OGH 14ObA37/87

OGH14ObA37/8724.3.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith sowie die fachkundigen Laienrichter Herbert Bauer und Dr. Gerald Mezriczky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Carlo G*** O*** Gesellschaft mbH, Wien 15., Camillo Sitte-Gasse 6-8, vertreten durch Dr. Martin Binder, Dr. Klaus Grösswang, Dr. Georg Legat und Dr. Michael Binder, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Peter H***, Angestellter, Großenzersdorf, Franzensdorf 23, vertreten durch Dr. Werner Masser, Dr. Ernst Grossmann und Dr. Eduard Klingsbigl, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 81.174,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 23.Oktober 1986, GZ 44 Cg 77/86-42, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 8.März 1984, GZ 2 Cr 2119/82-11, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1. Das angefochtene Urteil wird im Umfang der Abweisung eines Teilbegehrens von S 10.374 sA als nichtig aufgehoben. Insoweit werden die Kosten des Revisionsverfahrens gegenseitig aufgehoben.

2. Im übrigen wird der Revision Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Arbeitsrechtssache zur Verfahrensergänzung und Fällung einer neuen Entscheidung an das Oberlandesgericht Wien als nunmehr sachlich zuständiges Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind in diesem Umfang weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Zur Vorgeschichte ist auf den in dieser Arbeitsrechtssache ergangenen Aufhebungsbeschluß des Obersten Gerichtshofes vom 4.3.1986, 14 Ob 12/86, zu verweisen. Fraglich ist danach in dieser Arbeitsrechtssache vor allem, ob zwischen den Parteien ein Arbeitsvertrag zustandegekommen ist, obwohl sie über die Vertragsbedingungen nur mit Ausnahme der Vereinbarung eines dem Beklagten zu gewährenden jährlichen Bonus von S 70.000 eine Willensübereinstimmung erzielt haben. Nach der dem Berufungsgericht vom Obersten Gerichtshof überbundenen, näher begründeten Rechtsauffassung könnten die vom Berufungsgericht seinerzeit getroffenen Feststellungen dafür sprechen, daß ein Vorbehalt des Beklagten, er wolle bis zur endgültigen Fixierung des Bonusses nicht gebunden sein, nicht erfolgt sei. Ob aber nicht doch ein solcher, der Annahme des Zustandekommens eines Arbeitsvertrages entgegenstehender Vorbehalt von seiten des Beklagten vorgenommen worden sei, könne noch nicht abschließend beurteilt werden; der Beklagte habe nämlich im Berufungsverfahren die zeugenschaftliche Vernehmung seiner Ehefrau zum Beweis dafür angeboten, daß sie der Sekretärin des Geschäftsführers der klagenden Partei mitgeteilt habe, der Beklagte breche die Verhandlungen ab, und daß die Sekretärin erwidert habe, das tue ihr leid, weil der Geschäftsführer nun von ihr die Unterlagen für die Fertigstellung des Arbeitsvertrages des Beklagten verlangt habe. Diese vom Berufungsgericht ohne jede Angabe von Gründen unterlassene Beweisaufnahme könnte für die Annahme eines Vorbehalts aus den näher dargelegten Gründen, allenfalls auch für die Beweiswürdigung von Bedeutung sein.

Das Berufungsgericht hat im zweiten Rechtsgang das erstgerichtliche Urteil dahin abgeändert, daß es das gesamte Klagebegehren (also auch den S 10.374 sA betreffenden Teil, hinsichtlich dessen das Berufungsgericht im ersten Rechtsgang das erstgerichtliche Urteil ohne Rechtskraftvorbehalt aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen hatte) abwies. Es traf die gleichen Feststellungen wie im ersten Rechtsgang mit folgenden Abweichungen:

Es wird nicht festgestellt, daß der Beklagte in den beiden Jahren nach Beginn seines Dienstes jährlich einen Bonus von S 70.000 jedenfalls ausgezahlt bekommen hätte. Der Beklagte wollte vertraglich erst gebunden sein, wenn auch die Bonusregelung fixiert gewesen wäre. Diese Regelung war bis zum Verlassen des Betriebes der klagenden Partei durch den Beklagten nicht einmal in den Grundzügen fixiert, sodaß für keine Seite absehbar war, welche konkreten Voraussetzungen zur Zahlung eines Bonusbetrages führen sollten bzw. welche Auswirkungen die Gewinnsituation des Betriebes oder andere Umstände darauf haben sollten. Der Beklagte war daher nicht in der Lage, seine Einkommenschancen bei der klagenden Partei abzuschätzen. Das Berufungsgericht hatte zwar die Ehefrau des Beklagten und die Sekretärin des Geschäftsführers der klagenden Partei über den Inhalt des den Gegenstand des vom Berufungsgericht im ersten Rechtsgang übergangenen Beweisantrages bildenden Telefongesprächs vernommen, traf aber darüber keine Feststellungen. Es vertrat vielmehr die Rechtsauffassung, der Beklagte habe ohne Zustandekommen einer Vereinbarung über den Bonus eine Bindung an den Vertrag nicht eingehen wollen. Es wäre an ihm gelegen, ausdrücklich oder schlüssig zum Ausdruck zu bringen, daß er auch ohne eine solche Einigung gebunden sein wolle. Eine solche Erklärung sei aber nicht erfolgt. Der Bonus sei mit Rücksicht auf seine Auswirkung auf die Höhe des Arbeitsentgelts kein Nebenpunkt gewesen, sodaß ein Arbeitsvertrag mangels Willensübereinstimmung nicht zustandegekommen sei. Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuweisen, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Das Berufungsgericht hatte im ersten Rechtsgang das erstgerichtliche Urteil im Umfang eines eine Überstundenentgeltforderung betreffenden Teilbetrages von S 10.374 sA aufgehoben und die Arbeitsrechtssache insoweit zur Verfahrensergänzung ohne Rechtskraftvorbehalt an das Erstgericht zurückverwiesen. Diese Teilforderung war daher nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens im ersten Rechtsgang, sodaß sich die Aufhebung des die Teilforderung von S 68.200 sA betreffenden Teilurteils des Berufungsgerichts auf die Überstundenentgeltforderung auch nicht bezog. Soweit das Berufungsgericht mit seiner nunmehr angefochtenen, im zweiten Rechtsgang gefällten Entscheidung auch über diesen letztgenannten Teilbetrag von S 10.374 absprach und dieses Teilbegehren abwies, verstieß es gegen die Rechtskraft seines im ersten Rechtsgang gefällten Aufhebungsbeschlusses. Die angefochtene Entscheidung ist somit in diesem Umfang nichtig und insoweit (ersatzlos) aufzuheben.

Die Kostenentscheidung hiezu beruht auf § 51 Abs 2 ZPO. Der Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt, soweit damit ein Verstoß gegen den § 412 Abs 2 ZPO geltend gemacht wird, nicht vor. Das Berufungsgericht hat zwar gegen die genannte Bestimmung verstoßen, weil es trotz der in der Berufungsverhandlung vom 23.10.1986 eingetretenen Änderung der Senatsbesetzung das Verfahren nicht neu durchgeführt hat. Ein solcher Verstoß kann aber nur dann mit Erfolg als Verfahrensmangel geltend gemacht werden, wenn er in der Verhandlung sofort im Sinne des § 196 ZPO gerügt wurde (Fasching, Prozeßrecht Rz 797; Kuderna, ASGG 104 f mwH). Dies ist aber nicht geschehen.

Es liegen aber Verfahrens- und Feststellungsmängel vor, die neuerlich eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung der Arbeitsrechtssache an das Berufungsgericht erfordern. Dieses hat die ergänzenden Zeugenvernehmungen über den Inhalt des Telefongesprächs zwar durchgeführt, aber entgegen den ihm erteilten Auftrag darüber keine Feststellungen getroffen, obwohl der Inhalt dieses Gespräches, wie der Oberste Gerichtshof in seinem Aufhebungsbeschluß näher ausgeführt hat, sowohl für die rechtlich bedeutsame Frage eines Vorbehalts des Beklagten und damit des Zustandekommens oder Nichtzustandekommens eines Arbeitsvertrages als auch für die Gesamtbeweiswürdigung entscheidungswesentlich ist. Auch die vom Berufungsgericht zusätzlich getroffenen Feststellungen ermöglichen keine abschließende Beurteilung. Ob der Beklagte an den Arbeitsvertrag ohne vorangegangene vollständige Regelung der Bonusfrage gebunden sein wollte, ist rechtlich belanglos, weil es nicht auf seine Absicht, sondern darauf ankommt, ob die klagende Partei seinem Verhalten eine derartige Erklärung im Sinne eines Vorbehalts entnehmen konnte. Dies kann aber auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen noch nicht beurteilt werden. Daß die Regelung über den Bonus kein Nebenpunkt des Vertrages, sondern eine Hauptsache gewesen sei, sodaß der Vertrag schon wegen Fehlens einer Einigung über diese Frage nicht zustandekommen konnte, widerspricht der dem Berufungsgericht vom Obersten Gerichtshof überbundenen Rechtsauffassung. Die im zweiten Rechtsgang ergänzend getroffene Feststellung, die Bonusregelung sei nicht einmal in den Grundzügen fixiert gewesen, widerspricht überdies zum Teil den vom Berufungsgericht gleichfalls getroffenen Feststellungen über die Höhe des Bonus von S 70.000 und die Abhängigkeit dieses Betrages vom Betriebsgewinn, wobei die Hälfte als fixer Bonus anzusehen sei, der nur dann nicht ausgezahlt werden sollte, wenn die Bilanz nicht oder nicht ordentlich gemacht worden sein sollte, wogegen die andere Hälfte von der Zeit des Zahlungseinganges und vom Operating Income abhängig sein sollte. Im übrigen kommt der Frage, in welchem Ausmaß die Bonusregelung fixiert worden ist, für sich allein keine rechtliche Bedeutung zu; entscheidend ist vielmehr, ob der Beklagte einen Vorbehalt im Sinne der im Aufhebungsbeschluß des Obersten Gerichtshofes dazu enthaltenen Ausführungen gemacht hat. Ob dies geschehen ist, kann aber infolge der Verfahrens- und Feststellungsmängel des Berufungsgerichts derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden. Die angefochtene Entscheidung war daher, soweit sie nicht aus den eingangs dargelegten Gründen nichtig ist und daher ersatzlos aufgehoben wurde, im übrigen neuerlich aufzuheben und die Arbeitsrechtssache insoweit zur Verfahrensergänzung und Fällung einer neuen Entscheidung (Teilurteil) an das gemäß dem § 101 Abs 1 Z 3 ASGG nunmehr als Berufungsgericht sachlich zuständige Oberlandesgericht Wien zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung ist insoweit in § 50 ZPO begründet.

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