Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten
hat:
"Das Klagebegehren
1. Die beklagte Partei sei schuldig, es zu unterlassen, Margarine, insbesondere die von ihr importierte "Biodiät Reform-Kost-Margarine", zu vertreiben, auf deren Verpackung nicht ein deutlich sichtbarer Hinweis auf ihre Mindesthaltbarkeit (empfohlene Aufbrauchsfrist) angebracht ist,
2. der klagenden Partei werde die Ermächtigung erteilt, den Spruch des über die Klage ergehenden Urteils in dem redaktionellen Teil je einer Samstag-Ausgabe der Tageszeitungen "Neue Kronen-Zeitung" und "Kurier" mit Fettdrucküberschrift, Fettdruckumrandung und gesperrt geschriebenen Prozeßparteien auf Kosten der beklagten Partei zu veröffentlichen
wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 71.546,55 bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz (darin enthalten S 6.316,05 Umsatzsteuer und S 2.070,- Barauslagen) und die mit S 32.369,80 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten S 2.851,80 Umsatzsteuer und S 1.000,- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen".
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 17.322,15 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.465,65 Umsatzsteuer und S 1.200,- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei erzeugt und vertreibt Nahrungsfette und Margarine. Die beklagte Partei führt Margarine ein, welche sie unter der Bezeichnung "Biodiät Reform-Kost-Margarine" in Schachteln vertreibt, die entweder einen oder zwei Kunststoffbecher mit Margarine enthalten.
Die klagende Partei beantragte das aus dem Spruch ersichtliche Urteil. Sie brachte vor, der Text auf den von der beklagten Partei unter der Bezeichnung "Biodiät Reform-Kost-Margarine" vertriebenen Margarinepackungen verweise zwar darauf, daß sich die Mindesthaltbarkeit (empfohlene Aufbrauchsfrist) aus einem auf der Schachtel angebrachten Aufkleber ergebe, jedoch fehle an zahlreichen Packungen diese durch § 1 Abs 1, § 3 Z 10
und § 4 Abs 1 Z 32 LMKV 1973 vorgeschriebene Kennzeichnung der Mindesthaltbarkeitsdauer. Für diesen Verstoß sei gemäß § 6 lit a LMKV die beklagte Partei als Importeur verantwortlich. Sie verstoße durch die Verletzung dieser Vorschriften zugleich auch gegen § 1 UWG.
Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen, und wendete ein, die importierte Margarine werde von ihr verpackt und mit peinlichster Genauigkeit sowie unter laufender Kontrolle etikettiert; die Auslieferung zahlreicher Packungen ohne Hinweis auf die Mindesthaltbarkeit sei daher ausgeschlossen. Nicht auszuschließen sei allerdings, daß das eine oder andere Mal die Anbringung des Etiketts übersehen worden oder so schlecht erfolgt sei, daß es sich beim Transport von der Packung habe lösen können. Das Fehlen der Kennzeichnung über die Mindesthaltbarkeit sei kein Verstoß gegen § 1 UWG. Die Voraussetzungen für die Urteilsveröffentlichung seien nicht gegeben.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - eingeschränkt auf den Vertrieb von "Biodiät Reform-Kost-Margarine" - statt. Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:
Ein Direktor der Klägerin, Hans Christof L***, hat am 16.8.1984 in einem Geschäft in Wien eine Schachtel "Biodiät Reform-Kost-Margarine" mit zwei Kunststoffbechern ohne Hinweis auf die Mindesthaltbarkeit gesehen und gekauft. Ein Angestellter der Klägerin, Josef H***, hat am 5.3.1985 in einem Geschäft in Kammern eine Schachtel dieser Margarine mit einem Kunststoffbecher ohne Hinweis auf die Haltbarkeit der Ware gesehen und gekauft. Ein anderer Angestellter der Klägerin, Karl S***, hat bei seinen Kontrollen nie "Biodiät-Margarine" ohne Aufbrauchsdatum auf der Schachtel festgestellt; er hat auch nie wahrgenommen, daß ein Becher mit dieser Margarine nicht in einer Schachtel gewesen wäre. Der anderslautende Inhalt seiner Erklärung vom 14. Juni 1984, Beilage ./A, der als Bescheinigungsmittel im Verfahren über die einstweilige Verfügung herangezogen wurde, ist unrichtig. Der auf den Schachteln der Margarine aufgedruckte Text verweist darauf, daß sich die Mindesthaltbarkeit (empfohlene Aufbrauchsfrist) aus einem auf der Schachtel angebrachten Aufkleber ergibt.
Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, die beklagte Partei habe gegen § 3 Z 10 iVm § 4 Abs 1 Z 32 LMKV und damit auch gegen § 1 UWG verstoßen. Wiederholungsgefahr sei gegeben, weil die beklagte Partei die Möglichkeit zugestanden habe, daß fallweise ein Etikett nicht oder nur schlecht angebracht werde. Zur Sicherung des Unterlassungsanspruches sei die Veröffentlichung des Urteils anzuordnen gewesen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,- übersteige. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes, welche seiner Ansicht nach auf einem mangelfreien Verfahren beruhten, und teilte auch dessen Rechtsansicht. Es komme weder darauf an, wie oder warum es habe geschehen können, daß einzelne Packungen der von der beklagten Partei vertriebenen Margarine nicht mit der Kennzeichnung nach § 3 Z 10 und § 4 Abs 1 Z 32 LMKV 1973 versehen waren, noch darauf, in welcher ziffernmäßigen Relation die nicht vorschriftsmäßig gekennzeichneten Packungen zur Anzahl der von der beklagten Partei insgesamt oder innerhalb bestimmter Zeiträume ausgelieferten Packungen stehen. Die Pflicht zur Information über die Mindesthaltbarkeitsdauer sei für den Kaufentschluß des Konsumenten von Bedeutung und habe den Zweck, die Kaufentscheidung zu versachlichen und damit auch die Lauterkeit im Wettbewerb zu fördern. Ein Verstoß dagegen sei auch ohne absichtliche (planmäßige) oder häufig wiederkehrende (fortgesetzte) Begehung sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG. Wiederholungsgefahr sei schon wegen des von der beklagten Partei ausdrücklich vertretenen Prozeßstandpunktes gegeben. Die Urteilsveröffentlichung sei gerechtfertigt, weil der klagenden Partei angesichts des von der beklagten Partei eingenommenen Standpunktes ein Interesse zugebilligt werden müsse, die in Betracht kommenden Käuferkreise darauf hinzuweisen, daß auch das von der beklagten Partei vertriebene Produkt von begrenzter Haltbarkeit sei und ein Fehlen diesbezüglicher Kennzeichnung einen Verstoß gegen die gesetzliche Kennzeichnungspflicht bedeute.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern oder es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Es ist zwar richtig, daß die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung keine wettbewerbsrechtlich neutrale Ordnungsvorschrift, sondern eine (auch) dem Schutz des lauteren Wettbewerbs dienende Norm ist, deren Übertretung unabhängig davon, ob sie fortgesetzt oder planmäßig begangen wurde, einen Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG bilden kann (SZ 49/70 ua). Das jedem Vorwurf eines sittenwidrigen Verhaltens begrifflich innewohnende moralische Unwerturteil verlangt aber jedenfalls dort eine besondere subjektive Komponente auf der Seite des Beklagten, wo der ihm angelastete Wettbewerbsverstoß aus der Verletzung einer gesetzlichen Vorschrift abgeleitet wird. Nur eine auch subjektiv vorwerfbare Mißachtung einer solchen Vorschrift rechtfertigt es, über die bloße Verantwortlichkeit nach der übertretenen Verwaltungsvorschrift hinaus, auch eine unlautere, gegen die guten Sitten verstoßende Wettbewerbshandlung im Sinne des § 1 UWG anzunehmen (ÖBl 1983, 40 mwN ua). Dieser Grundsatz gilt nicht nur dann, wenn es um eine unterschiedliche Auslegung der angeblich verletzten Rechtsvorschrift geht, sondern auch dann, wenn zwar objektiv ein Verstoß vorliegt, dieser aber nur auf einem Versehen beruht und dem Beklagten auch nicht vorgeworfen werden kann, er habe derartige Verstöße zufolge mangelhafter Organisation in seinem Betrieb in Kauf genommen, was sich allenfalls aus der Anzahl der Verstöße ableiten ließe.
Im vorliegenden Fall hat zwar die klagende Partei behauptet, die beklagte Partei verstoße in zahlreichen Fällen gegen § 3 Z 10 iVm § 4 Abs 1 Z 32 LMKV, doch haben die Vorinstanzen nur als erwiesen angenommen, daß in zwei Geschäften - einmal im August 1984 und das zweite Mal im März 1985 - je eine Margarineverpackung den geforderten Hinweis nicht enthalten hat; die darüber hinausgehenden Angaben von Zeugen wurden nicht als erwiesen angenommen. Angesichts der Menge der von der beklagten Partei in Verkehr gebrachten Margarinepackungen (im Verfahren war von mindestens 20.000 Packungen pro Monat die Rede: ON 7, S 27 und ON 17 S 59) genügt dies bei weitem nicht, um der beklagten Partei auch subjektiv eine Mißachtung der Vorschriften der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung vorwerfen zu können. Daß aber die von der beklagten Partei verwendeten Aufkleber zur dauerhaften Kennzeichnung im Sinne des § 2 Abs 1 LMKV nicht geeignet seien, wurde von der klagenden Partei nicht behauptet. In Stattgebung der Berufung war daher das Klagebegehren abzuweisen.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten erster Instanz gründet sich auf § 41 ZPO, jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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