Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
In Abänderung des Punktes 2.) des berufungsgerichtlichen Urteiles wird das erstgerichtliche Urteil diesbezüglich wiederhergestellt. Die beklagte Partei hat der zweitklagenden Partei die mit S 16.288,92 bestimmten Prozeßkosten (darin enthalten S 862,39 Umsatzsteuer und S 6.792,84 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Die zweitklagende Partei hat der beklagten Partei die mit S 2.122,90 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten S 179,20 Umsatzsteuer und S 149,40 Barauslagen), die beklagte Partei hingegen hat der zweitklagenden Partei die mit S 2.549,25 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 231,75 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Erstklägerin wurde am 1.9.1982 bei einem von ihrer Tochter Gerlinde K*** mit dem von dieser gelenkten und gehaltenen, bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten PKW verschuldeten Verkehrsunfall schwer verletzt.
In der Klage werden Schadenersatzansprüche in der Gesamthöhe von S 106.476,04 s.A. gestellt.
Das Erstgericht sprach der zweitklagenden Partei als Zessionarin einen Betrag von S 54.437,90 s.A. zu und wies das Mehrbegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil hinsichtlich der Abweisung eines Betrages von S 50.417,04 s.A. und hinsichtlich eines Teilzuspruches von S 11.000 s.A. Hinsichtlich des Zuspruches eines weiteren Betrages von S 21.300 s.A. änderte es das erstgerichtliche Urteil in eine Klagsabweisung ab. Es sprach aus, daß gegen den bestätigenden Teil seiner Entscheidung die Revision nicht, gegen den abändernden Teil dagegen zulässig sei. Die zweitklagende Partei erhebt gegen den abändernden Teil der berufungsgerichtlichen Entscheidung eine auf § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist gerechtfertigt.
Im Revisionsverfahren ist lediglich der Zuspruch von S 5.300 und S 16.000 umstritten, welche Beträge durch Gerlinde K*** für ihre Mutter, der Erstklägerin, erbrachte Pflege-, Betreuungs- und Haushaltshilfeleistungen betreffen.
Das Erstgericht stellte diesbezüglich auf Seite 7 seines Urteils fest: "Die Pflege und Betreuung sowie die Hilfe im Haushalt der Erstklägerin durch Gerlinde K*** wurde von dieser auf Grund der Mutter-Tochter-Beziehung und nicht deswegen erbracht, weil sie die schuldtragende Lenkerin am gegenständlichen Verkehrsunfall war". Daraus zog das Erstgericht den rechtlichen Schluß, der Erstklägerin stehe ein diesbezüglicher Ersatzanspruch gegenüber der beklagten Partei zu, weil die auf Grund eines familiären Verhältnisses erbrachten Leistungen nicht dem Schädiger zuzurechnen seien. Das Berufungsgericht war demgegenüber der Ansicht, daß die Tochter hier als Schädigerin der Mutter Naturalersatz geleistet und diese somit keinen Ersatzanspruch mehr gegenüber der gemäß § 63 Abs 1 KFG 1967 als Solidarschuldner haftenden beklagten Partei habe.
In der Revision der zweitklagenden Partei wird vorgebracht, der Versicherer könne sich nicht darauf berufen, daß der Versicherungsnehmer Leistungen zur Schadensminderung erbracht habe bzw. solche Leistungen könnten den Versicherer jedenfalls unter den hier gegebenen Umständen nicht entlasten.
Im vorliegenden Falle steht die oben wiedergegebene, unbekämpfte erstgerichtliche Feststellung in der Tat der berufungsgerichtlichen Annahme entgegen, die Tochter habe ihre Leistungen der Mutter und Erstklägerin gegenüber als Schadenersatzleistung, also in der Absicht der Herstellung einer Ersatzlage, erbracht. Richtig führte das Berufungsgericht aus, daß es dem Schädiger grundsätzlich freisteht, anstelle von Geldersatz selbst den vorigen Zustand oder die diesem entsprechende Ersatzlage herzustellen. An diesem Willen hat es hier aber nach der vorgenannten Feststellung gefehlt. Die Tochter hat ihre tatsächlichen Leistungen nicht in der Absicht erbracht, als Schädigerin Schadenersatz zu leisten, sondern wurde ausschließlich auf Grund des familiären Verhältnisses tätig. Die Erstklägerin ist daher ihrer Ansprüche auf entsprechenden Ersatz durch die beklagte Partei nicht verlustig geworden, zumal nach der vom Berufungsgericht zitierten ständigen Judikatur innerhalb des Familienverbandes erbrachte Leistungen nicht als zugunsten des Schädigers erbracht zu behandeln sind. Im Sinne des § 893 ABGB muß von einem Solidarschuldner die Leistung als Erfüllung der Schuld erbracht werden. Hier wurde aber unbekämpft gerade das Gegenteil festgestellt, nämlich, daß Gerlinde K*** ihre Leistung nicht als Erfüllung ihrer Schuld als Schädigerin und Solidarschuldnerin, sondern ausschließlich auf Grund der Mutter-Kind-Beziehung vornahm. Sie hätte auch keinen Grund gehabt, den Schaden selbst gutzumachen - ob sie zum Zeitpunkt der Erbringung ihrer Leistungen überhaupt das Bewußtsein hatte, selbst Schädigerin zu sein, steht gar nicht fest - , zumal der Zweck des von ihr mit der beklagten Partei geschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrages, aus welchem Gerlinde K*** von ihr erbrachte Ersatzleistungen von der beklagten Partei zurückfordern könnte - eben dahin geht, einen Schaden, wie er der Erstklägerin durch teilweisen Entfall ihrer eigenen Arbeitskraft und die Notwendigkeit ihrer Pflege und Betreuung entstanden ist, zu ersetzen. Aus der bloß tatsächlichen Vornahme der Leistungen kann hier somit nicht die Herstellung einer Ersatzlage abgeleitet werden. Der Revision war demnach Folge zu geben und das erstgerichtliche Urteil insoweit wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Prozeßkosten gründet sich auf § 43 Abs 1 ZPO, über die Kosten des Berufungsverfahrens auf §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO, jene über die Kosten des Revisionsverfahrens auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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