche Unzucht, indem er zwischen 16.Juli 1984 und November 1985 den am 15.Jänner 1969 geborenen Harald B*** in Kössen und Salzburg wiederholt am Geschlechtsteil abgriff und daran onanierte, in Salzburg auch an sich Mundverkehr ausüben ließ und den Burschen zumindest einmal zum Afterverkehr aufforderte (I 1 a und b) und zwischen Juli und November 1985 den am 2.April 1970 geborenen Robert L*** in Kössen und Salzburg wiederholt am Geschlechtsteil abgriff und in Salzburg auch daran onanierte, ferner den Jugendlichen küßte, sich auf ihn legte und beischlafsähnliche Bewegungen machte (I 2 a und b). Hiedurch mißbrauchte er unter Ausnützung seiner Stellung die als Lehrlinge seiner Erziehung, Ausbildung und Aufsicht unterstehenden minderjährigen Personen zur Unzucht (II).

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, einer "vollen Berufung" und einer Berufung wegen Strafe.

Rechtliche Beurteilung

In seinen Verteidigungsrechten sieht sich der Angeklagte dadurch verletzt (Z 4), daß ein von seinem Verteidiger eingeholtes und in der Hauptverhandlung vorgelegtes graphologisches Sachverständigengutachten über die Glaubwürdigkeit der beiden Tatopfer entgegen seinem ausdrücklichen Antrag nicht verlesen (S 249) und der ebenfalls beantragte Lokalaugenschein in seinem Haus in Kössen und in Salzburg nicht durchgeführt wurde. Das Gericht lehnte die Verlesung des eingeholten (und dem Wunsch des Verteidigers entsprechend dem Akt beigelegten) Charaktergutachtens über die Zeugen B*** und L*** mit der im Urteil erweiterten Begründung ab, daß das Gutachten (auf Grund von Schriftproben) lediglich zur Frage der Glaubwürdigkeit der Jugendlichen Stellung nehme, die Beweiswürdigung aber ausschließlich dem Gericht obliege und in der Hauptverhandlung keine außergewöhnlichen Umstände hervorgekommen seien, welche die Beiziehung eines medizinischen oder graphologischen Sachverständigen erforderlich machten (S 249 in Verbindung mit S 267). Dieser Begründung ist beizutreten. Da es bei "Privatgutachten" an den gesetzlichen Garantien der Unparteilichkeit des Gutachters, vor allem aber an jeder richterlichen Kontrolle der Entstehung eines solchen Gutachtens mangelt, fallen sie nicht unter den Begriff der (gemäß dem § 252 Abs 1 StPO allenfalls) zu verlesenden "Gutachten der Sachverständigen": Sie könnten als "Urkunden und Schriftstücke anderer Art" gemäß dem § 252 Abs 2 StPO nur unter der Voraussetzung verlesen werden, daß sie "für die Sache von Bedeutung sind" (SSt. 29/13, 30/83 u.v.a.). Im Einklang mit dem Akteninhalt sah das Gericht aber über die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der in der Hauptverhandlung persönlich vernommenen Zeugen hinaus keine Umstände, die dieses Privatgutachten als für die Entscheidung des Straffalls bedeutsam erscheinen ließen.

Der Antrag auf Durchführung von Lokalaugenscheinen in den beiden als Tatort angenommenen Häusern in Kössen und Salzburg zum Beweis dafür, daß der Angeklagte nicht unbemerkt zu den Lehrlingen hätte gelangen können (S 192), wurde - ebenso wie der Antrag auf Beiziehung eines graphologischen Sachverständigen - schon in der Hauptverhandlung am 12.November 1986 gestellt und abgewiesen (S 193); er wurde in der Hauptverhandlung am 28.Jänner 1987 (ON 27) nicht mehr wiederholt, sodaß es hier schon an der formellen Voraussetzung für die erfolgversprechende Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 4 StPO fehlt (Mayerhofer-Rieder 2 E 1, 31-33 zu § 281 Z 4 StPO). Eine unzureichende Urteilsbegründung (Z 5) will die Beschwerde darin erblicken, daß die Aussagen der Belastungszeugen im Verlauf des Verfahrens in einigen die Häufigkeit und Art der homosexuellen Belästigungen betreffenden Punkten voneinander abweichen und die vom Gericht für die Unerheblichkeit dieser Aussagedivergenzen gegebene Begründung, sie seien auf die dazwischen verstrichene Zeit zurückzuführen, nicht überzeuge. Dabei übergeht der Beschwerdeführer aber die Gesamtheit der ausführlichen und sorgfältig zusammengefaßten Urteilserwägungen, die einerseits auf die in der Beschwerdeschrift herausgestrichenen unterschiedlichen Aussagedetails beweiswürdigend eingehen und anderseits mehrere Gründe nennen, die zur Überzeugung von der Schuld des Täters führten, wie etwa die im Kern gleichlautenden Angaben der Zeugen B*** und L***, die von weiteren Zeugen bestätigt wurden und sich mit den unabhängig voneinander schriftlich den Eltern mitgeteilten Erlebnissen decken (S 256 bis 266). Entgegen den Beschwerdebehauptungen setzten sich die Tatrichter auch mit den Angaben des Zeugen H*** und der anderen von der Verteidigung geführten Zeugen kritisch auseinander und kamen zu dem Schluß, daß sie zur Entlastung des Angeklagten nicht geeignet sind (S 265, 266). Die Mängelrüge deklariert ihr Bestreben aber ohnehin ausdrücklich, wenn sie - mit dem weiteren Hinweis, daß Franz N*** sich freiwillig einer Begutachtung durch Univ.Prof. Dr. P*** unterzogen habe, obwohl er dadurch Gefahr lief, "voll erkannt zu werden" - vermeint, das Erstgericht hätte zumindest "im Zweifel" den Angeklagten feisprechen müssen, weil die Aussagen der Zeugen L*** und B*** "zweifelhaft" seien (S 275), und damit den unzulässigen Versuch unternimmt, die der Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren entrückte Beweiswürdigung des Schöffengerichts zu untergraben. Weder der angezogene Nichtigkeitsgrund nach der Z 5 noch ein anderer im § 281 Abs 1 StPO aufgezählter Nichtigkeitsgrund wird hiemit zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung gebracht. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet gemäß dem § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt nach dem § 285 d Abs 1 Z 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Ebenso war mit der unter der Überschrift "volle Berufung" unter Hinweis auf die Darlegungen zur Nichtigkeitsbeschwerde ausgeführten Schuldberufung zu verfahren, weil ein derartiges Rechtsmittel gegen ein schöffengerichtliches Urteil gesetzlich nicht vorgesehen ist (§§ 280, 283 Abs 1 StPO).

Für die Verhandlung und Entscheidung über die gegen den Strafausspruch erhobene Berufung wird ein Gerichtstag angeordnet werden (§ 296 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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