OGH 7Ob57/86

OGH7Ob57/8615.1.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Hule, Dr.Warta und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Guy Kukuschkin F***, geb. am 20.Juli 1982, Lustenau, Kirchstraße 14, vertreten durch seine Mutter Evelyne Wendy F***, Lustenau, Kirchstraße 14, diese vertreten durch Dr.Rolf Philipp, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagte Partei V*** DER Ö***

B***, Versicherungs-AG, Wien 2.,Praterstraße 1-7, vertreten durch Dr.Anna Jahn, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen S 1,200.000,--s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 25. September 1986, GZ 2 R 207/86-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 28. April 1986, GZ 4 Cg 1092/85-16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Revisionsverfahrens gleich weiteren Kosten des Berufungsverfahrens Bedacht zu nehmen haben wird.

Text

Begründung

Der Vater des Klägers, der am 27.Mai 1944 geborene Dr.Wolfgang F***, hat bei der Beklagten eine Einzelunfallversicherung mit der Vertragsdauer vom 23.Juni 1982 bis 1.Juli 1992 abgeschlossen, aus welcher der Kläger beim unfallbedingten Ableben des Versicherungsnehmers bezugsberechtigt ist. die vereinbarte Versicherungssumme gegen berufliche und außerberufliche Unfälle beträgt bei Tod S 1.2 Mio. Dr.Wolfgang F***, der in Lustenau eine Zahnarztpraxis führte, verunglückte am 28.November 1984 bei einem Verkehrsunfall tödlich. Am Tag vor dem Unfall ordinierte er am Vormittag, sowie nach einer Mittagspause auch noch kurze Zeit am Nachmittag. Nach Arbeitsschluß legte sich Dr.F*** kurze Zeit schlafen. Am Abend besuchte Dr.F*** ein Eishockey-Spiel in Lustenau. Nach dem Ende dieses Spieles zwischen 22 Uhr und 22.30 Uhr fuhr Dr.F*** mit seinem Auto, in dem Dietmar S*** als Beifahrer mitfuhr, zum Gasthaus "Habsburg" in Lustenau. Er erweckte dabei gegenüber seinem Beifahrer den Eindruck, noch keinen Alkohol getrunken zu haben. Dr.F*** aß in dem Gasthaus zunächst ein Cordon-bleu und trank dazu Apfelsaft. In der Folge trank er Weißwein. Die Menge und der Zeitpunkt des Trinkens sind nicht feststellbar. Kurz nach 4 Uhr des 28. November 1984 verließ Dr.F*** zusammen mit Dietmar S*** und Grete S*** das Gasthaus. Er versuchte, die Scheiben am Pkw. der Grete S*** durch Abkratzen mit einem Brillenetui zu enteisen. Grete S*** ersuchte Dr.F***, hinter ihr herzufahren und bei ihrem Hause so lange zu warten, bis sie dieses betreten habe, da sie wegen eines in der Nähe befindlichen Bordells Angst hatte. Einen Vorschlag von Dietmar S***, weiterzufeiern, lehnte Dr.F*** mit dem Hinweis ab, er habe am nächsten Tag eine Kieferoperation auszuführen. Dr.F*** machte weder auf Dietmar S***, noch auf Grete S*** einen alkoholisierten Eindruck. Dr.F***

trank regelmäßig und durchschnittlich pro Tag etwa zwei Viertel Liter gespritzten Weißwein; an Wochenenden trank er mehr. Er war an Alkohol gewöhnt. Dr.F*** war ein sicherer Kraftfahrzeuglenker und fuhr viel mit dem Pkw. Er war 1,85 groß und zum Unfallszeitpunkt etwa 80 kg schwer. Ob Dr.F*** vor dem Wegahren vom Gasthaus die Windschutzscheibe an seinem Fahrzeug enteiste, steht nicht fest. Die Seitenscheiben und die Heckscheibe enteiste er nicht. Dr.F*** fuhr in der Folge mit seinem Pkw. auf der 6 m breiten, mit Peitschenlampen ausgeleuchteten, gerade verlaufenden Augartenstraße in Richtung Süden. Auf der Höhe des Hauses Augartenstraße 66 war auf der - in seiner Fahrtrichtung gesehen - linken Fahrbahnhälfte ein nicht beleuchteter Lkw. abgestellt. Aus ungeklärter Ursache geriet Dr.F*** mit seinem Pkw. über die Fahrbahnmitte und prallte frontal gegen die Vorderfront des abgestellten Lkw`s. Bremsspuren wurden nicht abgezeichnet. Das Fahrzeug wurde unter dem Führerhaus des Lkw`s eingeklemmt. Dr.F*** konnte aus seinem Fahrzeug nur mit Mühe befreit werden. Der Unfall ereignete sich um etwa 4,15 Uhr. Dr.F*** wurde mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus Hohenems eingeliefert. Zum Zeitpunkt der Einlieferung gegen 4.40 Uhr lebte er noch und atmete schnappartig. Wenige Minuten nach der Einlieferung zeigte das angeschlossene EKG keinen Ausschlag mehr. Minuten nach der Einlieferung setzte auch die Atmung aus und Dr.F*** starb. Der Kläger begehrt den Zuspruch von S 1,2 Mio. samt Anhang. Die Beklagte verweigere zu Unrecht - gestützt auf Art.3 Punkt III Z 7 AUVB - die Zahlung der Versicherungssumme. Bei Dr.F*** habe zum Unfallszeitpunkt nur eine leichte Alkoholisierung bestanden, die zu keiner Bewußtseinsstörung geführt habe. Die Alkoholisierung habe nur eine unwesentliche Schmälerung der Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit bedingt.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage und wendet ein, die Berufung auf den Risikoausschluß nach Art.3 Pkt.III Z 7 AUVB sei gerechtfertigt. Dr.F*** habe den Unfall grob fahrlässig verschuldet. Es habe eine durch übermäßigen Alkoholgenuß und starke Übermüdung bedingte Bewußtseinsstörung bestanden. Der Blutalkoholwert habe 1,38 %o betragen. Auch der Unfallshergang bestätigte das Vorliegen einer Bewußtseinsstörung.

Das Erstgericht gab der Klage statt und traf noch folgende weitere Feststellungen:

Es läßt sich nicht feststellen, ob es im Rahmen der Unfallverletzungen zu einem Schockzustand und somit zu einer Zentralisation gekommen ist. Eine Zentralisation liegt vor, wenn periphere Blutgebiete aus dem Kreislauf ausgeschaltet werden. Der Organismus hält dann den Kreislauf nur mehr in den lebenswichtigen Organen aufrecht. Dies geht auf Kosten der peripheren Blutgebiete. Wenn es durch die Verletzungen beim Unfall zu einer Zentralisation gekommen wäre, wäre der Blutalkoholgehalt zum Todeszeitpunkt und zum Unfallszeitpunkt gleich hoch. In einem solchen Fall kann es nach dem Unfall keine weitere Resorption von Alkohol aus dem Magen-Darm-Trakt mehr geben. Lag keine Zentralisation vor, kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Blutalkoholgehalt zum Unfallszeitpunkt niedriger war als zum Todeszeitpunkt. Eine solche Einschränkung würde hinsichtlich der alkoholbedingten hirnorganischen Ausfallerscheinungen dann nicht viel ändern, wenn zum Unfallszeitpunkt gerade eine Anflutungsphase war. Wie es im gegenständlichen Fall tatsächlich gewesen ist, läßt sich nicht feststellen.

Die Todesursache bei Dr.F*** war ein Aorteneinriß und eine traumatische Zerreissung der Aortenklappe. Durch den Aortenriß unmittelbar über der Aortenklappe kam es zu keiner Herzbeuteltamponade. Das bedeutet, daß es sich um keinen totalen Aortenabriß gehandelt hat. Durch den Aorteneinriß kam es zu einer ausgedehnten Wühlblutung im Bereich der äußersten Schicht der Aortenwand im Sinne einer auseinanderdrängenden Aussackung. Es blutete zwischen die Schichten hinein. Bei Zerreissung von Aortenklappen kann es zu einer akuten Herzinsuffizienz kommen, d.h., daß der Klappenapparat nicht mehr schließt und das Herz mit dem nachrinnenden Blut nicht mehr fertig wird. Auf Grund dieser Verletzung ist es möglich, daß ein Kreislaufschock die Folge ist. Die Folge eines solchen Schocks wäre die Zentralisation des Kreislaufs.

Am 30.November 1984 wurden bei Dr.F*** Blutproben entnommen, die eine Blutalkoholkonzentration von 1,38 bzw. 1,37 %o ergaben. Bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,3 %0 sind allgemein alkoholbedingte Ausfallserscheinungen zu beobachten. Die bei dieser Alkoholkonzentration in der Regel zu beobachtenden Ausfälle bestehen darin, daß bei 50 bis 70 % aller Personen bereits Störungen der Fixation und Fusion infolge mangelnder Koordination der Augenmuskel zu beobachten sind und zudem häufig Gesichtsfeldeinschränkungen vorliegen. Außerdem kommt es zur Verlängerung der Reaktionszeit, insbesondere bei Mehrfachreizung, und zu Aufmerksamkeitsstörungen hinsichtlich der Fähigkeit, die Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand gerichtet zu halten bzw. auf einen neuen Gegenstand zu richten. Im psychischen Bereich kommt es insbesondere bei relativ geringen Blutalkoholkonzentrationen zwischen 0,5 und 1,3 %o zu einem Verlust der selbstkritischen Einschätzung und damit zu erhöhter Risikobereitschaft. Wenn zusätzlich eine Ermüdung vorliegt, treten alkoholbedingte Störungen verstärkt in Erscheinung. Alkoholgewohnte Personen und geübte Kraftfahrer können die durch Alkoholgenuß und durch Übermüdung bedingte Leistungsminderung individuell unterschiedlich kompensieren. Der genaue Blutalkoholgehalt bei Dr.F*** zum Unfallszeitpunkt läßt sich nicht feststellen. Zum Zeitpunkt des Todes, etwa eine halbe Stunde nach dem Unfall, betrug die Blutalkoholkonzentration 1,38 %o bzw. 1,37 %o. Unter Zugrundelegung der günstigsten Verhältnisse betrug zum Unfallszeitpunkt der Blutalkoholwert mindestens 1,1 bis 1,2 %o; bei Annahme der ungünstigsten Verhältnisse lag dieser Wert um etwa 1,4 %o.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, der Versicherer habe zu beweisen, daß ein Unfall durch eine Bewußtseinsstörung infolge Alkoholeinflußes verursacht worden sei. Es sei daher von den für den Kläger günstigsten Voraussetzungen und somit von einem Blutalkoholgehalt zum Unfallszeitpunkt von 1,1 bis 1,2 %o auszugehen. Berücksichtige man bei diesem Blutalkoholgehalt die Trinkgewohnheiten des Verstorbenen, sein Verhalten vor dem Unfall und den Unfallshergang, könne nicht von einer Bewußtseinsstörung im Sinne des Art.3 Punkt III Z 7 AUVB gesprochen werden. Daß Dr.F*** besonders übermüdet gewesen wäre, könne nicht angenommen werden, zumal er am Nachmittag noch geschlafen habe. Handle es sich auch sicherlich um einen Grenzfall und lasse auch der Unfallsablauf vordergründig die Annahme einer alkoholbedingten Beeinträchtigung der Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit zu, könnten doch andere Unfallsursachen nicht ausgeschlossen werden. Das Berufungsgericht wies die Klage ab. Es übernahm die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen als unbedenklich, kam jedoch zum Ergebnis, daß der beklagten Partei der Beweis gelungen sei, der Unfall des Versicherten sei auf eine durch Alkoholeinfluß hervorgerufene Bewußtseinsstörung zurückzuführen. Für die Beantwortung der Frage nach dem Vorliegen einer Bewußtseinsstörung sei nicht allein von dem zum Unfallszeitpunkt gegebenen Blutalkohol von 1,1 bis 1, %o (unter Annahme der günstigsten Voraussetzungen) auszugehen, sondern es sei darüber hinaus im vorliegenden Fall auf die weitere Tatsache Bedacht zu nehmen, daß Dr.F*** zum Unfallszeitpunkt, 4,15 Uhr früh, über den Tagesablauf am Vortag rund 20 bis 21 Stunden wach gewesen, und daß dieser Zeitraum nur durch einen kurzen Schlaf nach Arbeitsschluß unterbrochen worden sei. Dieses lange Aufbleiben lasse aber in tatsächlicher Hinsicht zweifellos den Schluß zu, daß Dr.F*** zum Unfallszeitpunkt übermüdet gewesen sei. Bei Übermüdung träten alkoholbedingte Störungen, wie Verlängerung der Reaktionszeit, Verminderung der Fähigkeit, die Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand zu richten oder gerichtet zu halten und erhöhte Risikobereitschaft, verstärkt auf. Das Vorliegen solcher Störungen und Ausfallserscheinungen bei Dr.F*** zeige aber insbesondere auch der für die Beurteilung und Beantwortung der Frage nach einer Bewußtseinsstörung gleichfalls heranzuziehende Unfallshergang, der geradezu die typische Folge einer durch Alkohol und Übermüdung bedingten wesentlichen Beeinträchtigung und Schmälerung der Aufmerksamkeit und Reaktionsfähigkeit sei. Der Unfall sei daher auf eine durch Alkoholeinwirkung bedingte Bewußtseinsstörung iS des Art.3, Pkt.III, Z 7 AUVB zurückzuführen. Dr.F*** habe die durch Alkoholisierung und Übermüdung bedingte Leistungsverminderung dadurch, daß er ein guter Autofahrer und an Alkohol gewöhnt gewesen sei, wiewohl er beim Verlassen des Gasthauses auf seine Begleiter keinen alkoholisierten Eindruck gemacht habe, offenkundig nicht kompensieren können. Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus den Revisionsgründen des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß der Klage stattgegeben werde, in eventu es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist begründet.

Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens rügt die beklagte Partei, daß das Berufungsgericht in tatsächlicher Hinsicht den Schluß gezogen habe, Dr.F*** sei zum Unfallszeitpunkt übermüdet gewesen, obwohl das Erstgericht zur Feststellung gelangt sei, eine besondere Übermüdung könne nicht angenommen werden, zumal Dr.F*** am Nachmittag noch geschlafen habe. Das Berufungsgericht habe ferner das Unfallsgeschehen als geradezu typische Folge einer durch Alkoholisierung und Übermüdung bedingten wesentlichen Bewußtseinsbeeinträchtigung bezeichnet, obwohl das Erstgericht festgestellt habe, die Unfallsursache könne nicht geklärt werden. Das Berufungsgericht habe damit gegen die Bestimmungen des § 498 Abs 1 ZPO verstoßen, weil es ohne Beweiswiederholung zumindest zum Teil vom festgestellten Sachverhalt abgegangen sei. Der Begriff Übermüdung stellt einen biologischen Zustand, demnach eine Tatsache, dar, und fällt nicht in den Bereich der rechtlichen Beurteilung (ZVR 1965/173, 7 Ob 281/74). Hat demnach das Erstgericht zwar nicht im Rahmen des von ihm als erwiesen angenommenen Sachverhalts, sondern bei seiner rechtlichen Beurteilung ausgeführt, es könne nicht angenommen werden, daß Dr.F*** besonders übermüdet gewesen sei, zumal er am Nachmittag noch geschlafen habe, handelt es sich hiebei um die Feststellung einer Tatsache, von der das Berufungsgericht nicht ohne Beweiswiederholung hätte abgehen dürfen. Der Umstand, daß das Berufungsgericht die Frage, ob Dr.F*** übermüdet war, gleichfalls bei der rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts behandelt hat, vermag daran nichts zu ändern. In gleicher Weise hätte das Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung auch nicht von der Feststellung des Erstgerichtes, Dr.F*** sei mit seinem Pkw. aus ungeklärter Ursache über die Fahrbahnmitte geraten, und der weiteren, in der Beweiswürdigung enthaltenen Feststellung (S 10 des erstgerichtlichen Urteils = AS 84), es hätten über den Unfallshergang keine verläßlichen Feststellungen gemacht werden können, abgehen und seiner Entscheidung zugrundelegen dürfen, der Unfall sei auf eine durch Alkoholeinwirkung bedingte Bewußtseinsstörung zurückzuführen.

Die Frage der Übermüdung ist im Hinblick auf den bei Dr.F*** zum Unfallszeitpunkt festgestellten Blutalkoholwert von - bei Annahme der günstigsten Verhältnisse - mindestens 1,1 bis 1,2 %o (die in der Revisionsbeantwortung enthaltene Rüge, es handle sich hiebei um eine aktenwidrige Feststellung des Berufungsgerichtes, da das Erstgericht eine solche Feststellung nicht getroffen habe, ist unbegründet; die vom Berufungsgericht übernommene Feststellung des Erstgerichtes findet sich, wenn auch im Rahmen der Beweiswürdigung sowie der rechtlichen Beurteilung, auf den Seiten 11 und 13 des erstgerichtlichen Urteils, AS 85 und 87) für die Entscheidung des Rechtsstreites von wesentlicher Bedeutung.

Nach Art.3 Pkt.III Z 7 der Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (Beilage 4) sind von der Versicherung ausgeschlossen Unfälle infolge von Schlaganfällen, von Geistes- oder Bewußtseinsstörungen (auch durch Alkohol- oder Rauschgifteinfluß), es sei denn, daß diese Anfälle oder Störungen durch ein unter die Versicherung fallendes Unfallereignis hervorgerufen wurden. Der Begriff der Bewußtseinsstörung erfordert nicht völlige Bewußtlosigkeit. Es genügt, wenn die Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit so gestört ist, daß der Versicherte der Gefahrenlage, in der er sich jeweils befindet, nicht mehr so gewachsen ist, wie die jeweiligen Verhältnisse es erfordern (Prölss/Martin, VersVG 23 , 1247). Nur eine solche Bewußtseinsstörung schließt den Versicherungsschutz aus, die als Ausfallserscheinung dem durch einen Schlaganfall oder eine Geistesstörung herbeigeführten Zustand annähernd gleichkommt. Den erwähnten Ausschlußgrund stellt somit lediglich eine Alkoholeinwirkung dar, welche die Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit nicht nur unwesentlich schmälert (VersR 1977, 244). Ob eine Bewußtseinsstörung gegeben ist, hängt von der konkreten Situation ab, in der sich der Versicherte zur Zeit des Unfalls befindet. Dies gilt auch für die Teilnahme am öffentlichen Verkehr (Prölss/Martin aa0, 1248). Die Grenzwerte werden dementsprechend verschieden sein, ob der Versicherte als Autofahrer, Radfahrer oder Fußgänger usw. am Verkehr teilnimmt (Prölss/Martin aa0, in diesem Sinn auch VersR 1982, 588, und VersR 1985, 352). Wo der Blutalkoholgehalt für sich allein für die Annahme einer Bewußtseinsstörung und den Beweis der Ursächlichkeit nicht ausreicht, muß der Versicherer zusätzlich sonstige Tatsachen darlegen, die für die Bewußtseinsstörung und deren Ursächlichkeit sprechen, zB Ausfallserscheinungen beim Verhalten des Versicherten im Straßenverkehr, wie etwa grob rücksichtsloses oder verkehrswidriges Fahren (Prölss/Martin aa0, 1250).

Nach ständiger Rechtsprechung des deutschen BGH wird eine Bewußtseinsstörung beim Autofahren in der Regel ab 1,3 %o bejaht (Prölss/Martin aa0 1248, VersR 1972, 292). Eine Entscheidung des Revisionsgerichtes zu dieser Frage ist bisher nicht ergangen. Es besteht jedoch kein Anlaß zu einer anderen Beurteilung, da die Rechtslage ident ist (§ 3 Abs 4 der deutschen AUB stimmt inhaltlich mit Art.3 Punkt III Z 7 der AUVB überein). Auch bei anderen Gefahrenlagen, wie etwa der eines Fußgängers oder Mitfahrers, unterscheidet sich die Rechtsprechung des Revisionsgerichtes darin, ab welchem Alkoholisierungsgrad eine Bewußtseinsstörung anzunehmen ist, nicht von der deutschen Rechtsprechung (vgl. Prölss/Martin aa0 1248 und 1250 f sowie VersR 1977, 244, und VersR 1982, 588).

Die bei Dr.F*** festgestellte Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,1 bis 1,2 %o reicht daher für sich allein zur Annahme einer Bewußtseinsstörung noch nicht aus. Das Berufungsgericht wird deshalb im fortgesetzten Verfahren zu erwägen haben, ob es auch die Feststellung des Erstgerichtes, Dr.F*** sei nicht (nicht besonders) übermüdet gewesen, übernimmt (mit den Ausführungen in der Berufung zum Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wendet sich die beklagte Partei auch gegen die Ausführungen des Erstgerichtes darüber, daß Dr.F*** nicht übermüdet gewesen sei). Sollte es jene Bedenken, die in der angefochtenen Entscheidung zum Ausdruck kommen, aufrecht erhalten, wird es das Beweisverfahren insoweit zu wiederholen haben.

Die Bewußtseinsstörung muß, um einen Ausschluß von der Versicherung iS des Art.3 Pkt.III Z 7 AUVB zu begründen, den Unfall verursacht haben, zumindest aber mitursächlich gewesen sein. Nach der Lebenserfahrung und den Grundsätzen über den Anscheinsbeweis ist allerdings anzunehmen, daß eine zur Zeit des Unfalls vorhandene Bewußtseinsstörung den Unfall verursacht hat. Dieselben Hilfstatsachen, aus denen auf die Bewußtseinsstörung zu schließen ist, beweisen also auch deren Ursächlichkeit (Prölss/Martin aa0 1249, VersR 1960, 191).

Das Erstgericht, das davon ausgegangen ist, daß keine (keine besondere) Übermüdung des Dr.F*** angenommen werden könne, hat, wie bereits dargelegt wurde, festgestellt, Dr.F*** sei mit seinem Pkw. aus ungeklärter Ursache über die Fahrbahnmitte geraten. Es hat demnach seiner Entscheidung nicht zugrundegelegt, daß eine Bewußtseinsstörung des Dr.F*** ursächlich für seinen Unfall gewesen sei. Das Berufungsgericht wird im fortgesetzten Verfahren auch von dieser Feststellung des Erstgerichtes nur abgehen dürfen, wenn es nach einer Wiederholung der Beweise zum Ergebnis kommen sollte, die Annahme der Ursächlichkeit einer Bewußtseinsstörung für den Unfall sei auf Grund des Blutalkoholgehalts in Verbindung etwa mit einer Übermüdung des Dr.F*** oder anderen Tatsachen, die für eine Bewußtseinsstörung und deren Ursächlichkeit sprechen, wie Ausfallserscheinungen beim Verhalten im Straßenverkehr, gerechtfertigt.

Es war deshalb der Revision Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt erfolgte nach § 52 ZPO.

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