OGH 7Ob59/86

OGH7Ob59/8615.1.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adolf G***, Kaufmann, Innsbruck, Universitätsstraße 12, vertreten durch Dr. Wolfgang Walser, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei W*** Versicherungs-AG, Wien 4., Mattiellistraße 2-4, vertreten durch Dr. Günther Zeindl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 44.700 S sA, infolge Rekurses der beklagen Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 15. Oktober 1986, GZ. 5 R 295/86-11, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck,vom 24. Juni 1986, GZ. 6 Cg 117/86-6, aufgehoben wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dahin zu Recht erkannt, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.357,85 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 214,35 S Umsatzsteuer) sowie die mit 5.329,75 S bestimmten Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof (darin 2.500 S Barauslagen und 257,25 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der Beklagten gegen Einbruchsdiebstahl versichert. Der Versicherung lagen die Allgemeinen Einbruchsdiebstahlsversicherungs-Bedingungen (AEB) samt Beilage 632 (Geschäfts- und Gewerbe-Universal-Versicherung) zugrunde. Punkt 6.3. der letztgenannten Beilage lautet wie folgt:

"Alle Außentüren der Betriebsräume sind außerhalb der Geschäftszeit mit Tose- oder Sicherheitsschlössern zu versperren oder von innen mit eisernem Querriegel zu sichern. Von außen zu öffnende Schaufenster müssen ebenfalls mit eingebauten Tose- oder Sicherheitsschlössern versperrt sein." Am 24. oder 25. Juni 1985 wurde im Gebrauchtwarenhandelsgeschäft des Klägers in Innsbruck, Universitätsstraße 12, eingebrochen.

Hiebei wurden eine Reihe von Gegenständen entwendet. Der Einbruch erfolgte nicht durch die zwei mit tosischen Schlössern versperrten Türen von der Straße oder vom Gang her, sondern durch eine Maueröffnung, die vom Stiegenaufgang des Hauses zum Geschäft führte. Diese Öffnung diente früher offenbar als Lüftungsfenster. Im inneren des Geschäftslokales war sie nicht sichtbar, weil über die gesamte Wand, in der sich dieses Lüftungsfenster befand und die ca. 2 x 2 m groß war, Rigipsplatten angebracht waren, über welchen sich eine Papiertapete befand. Von außen im Stiegenhaus war über diese Öffnung eine kleine Holztüre mit 6 bis 8 Schrauben angeschraubt. An dieser Holztüre befand sich zudem noch ein altes Vorhangschloß, zu dem der Kläger keine Schlüssel besaß. Hinter dieser Holztüre befand sich in der Fensteröffnung ein starkes Drahtmaschengitter, das an einer Seite an Scharnieren eingehängt war. An der anderen Seite war das Gitter an einem in die Mauer eingelassenen Riegel fixiert, sodaß es nur mit einer Gewaltanwendung eingedrückt werden konnte. Das Erstgericht hat das auf Zahlung von 44.700 S s.A. (behaupteter Wert der gestohlenen Gegenstände) gerichtete Klagebegehren abgewiesen und hiebei in rechtlicher Hinsicht ausgeführt, bei der Bestimmung des Punktes 6.3 der Beilage 632 handle es sich um eine Obliegenheit. Jene Öffnung, durch die in das Geschäft eingedrungen worden ist, sei ihrem Wesen nach eine Türe, die daher mit einem tosischen oder Sicherheitsschloß zu versperren gewesen wäre. Diese Obliegenheit habe der Kläger verletzt. Der tatsächliche Verschluß der Maueröffnung sei relativ leicht zu öffnen gewesen und könne daher dem in der genannten Bestimmung erwähnten Versperren nicht gleichgesetzt werden. Die Verletzung der Obliegenheit sei für den Diebstahl kausal gewesen. Die Beklagte sei daher leistungsfrei, weil der Kläger ein fehlendes Verschulden an der Obliegenheitsverletzung nicht bewiesen habe.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es vertrat die Rechtsansicht, bei der Maueröffnung habe es sich nicht um eine Türe gehandelt, weil man einen Mauerdurchlaß nur dann als Türe bezeichnen könne, wenn er normalerweise zum Ein- und Austreten von Personen in bzw. aus dem Raum verwendet werde. Hiefür sei aber das abgesicherte frühere Lüftungsfenster nicht bestimmt gewesen. Demnach habe der Kläger die erwähnte Obliegenheit nicht verletzt. Zu prüfen sei daher einerseits, ob dem Kläger eine Obliegenheitsverletzung durch unrichtige Schadensmeldung vorzuwerfen sei. Verneinendenfalls sei die Höhe des Schadens zu ermitteln. Diesbezüglich müsse das erstgerichtliche Verfahren ergänzt werden. Das Berufungsgericht hat den von ihm gesetzten Rechtskraftvorbehalt damit begründet, daß zu der streiterheblichen Auslegung der in Punkt

6.3 der Beilage 632 normierten Obliegenheit keine Judikatur bestehe, eine solche Auslegung aber für eine größere Anzahl von Rechtsstreitigkeiten von Bedeutung sein könne.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist gerechtfertigt.

Der Oberste Gerichtshof kann der vom Berufungsgericht angeführten Definition einer Türe nicht beitreten. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird man unter einer Türe eine Maueröffnung verstehen, die auf Grund ihrer Größe und Anlage nach allgemeiner Auffassung geeignet ist, das Austreten und Eintreten von Personen in Räume zu ermöglichen. Auf die bloße Absicht desjenigen, der diese Öffnung angebracht hat, kann es hiebei nicht ankommen. Handelt es sich um eine Öffnung, die ihrer Anlage nach von jedem unbefangenen Betrachter als Türe angesehen wird, so wird man dieser Öffnung die erwähnte Eigenschaft auch dann nicht absprechen können, wenn derjenige, der die Öffnung angebracht hat oder jemand, der den Raum hinter der Öffnung benutzt, die Absicht hatte, diese Öffnung nur für Lüftungszwecke zu verwenden. Gerade bei der Auslegung der strittigen Versicherungsbedingung muß von diesem objektiven Begriff einer Türe ausgegangen werden. Zweck der erwähnten Regelung ist es nämlich, einen besonderen Schutz gegen Einbruch zu gewährleisten. Es soll vermieden werden, daß durch Maueröffnungen, die nach ihrer Art einen relativ leichten Zugang zu Betriebsräumlichkeiten ermöglichen, Unbefugte in diese Räumlichkeiten eindringen und dort Diebstähle begehen. Um das mit solchen Öffnungen für den Versicherer verbundene Risiko zu vermindern wurde in die Versicherungsbedingungen die Vorschrift über eine besonders sichere Sperre aufgenommen. Zu welchem Zweck die Öffnung angebracht wurde, ist aus der Sicht des Versicherers ohne Bedeutung. Es liegt auf der Hand, daß es für den Versicherer nur auf die Unterscheidung zwischen leicht passierbaren Öffnungen (Türen) oder schwerer passierbaren Öffnungen (Fenster) ankommen kann. Eine Öffnung, die einem Menschen ohne wesentliche Veränderung seiner Körperhaltung und ohne zusätzliche körperliche Anstrengung einen Eintritt in einen Raum ermöglicht, soll nach dem Zweck der Versicherungsbedingungen so verschlossen werden, daß ihr Passieren ohne besonderen Aufwand nicht möglich ist. Nur in diesem Sinne können die Versicherungsbedingungen von jedermann verstanden werden. Demnach ist der Begriff "Außentüren" in den vorliegenden Versicherungsbedingungen in dem aufgezeigten Sinn auszulegen. Geht man von den getroffenen Feststellungen und insbesondere von den Fotografien (Beilage ./4), die den vorinstanzlichen Entscheidungen zugrunde lagen, aus, so kann es keinem Zweifel unterliegen, daß der vorliegende Mauerdurchbruch eine Türe in dem aufgezeigten Sinn ist. Es handelt sich hiebei um eine Öffnung, die von der Stiege aus ohne weiters betreten werden konnte und deren Passieren ohne besondere Veränderung der Körperhaltung (die allfällige Notwendigkeit eines leichten Bückens spielt hier keine Rolle, weil auch Türen, wie etwa Boden- oder Kellertüren, häufig niederer als die durchschnittliche Körpergröße sind) passiert werden konnte. Dazu kommt, daß die äußere Verschließung eindeutig die Form einer Türe hatte. Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes handelte es sich sohin bei jener Maueröffnung, durch die der Einbrecher in das Geschäftslokal eingedrungen ist, um eine Türe im Sinne des Punktes 6.3. der Beilage

632.

Daß unter "Außentüren" nicht nur auf die Straße führende Türen, sondern alle Türen, die die Betriebsräume von der Außenwelt, sei es die Straße, seien es allgemein zugängliche Teile des Hauses, abgrenzen, fallen, ergibt sich aus dem Wortlaut der strittigen Bestimmung. Dies wird auch weder vom Kläger noch vom Berufungsgericht in Zweifel gezogen.

Das Erstgericht hat demnach richtig erkannt, daß die von der Bekagten behauptete Obliegenheitsverletzung objektiv vorliegt. Dies begründete gem § 6 Abs 1 VersVG die Leistungsfreiheit der Beklagten, soferne nicht den Versicherungsnehmer kein Verschulden an der Verletzung trifft, was dieser zu beweisen hat (Prölss/Martin VVG 23 , 98 f; SZ 46/106 u.a.). Einen solchen Beweis des Fehlens jeglichen Verschuldens hat der Kläger nicht erbracht, weil das Vorhandensein eines befestigten Türflügels den Schluß nahelegt, daß sich hinter diesem Flügel eine Öffnung befindet. Das Nichtbeachten dieses Umstandes stellt daher eine Sorglosigkeit dar, die als Fahrlässigkeit zu werten ist. Sohin erübrigen sich die vom Berufungsgericht dem Erstgericht aufgetragenen weiteren Erhebungen, weshalb der Oberste Gerichtshof gemäß § 519 Abs. 2 ZPO das Urteil des Erstgerichtes wiederherstellen konnte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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