OGH 13Os185/86 (13Os186/86)

OGH13Os185/86 (13Os186/86)19.2.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Februar 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schopper als Schriftführers in der Strafsache gegen Josef F*** wegen des Verbrechens des Betrugs nach §§ 146 f. StGB. über den Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung sowie über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengerichts vom 21.Oktober 1986, GZ. 5 Vr 1851/86-32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

I. Josef F*** wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung erteilt.

Der Beschluß des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 24.November 1986 (ON. 34) wird aufgehoben.

II. Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen. III.Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Text

Gründe:

Josef F*** wurde des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB. schuldig erkannt. Er hat am 6. und 27.Februar 1986 der damals 70-jährigen Viktoria K*** unter zahlreichen Täuschungsmanövern (zahlungsfähiger und zahlungswilliger Darlehensnehmer zu sein, mit K*** die Lebensgemeinschaft aufnehmen bzw. sie heiraten zu wollen, eine größere Pensionsnachzahlung zu erwarten) 320.000 S herausgelockt.

Der Angeklagte macht Urteilsnichtigkeit aus § 281 Abs. 1 Z. 4 und 5 StPO. geltend. Die über ihn nach § 147 Abs. 3 StGB. verhängte Freiheitsstrafe bekämpft er mit Berufung.

I.

Mit seinem Rechtsmittel verbindet Josef F*** den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zu dessen Ausführung: Das Urteil wurde dem Verteidiger am 31.Oktober 1986 zugestellt (Rückschein S. 3 h), die Rechtsmittelschrift wurde erst am 15.November 1986 zur Post gegeben (ON. 33 S. 195). Der Antrag ist berechtigt, weil die fristgerechte Postaufgabe der Rechtsmittelausführungen auf Grund eines einmaligen, bedauerlichen Versehens einer sonst sehr gewissenhaften Kanzleiangestellten des Verteidigers unterblieb. Sie hat das betreffende, zur Postaufgabe übernommene Schriftstück auf den Boden ihres Personenkraftwagens fallen lassen und dort übersehen. Dies bestätigen die Zeugenaussagen des Verteidigers Dr. Z*** und der betroffenen Kanzleiangestellten (ON 40, 41).

Damit lag die ohne des Angeklagten oder seines Verteidigers Verschulden eingetretene Versäumung der Frist in einem unabwendbaren Umstand. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird, über den Wortlaut des § 364 Abs. 1 StPO. hinausgehend, auch wider die Versäumung der Frist zur Ausführung eines Rechtsmittels erteilt. Da die versäumte Prozeßhandlung gleichzeitig mit dem Restitutionsantrag angebracht wurde, übrigens die Rechtsmittelausführung schon früher vorlag (§ 364 Abs. 1 Z. 3 StPO.), waren die Wiedereinsetzung zu gewähren und zugleich der die Nichtigkeitsbeschwerde zurückweisende Beschluß des Erstgerichts (ON. 34) aufzuheben.

II.

Zu einer Verfahrensrüge (Z. 4) ist der Angeklagte nicht berechtigt, weil weder er noch sein Verteidiger während der Hauptverhandlung einen Antrag gestellt hat, ein solcher daher auch nicht der Ablehnung verfallen konnte und dies alles - entgegen den Beschwerdeausführungen - nicht durch die bloße Aufzählung von Beweismitteln im Anklageeinspruch substituiert werden kann. Im übrigen ist - entgegen den weiteren Beschwerdeausführungen - das Oberlandesgericht in seiner Einspruchsentscheidung gar nicht auf das in der Beschwerde bezogene Beweismittel eingegangen (siehe S. 57, 142).

Zur Erholung des Angeklagten wurde die Hauptverhandlung unterbrochen (§ 273 StPO.). Daß darnach der Angeklagte der Verhandlung nicht weiter beiwohnen hätte können (§ 275 StPO.), wurde im erstinstanzlichen Verfahren weder behauptet noch sonst unter Beweis zu stellen gesucht (Z. 4).

Rechtliche Beurteilung

Der Mängelrüge (Z. 5) ist zu entgegnen, daß auf Grund von Beweismitteln getroffene Feststellungen nicht aktenwidrig sein können, sondern nur Angaben über den Inhalt einer bei den Akten befindlichen Urkunde oder über eine gerichtliche Aussage (§ 281 Abs. 1 Z. 5 StPO.).

Im übrigen bekämpft der Angeklagte die erstrichterliche Beweiswürdigung, wenn er seine Verantwortung in der Hauptverhandlung, welche die Tatrichter ausdrücklich für unglaubwürdig bezeichnet haben (S. 192), seinen weiteren Beschwerdeausführungen zugrundelegt. Einen informierten Vertreter des Landesinvalidenamts als Zeugen zu vernehmen, hat der Angeklagte niemals beantragt, sodaß er das Unterbleiben einer solchen Beweisaufnahme im Rechtsmittelverfahren schon aus formellen Gründen nicht rügen kann. Die Behauptung, das Erstgericht habe den angenommenen Betrugsvorsatz nur zum Schein begründet, übergeht die zahlreich festgestellten Täuschungshandlungen.

Welche Schlüsse das Erstgericht aus dem Inhalt eines in der Hauptverhandlung zur Gänze vorgelesenen (§ 258 Abs. 1 StPO.) Schreibens im Zusammenhalt mit den sonstigen Beweismitteln gezogen hat, fiel abermals in die unanfechtbare Beweiswürdigung der Tatsacheninstanz. Im übrigen war im Hauptverhandlungsprotokoll nicht der gesamte Inhalt des Schreibens, sondern lediglich die Tatsache der Vorlesung zu beurkunden (§ 271 Abs. 1 StPO.), zumal nur das gänzliche Unterlassen einer Protokollaufnahme über die Hauptverhandlung mit Nichtigkeit bedroht ist (§§ 271, 281 Abs. 1 Z. 3 StPO.). Daß ein zur Gänze verlesenes Schriftstück auch in seiner Gesamtheit beweismäßig verwertet werden kann, bedarf wohl keiner Begründung.

Damit präsentiert sich die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde samt und sonders als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, weshalb sie schon in nichtöffentlicher Beratung nach § 285 d Abs. 1 Z. 1 StPO. in Verbindung mit § 285 a Z. 2 StPO. zurückzuweisen war.

III.

Die Zuleitung der Akten zur Entscheidung an das Oberlandesgericht Graz beruht darauf, daß eine (die ausnahmsweise Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs für die Erledigung der Berufung begründende) Sachentscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde entfällt (RiZ. 1970 S. 17, 18, 1973 S. 70, JBl. 1985 S. 565 u.v.a.).

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