OGH 10Os179/86

OGH10Os179/8617.2.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Februar 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Sulzbacher als Schriftführer in der Strafsache gegen Klaus W*** wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27.Oktober 1986, GZ 6 a Vr 9882/86-25, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Knob und des Verteidigers Dr. Unterer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem freisprechenden Teil und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Strafsache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil wurde der österreichische Staatsbürger Klaus W*** des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB schuldig erkannt; von der weiteren Anklage, er habe den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte (1.) in einer größeren Menge ausgeführt und einzuführen versucht, indem er am 7. November 1983 rund 200 Gramm Heroin aus Indien (ausgeführt und) in München in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen versuchte (teils vollendetes, teils versuchtes Verbrechen nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG sowie § 15 StGB) und (2.) während eines noch festzustellenden Zeitraumes bis zum 7.November 1983 in Österreich und anderen Staaten erworben und besessen (Vergehen nach § 16 Abs. 1 SuchtgiftG), wurde er gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Den Freispruch begründete das Erstgericht unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 5.Dezember 1985, AZ 12 Os 145/85 (EvBl. 1986/109 = JBl. 1986, 466 mit Glosse von Liebscher), mit der Erwägung, der Angeklagte sei wegen der erwähnten Suchtgiftdelikte bereits mit dem Urteil des Landgerichtes München vom 17.September 1984, Geschäftsnummer 17 KLs 331 Js 18.815/83, abgeurteilt worden, eine abermalige Ahndung eines im Ausland begangenen und im Tatortstaat bereits abgeurteilten Suchtgiftdeliktes durch ein österreichisches Gericht aber komme seit dem Inkrafttreten der Suchtgiftgesetznovelle 1985 nicht mehr in Betracht.

Der diesen Freispruch bekämpfenden, auf die Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Denn im vorliegenden Fall kann die inländische Gerichtsbarkeit zwar tatsächlich nicht aus § 64 Abs. 1 Z 4 StGB abgeleitet werden, weil diese Geltungsbestimmung zufolge der inhaltlichen Neugestaltung des § 12 SuchtgiftG durch die Suchtgiftgesetznovelle 1985 auf damit erfaßte Suchtgiftverbrechen nicht mehr anwendbar ist (in diesem Sinn die obzitierte Entscheidung, des weiteren ua 10 Os 7, 61/86 sowie die Entscheidung eines verstärkten Senates vom 23.Oktober 1986, 13 Os 45/86 = RZ 1986/77; Leukauf-Steininger, Strafrechtl. Nebengesetze 2 2. Ergänzungsheft 1985, S 54 f.) und das Vergehen nach § 16 SuchtgiftG in ihrem Deliktskatalog überhaupt nie enthalten war; wohl aber kommt im Hinblick darauf, daß Suchtgifttaten der vorliegend unter Anklage gestellten Art jedenfalls (§ 12 SuchtgiftG) oder doch möglicherweise (§ 16 SuchtgiftG) auch durch die Gesetze der Tatorte mit Strafe bedroht sind, die Annahme inländischer Gerichtsbarkeit nach § 65 Abs. 1 Z 1 StGB in Betracht: der Angeklagte war (auch) zur Tatzeit österreichischer Staatsbürger; ein Strafbarkeitsentfall nach § 65 Abs. 4 StGB scheidet aus, weil die vom Landgericht München über ihn verhängte Strafe nach den Urteilsfeststellungen (US 5) nicht zur Gänze vollstreckt und der Verurteilte am 3.Juni 1986 nach einem Absehen von der Vollstreckung der Reststrafe wegen Auslieferung und Ausweisung gemäß § 456 a dStPO, also ohne unbedingten Erlaß des Strafrestes (§ 456 a Abs. II dStPO iVm § 67 c Abs. II dStGB), entlassen wurde (vgl. S 59, 125, 133, 134).

In Ansehung des nach den Anklagebehauptungen (vgl. S 87, 167 f.) zum Teil auch in Österreich verübten Vergehens nach § 16 Abs. 1 SuchtgiftG kommt insoweit noch (der vom Schöffengericht verkannte Umstand) hinzu, daß hinsichtlich dieses Teiles der betreffenden Straftaten die österreichische Gerichtsbarkeit schon aufgrund des inländischen Tatortes gegeben ist (§ 62 StGB). Der Formulierung der erstgerichtlichen Urteilsbegründung (US 4 ff.) läßt sich allerdings nicht eindeutig entnehmen, ob das Schöffengericht zu den Suchtgiftdelikten überhaupt eigene Feststellungen traf, die im übrigen zumindest in Ansehung des Anklagevorwurfes nach § 16 Abs. 1 SuchtgiftG keinesfalls ausreichen könnten, oder ob es bloß die vom Landgericht München getroffenen Feststellungen (kurz zusammengefaßt) wiederzugeben beabsichtigte. Schon deswegen war es dem Obersten Gerichtshof verwehrt, sogleich in der Sache selbst zu entscheiden, zumal der (insoweit in erster Instanz freigesprochene) Angeklagte dann, wenn die betreffenden erstgerichtlichen Ausführungen tatsächlich als eigene Konstatierungen aufzufassen wären, keine prozessuale Möglichkeit gehabt hätte, sie zu bekämpfen (SSt. 33/35, 37/22; EvBl. 1985/104 = JBl. 1985, 688 ua).

Es waren daher der freisprechende Teil des erstgerichtlichen Urteils sowie demzufolge auch der Strafausspruch aufzuheben und in diesem Umfang die Verfahrenserneuerung anzuordnen. Hiebei wird das Schöffengericht auch festzustellen haben, an welchen jeweiligen Tatorten die als Vergehen nach § 16 Abs. 1 SuchtgiftG beurteilten Straftaten begangen wurden. Sodann wird zu prüfen sein, ob bezüglich der im Ausland begangenen Teile dieses Vergehens die Voraussetzungen für die Annahme inländischer Gerichtsbarkeit gegeben sind (§ 65 StGB).

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