OGH 10Os21/87

OGH10Os21/8724.3.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.März 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schopper als Schriftführer in der Strafsache gegen Siegmund Z***, Ferdinand Ernst M*** und andere wegen Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Angeklagten Z*** und M*** gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 1.Dezember 1986, GZ 25 Vr 450/86-109, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben und das erstgerichtliche Urteil, das im übrigen als unangefochten unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen der Angeklagten Z*** (Punkt I 9) und M*** (Punkt II) - bei diesem auch gemäß § 289 StPO - sowie in den diese beiden Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnung beim Angeklagten M***) aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen. Darauf werden die Angeklagten Z*** und M*** mit ihren Berufungen verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil wurden - neben am Rechtsmittelverfahren nicht mehr beteiligten weiteren Angeklagten - Siegmund Z*** des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 StGB (Pkt. I 9 des Schuldspruches) und Ferdinand Ernst M*** des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 1 und 2, Abs. 2, Abs. 3 "dritter" (richtig in der Fassung BGBl. 1982/205: fünfter) Fall StGB (Pkt. II) schuldig erkannt.

Nach den hier maßgeblichen Punkten des Schuldspruches hat (I 9) Siegmund Z*** in Gesellschaft des gesondert Verfolgten Walter G*** als Beteiligter in der Nacht zum 30.Jänner 1986 in Tannheim fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S übersteigenden Wert mit dem Vorsatz, sich oder andere durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen, und zwar

a) einem Berechtigten der N***-Liftgesellschaft nach Einbrüchen in die Liftstation Mittelstation Sektion 2 und in die Liftstation Unterstandshäuschen Sektion 2 Bargeld in der Höhe von 5.599 S und zwei Ferngläser im Wert von 5.000 S und

b) dem Ludwig G*** nach Einbruch in die Hubertus-Hütte Bargeld in der Höhe von etwa 3.200 S, diverse Lebensmittel, Getränke und präparierte Kleintiere "unerhobenen" Wertes sowie ein Gewehr im Wert von etwa 500 S;

(II) Ferdinand M*** am 30.Jänner 1986 in Tannheim die obgenannten Täter nach deren Begehung eines Verbrechens gegen fremdes Vermögen dabei unterstützt, die Diebsbeute zu verheimlichen, indem er ihnen beim Abtransport der bereits gestohlenen und inzwischen versteckten Sachen behilflich war und eine Sache, nämlich ein Gewehr im Wert von etwa 500 S, die die genannten Täter durch eine mit Strafe bedrohte Handlung gegen fremdes Vermögen (zu ergänzen: die aus einem anderen Grund als wegen gewerbsmäßiger Begehung mit einer Freiheitsstrafe bedroht ist, die fünf Jahre erreicht) erlangt hatten, an sich gebracht, wobei der Wert der von ihm verhehlten Sachen 5.000 S überstieg und ihm die Tatsache (gemeint: die Umstände, die diese Strafdrohung begründen) bekannt war, daß die verhehlten Sachen bei einem Einbruchsdiebstahl erbeutet wurden.

Der zuletzt bezeichnete Schuldspruch des Angeklagten M*** wegen des - nach dem Vorgesagten unvollständig formulierten und zudem unrichtig subsumierten - Verbrechens der Hehlerei erging in Abweichung der diesem Angeklagten Diebstahl (als Beteiligter) zur Last legenden Anklageschrift (S 146 f/II).

Gegen diese Schuldsprüche richten sich die von Z*** und M*** jeweils aus der Z 4 und 5, von M*** auch aus der Z 9 lit. a (sachlich Z 10) des § 281 Abs. 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden, denen Berechtigung nicht versagt werden kann.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Z***:

In der Verfahrensrüge (Z 4) bekämpft der Beschwerdeführer die Abweisung seines in der Hauptverhandlung gestellten Antrages (S 246/III) auf Einvernahme des Gendarmeriebeamten S*** zum Beweis dafür, daß er behauptet habe, er sei alkoholisiert gewesen und es seien ihm daher genaue Vorhalte gemacht worden, er habe somit nicht von sich aus den (in der geständigen Verantwortung vor der Gendarmerie vom 6.Februar 1985 - S 223 ff/I - enthaltenen) Sachverhalt genau geschildert.

Dieser Beweisantrag wurde vom Schöffengericht mit der Begründung abgewiesen, es sei gerichtsbekannt, daß insbesondere die Beamten des Landesgendarmeriekommandos für Tirol bei Vernehmungen nur dort Vorhalte machen, wo dies unbedingt erforderlich sei, darüber hinaus seien in der in Rede stehenden Niederschrift auch die Vorhalte und Antworten genau angeführt worden (S 248/III).

Durch die Abweisung des Beweisantrages wurden Verteidigungsrechte verletzt.

Zwar hatte sich der Angeklagte Z*** vorerst auch in der Hauptverhandlung - ebenso wie vor dem Untersuchungsrichter - damit verantwortet, er habe die in Rede stehenden Angaben vor der Gendarmerie nach den Informationen des Mitangeklagten M*** gemacht, der ihm auch geraten habe, zu behaupten, (bei den Einbrüchen) betrunken gewesen zu sein und deshalb Details nicht so genau schildern zu können (S 239 f/III sowie S 17/II iVm S 239/III), zuletzt aber doch vorgebracht, er habe vor der Gendarmerie deshalb genaue Angaben gemacht, weil ihm einzelne Passagen (aus der Vernehmung anderer Personen) vorgehalten worden seien; an diesen Umstand habe er vormittags (vor der Unterbrechung der Hauptverhandlung) nicht gedacht (S 245/II).

Angesichts des letzterwähnten Teils der Verantwortung des Angeklagten Z*** durfte der Beweisantrag keinesfalls mit der vom Schöffensenat gewählten Begründung abgewiesen werden, die nämlich bereits ein (negatives) Ergebnis der angestrebten Beweisaufnahme unterstellt und mit dieser Argumentation dem Angeklagten die Möglichkeit verwehrt, seine Behauptung unter Beweis zu stellen. Es handelt sich somit um einen Fall verpönter vorgreifender Beweiswürdigung (vgl. Mayerhofer/Rieder, StPO 2 , E 79 bis 87 zu § 281 Abs. 1 Z 4).

Da sich das Erstgericht in seinem Urteil im wesentlichen (auch) auf jene Niederschrift stützte, deren inhaltliche Unrichtigkeit (wegen des behaupteten Zustandekommens auf Grund von Vorhalten) unter Beweis gestellt werden sollte, ist keinesfalls unzweifelhaft erkennbar, daß die dem Erstgericht unterlaufene Formverletzung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte. Schon aus diesem Grund erweist sich die Anordnung einer Verfahrenserneuerung in bezug auf den Angeklagten Z*** als unumgänglich, ohne daß es erforderlich wäre, auf das weitere - allerdings durchwegs auf eine unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffengerichtes hinauslaufende - Vorbringen dieses Beschwerdeführers einzugehen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten M***:

Berechtigung kommt der Rechtsrüge (Z 9 lit. a, richtig jedoch Z 10) dieses Beschwerdeführers jedenfalls insoweit zu, als er einen Feststellungsmangel zur Frage, weshalb er einen 5.000 S übersteigenden Wertbetrag zu verantworten habe, releviert. Zwar handelt es sich bei den festgestellten Werten der gestohlenen Sachen nicht - wie der Beschwerdeführer mutmaßt - um "Liebhaberpreise"; die Werte sind vielmehr dem anläßlich der - in der Hauptverhandlung verlesenen (S 249/III) - Gendarmerieerhebungen eingeholten Sachverständigengutachten über den Verkehrswert der Ferngläser und des Gewehrs (S 31/II) entnommen.

Das Erstgericht überging jedoch, wiewohl es den Urteilsfeststellungen erklärtermaßen die Aussagen der Angeklagten Walter G*** und Siegmund Z*** vor der Gendarmerie zugrundelegte, die in diesen Aussagen enthaltenen Behauptungen, daß das gestohlene Bargeld (insgesamt etwa 8.800 S) von G*** und Z*** in Sparbüchern und Sparbüchsen und die beiden gestohlenen Ferngläser (im Wert von 5.000 S) im Keller des von G*** und M*** bewohnten Hauses verwahrt worden waren, bevor jene Fahrt zum Abtransport (weiterer) Diebsbeute, nämlich eines Gewehrs im Wert von 500 S sowie von Lebensmitteln, Getränken und Präparaten kleiner Tiere "unerhobenen Wertes" angetreten wurde, die - neben dem Ansichbringen des Gewehrs - das Erstgericht dem Angeklagten M*** als deliktisches Verhalten zurechnete; Feststellungen hiezu (oder über eine allfällige Mitwirkung des Angeklagten M*** beim Verbergen der genannten Sachen im Haus oder einem später vorgenommenen Einwechseln von Münzgeld) fehlen dem angefochtenen Urteil.

Schon deshalb erweist sich im Hinblick auf die dem Angeklagten M*** auch zur Last gelegte Qualifikation nach § 164 Abs. 2 StGB eine Verfahrenserneuerung gleichfalls unumgänglich. Wenngleich die weiteren Beschwerdeausführungen des Angeklagten M*** nicht zielführend sind, war es wegen des untrennbaren Zusammenhanges der den Angeklagten Z*** und M*** zur Last liegenden Taten geboten, dessen Schuldspruch zur Gänze aufzuheben (§ 289 StPO), wird doch im erneuten Verfahrensgang hinsichtlich des festzustellenden Tatgeschehens zu beurteilen sein, ob G*** und Z*** die Diebstähle begingen und M*** Hehler war (S 211 ff/I, S 223 ff/I), ob G*** und M*** den Diebstahl begingen (S 16 f/II, S 239 ff/III), oder Z*** und M*** (S 57/II) oder allenfalls Z*** und "ein Bursch aus Tarrenz" (S 201/I und S 7 a verso/I), wobei in den beiden letztgenannten Versionen G*** als Hehler fungiert hätte. Nur am Rande sei angemerkt, daß einer allfälligen Feststellung einer Beteiligung M*** als unmittelbarer Täter des in Rede stehenden Diebstahls das Verschlimmerungsverbot nicht entgegenstünde, da dieses ausschließlich auf den Sanktionen-Bereich beschränkt ist (EvBl. 1986/89 = RZ 1986/32 ua).

Im erneuerten Verfahren wird im übrigen angesichts der seinerzeitigen Ausführungen des Sachverständigen Univ.Prof. Dr. P***, daß Walter G*** nach einigen Monaten wieder verhandlungsfähig sein könnte (S 230/III), die Möglichkeit einer nunmehrigen Vernehmung zu prüfen sein.

Mit ihren Berufungen waren die beiden Rechtsmittelwerber auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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