OGH 4Ob312/87

OGH4Ob312/8724.2.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch, Dr.Kuderna, Dr.Gamerith und Dr.Maier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** G*** U*** W***,

Wien 4.,Schwarzenbergplatz 14, vertreten durch Dr.Walter Prunbauer und Dr.Friedrich Prunbauer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Karl P***, Drogerie und Einzelhandel mit Artikeln des fotografischen Bedarfes, Lambach, Marktplatz 7, vertreten durch Dr.Werner Leimer und Dr.Manfred Leimer, Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung (Streitwert S 200.000,--) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert S 20.000,--) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 4.November 1986, GZ. 5 R 203/86-8, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 20.Oktober 1986, 3 Cg 323/86-4, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte hat die Kosten seines Revisionsrekurses endgültig, die klagende Partei die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Beklagte ist Alleininhaber einer Drogerie in Lambach, in der er auch den Einzelhandel mit Artikeln des fotografischen Bedarfes betreibt. Am linken Schaufenster seines Geschäftes war am 10. September 1986 ein Plakat mit folgender Aufschrift angebracht:

"Urlaubssonderpreis

24 Aufnahmen a 7.90 = 189,60

+ Entwickeln 33,--

222.60

=======

= FILM GRATIS" (Beilage E)

Der klagende Wettbewerbsschutzverband (§ 14 UWG) begehrt zur Sicherung des inhaltsgleichen, auf das Zugabengesetz gestützten Hauptbegehrens, dem Beklagten für die Dauer des Rechtsstreites im geschäftlichen Verkehr beim Erwerb einer Dienstleistung des Entwickelns eines Films und der Ausarbeitung von 24 Bildern die "Gratishingabe" eines Films anzubieten, anzukündigen oder einem größeren Kreis von Personen zu gewähren.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsbegehrens und wendete ein, er habe keine unentgeltliche Zugabe angeboten. Der beanstandete Plakattext habe wohl ein unklares Rechenbeispiel enthalten, das aber von den Kunden nur im Zusammenhang mit einem Werbeprospekt verstanden werden konnte, in dem er einen Fuji Color Film + Entwicklung + 24 Farbbilder 9 x 13 um S 219,80 als zulässiges Koppelungsangebot angekündigt habe. Das beanstandete Plakat enthalte nur den Hinweis, daß der Preisvorteil dieses Angebotes dem Wert eines Films entspreche.

Das Erstgericht wies das Sicherungsbegehren ab und nahm folgenden weiteren wesentlichen Sachverhalt als bescheinigt an:

Der vom Landesgremium des Handels mit fotografischem, optischem und ärztlichem Bedarf für Oberösterreich ausgesendete Testkäufer Karl S*** erhielt am 10.September 1986 von einer Verkäuferin des Beklagten die Mitteilung, daß beim Kauf eines Fuji-Color-Films HR 100 mit 24 Aufnahmen im Preis von S 222,60 auch das Entwicklen des Films und 24 Farbbilder 9 x 13 enthalten seien. Der normale Verkaufspreis des genannten Films (24 Aufnahmen) beträgt beim Beklagten S 74,--. Der Beklagte offerierte (damals) ein Sonderangebot, bestehend aus einem Fuji-Color-Film HR 100 mit 24 Aufnahmen + Entwicklung + 24 Farbbilder 9 x 13 um S 219,80 (Beilage 1).

Das Erstgericht war der Ansicht, daß der vom Beklagten angebotene Film keine Zugabe iS des § 1 Abs 1 ZugG, sondern nach der Verkehrsauffassung eine Hauptware sei. Das Angebot eines Films samt Entwicklung und Ausarbeitung bilde eine wirtschaftliche Einheit; es fehle daher an der für eine Zugabe wesentlichen Beziehung zwischen Hauptund Nebenware. Ein einheitlicher Preis für eine Waren- und Leistungsgesamtheit sei jedoch zulässig.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei teilweise Folge; es bewilligte den Sicherungsantrag, soweit damit das Verbot des Anbietens und Ankündigens unentgeltlicher Zugaben begehrt worden war, und wies das Mehrbegehren, auch das Gewähren eines Films als unentgeltliche Zugabe zu verbieten, ab. Die zweite Instanz sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes, über den sie entschieden habe, S 15.000,-- nicht jedoch S 300.000,-- übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Das Rekursgericht folgte nahezu wörtlich den Leitsätzen der Entscheidung des erkennenden Senates vom 11.Dezember 1984, 4 Ob 399/84 - Fußball-EM-Aktion ÖBl 1985,108. Es vertrat die Ansicht, daß zwar an dem gegenständlichen Kombinationsangebot (Film samt Entwicklung und Herstellung von Bildern) ein vernünftiges wirtschaftliches Interesse bestehe und damit keine willkürliche Zusammenfassung artverschiedener Waren und Leistungen vorliege; für die Frage, ob eine Zugabe iS des § 1 ZugG vorliege, sei aber die Art und Weise entscheidend, in der dieses Angebot dem Publikum angekündigt worden sei. Der hervorgehobene Hinweis: "FILM GRATIS" habe zumindest bei einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise den Eindruck erwecken müssen, daß die Kunden bei Erteilung eines Auftrages zur Entwicklung eines Films und zur Herstellung von 24 Farbbildern oder beim Kauf eines Gutscheins für diese Leistungen einen Film ohne gesonderte Berechnung erhalten würden. Der Einwendung des Beklagten, durch das plakative Rechenbeispiel sei lediglich der Preisvorteil des Gesamtangebotes herausgestellt worden, sei zu entgegnen, daß der Ankündigende gegen sich immer die für ihn ungünstigste Auslegung gelten lassen müsse. Die beanstandete Ankündigung erwecke den Gesamteindruck, daß nur für die Entwicklung des Films und die Herstellung der Farbbilder ein Preis berechnet werde. Auf das Wertverhältnis zwischen Hauptsache (Hauptleistung) und Zugabe komme es dabei nicht so sehr an wie auf den Eindruck der beteiligten Verkehrskreise. Der Beklagte habe daher eine unzulässige Zugabe angeboten und angekündigt. Nicht bescheinigt sei aber, daß er die angekündigte Zugabe einem größeren Kreis von Personen gewährt habe.

Gegen den Beschluß der zweiten Instanz richtet sich der Revisionsrekurs des Beklagten, mit dem er Aktenwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht.

Die klagende Partei hält den Revisionsrekurs des Beklagten für unzulässig, weil die Entscheidung der zweiten Instanz auf einer "einschlägigen" Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, insbesondere der bereits zitierten Entscheidung ÖBl.1985, 108 beruhe. Das trifft zwar zu, begründet aber entgegen der Meinung der klagenden Partei noch nicht die Unzulässigkeit dieses Rechtsmittels. Gerade auf dem Gebiet des Wettbewerbs-, Zugaben- und Rabattrechtes kann der Oberste Gerichtshof seiner Leitfunktion vielfach nur dann gerecht werden, wenn er nicht nur die richtige Wiedergabe von Leitsätzen der Judikatur, sondern überall dort, wo es nach Lage des Falls die Rechtssicherheit, die Rechtseinheit oder die Rechtsentwicklung fordern, auch die richtige Konkretisierung der jeweils in Betracht kommenden unbestimmten Gesetzesbegriffe prüft (ÖBL 1984, 48, ÖBl. 1984, 104 und ÖBl. 1985, 51). Der vorliegende Sachverhalt weicht von dem der - sonst ähnlichen - Vorentscheidung ÖBl.1985, 105 insofern nicht unwesentlich ab, als dort ein unübliches Koppelungsangebot zweier Fernsehgeräte mit verschiedenen technischen Eigenschaften und Zweckbestimmungen zu beurteilen war, das als willkürliche Zusammenfassung verschiedener Waren angesehen wurde. Im gegenständlichen Fall erfüllt aber, wie das Rekursgericht zutreffend erkannte, das kombinierte Waren- und Leistungsangebot vernünftige wirtschaftliche Bedürfnisse (vgl auch ÖBl. 1980, 138 - Foto-Sets). Die Entscheidung über das vorliegende Rechtsmittel hängt daher von der Lösung der Rechtsfrage des materiellen Rechts ab, ob das Publikum in der vorliegenden Angebotskombination trotzdem auf Grund der Art und Weise, in der jene angekündigt wurde, eine unentgeltliche Zugabe sehen konnte. Dieser Frage kommt iS des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO erhebliche Bedeutung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist daher zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt nicht vor, weil die im beanstandeten Plakattext angekündigten Preise - der Beklagte spricht selbst von einem "Rechenbeispiel" - vom Publikum trotz Fehlens einer Währungsangabe nur als Schillingpreise aufgefaßt werden konnten.

Warum der beanstandete Plakattext, der ein Kombinationsangebot

samt Gratisfilm enthält, keine "Ankündigung" iS des § 1 ZugG sein

soll, ist nicht zu ersehen. In dieser Ankündigung wurden die Worte

"FILM GRATIS" blickfangartig herausgestellt (siehe Beilage E), so

daß dem Publikum, dessen Aufmerksamkeit auf dieses Angebot gelenkt

wurde, das weniger deutliche Sonderangebot Beilage 1, das einen

Gesamtpreis für Film, Entwicklung und Bilder enthält, nicht auffallen mußte. Selbst Interessenten, die beide Ankündigungen lasen, konnten aber wegen des Preisunterschiedes der Meinung sein, es handle sich um zwei voneinander unabhängige Angebote. Nur für solche Interessenten käme die zu Lasten des Beklagten auszulegende Mehrdeutigkeitsregel in Betracht. Schon wegen der Kunden, die nur das Plakat wahrnahmen, muß aber der Beklagte die darin deutlich enthaltene Ankündigung, im Zusammenhang mit bestimmten Filmausarbeitungen unentgeltlich einen Film zu gewähren, gegen sich gelten lassen.

Der Ansicht des Beklagten, der unentgeltlich abgegebene Film sei eine Hauptware und könne daher nicht als Zugabe iS des §1 ZugG angesehen werden, ist nicht zu folgen. Zur Frage, was eine "Zugabe" iS des § 1 Abs 1 ZugG ist, und unter welchen Voraussetzungen zwei zusammen abgegebene Waren (Leistungen) im Verhältnis von Hauptware und Zugabe stehen, kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes und die Vorentscheidung des erkennenden Senates ÖBl 1985,108 verwiesen werden. Ob eine Wareneinheit mehrere Hauptwaren (Leistungen) oder neben einer Hauptware (Leistung) eine zusätzliche Ware oder Leistung ohne besondere Berechnung angeboten werden, bestimmt sich nach der Auffassung des Verkehrs (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht 14 , 1740, 1773; Hoth-Gloy, Zugabe und Rabatt, § 1 ZugabeVO Anm.17; Schuhmacher, Verbraucherschutz bei Vertragsanbahnung 293). Nur Vorteile, die vom angesprochenen Publikum als selbständig und "zusätzlich" gegeben aufgefaßt werden, sind geeignet, den vom Zugabengesetz inkriminierten Anlockungsund Irreführungseffekt auszulösen. Wird ein weder sachlich noch wirtschaftlich vom Verkehr eigenständig bewerteter Leistungsbestandteil vom werbenden Unternehmen fälschlich als Zugabe bezeichnet, so schadet ihm dies nicht

(Schuhmacher aaO 293, auch 287 ff). Eine klare Abgrenzung zwischen "Zugabe" und "Bestandteil der Hauptleistung" ist aus der Zusammengehörigkeit mehrerer Waren (Leistungen) allein nur für solche Waren (Leistungen) zu gewinnen, die für die Erfüllung der eigentlichen Hauptleistung nötig sind (Baumbach-Hefermehl aaO 1741). Bei der gemeinsamen Abgabe mehrerer Waren (Leistungen), die eine im Geschäftsverkehr übliche oder nützliche Kombination bilden, daneben aber auch selbständig angeboten werden, sind aus der Verkehrsauffassung über die (hier nur fakultative) Zusammengehörigkeit der Waren allein keine eindeutigen Aufschlüsse darüber zu gewinnen, ob eine Zugabe vorliegt. Die Frage hängt dann entscheidend von der Art und Weise ab, in der der Werbende seine Warenkombination anbietet (Baumbach-Hefermehl aaO 1773; auch 1742). Diese entscheidet , ob eine Zuwendung als Teil der Hauptleistung, als weitere Hauptleistung im Rahmen einer Kombination oder als Zugabe zu werten ist (vgl das Beispiel bei Baumbach-Hefermehl 1742). Folgt man diesen Grundsätzen, dann erweist sich die Beurteilung durch das Rekursgericht als zutreffend. Eine allgemein übliche Koppelung zwischen Ware (Film) und Leistung (Entwickeln) besteht beim Handel mit Dia-Filmen, die meist inclusive Entwicklung (manchmal auch zusätzlich mit Rahmen) angeboten werden. Bei Farbfilmen für Papierbilder ist eine solche Waren-Leistungskombination zwar nicht üblich, doch erfüllt ein derartiges Koppelungsangebot verwandter Leistungen vernünftige wirtschaftliche Interessen und kann daher nicht als atypische willkürliche Kombination angesehen werden. Farbfilme für Papierbilder werden aber in weitaus größerem Umfang auch außerhalb solcher Kombinationen angeboten. Für die Beurteilung des Vorliegens einer "Zugabe" ist daher hier entscheidend, daß der Beklagte den Film nicht als entgeltlichen Bestandteil einer Waren-Leistungskombination (so wie im Sonderangebot Beilage 1) angekündigt, sondern ausdrücklich - und zudem noch blickfangartig - als eine neben der Entwicklung und Ausarbeitung von Papierbildern gewährte unentgeltliche weitere Leistung herausgestellt hat. Ein solches Angebot konnte beim Publikum nur den Eindruck einer ohne Berechnung abgegebenen Zugabe erwecken. Diesem Eindruck stand auch der Wert der unentgeltlich angebotenen Nebenleistung (etwa ein Drittel der Gesamtleistung) nicht entgegen, weil es bei der Beurteilung eines Gegestandes als "Zugabe" nicht so sehr auf eine bestimmte Wertrelation zur Hauptsache, sondern auf die Auffassung der beteiligten Verkehrskreise ankommt (ÖBl.1985,108 mwN). Das wirtschaftliche Ergebnis der beiden Angebote des Beklagten (1. Entwickeln eines Films + 24 Aufnahmen = S 222,60 + "Gratisfilm":

unzulässige Zugabe; 2. Sonderangebot, bestehend aus einem Film + Entwicklung + 24 Farbbilder = S 219,80: zulässige Koppelung) ist zwar fast das gleiche; durch das Zugabengesetz soll aber vor allem die vorgespiegelte Unentgeltlichkeit, die auf das Publikum erfahrungsgemäß einen stärkeren Lockeffekt als ein (gleichwertiges) Kombinationsangebot ausübt, verhindert werden (vgl. Schuhmacher aaO 286 ff,289).

Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 393, 402, 78 EO und 40, 50 ZPO.

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