Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der Vater beantragte, der Mutter, mit der er in Scheidung lebe, die elterlichen Rechte in Ansehung aller drei Kinder zu entziehen, weil sie in deren Gegenwart Selbstmord angedroht sowie die Kinder geschlagen habe und überhaupt außer Stande sei, für deren körperliches und geistiges Wohl zu sorgen. Die Mutter stellte den entgegengesetzten Antrag, weil sich der Vater um die Kinder nicht kümmere und sie außerdem schlage. Im Laufe des Verfahrens änderte sie ihren Antrag dahin, die elterlichen Rechte des Vaters derart einzuschränken, daß die Kinder am abgesonderten Wohnort der Mutter Wohnung nehmen sollten.
Das Erstgericht wies beide auf Entziehung der elterlichen Rechte gerichteten Anträge ab und übertrug die elterlichen Rechte gegenüber der ältesten Tochter Simone Anja dem Vater und in Bezug auf die beiden jüngeren Kinder der Mutter.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß. Es stellte fest, eine Trennung der Kinder sei aus fachpsychologischer Sicht nicht zu vermeiden. Der vom Erstgericht beigezogene Sachverständige empfehle, Simone Anja dem Vater und die beiden anderen Kinder der Mutter zuzusprechen. Weder dem Vater noch der Mutter könne die Erziehungsfähigkeit abgesprochen werden; auch sei weder den Bedingungen beim Vater noch denen bei der Mutter der Vorzug zu geben. Die Beziehung Simone Anjas zu ihrer Mutter sei konflikthaft, zu den beiden jüngeren Schwestern hingegen wenig intensiv; diese bildeten den Gegenpol zur dominanten älteren Schwester. Simone Anja sei derart auf den Vater fixiert, daß sie eine Trennung im Sinne einer neurotischen Entwicklung schädigen würde. Die beiden jüngeren Schwestern stünden den Eltern ambivalent gegenüber. In ihrem Erleben hätten Vater und Mutter den gleichen Stellenwert. Sie seien der Mutter gegenüber innerlich positiver eingestellt und fähig, diese Einstellung auch zu verwirklichen. Lediglich Simone Anja lehne es ab, gelegentlich bei ihrer Mutter zu nächtigen. Die beiden jüngeren Schwestern hätten es indessen gelernt, sich vom Vater einen kleinen Schritt weit zu entfernen. Bei ihnen sei mit einer psychischen Schädigung infolge Trennung vom Vater nicht zu rechnen, wogegen der Verbleib beim Vater die Möglichkeit zu intensiven Kontakten zur Mutter zweifellos stark vermindern würde, was aber psychische Folgen nach sich zöge. Das ergebe sich schon daraus, daß zwischen der Mutter und der Haushälterin des Vaters, Maria M***, die derzeit die Kinder betreue, schwerste Spannungen bestünden und bei Ausübung des Besuchsrechtes durch die Mutter im Falle der Zuweisung aller drei Kinder an den Vater erst recht Konflikte entstehen würden. Überdies gestalte sich die Betreuung der Kinder beim Vater verhältnismäßig kompliziert. Es sei wahrscheinlich, daß der Vater gerade dann, wenn er von den Kindern gebraucht werden sollte, nicht da sein werde. Die Mutter sei durchaus in der Lage, die kontinuierliche Betreuung und Lernführung der beiden jüngeren Kinder zu übernehmen. Die Lernführung würde bei der weniger begabten Schulanfängerin Elisabeth auch wesentlich intensiver zu gestalten sein. Selbst nach den Angaben des Vaters sei Maria M*** eine neutrale Person, so daß nicht angenommen werden könne, sie werde in nächster Zeit in die Rolle einer Ersatzmutter hineinwachsen. Für die beiden jüngeren Kinder bestünde somit keine Möglichkeit, bei einer Trennung von der Mutter emotionalen mütterlichen Ersatz zu finden.
Beide Elternteile seien am Wohl der Kinder interessiert. Zwischen den Eltern bestehe indessen eine äußerst ungünstige Gesprächsbasis, weil jede Erörterung in gegenseitige Vorwürfe über die Vergangenheit ausarte. Die Mutter erhalte derzeit vom Vater monatliche Unterhaltsbeträge von S 7.500,--, die Kosten für ihre Wohnung finanziere sie aus einem Kredit. Die Mutter besuche ihre derzeit beim Vater befindlichen Kinder häufig. Um den Kindern einen Schul- und Milieuwechsel zu ersparen, sei sie sogar bereit, wieder von Mittersill nach Neukirchen zu ziehen.
In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, es sei nicht zu erkennen, daß die Mutter durch ihr Verhalten das Wohl der Kinder gefährde. Negative Äußerungen der Mutter dürften bei ihrer psychischen Belastung infolge des anhängigen Scheidungsverfahrens nicht überbewertet werden. Sie seien vielmehr als Unmutsäußerungen zu verstehen. Das gelte auch für die Selbstmorddrohung, die noch keineswegs einen Selbstmordversuch darstelle. So habe auch das Jugendamt Zell am See berichtet, daß die Eltern einander mit Vorwürfen überhäuften. Sollten die Parteienvertreter von einer Tagsatzung ausgeschlossen worden sein, so sei dem Vater schon deshalb kein verfahrensrechtlicher Nachteil erwachsen, weil er die eidesstättigen Erklärungen ohnedies mit dem Rekurs vorgelegt habe. In der Unterlassung der Beischaffung des Scheidungsaktes sei kein Verfahrensmangel zu erblicken, weil der Vater die dort aufgestellten Behauptungen auch im vorliegenden Verfahren vorgebracht habe. Dagegen ergebe sich weder aus dem vom Erstgericht eingeholten Gutachten noch aus dem Bericht des Jugendamtes ein Hinweis auf die Gefährdung des Wohles der Kinder durch das Verhalten der Mutter. Soweit der Vater einen Antrag gemäß § 177 ABGB vermisse, sei ihm zwar zuzugeben, daß sich keiner der Elternteile bisher auf diese gesetzliche Bestimmung ausdrücklich berufen hätte. Die Modifikation des Antrages der Mutter dahin, daß die Kinder künftig an ihrem Aufenthaltsort Wohnung nehmen sollten, sei jedoch als ein Antrag im Sinne des § 177 ABGB zu verstehen, zumal an die Formstrenge im Verfahren außer Streitsachen keine allzu großen Anforderungen gestellt werden dürften. Gehe man von den Darlegungen des Sachverständigen aus, so sei bei den beiden jüngeren Mädchen mit einer psychischen Schädigung nur zu rechnen, wenn sie von der Mutter getrennt würden. Überdies seien die Betreuungsbedingungen beim Vater ungünstiger, weil eine bloße Aufsichtsperson die erziehungsberechtigte Bezugsperson nicht ersetzen könne. Als letztere komme hingegen die Mutter in Betracht, die sich um die weniger begabten jüngeren Kinder intensiv kümmern könne.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Vaters ist unzulässig.
Das Rechtsmittel gegen eine bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes ist im Verfahren außer Streitsachen nur soweit zulässig, als es sich auf die im § 16 Abs 1 AußStrG genannten Anfechtungsgründe stützen kann. Als Nichtigkeit rügt der Vater, das Erstgericht habe eine Sorgerechtsentscheidung nach § 177 ABGB getroffen, ohne die Parteien anzuleiten, ihre Anträge in diesem Sinne zu ändern. Es seien nämlich von beiden Seiten lediglich Anträge auf Entziehung der elterlichen Rechte gemäß § 176 ABGB gestellt worden.
Zutreffend verwies das Rekursgericht in diesem Zusammenhang darauf, daß die Mutter ihren Antrag mit Schriftsatz ON 5 dahin geändert hat, die drei Kinder zur Wohnungsnahme bei ihr zu verhalten und dem Vater lediglich ein (weitestgehendes) Besuchsrecht einzuräumen (AS 27). Das Rekursgericht hat diesen Antrag als Begehren im Sinne des § 177 Abs 2 ABGB beurteilt. Dieser Auffassung ist beizupflichten, weil die elterlichen Rechte bei Stattgebung eines solchen Antrages naturgemäß dem antragstellenden Elternteil zufallen müssen, soll dem anderen Elternteil nur ein - wenn auch noch so "weitestgehendes" - Besuchsrecht eingeräumt werden.
Zutreffend verwies das Rekursgericht auch darauf, daß das Außerstreitgericht gerade im Rechtsfürsorgeverfahren undeutlichen Anträgen von sich aus die nach dem Gesetz gebotene Fassung zu geben hat. Im übrigen bewirkt die Antragsüberschreitung - ebenso wie im streitigen Verfahren die Verletzung des § 405 ZPO - im Verfahren außer Streitsachen nach nunmehr ständiger Rechtsprechung (JBl 1954, 45 uva, zuletzt wieder 1 Ob 508/86; Ott, Rechtsfürsorgeverfahren,
222) keine Nichtigkeit, kann demnach mit einem nach § 16 AußStrG zu beurteilenden Rechtsmittel nicht geltend gemacht werden. Auch die Ausschließung der Parteienvertreter von einer Vernehmung der Parteien bewirkt jedenfalls keine Nichtigkeit, weil die Zuziehung der Parteien und deren Vertreter zu Beweisaufnahmen und sonstigen Erhebungen im Verfahren außer Streitsachen nicht vorgeschrieben ist (SZ 25/223; EFSlg.30.385 ua). Dies muß umsomehr dann gelten, wenn der Rechtsmittelwerber Gelegenheit hatte, seinen Standpunkt im Rekurs darzulegen. Von dieser Möglichkeit hat der Vater auch insofern Gebrauch gemacht, als er ihm erheblich erscheinende Beweismittel mit dem Rechtsmittel dem Rekursgericht vorlegte.
Unter dem Gesichtspunkt offenbarer Gesetzwidrigkeit bekämpft der Vater - unter Beischließung eines Privatgutachtens - in Wahrheit die Beweiswürdigung der Vorinstanzen, die jedoch - jedenfalls mit einem Rechtsmittel gemäß § 16 Abs 1 AußStrG - nicht angefochten werden kann (EFSlg.47.206 ua). Auch Neuerungen sind im Rahmen eines solchen Rechtsmittels unzulässig (EFSlg.47.205 ua).
Nach der Rechtsprechung (ÖA 1985, 77; RZ 1973/194 uva) ist es zwar offenbar gesetzwidrig, wenn in die Ermessensabwägungen bei der Entscheidung über die Zuteilung der elterlichen Rechte nicht alle nach dem Gesetz zwingend vorgeschriebenen Kriterien einbezogen und insbesondere Erwägungen über die Persönlichkeit und die Eigenschaften der Eltern nicht angestellt werden. Gerade diese für die Entscheidung nach § 177 Abs 2 ABGB ausschlaggebenden Umstände hat das Rekursgericht jedoch - ausgehend von den umfangreichen Feststellungen, die, entgegen den Behauptungen des Vaters, nicht bloß auf das Gutachten des vom Erstgericht beigezogenen Sachverständigen, sondern auch auf den Erhebungsbericht des zuständigen Jugendamtes Bedacht nehmen - eingehend gewürdigt und vor allem hervorgehoben, daß die Mutter die beiden jüngeren Kinder persönlich betreuen und versorgen kann, während sie der Vater der Obhut einer Aufsichtsperson überlassen muß, die selbst nach seiner eigenen Darstellung nicht als echte Bezugsperson im Sinne einer Ersatzmutter in Aussicht genommen ist.
Da der Vater weder eine offenbare Gesetzwidrigkeit noch eine Nichtigkeit aufzeigt, war das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen.
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