OGH 12Os7/87

OGH12Os7/8712.2.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Februar 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Aumann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Saban F*** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 und 2 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 4.November 1986, GZ. 22 Vr 1153/85-57, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Erledigung der Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die (bisherigen) Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 20.Februar 1951 geborene jugoslawische Staatsangehörige Saban F*** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 und 2 erster Fall StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Ihm liegt zur Last, am 5.Mai 1985 in Linz (im Gasthaus "B***") dadurch, daß er Mladjen M*** mit einem Stilett (Klingenlänge 11 cm) zwei Stiche in den rechten Oberbauch und zwei weitere in den Unterbauch und in den Oberschenkelbereich links versetzte, dem Genannten eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) absichtlich zugefügt zu haben, nämlich mehrfache Durchspießungen des Dünndarmes und eine Beschädigung des Dickdarmes, wobei die Tat eine schwere Dauerfolge in Form einer erheblichen Verstümmelung und einer auffallenden Verunstaltung nach sich zog, nämlich die Resektion eines ca. fünfzehn Zentimeter messenden Dünndarmstückes und eine einundzwanzig Zentimeter lange und ca. einen Zentimeter breite Narbe im Bauchbereich.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte im Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 4, 5 und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung. Unter dem erstangeführten Nichtigkeitsgrund rügt der Beschwerdeführer die Abweisung (S. 248) des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf bluttechnische Untersuchung des Messers zum Beweis dafür, daß sich darauf nur Blutspuren der Blutgruppe des Angeklagten befinden (S. 247).

Der Verfahrensrüge kommt Berechtigung nicht zu:

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers zuwider gab das Landesgericht in Entsprechung der Vorschrift des § 238 StPO nicht nur eine "nähere", sondern auch eine sachlich zutreffende Begründung für sein abweisendes Zwischenerkenntnis, nämlich, es sei schon durch die Vernehmung des Angeklagten geklärt, daß M*** mit dem sichergestellten Messer (Stilett) gestochen wurde (s.S. 212 f., 227).

Rechtliche Beurteilung

Diese - zutreffende - Begründung, die der Rechtsmittelwerber in seiner Verfahrensrüge übergeht, kann noch durch den Hinweis auf die in der Hauptverhandlung abgelegte Aussage des Zeugen Draza M***, der das Schöffengericht Glaubwürdigkeit beimaß (s.S. 261 ff.), ergänzt werden, wonach der Angeklagte auf M***

eingestochen hat (S. 237 unten).

Unter diesen Voraussetzungen erweist sich die beantragte Untersuchung des Stiletts auf Blutspuren als unerheblich; denn der Beweisantrag betrifft keinen entscheidungswesentlichen, das heißt auf die Lösung der Schuldfrage oder den anzuwendenden Strafsatz Einfluß übenden Umstand. Damit ist aber nach Lage des Falles die Verfahrensrüge nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt. Das gleiche gilt für die Mängelrüge (Z. 5), die nach Art einer Schuldberufung einen Angriff auf die schöffengerichtliche Beweiswürdigung unternimmt, indem sie insbesondere das Gutachten des Sachverständigen Univ.-Prof. Dr.Klaus Jarosch zur Alkoholisierung des Angeklagten zur Zeit der Tat unter Hinweis auf den Bericht des zunächst zur Beurteilung der Alkoholisierung beigezogenen Arztes Dr.E*** (S. 85 a) und die Aussage des Zeugen Becir L*** in Zweifel zieht.

Dazu ist zunächst festzuhalten, daß L*** weder bei der Polizei (S. 22) noch beim Untersuchungsrichter (S. 119 f.) noch in der Hauptverhandlung (S. 232 ff.) Angaben zur Alkoholisierung des Angeklagten machte. Der Sachverständige Univ.-Prof. Dr.Jarosch, dessen Ausführungen (auch) zur Alkoholisierung des Beschwerdeführers das Schöffengericht Glauben beimaß (S. 260), ging nach Vorhalt des schon zitierten Berichtes laut S. 85 a von einer Simulation des Angeklagten gegenüber Dr.E*** aus (S. 224 f.) und errechnete den Blutalkoholgehalt des Angeklagten zur Tatzeit mit knapp über 1 %o (S. 223 unten; entsprechende Urteilsfeststellung: S. 260). Bei der Beschwerdebehauptung, es bestehe die Möglichkeit, daß der Angeklagte "auf M*** draufgefallen sein könnte", handelt es sich lediglich um die Wiederholung der vom Schöffengericht mit hinreichender und denkrichtiger Begründung abgelehnten Verantwortung des Angeklagten.

Das weitere Rechtsmittelvorbringen, kein einziger Zeuge habe zum Tathergang Konkretes sagen können, ist insbesondere durch einen Hinweis auf die Aussage des schon angeführten Zeugen Draza M*** zu entkräften. Die Feststellung über die schwere Verletzung M***' ist - der Meinung des Beschwerdeführers zuwider - durch die Polizeierhebungen am Tatort (s.S. 15), die Verletzungsanzeige des a. ö. Krankenhauses der Stadt Linz (S. 99) und vor allem durch das Gutachten des Univ.-Prof. Dr.Jarosch (S. 221 ff.) gedeckt. Die abschließende unsubstantiierte Behauptung in der Mängelrüge, das angefochtene Urteil entbehre einer konkreten Feststellung des Tatherganges, es seien wichtige Verfahrensergebnisse übergangen und "widerstreitige Beweisergebnisse nicht entsprechend gewürdigt" worden, ist einer sachlichen Erwiderung nicht zugänglich. Es kann aber zur Feststellung des Tatherganges und zur Auseinandersetzung mit den einzelnen Verfahrensergebnissen auf die - vom Beschwerdeführer übergangenen - Urteilsgründe (S. 255 bis 257 bzw. 261 bis 263) verwiesen werden.

Mithin stellen sich auch die gesamten Ausführungen zur Mängelrüge als nicht prozeßordnungsgemäß dar, weil sie einen formellen Begründungsmangel im Sinne des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO nicht aufzeigen.

Bezugnehmend auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO behauptet der Beschwerdeführer - unter abermaliger Zitierung des Berichtes Dris.E*** und Mißachtung der ohnehin sämtliche Beweismittel würdigenden Urteilsfeststellungen, daher auch in diesem Punkt prozeßordnungswidrig -, das Verfahren habe keinen Anhaltspunkt für eine Verletzungsabsicht ergeben, er habe vielmehr "in einer quasi notwehrähnlichen Situation gehandelt". Nur der Vollständigkeit halber kann im gegebenen Zusammenhang auf die Urteilsgründe S. 256 und 261 ff. verwiesen werden. Daraus geht auch eindeutig die vom Erstgericht auf der Grundlage der Verfahrensergebnisse festgestellte und hinreichend begründete, vom Beschwerdeführer offenbar vermißte Absicht (§ 5 Abs. 2 StGB), Mladjen M*** schwer zu verletzen, hervor.

Zusammenfassend ergibt sich mithin, daß weder einer der angerufenen noch ein anderer der in § 281 Abs. 1 StPO aufgezählten Nichtigkeitsgründe zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung gelangt ist, sodaß die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 1 StPO i. V.m. § 285 a Z. 2 StPO in einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen war.

Mangels Sachentscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde entfällt die Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofes zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten (§ 296 StPO). Zur Erledigung dieses Rechtsmittels waren die Akten dem zuständigen Gerichtshof zweiter Instanz zu übermitteln (RZ 1970 S. 17, 18; 1973

S. 70; JBl. 1985 S. 565 u.v.a.).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch des Erkenntnisses zitierte Gesetzesstelle.

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