OGH 7Ob732/86

OGH7Ob732/8612.2.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Hule, Dr.Warta und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei August S***, Baumeister, Tamsweg, Griesgasse 246, vertreten durch Dr.Wolfgang Rohringer, Rechtsanwalt in Tamsweg, wider die beklagte Partei R*** Ö***, Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen Herausgabe infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 29.August 1986, GZ 13 R 141/86-48, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 30.Jänner 1986, GZ 33 Cg 148/84-43, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 11.100,10 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 1.100 S Barauslagen und 909,10 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Schreiben vom 7. November 1974 ersuchte das Zweite Institut für Hochbau, für Architektur und Entwurf IV der Technischen Hochschule Wien durch dessen Vorstand Prof.Dr. Ernst H*** den Kläger, dem Institut alte Planunterlagen über Bauernhäuser im Raum Ramingstein für Studienzwecke zur Verfügung zu stellen. Das Institut verpflichte sich, die Pläne im gleichen Zustand zurückzustellen. Der Kläger behauptet, dem Institut aufgrund dieses Schreibens 12 näher bezeichnete Pläne übermittelt zu haben. Er begehrt die Herausgabe dieser Pläne und für den Fall, daß sie nicht mehr aufgefunden werden könnten, mit Eventualbegehren Schadenersatz in Höhe des nicht strittigen Verkehrswertes der Pläne von 55.932 S s.A. Die beklagte Partei behauptet, daß die Pläne beim Institut nie eingelangt seien und bestreitet ihre Passivlegitimation. Das Erstgericht gab dem auf Herausgabe gerichteten Hauptbegehren statt. Nach seinen Feststellungen kam der Kläger dem Ersuchen des Institutes nach und übermittelte die näher bezeichneten Pläne gegen Überlassung einer Abschrift der Studienarbeit. Sämtliche Pläne langten beim Institut ein. Sie wurden den Studenten für eine Forschungsarbeit, die in Form einer Gruppenarbeit ausgeführt wurde, übergeben. Nach Abschluß der Arbeit befanden sich alle Unterlagen, darunter auch die Pläne im Institut. Die Pläne konnten jedoch bisher nicht aufgefunden werden. Ausdrücklich nicht als erwiesen nahm das Erstgericht an, daß die Pläne nicht mehr vorhanden seien. Nach der Auffassung des Erstgerichtes sei die Willenseinigung zwischen dem Institutsleiter und dem Kläger über die Überlassung der Pläne gegen Aushändigung einer Ausfertigung der Forschungsarbeit als entgeltlicher Vertrag anzusehen, zu dessen Abschluß für die beklagte Partei der Institutsleiter nach den Grundsätzen über die Anscheinsvollmacht als bevollmächtigt gelte. Die beklagte Partei sei daher zur Herausgabe der Pläne verpflichtet.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung des Haupt- und des Eventualbegehrens ab. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt, und erklärte die Revision für zulässig.

Nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes sei den Hochschulen und ihren Fakultäten nach den auf den vorliegenden Fall noch anzuwendenden Bestimmungen des HOG Teilrechtsfähigkeit unter anderem beim Abschluß von unentgeltlichen Rechtsgeschäften unter Lebenden zugekommen, die die Universitäten begünstigten. Nach den Gesetzesmaterialien zum HOG sollten die Hochschulen in die Lage versetzt werden, Schenkungen und letztwillige Zuwendungen im eigenen Namen anzunehmen und verwenden zu können. Wenn der Gesetzgeber Hochschulen und Fakultäten die Möglichkeit einräume, als eigene Rechtspersönlichkeit unentgeltliche Rechtsgeschäfte abzuschließen, die weitreichende vermögensrechtliche Konsequenzen haben könnten, so müsse dies umso mehr für kleinere unentgeltliche Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens, wie hier den Abschluß eines Leihvertrages, gelten. Daraus ergebe sich, daß die Hochschule bzw. die Fakultät Träger der Rechte und Pflichten geworden und die beklagte Partei passiv nicht klagslegitimiert sei. Aber auch bei Annahme eines entgeltlichen Rechtsgeschäftes wäre nach Auffassung des Berufungsgerichtes für den Kläger nichts gewonnen, weil der Institutsvorstand Prof.Dr. H*** zum Abschluß eines solchen Rechtsgeschäftes nicht bevollmächtigt gewesen sei. Einen Sachverhalt, aus dem eine Anscheinsvollmacht abgeleitet werden könne, habe der Kläger nicht behauptet.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Klägers ist berechtigt.

Nach dem für die Beurteilung des Einwandes der mangelnden Passivlegitimation der beklagten Partei maßgeblichen HOG sind die wissenschaftlichen Hochschulen (im folgenden nur Hochschulen) Anstalten des Bundes. Die Hochschulen und Fakultäten haben jedoch Rechtspersönlichkeit, soweit sie Angelegenheiten besorgen, auf die die Bestimmungen des § 26 Abs. 2 lit. w und x oder § 38 Abs. 1 lit. l und m oder § 52 Abs. 2 lit. w und x anzuwenden sind (§ 1 HOG). Die Technischen Hochschulen gliedern sich in eine Fakultät für Bauingenieurwesen und Architekten, eine Fakultät für Maschinenwesen und Elektrotechnik und in eine Fakultät für Naturwissenschaften (§ 7 Abs. 2). Akademische Behörden an den Technischen Hochschulen sind die Fakultätskollegien, die Dakane, der Akademische Senat, das Gesamtkollegium und der Rektor. Zum Wirkungsbereich der Fakultätskollegien gehört unter anderem der Abschluß unentgeltlicher Rechtsgeschäfte unter Lebenden, die die Fakultät begünstigen, namens der Fakultät (§ 38 Abs. 1 lit. l).

Solche Angelegenheiten betreffende Beschlüsse des Fakultätskollegiums bedürfen der Genehmigung des Bundesministeriums für Unterricht (§ 38 Abs. 2). Die Durchführung der Beschlüsse des Fakultätskollegiums obliegt dem Dekan als Vorstand der Fakultät und Vorsitzenden des Fakultätskollegiums (§ 40 in Verbindung mit § 28). Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß nach den obgenannten Bestimmungen den Fakultäten der Technischen Hochschule Wien bei Abschluß von unentgeltlichen Rechtsgeschäften unter Lebenden im Sinne des § 38 Abs. 1 lit. l Teilrechtsfähigkeit zukam. Die Vertretung der Fakultät nach außen im Rahmen ihrer beschränkten Rechtsfähigkeit oblag jedoch, wie durch die Bestimmungen der §§ 28 und 40 HOG über die Durchführung der Beschlüsse der Fakultätskollegien klargestellt ist, dem Dekan der Fakultät. Prof.Dr. H*** war zu dem hier in Betracht kommenden Zeitpunkt (November 1974) nur Vorstand eines Institutes als einer organisatorischen Einheit zur Durchführung von Lehr- und Forschungsaufgaben, nicht aber auch Dekan einer Fakultät. (Letzteres ergibt sich aus der Feststellung des Erstgerichtes über die Eintragung im Amtskalender 1974/75, dessen Redaktionsschluß der Mai 1974 war, im Zusammenhalt mit den Bestimmungen der §§ 22 und 27 HOG, wonach die Dekane jährlich im Monat Juni des ausgehenden Studienjahres für jeweils ein Studienjahr zu wählen sind.) Prof.Dr. H*** kam daher Organstellung weder für eine der obgenannten teilrechtsfähigen Institutionen noch auch für die beklagte Partei zu. Die ausdrückliche rechtsgeschäftliche Einräumung einer Vertretungsmacht durch ein Organ der in Betracht kommenden Rechtsträger wurde nicht einmal behauptet. Auch für eine Bevollmächtigung des Prof.Dr.H*** nach den Grundsätzen über die Anscheinsvollmacht fehlt es, wie schon das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat, an einem entsprechenden Sachvorbringen. Ein Verhalten der zuständigen Organe, das den (gutgläubigen) Kläger zur Annahme berechtigt hätte, dem Prof.Dr. H*** sei Vertretungsmacht eingeräumt worden (vgl. hiezu Rummel in Rummel ABGB Rdz 9 zu § 867), wurde nicht behauptet. Es kann daher im vorliegenden Fall auch die Frage unerörtert bleiben, ob es sich bei den Bestimmungen des HOG über die Beschlußfassung durch die Fakultätskollegien in den zu ihrem selbständigen Wirkungsbereich gehörenden Agenden, soweit sie den Abschluß von Rechtsgeschäften betreffen, bloß um interne Organisationsvorschriften handelt oder ob diese eine Beschränkung der Vertretungsbefugnis des Dekans beinhalten (vgl. SZ 54/111).

Auszugehen ist davon, daß Prof.Dr. Ernst H*** keine Vertretungsmacht besaß. Vollmachtsloses Handeln führt im Privatrecht grundsätzlich zur Unwirksamkeit des Rechtsgeschäftes (vgl. Strasser in Rummel, ABGB Rdz 11 zu den §§ 1016, 1017). Eine nachträgliche Genehmigung des Rechtsgeschäftes wurde vom Kläger gleichfalls nicht behauptet und auch in dieser Richtung nichts vorgebracht. Der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die Technische Hochschule Wien (nunmehr Technische Universität Wien) bzw. deren Fakultäten aus dem von Prof.Dr.Ernst H*** mit dem Kläger abgeschlossenen Leihvertrag berechtigt und verpflichtet worden seien, kann daher nicht gefolgt werden. In Wahrheit liegt mangels Vertretungsmacht des Prof.Dr.Ernst H*** ein unwirksames Rechtsgeschäft vor. Dies hat aber zur Folge, daß der Kläger, unabhängig von einem allfälligen vertraglichen Anspruch auf Rückgabe der geliehenen Sachen nach beendigtem Gebrauch, die Rückstellung der Pläne schon nach kondiktionsrechtlichen Grundsätzen verlangen kann, weil ein rechtlicher Grund für die Vermögensverschiebung fehlt (vgl. Koziol-Welser 7 I 369 f). Die demnach entscheidungswesentliche Frage, wer Kondiktionsgegner des Klägers ist, ist gegen die beklagte Partei zu entscheiden. Hiebei ist nämlich davon auszugehen, daß Prof.Dr. Ernst H*** immer nur im Rahmen des Institutes aufgetreten ist und die Pläne nicht im eigenen Namen sondern als Leiter des Institutes in Empfang genommen hat, wozu er auch berechtigt war. Hat der Scheinvertreter die Leistung nicht in eigenem Namen in Empfang genommen, war er zur Empfangnahme nach seiner Stellung aber berechtigt, ist jene Gebietskörperschaft zur Herausgabe verpflichtet die Rechtsträger der organisatorischen Einheit ist, als deren Leiter der Scheinvertreter auftrat.

Rechtsträger des Institutes, dem selbst keine Rechtspersönlichkeit zukam, ist die beklagte Partei. Sie ist daher auch zur Herausgabe verpflichtet. Die Unmöglichkeit der Rückstellung wurde von ihr nicht behauptet und liegt nach den Feststellungen des Erstgerichtes auch nicht vor.

Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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