OGH 10Os182/86

OGH10Os182/8617.2.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Februar 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Sulzbacher als Schriftführer in der Strafsache gegen Johann S*** und Helmut K*** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 erster und zweiter Fall sowie 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten K*** sowie über die Berufung des Angeklagten S*** gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 29.September 1986, GZ 20 qu Vr 8037/86-58, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik, sowie der Verteidiger Dr. Doczekal und Dr. Zanger, jedoch in Abwesenheit beider Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird - jener des Angeklagten K***

teilweise - dahin Folge gegeben, daß die über die Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen wie folgt herabgesetzt werden:

bei Johann S*** auf 6 (sechs) Jahre und bei Helmut K*** auf 5 (fünf) Jahre.

Gemäß § 390 a StPO fallen beiden Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Johann S*** und Helmut K*** auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 (erster und zweiter Fall) StGB - bei S*** teils auch in der Entwicklungsstufe des Versuches nach § 15 StGB - schuldig erkannt. Dem den Schuldspruch bekämpfenden Angeklagten K*** liegt nach Punkt A/ des Schuldspruches zur Last, in Wien in Gesellschaft des Mitangeklagten S*** als Beteiligten mit Gewalt gegen Personen, zum Teil unter Verwendung einer Waffe, anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar dadurch, daß er

1. am 9.April 1985 der Anna R***, indem er ihr Faustschläge ins Gesicht versetzte, welche eine Platzwunde an deren rechter Stirnseite zur Folge hatten, einen Geldbetrag von 3.500 S an sich nahm, während Johann S*** in einem PKW auf ihn wartete, und

2. am 22.April 1985 - ebenso wie Johann S*** - der Brigitte W***, indem er ihr einen Schlag mit einem selbstverfertigten Schlagring versetzte, wodurch sie eine Platzwunde am Hinterkopf erlitt, deren Kellnerbrieftasche mit mindestens 8.000 S Bargeld entriß.

Die Geschwornen hatten die den Angeklagten K*** betreffenden Hauptfragen 2 und 4 bejaht, die Hauptfrage 4 allerdings mit der Einschränkung, daß die auf eine Tatbegehung (auch) durch Inschachhalten des Raubopfers und der im Lokal anwesenden Gäste mit einem Gasrevolver seitens des Mitangeklagten S*** hinweisenden Worte zu entfallen hatten.

Der auf die Z 8 - der Sache nach auch Z 6 - und 9 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K*** kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Mit dem Einwand, den Geschwornen hätten zur Hauptfrage 2 auch eine Eventualfrage in Richtung des § 127 StGB und des § 83 StGB gestellt werden müssen, weil sich aus (dem in der Nichtigkeitsbeschwerde zitierten Teil) der Aussage der Zeugin R*** vor der Polizei vom 9.April 1985 ergebe, daß der Diebstahl bereits vollendet gewesen sei, als ihr die Verletzung zugefügt worden sei, somit zwischen der Gewaltanwendung und der Sachwegnahme kein enger zeitlicher Zusammenhang bestanden habe, macht der Beschwerdeführer nicht, wie er meint, den Nichtigkeitsgrund der Z 8 des § 345 Abs. 1 StPO, sondern jenen der Z 6 dieser Gesetzesstelle geltend. Dies jedoch zu Unrecht.

Er nimmt nämlich einzelne Passagen aus der - in der Hauptverhandlung gleich dem übrigen Akteninhalt verlesenen (S 127/II) - Aussage der Zeugin R*** vor der Polizei vom 9. April 1985 (S 475/I) aus dem Zusammenhang, nach deren gesamtem Inhalt der Beschwerdeführer das Verkaufspult der Trafik übersprang, sogleich Papiergeld aus der leicht geöffneten Kassenlade nahm und unmittelbar darauf der nun einen Hinderungsversuch unternehmenden Trafikantin mit einer Faust gegen den Kopf schlug, worauf er mit dem Geld in beiden Händen wieder das Verkaufspult überquerte und das Lokal verließ (vgl auch S 471/I).

Aus dieser Darstellung der Zeugin, auf die allein sich die Ausführungen in der Nichtigkeitsbeschwerde beziehen, ergibt sich - gleichwie übrigens auch aus der Verantwortung der Angeklagten - kein Indiz dafür, daß von den Angeklagten eine Sachwegnahme ohne Einsatz von Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben geplant war, geschweige denn, daß der (die Verletzung der Zeugin R*** herbeiführende) Faustschlag in einem von der Sachwegnahme losgelösten Konnex gestanden wäre. Der Beschwerdeführer und der Mitangeklagte S***

verantworteten sich vielmehr stets dahin, einen Raubüberfall auf die Trafik der Zeugin R*** beabsichtigt zu haben (S 61 f, 127 f/I; S 105, 108/II); die Verantwortung des Beschwerdeführers über die Vorgänge in der Trafik selbst entsprach im wesentlichen der bereits dargestellten Aussage der Zeugin R***.

Bei diesen Verfahrensergebnissen kann aber weder von einem vollendeten Gewahrsamsbruch, bei dem die Sache bereits in Sicherheit gebracht wurde, noch von einem "heimlich begonnenen Gewahrsamsbruch" die Rede sein, bei welchem - ohne daß die Anwendung räuberischer Mittel von den Tätern geplant gewesen wäre - die Gewaltausübung erst erfolgte, nachdem der Angeklagte K*** beim Diebstahl "betreten" wurde (vgl EvBl 1985/6 = ÖJZ-LSK 1984/104 = JBl 1985, 53 mit weiteren Nachweisen und mit Besprechung von Burgstaller). Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Tatsachen sind sohin nicht geeignet, dem den Gegenstand der bezüglichen Hauptfrage bildenden Sachverhalt eine andere juristische Relevanz, sei es im Sinne eines - mit der Rüge gar nicht reklamierten - räuberischen Diebstahls (§§ 127 Abs. 1, 131 StGB) oder sei es gar in der Richtung eines mehrtätigen Zusammentreffens von Diebstahl und Körperverletzung zu geben.

Worin eine "zu Mißverständnissen in Ansehung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlungen, auf die die Hauptfrage gerichtet war", führende Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung (Z 8) gelegen sein soll, ist der Beschwerde nicht zu entnehmen. Diese unsubstantiierte Behauptung entzieht sich somit einer sachbezogenen Erörterung.

Unzutreffend ist auch der Beschwerdeeinwand (Z 9), die Antwort der Geschwornen auf die Hauptfrage 4 sei in sich widersprechend, weil "eine derartige Ausführungshandlung denknotwendig nur von einem Täter begangen worden sein konnte" und im gesamten Verfahren kein Hinweis dahin gegeben gewesen sei, daß beide Täter gemeinsam dem Opfer einen Schlag versetzt hätten, vielmehr nicht habe geklärt werden können, ob Brigitte W*** den Schlag mit einem Schlagring (von K***) oder mit einer Pistole (von S***) erlitten habe. Abgesehen davon, daß die Geschwornen in ihrer gemäß § 331 Abs. 3 StPO erstellten kurzen Niederschrift (Beilage F zum Hauptverhandlungsprotokoll) unmißverständlich zum Ausdruck brachten, daß sie von der Tatsachenannahme ausgingen, jeder der beiden Angeklagten habe zugeschlagen, wobei sie sich auf die Aussage des Zeugen H*** bezogen, der tätliche Attacken beider Angeklagten gegen Brigitte W*** bekundete (S 123/II),kommt indessen im Wahrspruch selbst deutlich und widerspruchsfrei zum Ausdruck, daß die Geschwornen das Vorliegen eines Gesellschaftsraubes im Sinn des ersten Falles des § 143 StGB bejahten, für dessen Annahme das einverständliche Zusammenwirken mindestens zweier Personen am Tatort oder in dessen näherer Umgebung genügt, ohne daß jeder einzelne selbst Ausführungshandlungen dazu setzen müßte. Es war daher diesfalls für die Verwirklichung eines bewaffneten Raubes ausreichend, daß einer der Täter im Rahmen des gemeinsamen Tatplanes unter Verwendung einer Waffe Gewalt anwendete. Eben das aber nahmen die Geschwornen - dementsprechend ohne Verstoß gegen die Denkgesetze oder gegen allgemeine Lebenserfahrung - mit ihrem Wahrspruch in Ansehung des mit einem Schlagring geführten Schlages als erwiesen an. Im übrigen kann eine Widersprüchlichkeit des Verdiktes im Sinne des § 345 Abs. 1 Z 9 StPO durch eine Bezugnahme auf Verfahrensergebnisse überhaupt nicht prozeßordnungsgemäß dargetan werden.

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K*** war daher ein Erfolg zu versagen.

Das Geschwornengericht verhängte über die Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB Freiheitsstrafen, und zwar über S*** - dem neben den eingangs bezeichneten Straftaten überdies zu Punkt B des Schuldspruches noch zur Last liegt, am 23.Oktober 1985 in Wien in Gesellschaft seines gesondert verfolgten Bruders Christian S*** als Raubgenosse unter Verwendung einer Waffe versucht zu haben, der Ernestine P*** Geld mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar dadurch, daß Christian S*** eine Gaspistole gegen die Genannte richtete, während Johann S*** in einem PKW in unmittelbarer Nähe auf seinen Bruder wartete - in der Dauer von sieben Jahren und über K*** in der Dauer von sechs Jahren. Bei der Strafbemessung wertete das Geschwornengericht bei beiden Angeklagten die Wiederholung der Straftaten, die leichten Verletzungen der Tatopfer R*** und W*** sowie die zweifache Qualifikation zum schweren Raub als erschwerend, dagegen bei beiden Angeklagten jeweils die objektive Schadensgutmachung und den Umstand, daß sie bisher einen ordentlichen Lebenswandel führten und die Taten mit ihrem sonstigen Verhalten im auffallenden Widerspruch standen, bei S*** überdies das reumütige, zur Aufhellung der Straftaten und zur Überführung anderer beitragende Geständnis, sowie den Umstand, daß es in einem Fall beim Versuch blieb, bei K*** das reumütige Geständnis und sein Alter unter 21 Jahren als mildernd. Beim Angeklagten S*** zog es überdies in Betracht, daß er in zwei Fällen nur als Chauffeur (gemeint: jeweils in unmittelbarer Nähe der Tatausführung im PKW wartend) tätig war.

Beide Angeklagten streben eine Herabsetzung der jeweils über sie verhängten Freiheitsstrafen, K*** für den Fall, daß diese in einer Dauer unter 2 Jahren ausgemessen werde, auch eine bedingte Strafnachsicht an.

Den auf Herabsetzung der Freiheitsstrafe gerichteten Berufungen kommt Berechtigung zu.

Die Strafzumessungsgründe wurden - was vom Verteidiger des Angeklagten S*** im Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung auch eingeräumt wurde - vom Geschwornengericht vollständig und richtig erfaßt.

Von einer Verleitung des Angeklagten K*** durch den Angeklagten S***, die ersterer für sich als mildernd reklamiert (und die demgemäß dem Mitangeklagten S*** als erschwerend zur Last fallen müßte), kann indessen keine Rede sein. Schon dem ersten Raubüberfall gingen selbst nach der Verantwortung des Angeklagten K*** Besprechungen voraus, in denen von beiden gemeinsam Überfälle oder Einbrüche ins Auge gefaßt wurden (vgl insbesondere S 127/I). Der Umstand, daß in Verfolgung dieses Vorhabens vom Angeklagten S*** die Trafik der Zeugin R*** als geeignetes Objekt bezeichnet wurde, schlägt nicht mehr mildernd zu Gunsten des Angeklagten K*** aus. Hinsichtlich des Raubüberfalles auf die Kellnerin W*** wurde von keinem der Angeklagten auch nur behauptet, daß K*** von S*** verleitet worden wäre (vgl S 75 und 131/I).

Auch von einem vom Angeklagten K*** reklamierten Milderungsgrund einer Enthemmung durch Konsum von Haschisch und Alkohol kann keine Rede sein. Eine nennenswerte Beeinflussung durch Alkoholkonsum wurde vom Angeklagten K*** niemals vorgebracht, die jeweiligen zielstrebigen Tatausführungen sprechen auch dagegen; ein (grundsätzlich pönalisierter) Konsum von Rauschgift hinwieder wäre vorwerfbar und könnte daher keinen Milderungsgrund abgeben (§ 35 StGB).

Die Strafzumessungsgründe wurden daher vom Erstgericht durchaus zutreffend und vollständig festgestellt.

Angesichts der die beiden Angeklagten treffenden Erschwerungsumstände, von denen vor allem die Wiederholung der Raubtaten gewichtig ist, und der den Raubüberfällen vorausgegangenen Planung, einem Umstand, dem im Rahmen der allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung Beachtung zukommt (§ 32 Abs. 3 StGB), kann von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe nicht gesprochen werden. Die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung des § 41 StGB kam demnach nicht in Frage. Dennoch scheint das vom Geschwornengericht gewählte Strafausmaß angesichts des bisher untadelhaften Wandels beider Angeklagten und ihres Alters zu den Tatzeiten doch etwas überhöht. Trotz der Faktenmehrheit ist es bei dem unbescholtenen, zu den Tatzeiten noch nicht 21 Jahre alten Angeklagten K*** (gerade noch) vertretbar, eine Freiheitsstrafe an der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens festzusetzen.

Durchaus zutreffend wurde vom Geschwornengericht dargetan, aus welchen Erwägungen eine Relation der Freiheitsstrafen mit einem Unterschied von einem Jahr zwischen den beiden Angeklagten angenommen wurde (US 8/9). Diese Erwägungen werden vom Obersten Gerichtshof übernommen und demgemäß in der gegenüber dem Geschwornengericht vorgenommenen anderen Gewichtung der Milderungsgründe auch beim Angeklagten S*** eine Reduktion der Freiheitsstrafe auf ein Ausmaß von sechs Jahren vorgenommen. Der vom Angeklagten K*** angestrebten bedingten Strafnachsicht steht schon das Strafmaß (von fünf Jahren Freiheitsstrafe) entgegen (§ 43 Abs. 2 StGB).

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