OGH 2Ob531/87

OGH2Ob531/8724.3.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin Margaretha S***, Vertragsbedienstete, Schönaugasse 124, 8010 Graz, vertreten durch Dr. Ilse Grossauer, Rechtsanwalt in Graz, wider den Antragsgegner Josef S***, Pensionist, Steyrergasse 7, 8010 Graz, vertreten durch Dr. Richard Benda, Rechtsanwalt in Graz, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, infolge Revisionsrekurses beider Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgerichtes vom 16. Dezember 1986, GZ 1 R 253/86-36, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 10. Juni 1986, GZ 31 F 15/85-28, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Beiden Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Begründung

Die Antragstellerin begehrte Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse dahin, daß ihr die Ehewohnung in Graz, Schönaugasse 124/18, samt Zubehör und darin befindlichem Hausrat zugewiesen werde und sie in die Mietrechte eintrete. Mit Schriftsatz ON 25 begehrte sie überdies Zuerkennung einer Ausgleichszahlung von S 109.230,80.

Der Antragsgegner strebte ebenfalls die Zuweisung der Ehewohnung an. Der Antragstellerin wolle die Eigentumswohnung der ehelichen Tochter samt Mobiliar und die Wohn- und Schlafzimmereinrichtung aus der Ehewohnung gegen Auferlegung einer Ausgleichszahlung von S 150.000,-- zugewiesen werden.

Das Erstgericht übertrug der Antragstellerin die Ehewohnung, teilte ihr den Hausrat (mit einigen Ausnahmen) zu und wies den Antrag des Antragsgegners auf Zuerkennung einer Ausgleichszahlung in der Höhe von S 150.000,-- ab.

Das Erstgericht traf folgende wesentliche Feststellungen:

Die Streitteile heirateten am 14.5.1949. Sie bezogen während der Ehe beide ein Einkommen (die Antragstellerin mit Ausnahme der Zeit ab der Geburt der ehelichen Tochter am 26.10.1951 bis Ende 1953), wobei das Einkommen des Antragsgegners etwa doppelt so hoch war wie das der Antragstellerin. Seit 1954 ist die Antragstellerin bei der Post tätig, sie bezieht derzeit durchschnittlich monatlich rund S 9.900,--. Der Antragsgegner bezieht eine Erwerbsunfähigkeitspension und eine Kriegsinvalidenrente von derzeit monatlich insgesamt S 10.400,--. Beide Teile haben in die Ehe keinerlei Vermögen oder Ersparnisse eingebracht. Am 5.1.1956 schloß die Antragstellerin mit einer Wohnbaugesellschaft einen Anwartschaftsvertrag ab und wurde schließlich Eigentümerin von Miteigentumsanteilen der Liegenschaft Steyrergasse 7, mit welchen Wohnungseigentum an der Wohnung Nr. 8 untrennbar verbunden ist. Die Streitteile hatten die Absicht, in diese 74 m 2 große Eigentumswohnung nach Fertigstellung einzuziehen und die bis dahin benützte 28 m 2 große Mietwohnung der Tochter zu überlassen. Noch vor Fertigstellung der Eigentumswohnung bezogen sie aber die 54 m 2 große Mietwohnung Schönaugasse 124/18. Den Hauptmietvertrag schloß der Antragsgegner. Die Eigentumswohnung wurde nach Fertigstellung vermietet. Aus den Mietzinseinnahmen bestritt der Antragsgegner die monatlichen Annuitäten und Betriebskosten, ein Reinerlös von monatlich S 1.000,-- wurde als Bestandteil des Familieneinkommens verwendet. Am 30.3.1979 zog der Antragsgegner aus der Ehewohnung aus und übersiedelte in die Eigentumswohnung. Zwei Tage vorher übertrug die Antragstellerin die Eigentumswohnung in das Eigentum der Tochter, ohne jedoch vorher mit dem Antragsgegner darüber gesprochen zu haben. Der Antragsgegner erfuhr vom Eigentumswechsel erst einige Monate später. Er stellte die Zahlung der Wohnungskosten von monatlich S 1.776,-- ein, bestritt dafür aber die Wohnungskosten der Ehewohnung von monatlich S 1.200,--. Die Tochter war nicht bereit, die Kosten der Eigentumswohnung weiter zu tragen, zumal sie dort nicht wohnte, und brachte daher gegen den Antragsgegner die Räumungsklage ein. Am 20.12.1984 kam es zwischen ihnen zu einem Vertragsabschluß, wonach die Tochter ihrem Vater mit Wirkung ab 1.12.1984 die Dienstbarkeit des lebenslänglichen Wohnrechts an der Eigentumswohnung gegen Entrichtung der jeweiligen Wohnungskosten (derzeit monatlich S 1.776,--) einräumte. Die Mietkosten der Ehewohnung zahlte der Antragsgegner seither nicht mehr. Die Antragstellerin hat immer den gemeinsamen Haushalt bis zu dessen Aufhebung durch den Antragsgegner geführt und die eheliche Tochter fast ausschließlich betreut. 1978 schenkte die Antragstellerin ihrer Tochter S 15.000,-- zum Ankauf einer Pelzjacke. Der Antragsgegner billigte dies nicht. Der Wert des Mietrechtes an der Ehewohnung beträgt unter Berücksichtigung der Rückzahlung der öffentlichen Darlehensmittel S 93.824,-- die der Antragstellerin zugewiesenen Einrichtungsgegenstände die von den Streitteilen während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft angeschafft wurden, haben einen Verkehrswert von S 22.620,--. Die Eigentumswohnung hat unter Berücksichtigung des Restdarlehens einen Wert von S 527.709,--. Das dem Antragsgegner auf Lebenszeit eingeräumte Wohnrecht hat einen Verkehrswert von S 203.065,--. Im Hinblick auf dieses Wohnrecht dürfte die Eigentumswohnung kaum verkaufbar sein. Die Einrichtung, die sich zur Zeit der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft in der Eigentumswohnung befand, hat praktisch keinen Wert mehr. Der von den Streitteilen im Jahre 1973 erworbene PKW wurde vom Antragsgegner mitgenommen und hatte im Zeitpunkt der Aufhebung der Lebensgemeinschaft einen Verkehrswert von S 35.000,--. Beide Ehegatten hatten bis zum Jahre 1979 Bankguthaben angespart, die Antragstellerin von S 40.000,--, der Antragsgegner von S 68.000,--, die sie in der Folgezeit zur Gänze aufbrauchten. Der Antragsgegner verwendete das Geld vorwiegend zur Anschaffung von Einrichtungsgegenständen und zum Ankauf eines PKWs. Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil vom 24.4.1985 gemäß § 55 Abs. 3 EheG mit dem Ausspruch des Alleinverschuldens des Antragsgegners nach § 61 Abs. 3 EheG geschieden.

Bei der rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, daß die Beiträge der Ehegatten im wesentlichen gleichteilig seien. Unter Berücksichtigung des Wertes des Mietrechtes, des Inventars der Ehewohnung, des Wertes der Eigentumswohnung, der beiden Sparguthaben, des Wertes des PKWs sowie des an die Tochter geschenkten Geldbetrages ergebe sich eine Aufteilungsmasse von S 802.153. Der Wert des Mietrechtes an der Ehewohnung sei aber billigerweise in Abzug zu bringen, da diese Wohnung einverständlich der ehelichen Tochter hätte übertragen werden sollen, sodaß ein Betrag von S 708.329,-- verbleibe. Die Eigentumswohnung sei als eheliches Ersparnis zu werten und gemäß § 91 Abs. 1 EheG ebenso wie der der Tochter geschenkte Geldbetrag in die Aufteilung einzubeziehen. Die Antragstellerin erhalte unter Berücksichtigung der Ehewohnung, des Hausrates und des Sparguthabens von S 40.000,-- einen Wert von S 156.444,--. Demgegenüber kämen dem Antragsgegner Vermögenswerte von S 306.065,-- zu, und zwar der Verkehrswert des Wohnrechtes, das Sparguthaben von S 68.000,-- und der Wert des PKWs. Das Rekursgericht gab den Rekursen beider Teile nicht Folge. Es führte aus, bei Berücksichtigung des Verkehrswertes der Eigentumswohnung als "Wert des Fehlenden" würde sich rein rechnerisch die vom Antragsgegner begehrte Ausgleichszahlung ergeben, doch dürfe nicht übersehen werden, daß der Grundgedanke der Billigkeit das Ziel verfolge, ein der Individualgerechtigkeit verpflichtetes Ergebnis der Aufteilung zu erreichen. Es solle ein für beide Teile tragbares, den Umständen des Einzelfalles gerecht werdendes Ergebnis gefunden werden. Das erstgerichtliche Aufteilungsergebnis werde den Umständen des vorliegenden Falles gerecht. In der schenkungsweisen Übertragung der Eigentumswohnung könne nicht eine Vermögensverringerung im eigentlichen Sinne, wie dies § 91 Abs. 1 EheG verlange, erblickt werden, weil die Eigentumsübertragung an die gemeinsame Tochter der Streitteile ohne irgendeinen finanziellen Vorteil für die Antragstellerin erfolgt sei. Wesentlich sei, daß beide Teile wohnversorgt seien und daß ihnen der Aufbau eines neuen Lebens ermöglicht sei. Beide Teile bekämpfen die Entscheidung des Rekursgerichtes mit Revisionsrekursen, in welchen sie jeweils den Zuspruch einer Ausgleichszahlung begehren, und zwar die Antragstellerin eine solche in der Höhe von S 109.230,80 und der Antragsgegner eine solche in der Höhe von S 150.000,--.

Die Parteien beantragen jeweils, dem Revisionsrekurs der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionsrekurse sind nicht berechtigt.

Zum Revisionsrekurs des Antragsgegners:

Der Antragsgegner führt im wesentlichen aus, die Antragstellerin habe dadurch, daß sie die Eigentumswohnung verschenkt habe, die ehelichen Ersparnisse verringert und habe daher eine Ausgleichszahlung zu leisten. Daß der Antragsgegner mit der nunmehrigen Eigentümerin der Wohnung einen Vertrag über die Benützung abgeschlossen habe, sei ohne Bedeutung.

Dem ist entgegenzuhalten, daß die Aufteilung nicht streng rechnerisch, sondern nach Billigkeit vorzunehmen ist (EFSlg. 48.959 uva). Die bisherigen Lebensgrundlagen sollen den geschiedenen Ehegatten möglichst gewahrt und ihnen der Beginn eines neuen Lebensabschnittes tunlichst erleichtert werden (EFSlg. 48.947). Die Aufteilung soll ein für beide Teile tragbares, den Umständen des Einzelfalles gerecht werdendes Ergebnis herbeiführen (EFSlg. 49.015). Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß die Schenkung der Eigentumswohnung ebenso wie die Einräumung des Wohnrechtes noch während der aufrechten Ehe erfolgten, an diesen Vorgängen waren die Ehegatten und die gemeinsame eheliche Tochter beteiligt. Es geht nicht an, die Einräumung des Wohnrechtes durch die Tochter an den Vater losgelöst von den anderen Vorgängen zu betrachten; der Auszug des Antragsgegners aus der Ehewohnung, die Schenkung der Eigentumswohnung durch die Antragstellerin an die Tochter und die Einräumung des Wohnrechtes durch die Tochter an den Antragsgegner können nur in Verbindung miteinander beurteilt werden. Diese Vorgänge führten dazu, daß jeder der Ehegatten eine Wohnung zur Verfügung hat, wobei das Benützungsrecht des Antragsgegners an der Eigentumswohnung vertraglich gesichert ist. Es entspricht daher der Billigkeit im Sinne des § 83 EheG, die Mietrechte an der Ehewohnung der Antragstellerin zuzuweisen, um auch ihr ein Recht zur Benützung einer Wohnung einzuräumen. Im Hinblick auf die Umstände des vorliegenden Falles wäre es kein gerechtes Ergebnis, würde man der Antragstellerin, die ohnedies die kleinere, schlechter ausgestattete Wohnung erhält, eine Ausgleichszahlung auferlegen, weil sie die Eigentumswohnung der Tochter, die dem Antragsgegner ohnedies ein Wohnrecht einräumte, geschenkt hat. Daß auch der Antragsgegner die Eigentumswohnung ab der Schenkung an die Tochter nicht losgelöst vom übrigen Vermögen der Ehegatten betrachtet, ergibt sich daraus, daß er den Antrag stellte, diese im Eigentum der Tochter stehende Wohnung der Antragstellerin zuzuweisen. Es widerspräche somit dem Billigkeitsgebot des § 83 EheG, der Antragstellerin eine Ausgleichszahlung aufzuerlegen, weshalb dem Revisionsrekurs des Antragsgegners ein Erfolg zu versagen war.

Zum Revisionsrekurs der Antragstellerin:

Es würde auch nicht der Billigkeit entsprechen, den Antragsgegner deshalb, weil er die größere, besser ausgestattete Wohnung zur Verfügung hat, zur Leistung einer Ausgleichszahlung zu verpflichten, zumal es die Antragstellerin war, die es durch die Schenkung der Eigentumswohnung unmöglich gemacht hat, diese Wohnung real in die gerichtliche Aufteilung einzubeziehen. Dem von der Antragstellerin zunächst erklärten Aufteilungswunsch, ihr die Ehewohnung zuzuweisen, wurde ohnedies entsprochen, ihr erst später gestellter Antrag auf Zuerkennung einer Ausgleichszahlung stellte - wie sie im Revisionsrekurs selbst zugibt - nur eine Reaktion auf den Antrag des Antragsgegners, ihm eine Ausgleichszahlung zuzusprechen, dar. Die Antragstellerin gibt im Revisionsrekurs selbst zu, daß die im Sinne ihres ursprünglichen Antrages ergangene Entscheidung des Erstgerichtes der Rechtslage und der Billigkeit entspricht. Ihrem nunmehrigen Versuch, durch eine Berechnung darzutun, daß ihr doch eine Ausgleichszahlung zustünde, ist zu erwidern, daß - wie bereits oben ausgeführt - die Aufteilung nicht rein rechnerisch vorzunehmen ist.

Auch dem Revisionsrekurs der Antragstellerin mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

Da keine der Parteien mit ihrem Rechtsmittel Erfolg hatte, entspricht es der Billigkeit, die Kosten gegeneinander aufzuheben.

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