OGH 9Os168/86

OGH9Os168/8621.1.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Jänner 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kiss als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Paul M*** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Schuldberufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 27.Juni 1986, GZ 11 Vr 152/86-61, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, jedoch in Abwesenheit des Verteidigers und des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Die Schuldberufung wird zurückgewiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Paul M*** (A) des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und (B) des Vergehens nach § 114 (Abs 1) ASVG schuldig erkannt. Betrug liegt dem Angeklagten zur Last, weil er als Pächter eines gastronomischen Unternehmens auf der Burg Kapfenberg mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung und durch Täuschung über seine Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit (zu A/I) am 2.November 1983 in Bruck an der Mur Angestellte der dortigen R*** zur Gewährung eines Darlehens von 3,5 Millionen S und (zu A/II) in der Zeit zwischen dem 12.April 1984 und 11.Jänner 1985 in Kapfenberg und Turnau insgesamt 29 Geschäftspartner zu Waren- und Werk- bzw. Dienstleistungen (auf Kredit) verleitete, wodurch die jeweiligen Vertragspartner an ihrem Vermögen insgesamt um 1,313.660,18 S (richtig: 1,313.661,18 S) geschädigt wurden.

Rechtliche Beurteilung

Der Sache nach nur den zuvor näher bezeichneten Schuldspruch wegen schweren Betruges bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4, 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Den Verfahrensmangel (Z 4) erblickt der Beschwerdeführer unter Behauptung einer "mangelnden Vorbereitungsmöglichkeit" darin, daß über den von seinem Verteidiger am 5.Feber 1986 gestellten - und am darauffolgenden Tag bei Gericht eingelangten - Antrag auf "Übersendung einer Aktenabschrift" (ON 53) nicht entschieden worden sei und der Verteidiger nach der am 20.Juni 1986 - einem Freitag - erfolgten Verständigung durch das Bezirksgericht Kindberg, an welches das Erstgericht die Akten zur Gewährung der Einsichtnahme übersendet hatte, erst (und lediglich) am darauffolgenden Montag, dem 23.Juni 1986, Gelegenheit zu einer bloß kurzen Akteneinsicht hatte (ON 56).

Formalvoraussetzung für den relevierten Nichtigkeitsgrund wäre indeseein in der Hauptverhandlung gestellter Antrag auf Akteneinsicht und allfällige Vertagung der Hauptverhandlung gewesen, der nach dem Inhalt der Verhandlungsschrift (ON 60) aber nicht gestellt wurde. Die bloße Mitteilung des Verteidigers in der Hauptverhandlung, daß er die Aktenabschrift nicht erhalten habe (vgl. S 277/III), vermag einen solchen Antrag nicht zu ersetzen. Daß aber die dreitägige Vorbereitungsfrist des § 221 Abs 1 StPO, die dem Angeklagten und nicht dem Verteidiger zusteht (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO 2 ENr. 8 f., 28, 35 zu § 221), etwa nicht gewahrt worden wäre (§ 281 Abs 1 Z 3 StPO), wird in der Beschwerde gar nicht behauptet. Der reklamierte Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.

Entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen ist das Ersturteil aber auch weder mit Begründungsmängeln (Z 5) noch mit Feststellungsmängeln (Z 10) zur subjektiven Tatseite behaftet. In Ansehung des Schuldspruchfaktums laut Punkt A/I des Urteilssatzes erblickt der Beschwerdeführer - der insoweit die getroffenen Feststellungen unzulässig verkürzt und sinnentstellt wiedergibt - zunächst einen inneren Widerspruch der Urteilsgründe darin, daß das Schöffengericht einerseits als erwiesen annahm, ihm sei bekannt gewesen, daß er die (eingegangenen Verbindlichkeiten nicht zu erfüllen vermochte, weil er die) für die Ausnützung des bewilligten ERP-Kredites erforderliche Konzessionsurkunde (und damit auch den zur Begleichung seiner Schulden benötigten Kredit wegen der von ihm verschwiegenen Vorstrafen) nicht erlangen konnte, andererseits aber im Rahmen der Strafbemessung bei der "Aufzählung der Milderungsgründe" zum Ausdruck gebracht habe, daß der Angeklagte Versprechungen bezüglich der Verschaffung der Konzession im Interventionsweg vertraut habe.

Dies allerdings zu Unrecht. Denn es geht die Argumentation des Erstgerichtes, der Angeklagte habe aus dem erhofften ERP-Kredit von 3,5 Millionen S allein im Hinblick auf das Fehlen jeglicher (ins Gewicht fallender) Eigenmittel bei einer Kreditaufnahme von insgesamt 6,5 Millionen S den am 2.November 1983 in Anspruch genommenen Kredit von 3,5 Millionen S - der samt Zinsen gemeinsam mit dem am 8.November 1982 aufgenommenen Kredit von 2 Millionen S und zwei Betriebsmittelkrediten von je 500.000 S am 31.Oktober 1984 fällig war - auf keinen Fall zurückzahlen können, ohnehin davon aus, daß er (zunächst) auf den Erfolg einer politischen Intervention vertraute, aus den angeführten Gründen jedoch - nämlich keine nennenswerten Eigenmittel (die sich nach dem Gutachten des Buchsachverständigen bei der mehr als ein Jahr vor der Darlehensaufnahme vorgenommenen Eröffnung des Hotelbetriebes "nur" auf 30.000 S beliefen) und keine Deckung durch den ERP-Kredit - seine vertraglich eingegangene Rückzahlungsverpflichtung keinesfalls einhalten konnte.

Der - zum Teil unsubstantiierten - Beschwerde zuwider ist die Frage, bei welchem Dienstgeber der Angeklagte - der seinen Angaben in der Hauptverhandlung (S 277/III) zufolge "zuletzt als Oberkellner im Werkshotel Kapfenberg" gearbeitet hat und "dann kurze Zeit auf Saison im Sporthotel R***" war - zuletzt (vor den gegenständlichen Straftaten) beschäftigt war und ob die gegen ihn wegen unbefugter Ausübung des konzessionierten Gastgewerbes eingeschrittene (vgl. S 303 f./III) Gewerbebehörde von seinen (gerichtlichen) Vorstrafen Kenntnis hatte, ebensowenig von Belang, wie der Umstand, ob zur Zeit der Urteilsfällung über das Vermögen seines "derzeitigen" Dienstgebers - der in Spital am Semmering etablierten "G***-GesmbH", in welcher seine Ehefrau die Funktion einer geschäftsführenden Gesellschafterin ausübt - das Konkursverfahren bereits eröffnet war oder erst später eröffnet wurde. Diese unter dem Gesichtspunkt einer unvollständigen bzw. undeutlichen Begründung relevierten Umstände stehen jedenfalls den Tatsachenfeststellungen hinsichtlich des Betrugsvorsatzes des Angeklagten nicht entgegen.

Nach den Urteilsfeststellungen bestanden die Täuschungshandlungen, die zu den urteilsgegenständlichen Vermögensverfügungen und schließlich zur Schädigung der Gläubiger führten, darin, daß der Angeklagte zumindest bedingt vorsätzlich (§ 5 Abs 1 StGB) - jedenfalls konkludent - den Anschein eines redlichen (rück-)zahlungsfähigen und zahlungswilligen (kreditwürdigen) Vertragspartners erweckt oder ausgenützt hat. Ein derartiges Verhalten genügt als Begehungsmittel des Betruges (vgl. Leukauf-Steininger Kommentar 2 RN 4, 12 zu § 146). Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang unter dem Gesichtspunkt eines inneren Widerspruchs bzw. einer Undeutlichkeit der Urteilsgründe einwendet, er habe die R*** B*** AN DER MUR ausgehend von den Urteilsannahmen, wonach das Unternehmen angesichts des Fehlens von Eigenmitteln schon von Anfang an zahlungsunfähig war, über seine Fähigkeit und Bereitschaft zur persönlichen Begleichung der eingegangenen (Kredit-)Schuld gar nicht täuschen können, so übersieht er, daß derartige Täuschungshandlungen bei der Begehung eines Betruges im Zusammenhang mit Kreditgeschäften geradezu typisch sind. Im übrigen wäre nach dem Urteil - abgesehen davon, daß die R*** unbeschadet der Stellung eines Bürgen zur Darlehenshingabe nur an einen zahlungsfähigen und zahlungswilligen Kreditnehmer bereit war - selbst für den Fall, daß der Beschwerdeführer mit der Abdeckung der von ihm bei der genannten R*** eingegangenen Schuld durch den Bürgen Josef S***, der nach den Urteilskonstatierungen (vgl. insbesondere S 307/III) "Hauptgeschädigter" ist, rechnen konnte, eine als Betrug strafrechtlich zu erfassende schädigende Täuschung (insbesondere durch Verschweigen des Fehlens sowohl von Eigenmitteln als auch der Voraussetzungen für die Zuteilung eines Kredites aus ERP-Mitteln, auch) des mit dem Angeklagten als Schuldner solidarisch haftenden Bürgen gegeben, der vom Gläubiger unmittelbar in Anspruch genommen werden kann (§ 1357 ABGB). Eine Täuschungsabsicht (§ 5 Abs 2 StGB) ist hiefür entgegen dem Beschwerdevorbringen (S 374/III) nicht erforderlich. Die Vermögensschädigung kann demnach beim Getäuschten oder aber bei einem Dritten eintreten (Leukauf-Steininger aaO RN 32).

Der Umstand, daß zur Führung des Unternehmens Fremdkapital erforderlich und dies dem Kreditgeber wie auch dem Bürgen bewußt gewesen sein müßte, vermag nichts daran zu ändern, daß der Beschwerdeführer mit dem Abschluß des Darlehensvertrages jedenfalls schlüssig zum Ausdruck gebracht hat, seine Rückzahlungsverpflichtung zumindest innerhalb eines dem Gläubiger zumutbaren, den Regeln des redlichen Verkehrs entsprechenden Zeitraumes erfüllen zu können, worin, was die Beschwerde verkennt, die Irreführung des Gläubigers in bezug auf die Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit des Schuldners gelegen ist. Eine Erörterung der Frage, ob und in welchem Maße der Gastronomiebetrieb vor der Übernahme durch den Angeklagten insolvent gewesen ist, war nicht geboten, weil die Verfahrensergebnisse keinerlei Anhaltspunkte für eine Insolvenz früherer Pächter bzw. dafür boten, daß der Angeklagte etwa Verbindlichkeiten eines früher am selben Standort betriebenen Unternehmens übernommen hätte.

Die Annahme, der Angeklagte habe zum Zeitpunkt des Eingehens der von Punkt A/II des Schuldspruchs erfaßten Verbindlichkeiten, also ab April 1984 seine Zahlungsunfähigkeit gekannt, ist durch das Gutachten des Buchsachverständigen (ON 60 S 289 f./III) gedeckt und durch die im Urteil erfolgte Bezugnahme darauf (S 300, 311 f./III) mängelfrei begründet. Bezogen auf den (insoweit mit April 1984 beginnenden) Tatzeitraum sind demnach allfällige als Privatentnahmen verbuchte Schwarzzahlungen im Jahr 1982 und auch ein vom Angeklagten laut Sachverständigengutachten zu unbekannten Zwecken verwendeter - in der (nicht abgeschlossenen) Buchhaltung für das Jahr 1983 ausgewiesener angeblicher - Kassenbestand von rund 2 Millionen S nicht relevant; Erörterungen darüber im Urteil konnten daher unterbleiben.

Schließt jemand, wie der Angeklagte, im Zustand der - wodurch auch immer herbeigeführten - Zahlungsunfähigkeit entgeltliche Rechtsgeschäfte unter Stundung des Entgelts ab, die in der Folge - vorliegend im Ausmaß von rund 1,3 Millionen S - unberichtigt bleiben, dann ist ein aus diesen Prämissen gezogener Schluß auf ein Handeln mit Täuschungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz und damit auf die subjektive Tatseite des Betruges, frei von Mängeln. Hinzu kommt noch, daß dem Angeklagten den Urteilsannahmen zufolge (vgl. S 308/III) etwa zur selben Zeit die mit Bescheid des Bundesministeriums für Justiz vom 6.April 1984 erfolgte Abweisung seines Gesuches um gnadenweise Tilgung der einer Konzessionserteilung jedenfalls entgegenstehenden Vorstrafen (bzw. auf Beschränkung der Auskunftspflicht aus dem Strafregister) bekannt geworden war.

Die Frage aber, ob die am Vermögen geschädigten Vertragspartner des Angeklagten künftighin im Konkursverfahren gleich allen anderen Gläubigern leer ausgehen werden, wie dies das Erstgericht gestützt auf die Aussage des in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommenen Masseverwalters Dr. G*** (S 283/III) und damit der Beschwerde zuwider mängelfrei angenommen hat, ist für die Tatbestandsmäßigkeit des dem Beschwerdeführer insoweit angelasteten Betruges nicht (mehr) entscheidend.

Begründungsmängel in Ansehung der erörterten entscheidungswesentlichen Tatumstände haften dem Ersturteil sohin nicht an.

Die Beschwerde versagt aber auch soweit sie - teils verfehlt in der Mängelrüge (Z 5), teils in der Rechtsrüge (Z 10) - Feststellungsmängel hinsichtlich der Bereicherung des Angeklagten und seines darauf bezogenen Vorsatzes reklamiert.

Unter der vom Täter (im Zeitpunkt der Täuschung) gewollten (§ 5 Abs 1 StGB) unrechtmäßigen Bereicherung ist im Sinn des Tatbestandes des Betruges nichts anderes zu verstehen als eine faktische Vermehrung des Vermögens des Täters (oder eines Dritten), auf die er weder Anspruch hat noch zu haben glaubt. Sie stellt solcherart das (stoffgleiche) Korrelat zur Schädigung eines anderen dar, auf dessen Kosten sich der Täter bereichert (Leukauf-Steininger aaO RN 44 f.; Kienapfel BT II RN 223 f. je zu § 146). Ein diesen Kriterien entsprechendes (vorsätzliches) Handeln des Angeklagten ist aber nicht nur dem Tenor des Schuldspruchs, sondern auch den Entscheidungsgründen überhaupt (vgl. S 309, 312, 314/III) in ihrem Sinnzusammenhang völlig unmißverständlich zu entnehmen. Soweit der Beschwerdeführer schließlich die ihm als Betrug angelasteten Taten (bloß) als das Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 (Abs 1 Z 2) StGB gewertet wissen will, bringt er die Rechtsrüge (Z 10) nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Denn die Beschwerde übergeht dabei die anderslautenden, ein Handeln mit Täuschungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz bejahenden Urteilskonstatierungen (S 306, 308 f., 312 ff./III) und vergleicht solcherart nicht, wie dies zur prozeßordnungsgemäßen Ausführung des angezogenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes (auch bei der Behauptung von Feststellungsmängeln) erforderlich wäre, den im Urteil tatsächlich als erwiesen angenommenen (vollständigen) Sachverhalt mit dem darauf angewendeten Strafgesetz. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Des weiteren war die zur Bekämpfung schöffengerichtlicher Urteile im Gesetz nicht vorgesehene Schuldberufung des Angeklagten zurückzuweisen (§§ 283 Abs 1, 296 Abs 2, 294 Abs 4 StPO).

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