Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird verworfen. Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Freispruch des Angeklagten zu B I 2 sowie gemäß § 289 StPO. auch im Schuldspruch A I 7 und im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte hierauf verwiesen.
Text
Gründe:
Der am 19. Februar 1964 geborene Fatmir D***, ein jugoslawischer Staatsbürger, wurde des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1 und 2 Z. 1, 128 Abs. 2, 130 StGB. (A I) sowie des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 1 StGB. (A II) schuldig erkannt. Darnach hat er
zu A I in Gesellschaft des flüchtigen Rexhep D*** Sachen in einem 100.000 S übersteigenden Wert nachstehenden Personen in der Absicht gestohlen, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar:
1. zwischen 14. und 19. August 1985 in Linz der Firma B*** UND A*** ein Autoradio Marke Blaupunkt
Bremen SQR 45 (Wert: 9.590 S);
2. am 3. Oktober 1985 in Bad Ischl der Firma L*** Elektronik eine Videokamera Marke Nordmende TV 155 (Wert: 29.990 S);
3. am 18. Oktober 1985 in Frankenburg der Anna B*** eine Geldtasche mit 1.060 S Bargeld;
4. am 13. November 1985 in Ried im Innkreis den S*** R*** IM I*** eine Videokamera Marke Philips (Wert: 37.410 S);
5. am 17. oder 18. November 1985 in Wels der Firma E*** eine Videokamera Marke Panasonic M 3, sowie eine (weitere) Videokamera Marke Panasonic M 1, und zwei Stative der Marke Slik (Gesamtwert: 86.700 S);
6. am 4. Dezember 1985 in Grieskirchen dem Rudolf R*** eine Videokamera Marke Philips VKR 6800 (Wert: 35.000 S);
7. am 5. Dezember 1985 in Schärding der Firma E*** eine Videokamera Marke Sony (Wert: 35.480 S);
ferner zu einem nicht bekannten Zeitpunkt im Jahr 1985 an einem unbekannten Ort einem jeweils unbekannt gebliebenen Geschädigten
- 8. eine Videokamera Marke Panasonic M 3 (Wert: 44.000 S);
- 9. ein Autoradio Marke Pioneer (Wert: etwa 10.000 S);
- 10. eine Videokamera Marke Blaupunkt (Wert: etwa 35.000 S);
- 11. ein Autoradio Marke Blaupunkt Stockholm R 24 und vier Lautsprecherboxen (Wert: etwa 10.000 S);
zu A II am 7. März 1986 in Ried im Innkreis in der Strafsache gegen Radoljub S***, AZ. 7 E Vr 143/86, als Zeuge durch die Angabe, die unter I 10 angeführte Videokamera in Simbach von zwei unbekannten Türken um 1.500 DM gekauft zu haben, falsch ausgesagt. Von dem weiteren Ankagevorwurf,
zu B I in Gesellschaft des flüchtigen Rexhep D***
1. am 30. November 1985 in Vöcklabruck der Firma H*** GesmbH eine Videokamera Marke Canon VS 200 (Wert: 19.980 S) und
2. am 2. oder 3. Dezember 1985 in Vöcklabruck dem Max O*** eine Videokamera Marke Panasonic VHS Movie NVM 1 E (Wert: 31.000 S) gewerbsmäßig gestohlen zu haben sowie zu B II zwischen August 1985 und 6.Dezember 1985 in Braunau am Inn und anderen Orten den Führerschein des Fadil D*** im Rechtsverkehr gebraucht zu haben (§ 231 StGB.),
wurde Fatmir D*** gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen. Die Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 4, 5 und 9 lit. a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Die Staatsanwaltschaft wendet sich aus dem Grund des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. gegen den Freispruch von dem Diebstahl B I 2.
Zur Beschwerde des Angeklagten:
Rechtliche Beurteilung
Die Verfahrensrüge (Z. 4) wendet sich gegen die Abweisung des vom Verteidiger in der Hauptverhandlung am 7.August 1986 gestellten Antrags auf Beiziehung eines Dolmetschers für die albanische Sprache. Dieser Antrag wurde damit begründet, daß die Muttersprache des Angeklagten albanisch sei und er bisher noch nicht Gelegenheit hatte, die Anklageschrift in seiner Muttersprache zu hören (S. 547). Durch die Abweisung dieses Antrags wurde aber der Beschwerdeführer in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt. Dem gesamten Verfahren (und zwar sowohl in der Voruntersuchung als auch in den beiden Hauptverhandlungen: S. 5 a, 5 b, 5 e, 237, 239, 243, 439 und 545) wurde zur Vernehmung des Angeklagten ein Dolmetscher für die serbokroatische Sprache beigezogen. Der Verteidiger hatte bereits im Vorverfahren am 20.März 1986 (ON. 36) und sodann erneut am 2.Mai 1986 (ON. 66) zwecks Informationsaufnahme und Besprechung mit dem inhaftierten Angeklagten die Beistellung eines Dolmetschers für die serbokroatische Sprache begehrt. Daß es hiebei oder bei den wiederholten Einvernehmen des Angeklagten im Vorverfahren oder in den beiden Hauptverhandlungen zu Verständigungsschwierigkeiten gekommen und der Beschwerdeführer der serbokroatischen Sprache nicht mächtig sei, wurde niemals (auch nicht gelegentlich des Antrags am 7. August 1986) behauptet und konnte auch vom Gericht nicht festgestellt werden (siehe die Begründung für das abweisliche Zwischenerkenntnis, S. 547 sowie Urteil S. 583).
Gemäß Art. 6 Abs. 3 lit. e MRK hat jeder Angeklagte u.a. das verfassungsmäßige (Art. II Z. 7 BVG. BGBl. Nr. 59/1964) Recht auf unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers, wenn er die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder sich nicht darin ausdrücken kann. Darnach muß nur gewährleistet sein, daß sich ein Angeklagter, der die Gerichtssprache nicht beherrscht, in einer anderen Sprache, die er versteht und in der er sich ausdrücken kann, verantworten kann und ihm durch einen Dolmetscher in dieser Sprache das gesamte Vorbringen im Verfahren zur Kenntnis gebracht wird. Diese Sprache muß aber nicht die Muttersprache des Angeklagten sein. Im übrigen kann auf den vorigen Absatz verwiesen werden. Der Mängelrüge zufolge sei die Urteilsfeststellung eines nur kurzfristigen Aufenthalts des Beschwerdeführers in Frankreich offenbar unzureichend begründet. Die Dauer dieses Aufenthalts vor der gegenständlichen Diebstahlsserie betrifft aber letztlich keine für den Schuldspruch wegen Diebstahls "entscheidende" Tatsache (siehe Z. 5).
Die Rechtsrüge (Z. 9 lit. a) entbehrt zur Gänze einer prozeßordnungsgemäßen Ausführung. Sie bekämpft bloß die Urteilsfeststellung, daß der Angeklagte bei seiner Einreise nach Österreich über kein Bargeld verfügt hatte. Abgesehen davon, daß der Besitz einer Barschaft die (gewerbsmäßige) Verübung von Diebstählen niemals ausschließt, vergleicht der Beschwerdeführer nicht, wie dies die gesetzmäßige Ausführung einer Rechtsrüge erfordert, die Urteilsfeststellungen mit dem darauf angewendeten Strafgesetz. Er will vielmehr nach Inhalt und Zielsetzung seiner Rüge andere, für ihn günstigere Konstatierungen erreichen.
Zur Beschwerde der Staatsanwaltschaft:
Zutreffend verweist die Staatsanwaltschaft in ihrer gegen den Freispruch zu B I 2 gerichteten Mängelrüge auf die fehlende Deckung in den Urteilsfeststellungen. Wird doch als erwiesen angenommen, daß der Angeklagte auch den Diebstahl der Videokamera des Max O*** gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Rexhep D*** (bei dem es sich nach der Überzeugung des Gerichts in Wahrheit um den Bruder des Angeklagten, Fadil D***, handelte: S 582) verübt hat. Wie in den Urteilsgründen ausdrücklich angemerkt, beruht der Freispruch B I 2 auf einem Irrtum, der durch eine Verwechslung mit der unter A I 7 angeführten Kamera zustande gekommen ist (siehe S. 582, 583).
Ausgehend von der grundsätzlichen Erwägung des Schöffengerichts (S. 582), derzufolge die (Mit-)Täterschaft des Angeklagten in allen jenen Diebstählen als erwiesen angenommen wurde, in denen er entweder als Täter wiedererkannt wurde oder die gestohlenen und von seinem Komplizen verkauften Geräte sichergestellt werden konnten (wozu noch das in dem vom Angeklagten benützten Personenkraftwagen Marke Opel Rekord eingebaute und gleichfalls gestohlene Autoradio kommt: Urteilsfaktum A I 1 oder A I 11; vgl. S. 195 bzw. 293), kann aber der Schuldspruch A I 7 nicht aufrecht bleiben: Sein Zusammenhang mit dem irrtümlich ergangenen Freispruch B I 2 läßt eine Trennung und isolierte Behandlung dieser beiden Diebstahlsfakten nicht zu (§ 289 StPO.); konnte doch die am 5. Dezember 1985 in Schärding der Firma E*** abhanden gekommene Videokamera der Marke Sony nicht sichergestellt und auch der Angeklagte hier nicht als Täter identifiziert werden (S. 61, 430 sowie die Aussagen der Zeugen Karl W***, S. 362, 459, 460, und Manfred R*** S. 364, 460).
Es war daher über die Beschwerden im einzelnen wie eingangs zu erkennen.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte hierauf zu verweisen.
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