Spruch:
1.) Die Revision wird, soweit sie auch die Abweisung eines Teilbetrages von S 74,-- samt 10,25 % Zinsen seit 1.7.1981 und von 9,75 % Zinsen zuzüglich 4,5 % Überziehungsprovision aus S 209.352,-- für die Zeit vom 22.11.1980 bis 31.12.1980 bekämpft, zurückgewiesen.
2.) Im übrigen wird der Revision Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird, soweit das Klagebegehren auf Bezahlung von S 240.139,-- zuzüglich 10,25 % Zinsen ab 1.7.1981 abgewiesen wurde, sowie im Kostenpunkt aufgehoben. Zugleich wird auch das Urteil des Erstgerichtes in seinem Ausspruch über den Betrag von S 240.139,-- zuzüglich 10,25 % Zinsen ab 1.7.1981 und im Kostenpunkt (Absatz 1 des Urteilsspruches) aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die klagende Partei räumte am 6.7.1971 dem Bruder des Beklagten, Anton P***, als Hauptschuldner einen Kredit von S 1,5 Millionen ein, für dessen Rückzahlung der Beklagte, ein Betonwarenerzeuger, am 16.7.1971 die Haftung als Bürge und Zahler übernahm. Am 8.4.1975 wurde über das Vermögen des Anton P*** das Ausgleichsverfahren und am 2.12.1975 der Konkurs eröffnet. Deshalb wurde zwischen der klagenden Partei und dem Hauptschuldner die damals bestehende ordnungsgemäße Geschäftsverbindung beendet, der aushaftende Kredit mit 1.4.1975 fällig gestellt, im Konkurs des Hauptschuldners von der klagenden Partei die mit S 1,236.071 s.A. bezifferte Forderung angemeldet und von der klagenden Partei gegen den Beklagten als dem Bürgen über eben diesen Betrag am 13.4.1976 beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz ein rechtskräftig und vollstreckbar gewordenes Versäumungsurteil erwirkt. Im Konkurs des Hauptschuldners Anton P*** erhielt die klagende Partei auf Abschlag der von ihr angemeldeten Forderung im Jahre 1979 einen Betrag von S 1,559.919 zugewiesen, nachdem bereits zuvor die Gattin des Hauptschuldners Abschlagszahlungen von insgesamt S 290.081 an die klagende Partei geleistet hatte.
Die klagende Partei begehrte zuletzt vom Beklagten als Bürgen und Zahler aus diesem Kreditvertrag einen Betrag von S 240.213 s.A. mit der Begründung, ihr stehe dieser Betrag aus dem Kreditvertrag zum Stichtag 1.7.1981 gegen den Hauptschuldner noch zu. Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen, und wendete ein, der klagenden Partei stehe über den mit Versäumungsurteil bereits zuerkannten Betrag hinaus gegenüber dem Hauptschuldner und dem Beklagten keine weitere Forderung mehr zu. Das Erstgericht gab im zweiten Rechtsgang dem Klagebegehren - bis auf einen Betrag von S 74,-- s.A. sowie ein Zinsenmehrbegehren - statt. Es traf eingehende Feststellungen über den Stand des in Form eines Kontokorrentkredites geführten Kontos für die Zeit ab der Krediteinräumung bis 1.7.1981 und gelangte schließlich zur Feststellung, daß durch den aus dem Meistbot zugewiesenen Betrag die Forderung der klagenden Partei gegen den Kreditnehmer nicht zur Gänze abgedeckt werden konnte und per 1.7.1981 noch eine Forderung der klagenden Partei in der Höhe von S 240.139,-- zuzüglich Zinsen bestanden hat.
Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, die klagende Partei sei zufolge Punkt 37 Abs 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Kreditunternehmungen (AGB) in Verbindung mit Punkt 9 dieser Bestimmungen berechtigt gewesen, auch nach Beendigung der Geschäftsverbindung bis zur völligen Abwicklung mindestens einmal jährlich Rechnungsabschlüsse vorzunehmen und dabei dem Konto gleichzeitig Zinsen, Gebühren und Provisionen anzulasten, also eine kontokorrentmäßige Verrechnung durchzuführen. Diese Verrechnung ergebe per 1.7.1981 den festgestellten Saldo. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es sprach ferner aus, daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und ergänzte diese dahin, daß die klagende Partei aufgrund des rechtskräftigen und vollstreckbaren Versäumungsurteiles des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 13.4.1976 gegenüber dem Beklagten am 2.12.1975 eine Forderung von S 1,341.652,06 exekutiv geltend machen konnte, während ihr tatsächlich zu diesem Zeitpunkt gegenüber dem Beklagten eine Forderung von S 1,328.605,46 zustand.
Rechtlich vertrat das Berufungsgericht nach Darstellung der Lehre und Rechtsprechung zur Frage, ob ein Kontokorrentvertrag durch die Eröffnung des Konkurses aufgehoben werde, die Auffassung, durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Hauptschuldners sei das Kontokorrentverhältnis beendet worden. Punkt 37 Abs 2 der AGB sei zwar als integrierender Bestandteil der Rechtsbeziehungen sowohl der Streitteile untereinander als auch zwischen der klagenden Partei und dem Hauptschuldner anzusehen. Nach Punkt 37 Abs 2 AGB gälten diese Bedingungen auch nach Beendigung der Geschäftsverbindung bis zur völligen Abwicklung weiter. Hieraus ziehe die klagende Partei den Schluß, daß auch Punkt 9 der AGB bis zur völligen Abwicklung weiter gelte, der aber vorsehe, daß die Kreditunternehmung die Konten mindestens einmal jährlich abschließe und (in der Regel) zum Jahresende Rechnungsabschlüsse erstelle.
Damit könnten nun, wie die klagende Partei meine, die Voraussetzungen für eine Fortdauer des Kontokorrentverhältnisses im Sinne des § 355 Abs 2 HGB als erfüllt angesehen werden, zumal der Wille zum Abschluß eines Kontokorrentvertrages zumindest stillschweigend durch die Anerkennung der AGB zu erschließen sei, weil dort von "Kontoabschluß, Zinsenverrechnung und anzunehmender Zustimmung bei nicht rechtzeitiger Reklamation" die Rede sei. Dieser Argumentation könne allerdings nicht gefolgt werden. Wolle man nämlich der genannten Bestimmung des Punktes 37 Abs 2 der AGB einen derartigen Inhalt beilegen, so geriete eine solche Auffassung in einen unlösbaren Gegensatz zur Bestimmung des Punktes 37 Abs 1 AGB, der seinerseits von einer sofortigen Fälligkeit des Saldos ausgehe, was aber gerade bei einem fortdauernden Kontokorrentverhältnis nicht der Fall wäre. Im Wege über die Bestimmung des § 37 Abs 2 AGB könne daher nicht bei einer bereits beendeten Geschäftsverbindung und einer hieraus resultierenden Beendigung des Kontokorrentverhältnisses letzteres weiterhin als aufrecht bestehend fingiert werden. Die Punkte 36 und 37 Abs 1 AGB verlören bei einer derartigen Interpretation letztlich ihren Sinn. Daher sei im besonderen Fall auch das Kontokorrentverhältnis zwischen der klagenden Partei und dem Hauptschuldner infolge Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Hauptschuldners mit 2.12.1975 als beendet anzusehen. In diesem Fall sei jedoch, wie der Sachverständige in seinem ergänzenden Gutachten vom 10.1.1986 unmißverständlich dargelegt habe (und ähnlich auch schon im Gutachten vom 18.8.1984 S 241 unten und 243), kein Raum mehr für die Annahme des Bestehens einer über die titulierte Forderung der klagenden Partei gegenüber dem Beklagten hinausgehenden weiteren Verbindlichkeit des Letztgenannten gegenüber der klagenden Partei. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit den Anträgen, das Urteil dahin abzuändern, daß der klagenden Partei der Betrag von S 240.213 s.A. zugesprochen werde.
Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil es sich bei der Frage, wie Punkt 37 Abs 2 AGB auszulegen ist, um eine solche von grundsätzlicher Bedeutung handelt und eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dazu bisher fehlt.
Vorauszuschicken ist, daß der Revisionsantrag auch den Zuspruch der bereits rechtskräftig abgewiesenen Beträge anstrebt. In diesem Punkt war die Revision zurückzuweisen.
Im übrigen ist die Revision jedoch gerechtfertigt.
Im Revisionsverfahren ist unbestritten, daß zwischen der klagenden Partei und dem Hauptschuldner ein Kontokorrentverhältnis bestand und dieses und die gesamte Geschäftsverbindung (spätestens) mit der Konkurseröffnung beendet wurden. Dem Berufungsgericht kann zunächst nicht gefolgt werden, wenn es aus dem von ihm eingeholten ergänzenden Sachverständigengutachten den Schluß zieht, es sei kein Raum mehr für die Annahme des Bestehens einer über die titulierte Forderung der klagenden Partei gegenüber dem Beklagten hinausgehenden weiteren Verbindlichkeit des Beklagten gegenüber der klagenden Partei. Dieser Schluß läßt sich aus der Tatsache, daß im Zeitpunkt der Konkurseröffnung die Forderung aus dem Versäumungsurteil höher war als die der klagenden Partei tatsächlich zustehende Forderung, nicht ziehen. Wohl können gemäß § 58 KO (vor der Novelle BGBl. Nr.370/1982: § 57 KO) die seit der Konkurseröffnung laufenden Zinsen von Konkursforderungen nicht als Konkursforderungen geltend gemacht werden. Das schließt aber keineswegs aus, daß solche Nebengebühren weiterhin auflaufen und vom Gläubiger gegenüber dem Bürgen des Gemeinschuldners geltend gemacht werden können. Nur die Geltendmachung solcher Ansprüche als Konkursforderung ist nämlich ausgeschlossen (SZ 32/105 ua). Da der Beklagte die Schuld aus dem Versäumungsurteil nicht bezahlte - sie wurde in der Folge nur durch die Erlöse aus der Pfandverwertung getilgt - liefen vom offenen Saldo zugunsten der klagenden Partei auch nach Konkurseröffnung und daher nach dem Zeitpunkt der Berechnung der dem Versäumungsurteil zugrundeliegenden Forderung noch Nebengebühren auf, für welche der Beklagte als Bürge haftet. So ist auch der Sachverständige in seinem Gutachten ON 17 S 63 und 65 unter der Annahme einer Verzinsung von 12,5 % zu einem Saldo per 22.11.1980 im Betrag von S 169.333,10 gelangt, wobei die Zinsen offensichtlich nicht kontokorrentmäßig berechnet wurden. Zum selben Ergebnis gelangte er in seinem Gutachten ON 55 S 243. Daß er dort die Schlußfolgerung zog, eine neue Hauptschuld könne nicht entstanden sein, steht dem nicht entgegen.
Dem Berufungsgericht kann aber auch nicht gefolgt werden, wenn es die Ansicht vertritt, nach Konkurseröffnung habe die klagende Partei den Saldo nicht mehr kontokorrentmäßig mit den weiter auflaufenden Nebengebühren belasten dürfen. Gemäß Punkt 37 Abs 1 der AGB wird zwar mit der Beendigung der Geschäftsverbindung der Saldo jedes für den Kunden geführten Kontos sofort fällig. Gemäß Punkt 37 Abs 2 AGB gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen jedoch auch nach Beendigung der Geschäftsverbindung bis zur völligen Abwicklung weiter. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes besteht zwischen diesen beiden Bestimmungen kein Widerspruch. Punkt 37 Abs 2 AGB besagt nicht, daß das Kontokorrentverhältnis auch nach Beendigung der Geschäftsverbindung weiter besteht, sondern regelt nur die Form der weiteren Abwicklung bis zur Begleichung des festgestellten Saldos. Bis zu diesem Zeitpunkt sind daher auch die Konten weiterhin entsprechend Punkt 9 der AGB oder der anderslautenden Vereinbarung abzuschließen. Es sind also Nebengebühren vom errechneten Saldo weiterhin bis zur Bezahlung des gesamten aushaftenden Betrages mangels anderer vertraglicher Regelung jährlich kontokorrentmäßig zu verrechnen (so auch Schinnerer-Avancini Bankverträge 3 II 51). Die Vereinbarung einer solchen Art der Abwicklung nach Auflösung der Geschäftsverbindung ist auch zulässig. Wenn Schinnerer-Avancini an anderer Stelle (aaO I 162) ausführen, nach Beendigung des Geschäftsverhältnisses könne die Saldofeststellung mit der Wirkung des § 355 HGB für die Zinsenrechnung nicht mehr vorgenommen werden und sich dabei auf die Entscheidung NJW 1956, 17 (ebenso Canaris in Großkommentar HGB 3 III/2 Anm.118 zu § 355 und Hefermehl in Schlegelberger HGB 5 IV Rz 101 zu § 355) beziehen, spricht dies nicht dagegen. Nach deutschem Recht ist nämlich gemäß § 248 Abs 1 BGB ein im voraus abgegebenes Zinseszinsversprechen verboten.
§ 355 HGB schafft daher nach deutschem Recht nur eine Ausnahme von diesem Verbot, die mit Beendigung des Kontokorrentverhältnisses wegfällt. Für den österreichischen Rechtsbereich dürfen jedoch gemäß § 3 lit a des Gesetzes RGBl. Nr.62/1868 Zinsen von Zinsen gefordert werden, wenn solche ausdrücklich bedungen wurden. Eine auch für die Zeit nach Beendigung des Kontokorrentverhältnisses vereinbarte kontokorrentmäßige Abwicklung, welche bewirkt, daß Zinsen von Zinsen berechnet werden, ist daher zulässig.
Allerdings kann Punkt 37 Abs 2 AGB nicht so verstanden werden, daß die klagende Partei ungeachtet der Beendigung der Geschäftsverbindung weiterhin alle vereinbarten Nebengebühren in Rechnung stellen darf. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes war der Hauptschuldner verpflichtet, neben den Kapitalrückzahlungsraten Zinsen, eine Kreditprovision vom zugesagten Kreditbetrag, eine Umsatzprovision und Barauslagen zu bezahlen. Im Kreditangebot wurden bis auf weiteres 1 1/2 % Zinsen über der Bankrate, mindestens 6 1/2 % p.a., 1/8 % Kreditprovision vom zugesagten Kreditbetrag, 1/8 % Umsatzprovision von der größeren Umsatzseite und Barauslagen ausbedungen und dieses Anbot angenommen. Schinnerer-Avancini (aaO II 53) meinen, nach Konkurseröffnung entfalle die Berechnung nicht nur von Umsatz- sondern auch von Kredit- oder Überziehungsprovision. Ob sie dies nur im Hinblick auf die Möglichkeit der Geltendmachung im Konkurs meinen, ist nicht klar ersichtlich. Bei der Lösung dieser Frage ist davon auszugehen, daß Provisionen von der Bank für ihre Dienstleistungen den Kunden angerechnet werden (Schinnerer-Avancini aaO II 29 f). Der erkennende Senat ist daher der Auffassung, daß die Frage, welche der Nebengebühren die klagende Partei nach Auflösung der Geschäftsverbindung zum Hauptschuldner und Fälligstellung des Saldos noch verlangen kann, davon abhängt, zur Abdeckung welcher Risken, Leistungen und Spesen diese Nebengebühren vereinbart waren. Nur soweit solche Risken noch bestanden, Leistungen erbracht wurden und Spesen aufgelaufen sind, werden auch nach Auflösung der Geschäftsverbindung - neben den vereinbarten Zinsen - Nebengebühren noch verlangt werden können. Allerdings können die mit rechtskräftigem Versäumungsurteil zugesprochenen Nebengebühren - auch wenn nach den obigen Ausführungen ein Anspruch nicht bestanden hätte - im Rahmen der Neuberechnung nicht mehr geändert werden. Alle aufgezeigten Fragen wurden im bisherigen Verfahren nicht erörtert. Ebenso fehlen Feststellungen über die Höhe der der klagenden Partei aufgrund der Vereinbarung in den einzelnen Perioden zustehenden Zinsen. Alle Nebengebühren, welche der klagenden Partei danach zustünden, wären nach den obigen Ausführungen kontokorrentmäßig abzurechnen.
In Stattgebung der Revision waren daher die Urteile der Vorinstanzen, soweit das Klagebegehren nicht bereits rechtskräftig abgewiesen wurde, aufzuheben. Dem Erstgericht war eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.
Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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