OGH 6Ob702/86

OGH6Ob702/8622.1.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Schlosser und Mag. Engelmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien

1.) Margarethe V***, Spenglerin, Lengau 66, und 2.) Herbert F***, Spengler, Lengau 66, beide vertreten durch Dr. Hans Estermann und Dr. Rudolf W. Dallinger, Rechtsanwälte in Mattighofen, wider die beklagten Parteien 1.) Alois P***, Pensionist, Lengau 65, und 2.) Anna P***, im Haushalt, Lengau 65, beide vertreten durch Dr. Werner Ungeringer, Rechtsanwalt in Mattighofen, wegen Räumung einer Mietwohnung und S 1.000,--, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Berufungsgerichtes vom 9. September 1986, GZ R 248/86-9, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Mattighofen vom 17. April 1986, GZ C 31/86 -4, in Ansehung des Räumungsbegehrens abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der Beklagten auf Zuspruch von Kosten für ihre Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die beiden Beklagten mieteten im April 1985 von den damaligen Liegenschaftseigentümern die aus zwei Zimmern, Kabinett, Küche und WC bestehende Wohnung (in der nach dem im baubehördlichen Verfahren erhobenen Befund im Jahre 1926 errichteten eingeschoßigen Baulichkeit) auf unbestimmte Zeit. Sie führten ab Juni 1985 in der gemieteten Wohnung Wiederherstellungsarbeiten durch und bezogen sie Anfang Oktober 1985.

Auf Grund einer Mitte Dezember 1985 erstatteten Baugebrechensanzeige des Erstbeklagten fand am 3. Februar 1986 eine baubehördliche Verhandlung an Ort und Stelle statt. Der von der Baubehörde beigezogene Sachverständige stellte schwere Mängel an der Bausubstanz des Hauses fest. (Die Kläger als Liegenschaftseigentümer gaben in der Bauverhandlung die Erklärung ab, wegen des Umfanges der festgestellten Baugebrechen eine Instandsetzung nicht mehr vorzunehmen und das Gebäude abzubrechen.) Auf Grund dieser Verhandlung erließ der Bürgermeister den baubehördlichen Bescheid vom 3. Februar 1986. Nach dem Spruch dieses Bescheides liegt beim Wohnhaus der Kläger ein Baugebrechen (§ 60 Abs 1 und 2 OÖBauO) vor und es wurden die Räumung des Wohnhauses sowie die Durchführung im einzelnen beschriebener Sicherungsmaßnahmen, insbesondere von Pölzungen aufgetragen. Dazu erfolgte unter anderem folgende Vorschreibung: "Nachdem eine generelle Sanierung und Instandsetzung durch die Liegenschaftseigentümer nicht beabsichtigt ist, ist bei der Baubehörde der Antrag auf die Abtragung und Beseitigung der Liegenschaft zu stellen."

Die Beklagten verhinderten in der Folge die Durchführung der als Sicherungsmaßnahme angeordneten Pölzungen. Die Kläger suchten um Bewilligung des Abbruches ihres Wohnhauses an. Mit dem Bescheid vom 13. Februar 1986 bewilligte der Bürgermeister den von den Klägern beantragten Abbruch des Wohnhauses. Die baubehördlichen Bescheide erwuchsen in Rechtskraft.

Mit der am 24. Februar 1986 angebrachten Klage begehrten die Kläger von den Beklagten die Räumung ihrer Mietwohnung. Sie gründeten dieses Begehren einerseits auf eine Vertragsauflösungserklärung wegen qualifizierten Mietzinsrückstandes nach § 1118 ABGB (§ 29 Abs 1 Z 5 MRG) und andererseits auf die durch den baubehördlichen Bescheid vom 3. Februar 1986 geschaffene Rechtslage, in der die Kläger eine Vertragsaufhebung nach § 1118 ABGB erblickten. Eine Vertragsaufhebung wegen qualifizierten Mietzinsrückstandes war nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens, in dem ausschließlich die Wirkung des baubehördlichen Räumungsauftrages auf das Bestandverhältnis zur Erörterung stand.

Das Erstgericht hatte dem Räumungsbegehren stattgegeben, weil es den baubehördlichen Räumungsauftrag als eine das Gericht bindende Entscheidung über einen - nicht bloß vorübergehenden - Entzug der Benützungsbewilligung wertete, der den Tatbestand des (rechtlichen) Unterganges der Mietsache im Sinne des § 29 Abs 1 Z 2 MRG (§ 1112 ABGB) erfülle.

Das Berufungsgericht änderte das erstinstanzliche Urteil im Sinne einer Abweisung des Räumungsbegehrens ab. Dazu sprach es aus, daß der Wert des von der Abänderung betroffenen Streitgegenstandes S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteigt. Es sprach weiters aus, daß die Revisionszulässigkeitsvoraussetzung nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO vorliege.

Nach der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes habe der im baubehördlichen Sicherungsbescheid vom 3. Februar 1986 ausgesprochene Räumungsauftrag nicht zu einem Untergang des Mietgegenstandes im Sinne des § 29 Abs 1 Z 2 MRG geführt, weil die Baubehörde in Anordnung ihrer Sicherungsmaßnahmen keinen Abbruchsauftrag erteilt und daher auch nicht die Benützungsbewilligung des Bestandgegenstandes zu Wohnzwecken auf Dauer entzogen habe. Nur eine solche - wenn auch bloß implicite - auf Dauer ausgesprochene Entziehung der Benützungsbewilligung stelle aber einen (rechtlichen) Untergang der Bestandsache dar, der unmittelbar die Auflösung des Bestandvertrages bewirke. Eine derartige Vertragsaufhebung sei jedoch nicht schon an eine auf Antrag der Hauseigentümer erteilte baubehördlilche Abbruchsbewilligung zu knüpfen.

Die Kläger fechten das abändernde Berufungsurteil wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteiles zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Die Beklagten streben die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nur unter der Voraussetzung des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO und nur aus einem nach § 503 Abs 2 ZPO qualifizierten Anfechtungsgrund zulässig.

Die Revisionswerber haben ihr Begehren auf - nicht bloß vorübergehende - Räumung der in ihrem mit Baugebrechen behafteten Haus gelegenen Mietwohnung der Beklagten ausdrücklich auf eine von ihnen behauptete Aufhebung des Mietverhältnisses gegründet. Eine etwa bestehende Verpflichtung der Beklagten zu einer bloß zeitweiligen Räumung des Mietgegenstandes unter Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses ist nicht Streitgegenstand, weil sie gegenüber dem gestellten Begehren wegen andersartiger Rechtsgrundlagen als etwas Anderes und nicht bloß als etwas Geringes anzusehen wäre. Die Frage nach der Aufhebung des Mietverhältnisses durch den baubehördlichen Bescheid vom 3. Februar 1986 hat das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit den in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entwickelten Leitgedanken gelöst (vgl. EvBl 1983/76, SZ 43/12 u.v.a.).

Die Revisionswerber haben mit ihren Rechtsmittelausführungen keine nach § 503 Abs 2 ZPO qualifizierte unrichtigte rechtliche Beurteilung aufzuzeigen versucht. Wenn der Wegfall öffentlich-rechtlicher Benützungsgrundlagen dem körperlichen Untergang der Bestandsache gleichgestellt wird, darf es sich nach der herrschenden Rechtsprechung nicht um einen bloß vorübergehenden Entzug der baurechtlichen Benützungsbewilligung handeln. Der in Ansehung des Gebäudes mit der Mietwohnung ergangene baubehördliche Bescheid vom 3. Februar 1986 enthält keinen ausdrücklichen Ausspruch über die seinerzeit erteilte Benützungsbewilligung. Der Schluß auf eine nicht bloß vorübergehende Aussetzung dieser Benützungsbewilligung durch den ausgesprochenen Räumungsauftrag ist solange nicht gerechtfertigt, als rechtliche Möglichkeiten offenstehen, die Aufhebung oder den Widerruf des Räumungsauftrages zu erwirken, vor allem durch Behebung der zum Anlaß der baubehördlichen Sicherungsmaßnahme genommenen Baugebrechen. Der baubehördliche Bescheid vom 3. Februar 1986 handelt über den Abbruch des Gebäudes nur im Zusammenhang mit der fehlenden Bereitschaft der Hauseigentümer zur Beseitigung der festgestellten Baugebrechen. Eine sogenannte wirtschaftliche Abbruchreife ist Tatbestandsmerkmal des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 14 MRG und eben deshalb bei Wohnungsmieten, die dem Kündigungsschutz nach dem Mietrechtsgesetz unterliegen, nicht als Aufhebungsgrund nach § 29 Abs 1 Z 2 MRG anzuerkennen. Entscheidend ist im Sinne der bisherigen Rechtsprechung die Endgültigkeit der baubehördlichen Maßnahme, die als Entzug der Benützungsbewilligung gewertet wird. Dieser Grundgedanke lag auch der in der Revision zitierten Entscheidung JBl 1970, 428 = SZ 43/12 zugrunde. Die Ableitungen der Revisionswerber über die Bedeutung des baubehördlichen Bescheides vom 3. Februar 1986 setzen sich über die unzweideutige Formulierung im Punkt I Buchstabe b des Spruches hinweg, wo eindeutig zum Ausdruck gebracht ist, daß der Willensentscheidung der Hauseigentümer zur Vornahme oder zum Unterbleiben der als erforderlich angesehenen Baumaßnahmen erhebliche Bedeutung beigelegt wurde (dabei ist der mit dem Wort "nachdem" eingeleitete Satz nicht als Temporalsondern als Kausalsatz zu verstehen).

Die Revisionsausführungen zu einem vermeintlichen Widerspruch des angefochtenen Berufungsurteiles zu den in der Entscheidung SZ 43/12 und der sonstigen einschlägigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zugrunde gelegten Leitgedanken beruhen auf einem Mißverständnis und sind nicht stichhältig. Die Revision enthält damit keine schlüssige Ausführung eines nach § 503 Abs 2 ZPO qualifizierten Anfechtungsgrundes. Sie war aus diesem Grunde zurückzuweisen.

Die Revisionsgegner haben es unterlassen, auf diesen Mangel der Revision hinzuweisen. Die Revisionsbeantwortung kann daher nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig angesehen werden.

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