Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß er zu lauten hat:
"Zur Sicherung des Anspruches der klagenden Partei wider die beklagte Partei auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen wird der beklagten Partei ab sofort verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Werbemitteilungen unter Hervorhebung der eigenen Spitzenstellung als Werbeträger an Interessenten der Neuen Kronen-Zeitung zuzusenden oder zuzustellen, wenn diese Werbemaßnahme unter Bezugnahme auf ein in der Neuen Kronen-Zeitung erschienenes Inserat oder im Zusammenhang mit einem solchen Inserat erfolgt. Diese einstweilige Verfügung gilt bis zur rechtskräftigen Erledigung dieses Rechtstreites, längstens jedoch bis 31. Dezember 1987.
Das Sicherungsmehrbegehren der klagenden Partei wird abgewiesen."
Die klagende Partei hat die Hälfte der Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen vorläufig und die andere Hälfte endgültig selbst zu tragen.
Die klagende Partei hat der beklagten Partei die Hälfte der Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen in Höhe von S 19.117,77 (davon S 1.737,97 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung
Die klagende Partei ist Medieninhaberin und Verlegerin der Neuen Kronen-Zeitung, die in Oberösterreich in einer Mutationsausgabe, der sogenannten "Oberösterreich-Krone", erscheint. Die beklagte Partei ist Medieninhaberin der periodischen Druckschrift "korrekt - Linzer Rundschau". Zwischen den Streitteilen besteht auf dem Inseratenmarkt ein Wettbewerbsverhältnis.
Matthias R***, der Inhaber der Shell-Tankstelle Linz, Dametzstraße 32, ließ in der Neuen Kronen-Zeitung vom 1.Oktober 1986 folgendes Inserat einschalten:
"Servicearbeiter gesucht. Shell-Tankstelle, Dametzstraße 32, 0732-271646."
Die beklagte Partei übersandte ihm hierauf eine vorgedruckte Geschäftspostkarte mit abtrennbarer Antwortkarte, die folgenden wesentlichen Inhalt haben:
"Betreff: Ihr Inserat
korrekt-Linzer Rundschau mit 220.000 Lesern hat in Linz und Umgebung eine R*** von
91 % !!!
Die korrekt-Linzer Rundschau ist daher in diesem Gebiet mit
Abstand der führende Werbeträger.
Wir würden uns freuen, wenn Sie von unseren Angebot Gebrauch machen und in einer unserer nächsten Ausgaben IHRE Einschaltung plazieren.
Mit freundlichen Grüßen Ihre
korrekt-Rundschau, Tel.......".
Auf der linken Hälfte der Voderseite der Antwortkarte waren die Anzeigenpreise mit den jeweiligen Mengenrabatten sowie ein Hinweis auf den nächsten Erscheinungstermin (mit handschriftlicher Einfügung: "Jeden Donnerstag") abgedruckt. Die Rückseite der Antwortkarte enthielt den Text:
"Ich möchte, daß meine Anzeige im nächsten korrekt-Linzer Rundschau bzw. korrekt-Linzer Rundschau kleinanzeiger erscheint."
Darunter war das aus einem Exemplar der Kronen-Zeitung ausgeschnittene Inserat der Shell-Tankstelle aufgeklebt. Die klagende Partei behauptet, daß dieses Vorgehen der beklagten Partei als gezieltes Abfangen der Kunden eines bestimmten Mitbewerbers und darüber hinaus als vergleichende herabsetzende Werbebehauptung gegen § 1 UWG verstoße. Sie beantragt zur Sicherung des inhaltsgleichen Klagebegehrens, der beklagten Partei ab sofort zu verbieten, Werbemitteilungen an Inserenten der Neuen Kronen-Zeitung zuzusenden oder zuzustellen, wenn diese Werbemaßnahme unter Bezugnahme auf ein zuvor in der Neuen Kronen-Zeitung erschienenes Inserat oder im Zusammenhang mit einem zuvor in der Neuen Kronen-Zeitung erschienenen Inserat erfolgt.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Sicherungsantrages und bestritt, daß ihr Verhalten gegen § 1 UWG verstoße. Ein Versuch, Kunden eines Mitbewerbers abzuwerben, werde erst bei Hinzutreten besonderer Umstände sittenwidrig, die aber hier nicht vorlägen. Die beklagte Partei habe durch die Zusendung der Postkarte auf den Adressaten keinerlei Druck ausgeübt und ohne nachteilige Bezugnahme auf die beklagte Partei auf ihre Spitzenstellung hingewiesen.
Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag mit der Begründung statt, daß das Vorgehen der beklagten Partei als gezieltes Abwerben oder Abfangen von Kunden der klagenden Partei gegen § 1 UWG verstoße. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der beklagten Partei Folge und wies den Sicherungsantrag ab; es sprach aus, daß der Wert des Streit(Beschwerde-)Gegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000,-- übersteige.
Das Rekursgericht war der Ansicht, daß das Eindringen in den fremden Kundenkreis zum Wesen des Wettbewerbs gehöre und auch dann nicht gegen § 1 UWG verstoße, wenn es zielbewußt und planmäßig geschehe, sofern damit nicht besondere, die Sittenwidrigkeit begründende Umstände, wie etwa ein Verleiten zum Vertragsbruch, ein Anschwärzen des Mitbewerbers bei Kunden, irreführende Praktiken, eine Bestechung oder Überrumpelung von Kunden, Verwendung unlauter beschaffter Kundenlisten und ähnliches verbunden seien. Solche besonderen, die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände lägen hier nicht vor. Die beklagte Partei preise nur ihre eigene Spitzenstellung an, ohne die Minderwertigkeit oder sonstige Nachteile der Leistungen der klagenden Partei zu behaupten. Das Verhalten der beklagten Partei mache es der klagenden Partei nicht unmöglich, ihre Leistungen den Kunden anzubieten. Sie habe diese Leistung bereits erbracht. Führe ihr Inserat zum gewünschten Erfolg, dann sei das Angebot der beklagten Partei für den Inserenten ohne Interesse. Nur dann, wenn das Inserat in der Kronen-Zeitung erfolglos sei, würde der Inserent ein weiteres Inserat in Erwägung ziehen. Für diesen Fall habe die beklagte Partei ihre Dienste angeboten und auf die Reichweite ihres Mediums hingewiesen. Das sei nicht sittenwidrig.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs der klagenden Partei ist teilweise berechtigt. Vorauszuschicken ist, daß die klagende Partei die Behauptung, die beklagte Partei bediene sich bei der Anwerbung von Inserenten unlauterer Methoden, nur auf den bereits eingangs erwähnten konkreten Fall (Schreiben an den Inhaber der Shell-Tankstelle Dametzstraße 13) stützte. Die beklagte Partei geht jedoch in ihrem Vorbringen selbst davon aus, daß es sich bei dem beanstandeten Verhalten um eine gezielte (planmäßige) Werbung (also offenbar bei vielen Kunden der Konkurrenz) handelte (AS 21), wobei sie lediglich behauptete, mit ihrer Werbeaktion nicht nur Kunden der klagenden Partei, sondern auch anderer Mitbewerber angesprochen zu haben. Für das Vorliegen einer planmäßigen Werbeaktion spricht auch die von der beklagten Partei verwendete vorgedruckte Antwortpostkarte. Der rechtlichen Beurteilung kann daher ein planmäßiges Abwerben fremder Kunden zugrundegelegt werden.
Wie das Rekursgericht zutreffend erkannte, ist das Ausspannen von Kunden eines Mitbewerbers an sich nicht wettbewerbswidrig. Es gehört vielmehr zum Wesen des Wettbewerbs, in den fremden Kundenkreis einzudringen, weil ein Gewerbetreibender seinen Geschäftsumfang gewöhnlich nur auf Kosten der Mitbewerber vergrößern kann. Der zu einem Unternehmen gehörende Kundenkreis ist zwar ein Vermögenswert (good will), doch besteht im freien Wettbewerb kein Recht auf Erhaltung dieser Beziehungen. Die bloße Verwertung der Kenntnisse des Kundenkreises eines Mitbewerbers ist grundsätzlich nicht verboten (SZ 19/289; 4 Ob 387,412/81). Auch zielbewußtes und systematisches (planmäßiges) Abwerben fremder Kunden ist für sich allein noch nicht wettbewerbswidrig. Wettbewerbswidrig wird das Ausspannen fremder Kunden erst durch Hinzutreten besonderer Umstände, die den Wettbewerb verfälschen (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht 14 Rdn 527 zu § 1 dUWG 794, auch Rdn 21 ff Allgemeine Grundlagen, 45 f; Godin, Wettbewerbsrecht 2 Rdn 153 zu § 1 dUWG; Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 82 f; auch Koppensteiner, Wettbewerbsrecht 464 f; ÖBl.1974, 108-"Karat"-Kaffeemaschine mwN; ÖBl.1986, 153 - Abonnementwerbung; auch 4 Ob 387,412/81).
Es war daher grundsätzlich nicht sittenwidrig, daß sich die beklagte Partei durch Einsehen veröffentlichter und damit allgemein zugänglicher, nicht chiffrierter Inserate in der Neuen Kronen-Zeitung Kenntnisse vom Kundenkreis der klagenden Partei beschaffte und diesen Personen ihre eigenen Leistungen anbot. Wettbewerbswidrig wurde aber dieses Vorgehen dadurch, daß sich die beklagte Partei unmittelbar nach der Auftragserteilung durch Kunden ihrer Mitbewerberin mit jenen in Verbindung setzte und ihre eigenen Leistungen unter Hervorhebung ihrer (angeblichen) Spitzenstellung als "führender Werbeträger" sowie unter Bezugnahme auf den von diesen Kunden ihrer Mitbewerberin erteilten Inseratenauftrag anbot. Jeder, der für sich eine Spitzenstellung auf dem Markt in Anspruch nimmt, bringt damit zugleich, wenn auch in der Regel unausgesprochen, die Überlegenheit seines Unternehmens oder seiner Erzeugnisse gegenüber allen anderen Branchenangehörigen zum Ausdruck. Als notwendige Nebenwirkung jeder Alleinstellungswerbung ist eine solche indirekte Bezugnahme auf die Konkurrenz so lange nicht zu beanstanden, als der Werbende nicht die Nachteile der Erzeugnisse bestimmter Mitbewerber konkret mit den Vorzügen seines Angebotes vergleicht, sondern ohne derartige Bezugnahme nur die eigene Spitzenstellung anpreist. Ein Verstoß gegen § 1 UWG kommt demnach nur dann in Betracht, wenn die beanstandete Ankündigung zugleich einen Hinweis auf die Minderwertigkeit der Waren oder Leistungen namentlich genannter oder doch deutlich erkennbarer Mitbewerber enthält (ÖBl.1975,146 mwN - Wir sind besser als die anderen; ÖBl.1977, 166 - Österreichs bester Kaffee; ÖBl.1981, 119 - Österreichs bestes Bier; ÖBl.1985, 4 - Heizöl Leicht Schwechat 2000; ÖBl.1986, 42 - Media-Analyse-Zeitungswerbung uva). Im vorliegenden Fall begnügte sich die beklagte Partei nicht mit der Hervorhebung der eigenen Spitzenstellung; dadurch, daß sie an die Kunden der klagenden Partei noch am selben Tag, an dem deren Inserate in der Kronenzeitung erschienen waren herantrat, hiebei auf das Inserat der Mitbewerberin Bezug nahm und ihre eigenen Leistungen unter Hinweis auf ihre Stellung als "führender Werbeträger" anbot, brachte sie gezielt nicht nur ihre eigene Überlegenheit, sondern auch die Minderwertigkeit der Leistungen ihrer Mitbewerberin (vgl ÖBl.1986, 42 - Media-Analyse-Zeitungswerbung) zum Ausdruck, weil sich den Umworbenen dabei geradezu der Eindruck aufdrängen mußte, ein Inserat bei der beklagten Partei hätte größere Erfolgschancen. Ob die von der beklagten Partei angebotene Leistung jener der klagenden Partei tatsächlich überlegen war oder nicht, ändert an der Sittenwidrigkeit des Vorgehens der beklagten Partei nichts. War die Leistung der beklagten Partei überlegen, so war ihr Eindringen in den fremden Kundenkreis wegen des damit verbundenen (schlüssigen) Hinweises auf die Minderwertigkeit der Leistungen der klagenden Partei sittenwidrig; war aber die Behauptung, der führende Werbeträger zu sein, wahrheitswidrig war der Versuch, fremde Kunden auszuspannen, infolge der damit verbundenen Täuschung wettbewerbswidrig (vgl Baumbach-Hefermehl aa0 Rdn 528, 795). Aus den Klagebehauptungen geht deutlich hervor, daß die klagende Partei das gezielte Eindringen in ihren Kundenkreis auf Grund der Inserate dieser Kunden nicht nur an sich als sittenwidrig ansieht, sondern es auch wegen der damit verbundenen, auf ihre Leistungen bezugnehmenden Werbebehauptungen beanstandet (AS 6 f). Das Begehren der klagenden Partei, der beklagten Partei schlechthin zu verbieten, bei Kunden der klagenden Partei unter Bezugnahme auf deren Inserat in der Kronenzeitung zu werten, geht aber zu weit. Da sich die Sittenwidrigkeit der Vorgangsweise der beklagten Partei erst aus der mit ihrer Werbung verbundenen Hervorhebung ihrer Spitzenstellung ergibt, war der Sicherungsantrag der klagenden Partei in teilweiser Stattgebung ihres Revisionsrekurses nur in eingeschränktem Umfang zu bewilligen und das Mehrbegehren abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Sicherungsverfahrens stützt sich auf die §§ 78, 393 Abs.4, 402 Abs.2 EO und die §§ 43 Abs.1 und 50 ZPO.
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