Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst erkannt, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 37.830,50 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 21.630 S bestimmten Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Klägerin wurde auf Grund ihres Anbotes vom 6. Juni 1978 von der Beklagten der Auftrag für Arbeiten im Bauvorhaben "Umfahrung Mürzzuschlag" erteilt. Ausschreibungs- und Vertragsgrundlagen waren das Anbot mit dem Leistungsverzeichnis und Vorbemerkungen sowie "Die rechtlichen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen an Bundesstraßen und Bundesstraßenbrücken" Ausgabe 1972 (10.111 und 10.211). In den Zahlungsbedingungen wurde eine Zahlung der Auftragssumme in 20 gleichen Teilzahlungen, beginnend 6 Monate nach der Auftragserteilung, jeweils mit einmonatigem Zahlungsziel, vereinbart. Eine mündliche Absprache über die vertraglichen Vereinbarungen hat nicht stattgefunden.
In den "rechtlichen Vertragsbedingungen" ist vorgesehen, daß alle Bauleistungen, die nach dem Vertrag nicht innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Anbotsfrist zu beenden sind, als zu veränderlichen Preisen abgeschlossen gelten. Die Änderung allfälliger Kreditbeschaffungskosten begründet in keinem Fall einen Anspruch auf Preisänderung. Preiserhöhungen müssen durch eine Veränderung von Preisgrundlagen verursacht sein, denen sich der Auftraggeber nicht entziehen konnte. Ferner wurde in diesen Vertragsbedingungen (10.211) unter Punkt 1.3 unter anderem festgehalten, daß jene Preisgrundlagen (Baustoffe, Transportleistungen, Betriebsstoffe und dergleichen), die den Preisanteil "sonstiges" maßgeblich bestimmen und deren Änderungen einen Anspruch auf Berichtigung dieses Preisanteiles begründen sollen, im Vertrag festgelegt sein müssen.
Der Beklagten war bewußt, daß bei Bauprojekten mit Vorfinanzierung durch die Bauunternehmung von der anbietenden Bau-Firma Kredite aufzunehmen waren und eine Finanzierung des Bauvorhabens aus Eigenmitteln des Unternehmers praktisch auszuschließen ist.
Bei der Anbotserstellung rechnete die Klägerin Kreditkosten (zum Anbotstermin 8 %) in die Einheitspreise ein, wobei sie die Möglichkeit von Zinssatzänderungen nicht berücksichtigte. Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin 4,167.519 S s.A. mit der Begründung, für die aufgenommenen Kredite müßten nunmehr 12 % Zinsen gezahlt werden, was bei Vertragsabschluß nicht berücksichtigt worden sei. Demnach müsse der Werklohn um die Zinsdifferenz, nämlich den eingeklagten Betrag, erhöht werden. Während das Erstgericht das Klagebegehren mit der Begründung abgewiesen hat, der in der Klage geltend gemachten Differenz liege höchstens ein unbeachtlicher Motivirrtum zugrunde, hat das Berufungsgericht diese Entscheidung unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben und in rechtlicher Hinsicht ausgeführt, bei dem geltend gemachten Betrag handle es sich nicht um durch den Vertrag ausgeschlossene Kreditbeschaffungskosten. Da Preisänderungen infolge einer Änderung der Kreditzinsen nicht ausgeschlossen worden seien und die Parteien diese Frage bei den Vertragsverhandlungen nicht erwähnt hätten, müsse diesbezüglich eine Vertragsergänzung erfolgen, die dazu führe, daß die Beklagte die durch die Änderung des Zinssatzes erforderlichen Mehrkosten zu zahlen habe. Demnach müßten diese Mehrkosten geprüft werden.
Der von der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist gerechtfertigt.
Rechtliche Beurteilung
Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß im vorliegenden Fall infolge Fehlens mündlicher Erörterungen bei den Vertragsverhandlungen von den vorgelegten Urkunden auszugehen ist und, daß allfällige unklare Ausdrücke in den vorgelegten Vertragsbedingungen zu Lasten der Beklagten gehen, weil die diesbezüglichen Urkunden und Formulierungen von ihr stammen. In dieser Richtung kann daher auf die Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden.
Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten können die für aufgenommene Kredite zu zahlenden Zinsen nicht unter den Begriff "Kreditbeschaffungskosten" subsumiert werden. Es mag dahingestellt bleiben, ob der Ausdruck "Geldbeschaffungskosten", der, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, identisch mit dem Ausdruck "Kreditbeschaffungskosten" ist, erst durch das MRG in die österreichischen Gesetze eingeführt worden ist. In dem im MRG aufscheinenden Sinn wurde dieser Ausdruck bereits wesentlich früher, insbesondere im Zusammenhang mit begehrten Mietzinserhöhungen, verwendet. Im übrigen zeigt schon der Ausdruck "Beschaffung", daß unter "Kreditbeschaffungskosten" nur jene Aufwendungen zu verstehen sind, die der Beschaffung des Kredites dienen, nicht aber die durch den bereits beschafften Kredit anfallenden laufenden Aufwendungen. Für derartige laufende Aufwendungen wird nicht nur in der Rechtssprache, sondern auch im allgemeinen Sprachgebrauch stets der Ausdruck "Zinsen" verwendet. Es wäre daher außergewöhnlich und ohne zusätzliche Erklärung nicht verständlich, wenn anstelle des üblichen Ausdruckes "Zinsen" der für ganz andere Auslagen übliche Ausdruck "Kreditbeschaffungskosten" verwendet werden würde. Demnach müßte es zu Lasten der Beklagten gehen, wenn sie den Ausschluß einer Zinsenerhöhung mit dem Wort "Kreditbeschaffungskosten" erreichen wollte, ohne dies ihrem Vertragspartner einwandfrei darzulegen. Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf die sogenannte clausula rebus sic stantibus, worunter nunmehr im allgemeinen ein Wegfall der Geschäftsgrundlagen verstanden wird. Von einem Wegfall der Geschäftsgrundlagen kann aber immer nur dann die Rede sein, wenn es sich um eine Geschäften dieser Art typisch zugrundeliegende Voraussetzung handelt (Gschnitzer Allgemeiner Teil, 189 f). Vor allem gilt aber hier, ebenso wie für das Problem einer Vertragsergänzung oder Anpassung, daß der Vertrag als Regelung, gemessen an seinen von beiden Parteien festgelegten immanenten Zwecken, lückenhaft sein muß (Rummel in Rummel Rdz 6 zu § 901). Ein Rechtssatz, wonach jeder Vertrag rebus sic stantibus geschlossen ist, besteht jedenfalls nicht (EvBl. 1970/203, EvBl. 1956/232 u.a.). Eine Vertragsergänzung nach § 914 ABGB hat immer dann stattzufinden, wenn nicht feststeht, was die Parteien im vertraglich nicht vorgesehenen Falle gewollt hatten (JBl. 1982, 49, SZ 45/11 u.a.). Sie darf aber grundsätzlich erst dann vorgenommen werden, wenn die Erforschung des Parteiwillens versagt (MietSlg. 29.107, 25.136 u.a.), wenn also das mildere Mittel der Wortauslegung nicht zum Ziele führt (MietSlg. 31.104 u.a.). Sie führt zur Ergänzung um dasjenige, was für den eingetretenen (nicht vorgesehenen) Fall zwischen den Parteien rechtens sein soll (SZ 45/11, SZ 42/52 u.a.). Hier ist unter Berücksichtigung der übrigen Vertragsbestimmungen und des von den Parteien verfolgten Zweckes sowie unter Heranziehung der Verkehrssitte zu prüfen, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten (JBl. 1983, 593, SZ 49/86 u.a.).
Geht man von den aufgezeigten Grundsätzen aus, so kann im vorliegenden Fall weder von einem Wegfall der Geschäftsgrundlagen noch von der Notwendigkeit einer Vertragsergänzung die Rede sein. Es ist nämlich keineswegs eindeutig, daß nach dem Zweck des vorliegenden Vertrages vernünftige und redliche Geschäftspartner eine Änderung der Kreditzinsen auf dem Kreditmarkt zum Anlaß einer Anpassung des vereinbarten Entgeltes nehmen hätten wollen. Zutreffend verweist die Beklagte darauf, daß der Auftrag im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung an den Bestbieter vergeben worden ist. Demnach mußte die Beklagte ein Interesse daran haben, daß nachträgliche Umstände den ursprünglichen Bestbieter nicht zu einem schlechteren Bieter machen, den die Beklagte nach der Auftragsvergabe nicht mehr gegen einen besseren Bieter auswechseln kann. Aus diesem Grunde liegt es auf der Hand, daß bloße Umstände der Kalkulation keinesfalls eine nachträgliche Vertragsänderung rechtfertigen sollten. Schließlich ist es Sache des Bewerbers um einen öffentlich ausgeschriebenen Auftrag, jene Umstände selbst ins Kalkül zu ziehen, die ihm die Abgabe eines günstigen Anbotes ermöglichen sollen. Zu diesen Umständen kann auch eine knappe Kalkulation der Kreditzinsen gehören. Selbstverständlich beinhaltet die Kalkulation ein gewisses spekulatives Moment, das jedoch nicht auf den Auftraggeber abgewälzt werden darf. Berücksichtigt der Anbieter bestimmte Umstände nicht, wie beispielsweise die keineswegs unwahrscheinliche oder überraschende Schwankung der Kreditzinsen auf dem Kreditmarkt, so wird dies im allgemeinen nicht ein Umstand sein, der zu Lasten des Auftraggebers geht. Demnach kann auch unter Zugrundelegung der Grundsätze von Treu und Glauben die Lückenhaftigkeit eines Werkvertrages nicht darin erblickt werden, daß dieser Vertrag über die Änderung von Kreditzinsen keine Bestimmung enthält. Dies schließt aber sowohl eine Annahme des Wegfalles der Geschäftsgrundlagen als auch eine Vertragsergänzung aus.
Das Berufungsgericht hat allerdings seine Rechtsansicht auch mit einer Auslegung des abgeschlossenen Vertrages begründet, nämlich jener Bestimmung, derzufolge Preiserhöhungen dann von der Beklagten abzugelten sind, wenn sie durch eine Veränderung von Preisgrundlagen verursacht wurden, denen sich der Auftraggeber nicht entziehen konnte. Es mag nun sein, daß hiezu auch Änderungen des Zinssatzes auf dem allgemeinen Kreditmarkt gehören. Nun enthält aber der Vertrag eine weitere Bestimmung, die sich aus den vorgelegten Urkunden ergibt und die das Erstgericht ausdrücklich und unbekämpft festgestellt, die jedoch das Berufungsgericht nicht entsprechend gewürdigt hat. Es ist dies jene Bestimmung, derzufolge jene Preisgrundlagen, die den Preisanteil "sonstiges" maßgeblich bestimmen und deren Änderungen einen Anspruch auf Berichtigung dieses Preisanteiles begründen sollen, im Vertrag festgelegt sein müssen. Zwar betreffen die dort beispielsweise angeführten Preisgrundlagen andere Anbotsteile als die Kreditzinsen, doch deutet gerade dieser Umstand eher darauf hin, daß die vorerwähnte Bestimmung des Vertrages über die Überwälzung von Preisänderungen auf die Beklagte für die Änderung der Kreditzinsen keine Geltung haben sollte. Selbst wenn man aber die Bestimmung über die Veränderung von Preisgrundlagen auch auf die Kreditzinsen anwendet, so müßte man selbstverständlich auch die einschränkende, vom Berufungsgericht nicht wiedergegebene Zusatzbestimmung zur Anwendung bringen. Zweck dieser Zusatzbestimmung ist es nämlich, den Auftraggeber davor zu schützen, daß er auf Grund eines für ihn nicht ohne weiters überprüfbaren Billigstanbotes, das auf nicht ganz realistischen Grundlagen beruht, einen Auftrag vergibt und der Auftragnehmer nachträglich, ungeachtet seiner nicht korrekten Kalkulation, zu einem größeren Verdienst gelangt. Dieser Gefahr kann nur dadurch vorgebeugt werden, daß jene Anbotsteile, deren allfällige Erhöhung grundsätzlich in Frage kommt, bereits im Anbot offengelegt werden. Nur dann kann der Auftraggeber vor der Auftragserteilung abschätzen, welche Teile des Anbotes für ihn mit einem Risiko belastet sind. Erst diese Abschätzung wird ihm eine verläßliche Gegenüberstellung der einzelnen Anbote ermöglichen. Vor allem wäre aber für den Auftraggeber eine nachträgliche Prüfung der unvermeidlichen Kostenerhöhungen unter Bezugnahme auf die dem Anbot zugrundegelegten Kostenanteile nicht möglich, wenn ihm diese Kostenanteile nicht bereits im Anbot aufgeschlüsselt dargelegt worden sind. Dies muß vor allem für Kreditzinsen gelten. Schließlich ist es Sache eines im Geschäftsleben stehenden Anbieters abzuwägen, inwieweit er sich auf das Fortbestehen der derzeitigen Höhe von Kreditzinsen verlassen kann oder nicht. Ein vorsichtiger Anbieter wird bereits bei Erstellung des Anbotes eine Erhöhung der Kreditzinsen ins Auge fassen und demnach diesen Umstand bei Erstellung des Anbotes berücksichtigen. Nur wenn er dies bereits bei der Anboterstellung seinem Vertragspartner offen darlegt, kann der Vertragspartner später feststellen, in welchem Ausmaß eine Erhöhung dieser Kosten durch eine Erhöhung des Zinssatzes eingetreten ist. Demnach ergibt sich aus dem Vertrag eindeutig, daß ein Erhöhungsanspruch des Auftragnehmers nur für solche Teile der Auftragssumme besteht, die bereits im Vertrag entsprechend offen dargelegt worden sind. Dies entspricht einer unter dem Gesichtspunkt des redlichen Verkehrs zu beurteilenden Vertragsauslegung. Da im vorliegenden Fall im Vertrag die der Kalkulation zugrundegelegten Kreditzinsen nicht entsprechend aufgeschlüsselt worden sind, kann demnach, wie das Erstgericht richtig erkannt hat, die Klägerin auf Grund des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Werkvertrages wegen Erhöhung des Zinssatzes auf dem Kreditmarkt keine höheren Leistungen von der Beklagten verlangen. Es erübrigt sich daher eine Prüfung der Höhe des geltend gemachten Anspruches. Vielmehr ist die Sache im Sinne der erstgerichtlichen Entscheidung spruchreif, so daß gemäß § 519 Abs. 2 ZPO diese Entscheidung wieder herzustellen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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