OGH 14Ob208/86

OGH14Ob208/8613.1.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Rupert Dollinger und Johann Friesenbichler als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1. Barbara A***, 2. mj. Michaela A***, 3. Tamara A***, alle wohnhaft in Neu-Rum, Innstraße 50, alle vertreten durch Dr. Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei T*** L***- und I***-G*** MBH, Innsbruck, Fürstenweg 68, vertreten durch Dr. Gunther Nagele, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 111.976,55 sA und Feststellung (Gesamtstreitwert S 146.976,55), infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 18. Juni 1986, GZ 2 a Cg 11/86-17, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Arbeitsgerichtes Innsbruck vom 4. Dezember 1985, GZ 2 Cr 130/85-10, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Parteien wird nicht Folge gegeben. Hingegen wird der Revision der beklagten Partei Folge gegeben; das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil zur Gänze wiederhergestellt wird. Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.187,60 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin sind S 471,60 an Umsatzsteuer enthalten) sowie die mit S 19.479,66 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 10.000 an Barauslagen und S 861,79 an Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind die eingeantworteten Erben (Ehegattin und Kinder) des am 6. August 1985 verstorbenen Richard A***, welcher Arbeitnehmer der beklagten Partei war. Sie begehren die Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses des Richard A*** zur beklagten Partei über den 7. März 1985 hinaus; sie begehren ferner die Zahlung eines Bruttobetrages von S 111.976,55 sA an Gehalt für die Zeit vom 8. März bis 6. August 1985, an anteiligem Urlaubszuschuß und Weihnachtsremuneration sowie Urlaubsentschädigung. Richard A*** sei entgegen der Meinung der beklagten Partei am 7. März 1985 nicht vorzeitig ausgetreten; er habe vielmehr nach einer Auseinandersetzung mit dem Einkaufsleiter Adolf M*** und im Hinblick auf sein damals akutes, schmerzhaftes Bandscheibenleiden einen Krankenschein behoben, den Betrieb hierauf verlassen und einen Arzt aufgesucht. Anschließend sei er vom 7. März 1985 bis zu seinem Ableben im Krankenstand gewesen. Zu Adolf M*** habe er vor dem Verlassen des Betriebes gesagt: "Jetzt bin ich angefressen, Ihr könnt mich gern haben, ich hole mir einen Krankenschein, gehe zum Doktor und lasse mich krank schreiben." Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei am 7. März 1985 ungerechtfertigt vorzeitig ausgetreten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es traf folgende wesentliche Feststellungen:

Der seit 1. Februar 1984 bei der beklagten Partei als Lagerhalter und LKW-Disponent angestellte Richard A*** hatte die Aufgabe, über den Einsatz der LKW und deren Ladungen zu disponieren. Sein Vorgesetzter war der Ein- und Verkaufsleiter Adolf M***, der auch Personalkompetenzen hatte. Am 7. März 1985 hatte Richard A***, ohne vorher mit Adolf M*** die sonst übliche Rücksprache gehalten zu haben, einen LKW abgefertigt. Aus diesem Grund mußte ein zweiter LKW in das Tiroler Oberland entsendet werden. Als Adolf M*** aus diesem Grund den Richard A*** beanstandete, "explodierte" dieser förmlich und es kam zu einer heftigen Auseinandersetzung. Richard A*** schrie, M*** würde nie etwas passen, er könne ihm nie etwas recht machen, er habe in der Firma lange genug den Hanswurst gespielt, er könne es überhaupt lassen und nach Hause gehen. M*** versuchte, den Richard A*** zu beruhigen und schickte ihn deshalb in den 2. Stock, damit er dort eine Arbeit verrichte. A*** erklärte jedoch, er gehe nicht mehr hinauf, er gehe jetzt nach Hause; er habe genug, eine andere Mutter habe auch noch ein Kind, er möge nicht mehr. Adolf M*** antwortete, wenn das so sei, müsse Richard A*** eben nach Hause gehen, er könne ihn nicht halten. Darauf entgegnete A***, er gehe, die Kündigung könne ihm M*** nach Hause schicken, am liebsten fristlos, dann sei alles erledigt, er sei mit allem einverstanden. Dann legte er seinen Lagerschlüssel auf den Tisch eines Arbeitskollegen und verließ die Lagerhalle, in der diese Auseinandersetzung in Anwesenheit anderer Arbeitnehmer und von Kunden stattgefunden hatte.

Nicht feststellen läßt sich, ob Richard A*** im Anschluß an die Auseinandersetzung zur Kasse ging, um sich dort einen Krankenschein zu holen, oder ob er zunächst das Betriebsgelände mit seinem PKW verließ, um nach Hause zu fahren, und erst kurze Zeit später wieder in den Betrieb zurückkehrte. Er ließ sich jedenfalls einen Krankenschein ausstellen. Mit diesem Schein begab er sich zu seinem Arzt, erhielt von diesem eine Injektion gegen seine Bandscheibenschmerzen und wurde in den Krankenstand genommen. Zwischen 13 Uhr und 14 Uhr desselben Tages verständigte seine Ehegattin die Buchhalterin der beklagten Partei von diesem Krankenstand. Nicht festgestellt werden kann, ob Richard A*** im Zuge der Auseinandersetzung zu Adolf M*** sagte, er hole sich einen Krankenschein, werde zum Arzt gehen und sich krank schreiben lassen. Ebensowenig kann festgestellt werden, ob A*** damals über Schmerzen klagte. Er starb am 6. August 1985 auf Grund eines Herzversagens. Das Erstgericht zog aus diesen Feststellungen den rechtlichen Schluß, in den festgestellten Äußerungen des Richard A*** zu Adolf M*** sei die Erklärung des vorzeitigen Austritts zu erblicken. Das Arbeitsverhältnis sei somit am 7. März 1985 vorzeitig aufgelöst worden. Da die Kläger einen Austrittsgrund gar nicht behauptet hätten, das Feststellungsbegehren und das Zahlungsbegehren jedoch einen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über diesen Zeitpunkt hinaus voraussetzten, fehle dem Klagebegehren zur Gänze die Berechtigung.

Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des Feststellungsbegehrens, gab jedoch in teilweiser Abänderung des erstgerichtlichen Urteils dem Zahlungsbegehren statt. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch und traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht. Es vertrat jedoch abweichend von diesem die Rechtsauffassung, in den festgestellten Äußerungen des Richard A*** sei eine auf den vorzeitigen Austritt gerichtete Willenserklärung nicht zu erblicken; er habe vielmehr zum Ausdruck gebracht, daß er sich nicht gegen eine von der beklagten Partei vorgenommene Beendigung des Arbeitsverhältnisses aussprechen werde. Da Richard A*** sohin das Arbeitsverhältnis nicht beendet habe, stehe ihm das mit dem Zahlungsbegehren geltend gemachte Entgelt zu. Dem Feststellungsanspruch fehle hingegen das Feststellungsinteresse, weil das Arbeitsverhältnis mit dem Tod des Richard A*** beendet sei und alle aus dem Arbeitsverhältnis ableitbaren Ansprüche mit Leistungsklage geltend gemacht werden könnten.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionen beider Parteien. Die Kläger fechten den die Abweisung des Feststellungsbegehrens betreffenden, bestätigenden Teil des Berufungsurteils wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag an, dem Feststellungsbegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagte Partei bekämpft den das Zahlungsbegehren betreffenden, abändernden Teil des Berufungsurteils wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung; sie beantragt insoweit die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils.

Die Parteien beantragen wechselweise, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist berechtigt, jene der Kläger ist nicht berechtigt.

Zur Revision der beklagten Partei:

Der Auffassung der beklagten Partei, der Kläger habe durch seine dem Adolf M*** gegenüber abgegebenen Erklärungen das Arbeitsverhältnis vorzeitig aufgelöst, ist zuzustimmen.

Die Erklärung des vorzeitigen Austritts ist die auf eine sofortige, vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigen Gründen gerichtete einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung des Arbeitnehmers. Sie hat rechtsgestaltende Wirkung, weil sie das Arbeitsverhältnis auflöst. Eine solche Willenserklärung muß eindeutig auf die sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses gerichtet sein. Sie ist nicht an einen bestimmten Wortlaut gebunden und muß vor allem nicht das Wort "Austritt" oder "vorzeitige Auflösung" enthalten; sie muß aber den Erklärungsempfänger, also den Arbeitgeber, zweifelsfrei erkennen lassen, daß der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vorzeitig und einseitig auflöst. Die Auflösungserklärung kann ausdrücklich oder schlüssig sein. Treffen mündliche Erklärungen und schlüssige Handlungen zusammen, ist das Gesamtverhalten des Erklärenden für die Beurteilung des Erklärungswertes heranzuziehen.

Im vorliegenden Fall sind die Äußerungen des Richard A*** in ihrer Gesamtheit und sein damit im Zusammenhang stehendes Verhalten zu beurteilen. Wenn auch der erste Teil seiner Äußerungen noch nicht klar erkennen läßt, ob er nur Unmutsäußerungen abgeben, allenfalls vorübergehend die Arbeit einstellen, oder aber das Arbeitsverhältnis beenden wollte, so weisen die folgenden Äußerungen, vor allem der Hinweis darauf, daß eine andere Mutter auch noch ein Kind habe, er möge nicht mehr, deutlich auf eine Veränderungsabsicht des Richard A*** in dem Sinn hin, daß er sich einen anderen Arbeitgeber suchen werde. Als M*** daraufhin entgegnete, er könne ihn nicht halten, wiederholte A***, daß er gehe, und fügte bei, M*** könne ihm die Kündigung nach Hause schicken, "am liebsten fristlos, dann sei alles erledigt", er sei "mit allem einverstanden". Bedenkt man nun, daß A*** hierauf seine Lagerschlüssel abgab und den Betrieb verließ, dann kann entgegen der Meinung des Berufungsgerichts dem vorerwähnten Hinweis auf die Möglichkeit einer Kündigung nicht der Sinn unterstellt werden, A*** habe damit zum Ausdruck bringen wollen, er sei zwar nicht mehr bereit, seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag zu erfüllen, überlasse es aber der beklagten Partei, eine auf die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gerichtete Willenserklärung abzugeben. Abgesehen davon, daß eine solche juristische Konstruktion einem juristischen Laien nicht ohne weiteres geläufig ist, darf dieser Hinweis nicht für sich allein, sondern muß im Zusammenhang mit dem gesamten (ausdrücklichen und schlüssigen) Erklärungsverhalten des Richard A*** beurteilt werden. Berücksichtigt man aber alle von ihm abgegebenen Äußerungen und bedenkt man, daß diese Erklärungen die Antwort Richard A*** auf eine von ihm nicht hingenommene Beanstandung durch seinen Vorgesetzten Adolf M*** waren und eine Auseinandersetzung beendeten, berücksichtigt man ferner, daß er die Lagerschlüssel auf den Tisch eines Arbeitskollegen legte und den Betrieb verließ, dann kann diesem Gesamtverhalten die für eine Willenserklärung erforderliche Deutlichkeit in Richtung eines vorzeitigen Austritts nicht abgesprochen werden. Der letzterwähnte Hinweis bringt nur die Gleichgültigkeit des Richard A*** für die Reaktion der beklagten Partei auf sein Erklärungsverhalten sowie seine Bereitschaft, alle Konsequenzen seines Verhaltens auf sich zu nehmen, zum Ausdruck; er ist jedoch nicht geeignet, dem Erklärungsverhalten den vom Berufungsgericht und den Klägern unterstellten für einen Laien eher komplizierten Sinn zu geben (vgl. dazu RdW 1984, 116). Daß sich Richard A*** im Anschluß an seine Äußerungen einen Krankenschein holte - dies mag unmittelbar danach oder bei seiner zum Zweck des Abholens seiner Wohnungsschlüssel kurz darauf erfolgten vorübergehenden Rückkehr in den Betrieb geschehen sein -, vermag an dem auf eine vorzeitige Auflösung gerichteten Erklärungsverhalten nichts mehr zu ändern. Da Adolf M*** der Vorgesetzte Richard A*** und als solcher mit Personalkompetenzen ausgestattet war, ist an seiner Legitimation zum Empfang der Austrittserklärung nicht zu zweifeln. Ob Richard A*** die Äußerungen in der Absicht machte, das Arbeitsverhältnis zu beenden, ist rechtlich belanglos, weil es nur auf den objektiven Erklärungswert ankommt.

Da somit das Arbeitsverhältnis durch die Austrittserklärung des Richard A***, wie das Erstgericht richtig erkannt hat, vorzeitig beendet wurde, ein den Austritt rechtfertigender Grund aber weder behauptet wurde noch im Verfahren hervorgekommen ist, fehlt dem Zahlungsbegehren die Berechtigung.

Zur Revision der Kläger:

Da aus den dargelegten Gründen das Arbeitsverhältnis des Richard A*** am 7. März 1985 beendet wurde, fehlt auch dem auf die Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses über diesen Zeitpunkt hinaus gerichteten Begehren die Berechtigung. Auf die vom Berufungsgericht verneinte, den Gegenstand der Rechtsmittelausführungen bildende Frage des Vorliegens eines rechtlichen Interesses ist daher nicht mehr einzugehen. Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

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