OGH 14Ob204/86

OGH14Ob204/8616.12.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith sowie die Beisitzer Dr. Stefan Seper und Dr. Willibald Aistleitner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herbert H***, Maschinenschlosser, Zeltweg, Haldenweg 8, vertreten durch Dr. Peter Astner, Leitender Sekretär der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark in Graz, wider die beklagte Partei V*** A*** AG in Linz, vertreten durch Dr. Bernhard Lindmayr und Dr. Gudrun Petsch-Lindmayr, Rechtsanwälte in Kapfenberg, wegen 728 S und Feststellung (Streitwert S 2.828,-) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 22.Juli 1986, GZ 1 Cg 4/86-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Judenburg vom 10.Oktober 1985, GZ Cr 9/84-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten der Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist seit 1.10.1962 als Maschinenschlosser im Werk Zeltweg der beklagten Partei beschäftigt. Seit 1974 ist er Mitglied des Arbeiterbetriebsrates (eine dadurch bewirkte dauernde Freistellung von der Arbeitspflicht [§ 117 ArbVG] wurde nicht behauptet). Der Kläger ist evangelischen Bekenntnisses. Er wurde von 1962 bis 1982 am 31.10. (Reformationstag) eines jeden Jahres unter Fortzahlung seines Entgelts durch Gewährung eines bezahlten Sonderurlaubes von der Arbeitsleistung freigestellt. Im Jahre 1983

erklärte die beklagte Partei dem Kläger erstmals, daß er, wenn er eine Entgeltfortzahlung erhalten wolle, am Reformationstag einen normalen Urlaubstag in Anspruch nehmen müsse. Der Kläger erlitt dadurch am 31.10.1983 einen Lohnausfall von 728 S brutto. Seit 1983 ist die beklagte Partei in einer schlechten wirtschaftlichen Situation mit Minusbilanzen.

Der Kläger begehrt die Feststellung, daß ihm der 31.10. jedes Jahres unter Entgeltfortzahlung dienstfrei zu gewähren ist, und die Bezahlung von 728 S brutto sA mit der Begründung, daß er einen Rechtsanspruch auf bezahlten Sonderurlaub an jedem Reformationstag erworben habe.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß der Kläger nach dem Inhalt der Dienstanweisung vom 30.10.1961 keinen Rechtsanspruch auf bezahlte Dienstfreistellung erworben habe. Die freiwillige Gewährung der Dienstfreistellung habe im Jahre 1983 wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage der beklagten Partei widerrufen werden müssen. Der zusätzliche Urlaubsanspruch könne auf Grund des Urlaubsgesetzes 1983 (gemeint: gemäß Art VII BG vom 3.2.1983 Nr.81) auf den höheren gesetzlichen Urlaubsanspruch angerechnet werden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit der Begründung statt, daß der Kläger durch langjährige Übung einen Rechtsanspruch auf bezahlte Dienstfreistellung am Reformationstag erworben habe. Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem, gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, insgesamt 30.000 S übersteigt.

Die zweite Instanz traf folgende wesentliche Feststellungen:

Am 30.10.1961 fragte der Leiter des Werkssekretariates des Werkes Zeltweg der Ö***-A***-M***-Gesellschaft AG (Rechtsvorgängerin der beklagten Partei), Dr. N***, mit Fernschreiben bei der Personalabteilung in Leoben um Weisung an, ob, wie vom Arbeiter- und Angestelltenbetriebsrat gefordert, der Reformationstag für evangelische Dienstnehmer so wie der Karfreitag in die Feiertagsregelung einbezogen werden könne. Die Personalabteilung Leoben antwortete am selben Tag, wie folgt:

"Den protestantischen Dienstnehmern kann der Reformationstag 31.10. heuer ohne Entgeltschmälerung dienstfrei gegeben werden, soferne um die Freigabe spätestens eine Woche vorher angesucht wurde. Die Religionszugehörigkeit ist durch eine Bestätigung des evangelischen Pfarramtes (bzw. durch die Vorlage der Kirchensteuerzahlungsbestätigung) nachzuweisen.

Da es sich dabei um ein Entgegenkommen handelt, ist damit die Begründung eines Rechtsanspruches nicht verbunden." Dieses Fernschreiben wurde im Original über den Angestelltenbetriebsrat dem Leiter des Werkssekretariates übermittelt. Es kann nicht festgestellt werden, daß auch der Arbeiterbetriebsrat eine Ausfertigung dieses Fernschreibens zugestellt erhielt oder über dessen Inhalt zur Gänze informiert wurde. Dr. N*** verfaßte noch am 30.10.1961 eine Betriebskundmachung, die vom damaligen Inspektor Dipl.Ing. Ernst P*** unterschrieben wurde und folgenden Wortlaut hat:

"Über Genehmigung der Personalabteilung Leoben wird den Dienstnehmern evangelischen Religionsbekenntnisses AB und HB sowie den Altkatholiken über Anforderung am Reformationsfest (31.10.) bezahlter Sonderurlaub gewährt. Angehörige dieser Religionsbekenntnisse, die an diesem Feiertag arbeiten, haben hiefür keinen Anspruch auf Feiertagszuschlag.

Wer von dieser Freistellungsmöglichkeit Gebrauch macht, hat binnen 8 Tagen eine Bestätigung des Pfarramtes über die Zugehörigkeit zu dieser Religionsgemeinschaft nachzubringen und in der Lohnrechnung bzw. Kassa abzugeben.

In künftigen Jahren hat ein Ansuchen um bezahlte Freistellung am Reformationsfest mindestens 8 Tage vorher gestellt zu werden." Aus welchen Gründen Dr. N*** den Hinweis auf die Freiwilligkeit der gewährten Dienstfreistellung nicht in diese Betriebskundmachung aufnahm, ist nicht bekannt.

In einer neuerlichen Betriebskundmachung am 24.10.1962 wurde die Betriebskundmachung vom Vorjahr wiederholt.

Am 25.10.1967 teilte die Personalabteilung Leoben der Werksdirektion

Zeltweg mit:

"Reformationstag 31.10.1967.

Wie in den vergangenen Jahren erklären wir uns auch heuer wieder einverstanden, daß Angehörige des evangelischen Glaubensbekenntnisses am Reformationstag (31.10.1967) unter Weiterbezahlung der Bezüge von der Arbeit freigestellt werden, sofern darum zeitgerecht angesucht wird bzw. eine Bestätigung des zuständigen Pfarramtes vorliegt".

Am selben Tag (25.10.1967) verfaßte Dr. N*** wieder eine Betriebskundmachung, die im Betrieb an allen Anschlagbrettern angeschlagen wurde, mit folgendem Wortlaut:

"Betrifft: Reformationsfest 31.Oktober.

Um durch amtliche Verlautbarungen entstandene Mißverständnisse zu klären, wird bekanntgegeben, daß der 31.10. (Reformationsfest) zwar kein gesetzlicher Feiertag ist, aber den Angehörigen der evangelischen Religionsbekenntnisse AB und HB über Antrag, unter Fortzahlung des Entgeltes, freigegeben wird. Die Angehörigkeit zu den angeführten Bekenntnissen ist - soweit nicht bereits für Karfreitag dieses Jahres erfolgt - unter Vorlage entsprechender Nachweise in der Lohnrechnung bzw. Werkskasse zu belegen. Die Freistellung ist über den unmittelbar Vorgesetzten anzusprechen." In der Folge genügte es für evangelische Dienstnehmer, die bezahlte Dienstfreistellung für den 31.10. eines Jahres über den jeweils zuständigen unmittelbaren Vorgesetzten anzusprechen. In die Arbeitszeit - Stempelkarte wurde in diesem Fall der Vermerk:

"SB" = bezahlter Sonderurlaub aufgenommen. Im Jahre 1978 wurde für evangelische Dienstnehmer die Pflicht eingeführt, für die Anspruchnahme der Dienstfreistellung am Karfreitag ihre Religionszugehörigkeit nachzuweisen. Wenn ein evangelischer Dienstnehmer den Nachweis erbracht hatte, wurde dieser auch für das Reformationsfest als erbracht angesehen. Einen solchen Nachweis mußte auch der Kläger erbringen.

Fallweise kam es im Werk Zeltweg vor, daß dem Ansuchen eines evangelischen Dienstnehmers auf bezahlte Dienstfreistellung am 31.10. aus betrieblichen Gründen (zB bei dringenden und termingebundenen Konstruktionsarbeiten oder im Verkauf oder auf Auslandsmontage) nicht entsprochen werden konnte und sie an diesem Tag normal arbeiten mußten. Sowohl in diesem Fall als auch bei Nichtinanspruchnahme der Dienstfreistellung am Reformationstag erhielten evangelische Dienstnehmer keine besondere Abgeltung. Der Kläger nahm die bezahlte Dienstfreistellung am Reformationstag von 1962 bis 1982 jährlich in Anspruch. Er erhielt für diesen Tag seinen normalen Arbeitslohn ohne Feiertagszuschlag ausbezahlt, ohne daß der Tag auf seinen ordentlichen Gebührenurlaub angerechnet wurde. Der Kläger sprach die Dienstfreistellung am Reformationstag formlos bei seinem unmittelbar vorgesetzten Meister im Betrieb an. Für die am 31.10.1983 beginnende Arbeitswoche nahm der Kläger Gebührenurlaub in der festen Überzeugung, daß ihm der 31.10. nicht auf diesen Urlaub angerechnet werden würde. Er erfuhr dann vom Werkssekretär Dr. Stefan P***, daß ihm der 31.10.1983 als normaler Urlaubstag angerechnet werden müsse. Im Werk Zeltweg der beklagten Partei sind derzeit rund 1350 Arbeiter beschäftigt, von denen rund 50 dem evangelischen Religionsbekenntnis angehören. Es kann nicht festgestellt werden, daß die beklagte Partei oder deren Rechtsvorgänger dem Kläger persönlich oder dem Arbeiterbetriebsrat des Werkes Zeltweg bekanntgegeben habe, daß die bezahlte Dienstfreistellung für evangelische Dientnehmer am 31.10. eines jeden Jahres nur ohne Begründung eines Rechtsanspruches und gegen jederzeitigen Widerruf gewährt und eingeräumt werde. Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß die beklagte Partei (ihre Rechtsvorgängerin) den evangelischen Arbeitnehmern des Werkes Zeltweg und damit auch dem Kläger durch mehr als 20 Jahre eine über das Feiertagsruhegesetz, den einschlägigen Kollektivvertrag und den einzelnen Arbeitsvertrag hinausgehende zusätzliche Leistung (nämlich die bezahlte Dienstfreistellung am Reformationstag) zugesagt und gewährt habe. Darin sei keine Wissens-, sondern eine Willenserklärung zu erblicken. Durch die regelmäßige vorbehaltslose Gewährung dieser Leistung an die Arbeitnehmer habe die beklagte Partei unzweideutig ihren Willen zum Ausdruck gebracht, sich auch für die Zukunft zu verpflichten. Eine regelmäßig in gleicher Art gewährte freiwillige Zuwendung, mit der der Dienstnehmer rechnen könne, verliere den Charakter einer freiwilligen Zuwendung und begründe einen Anspruch auf Leistung, wenn mangels ausdrücklicher Betonung des freiwilligen, unverbindlichen und jederzeit widerruflichen Charakters der Zuwendung ein Entgeltanspruch als stillschweigend vereinbart angenommen werden könne. Entscheidend sei hiebei, welchen Eindruck die Arbeitnehmer von dem schlüssigen Verhalten des Arbeitgebers haben mußten, nicht aber das tatsächliche Vorhandensein eines Erklärungswillens auf seiten des Arbeitgebers. Das alljährliche Ansuchen der Belegschaft um die Zuwendung rechtfertige noch nicht die Annahme der Unverbindlichkeit, wenn es nur den Zweck verfolge, die rechtzeitige Gewährung der freiwilligen Leistung zu sichern. Der von der beklagten Partei gemachte Unverbindlichkeitsvorbehalt sei in die Betriebskundmachungen vom 30.10.1961, 24.10.1962 und 25.10.1967 nicht aufgenommen und dem Kläger auch sonst nicht mitgeteilt worden. 20 Jahre hindurch habe ein formloses Ansuchen des Klägers genügt, um die Dienstfreistellung unter Entgeltfortzahlung ohne jeden Widerspruch und ohne jede Einschränkung durch den Dienstgeber gewährt zu erhalten. Ob es sich um bezahlten Urlaub oder um eine (sonstige) Dienstfreistellung gegen Entgeltfortzahlung gehandelt habe, sei ohne Bedeutung. Die betriebliche Übung habe 20 Jahre hindurch ohne jeden nach außen und gegenüber dem Kläger erklärten Vorbehalt des freiwilligen, unverbindlichen und jederzeit widerruflichen Charakters der Zuwendung bestanden. Damit sei diese betriebliche Übung zum Inhalt des Einzelarbeitsvertrages des Klägers geworden.

Art VII BG vom 3.2.1983 Nr.81 komme auf die Dienstfreistellung des Klägers nicht zur Anwendung. Es handle sich dabei nicht um einen das bisherige gesetzliche Urlaubsausmaß übersteigenden Urlaubsanspruch, sondern um die Gewährung eines über das Ausmaß der gesetzlichen Feiertage hinausgehenden weiteren Feiertags.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Zum Leistungsbegehren des Klägers behauptet die Revisionswerberin, er habe am 31.10.1983 keinen Anspruch auf bezahlte Dienstfreistellung gehabt, weil er in der Woche vom 31.10. bis 4.11.1983 Gebührenurlaub genommen habe. Da der 31.10.1983 kein gesetzlicher Feiertag sei, sei er auf den Gebührenurlaub anzurechnen. Die Revisionswerberin verweist auf die Entscheidung vom 27. November 1984, 4 Ob 132/84 (Arb 10.432 = JBl 1985, 694), in der der erkennende Senat analog entschieden habe. Die von der Revisionswerberin vertretene Ansicht widerspricht jedoch dem § 4 Abs 2 UrlG, wonach für Zeiträume, während deren ein Arbeitnehmer....sonst Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Entfall der Arbeitsleistung hat, der Urlaubsantritt nicht vereinbart werden darf, wenn diese Umstände bereits bei Abschluß der Vereinbarung bekannt waren. Die von der beklagten Partei zitierte Entscheidung des erkennenden Senates betraf die Anrechnung eines arbeitsfreien Samstags, für den kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bestand, auf den Urlaub, sodaß dort § 4 Abs 2 UrlG nicht anzuwenden war. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes sprach der Kläger die Dienstfreistellung am Reformationstag immer (also durch 20 Jahre) formlos bei seinem unmitttelbar vorgesetzten Meister im Betrieb an. Wenn er im Jahre 1983 für die ganze, am 31.10.

beginnende Woche Gebührenurlaub nahm, durfte er damit rechnen, daß die beklagte Partei diesen Tag wie in allen Vorjahren als bezahlte Dienstfreistellung und nur die weiteren Tage mit Ausnahme des 1.11., der ohnehin ein gesetzlicher Feiertag ist, als normale Urlaubstage behandeln würde.

Den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes, wonach regelmäßig (hier: durch zwei Jahrzehnte) gewährte Zuwendungen, mit denen ein Arbeitnehmer rechnen konnte, mangels ausdrücklicher Betonung des freiwilligen unverbindlichen und jederzeit widerruflichen Charakters die Eigenschaft einer freiwilligen Leistung verlieren und einen Anspruch begründen, tritt die beklagte Partei nur mehr mit der Begründung entgegen, daß fallweise dem Ansuchen evangelischer Arbeitnehmer um bezahlte Dienstfreistellung aus betrieblichen Gründen nicht entsprochen worden sei und der betreffende Arbeitnehmer in diesem Fall sowie bei Verzicht auf Dienstfreistellung am Reformationstag auch keine finanzielle Abgeltung für die Arbeit erhalten habe. Dies habe auch dem Kläger bekannt sein müssen, so daß er den Eindruck einer verbindlichen Zusage der beklagte Partei nicht habe gewinnen können. Auch diese Einwendung ist nicht berechtigt.

In der fernschriftlichen Zustimmungserklärung der Personalabteilung in Leoben vom 30.10.1961 hieß es noch, daß den protestantischen Dienstnehmern der Reformationstag "heuer" dienstfrei gegeben werden kann. In den zitierten Betriebskundmachungen sowie im Schreiben der Personalabteilung vom 25.10.1967 war aber nur mehr davon die Rede, daß den evangelischen Arbeitnehmern unter bestimmten Voraussetzungen Dienstfreistellung gewährt wird. Der ursprüngliche Unverbindlichkeitsvorbehalt vom 30.10.1961 wurde in die Kundmachungen nicht aufgenommen. Auch wenn diese Zusagen durch betriebliche Übung dahin eingeschränkt wurden, daß fallweise evangelischen Dienstnehmern wegen dringender Arbeiten am 31.10. die beantragte Dienstfreistellung nicht bewilligt wurde, so bedeutet dies nicht, daß die generell zugesagte Dienstfreistellung aller darum ansuchenden evangelischen Arbeitnehmer eine freiwillige und widerrufliche Zuwendung blieb, sondern nur, daß der Rechtsanspruch der Arbeitnehmer (hier: des Klägers) auf den Fall beschränkt war, daß er im betreffenden Jahr nicht ausnahmsweise für dringende Arbeiten gebraucht wurde. Daß dies beim Kläger immer der Fall gewesen wäre, wurde nicht festgestellt.

Auch daß die beklagte Partei den Kläger im Jahre 1983 für solche Arbeiten gebraucht hätte, behauptet sie nicht; es wurde ihm für die ganze mit 31.10.1983 beginnende Woche Gebührenurlaub gewährt. Der Kläger hat somit einen Rechtsanspruch auf die Weitergewährung der bezahlten Dienstfreistellung am 31.10. eines jeden Jahres erworben, soweit dieser auf einen Arbeitstag fällt. Die beklagte Partei kann die zum Inhalt des Arbeitsvertrages der Streitteile gewordene Verpflichtung zur Dienstfreistellung am Reformationstag nicht einseitig wegen schlechter Wirtschaftslage widerrufen. Zutreffend ist schließlich auch die Ansicht des Berufungsgerichtes, Art VII BG v. 3.2.1983, BGBl. Nr.81, sei auf die Dienstfreistellung des Klägers am Reformationstag nicht anzuwenden.

Nach dieser Bestimmung ist ein das bisherige gesetzliche Urlaubsausmaß übersteigender Anspruch, der in Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder Einzelvereinbarungen vorgesehen ist, auf die durch dieses Bundesgesetz vorgesehene Erhöhung des Urlaubsanspruches anrechenbar, sofern der Anspruch nicht als Abgeltung für erschwerende Arbeitsbedingungen, besondere Gefährlichkeit der Arbeit oder wegen Behinderung gewährt wurde. Wer also schon bisher mehr als den gesetzlichen Urlaub erhalten hat, muß sich dieses Urlaubsausmaß auf den höheren Urlaubsanspruch nach dem BG v. 3.2.1983, Nr.81 im Regelfall anrechnen lassen.

Wie der erkennende Senat in der einen ähnlichen Fall (Gewährung bezahlter Freizeit am Allerseelentag) betreffenden Entscheidung ZAS 1986/26,209 (mit abl Bespr Tomandl) ausführte, hat zwar eine derartige Dienstfreistellung mit einem Urlaub gemeinsam, daß in beiden Fällen die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Erbringung der Arbeitsleistungen ruht; bei der Gewährung des Urlaubs stehe aber der Erholungszweck im Vordergrund, während der Freizeitgewährung an einem nicht gesetzlich anerkannten Feiertag zumindest in ihrer ursprünglichen Form der Gedanken zugrundeliege, dem Arbeitnehmer die Teilnahme an religiösen Veranstaltungen zu ermöglichen. An diesen Ausführungen ist trotz der Kritik von Tomandl festzuhalten. Der Gesetzgeber erklärte mit dem seinerzeitigen Feiertagsruhegesetz und dem nunmehrigen Arbeitsruhegesetz (§ 7 Abs 2 ARG) bestimmte kirchliche Festtage und Tage von historischer staatspolitischer Bedeutung (1.Mai, Staatsfeiertag; 26.Oktober, Nationalfeiertag) zu gesetzlichen Feiertagen. An diesen Tagen hat jeder Arbeitnehmer ohne Anrechnung auf den Urlaub grundsätzlich (§§ 7, 10 ff ARG) Anspruch auf Arbeitsruhe. Diese Feiertagsregelung knüpft an religiöse und andere Traditionen an; Feste, die die arbeitende Bevölkerung überlieferungsgemäß durch Halten von Arbeitsruhe gefeiert hat, sollen arbeitsrechtlich diesen Schutz genießen. Die Anordnung von Arbeitsruhe soll den Arbeitnehmern ermöglichen, einen solchen Tag seinem Anlaß entsprechend nach Belieben gebührend zu feiern, ohne daß die gewährte Freizeit auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch angerechnet wird. Daß der Gesetzgeber mit dieser Regelung trotz der Freiheit des Arbeitnehmers, die Freizeit am Feiertag nach Willkür zu verwenden, auch den Schutz der Erfüllung religiöser Pflichten bezweckte, ergibt sich eindeutig aus § 8 ARG.

Der Privatautonomie der Arbeitsvertragsparteien bleibt es überlassen, über den gesetzlichen Feiertagsschutz hinaus bestimmte weitere Tage aus ähnlichen Gründen wie gesetzliche Feiertage zu behandeln und dementsprechend die Arbeitnehmer - allenfalls unter bestimmten einschränkenden Voraussetzungen - arbeitsfrei zu stellen. Das ist hier dadurch geschehen, daß die beklagte Partei seit zwei Jahrzehnten ihren evangelischen Arbeitnehmern den 31.Oktober (Reformationstag), der für sie ein wichtiger religiöser Gedenktag und Feiertag ist, unter Entgeltfortzahlung arbeitsfrei gegeben hat. Ein "das bisherige gesetzliche Urlaubsausmaß übersteigender Anspruch" iS des Art VII des BG v. 3.2.1983, Nr.81 wurde den evangelischen Dienstnehmern mit dieser Begünstigung schon deshalb nicht gewährt, weil die Freistellung von der Arbeit diesen Feiertag gebunden ist. Der Kläger konnte schon nach dem Wesen der Vereinbarung den Zeitpunkt der Dienstfreistellung nicht nach Maßgabe des mit dem Arbeitgeber herzustellenden Einvernehmens (§ 4 Abs 1 UrlG) beliebig bestimmen, wie es für den Urlaub im Sinne des Urlaubsgesetzes, der nach Werktagen bemessen ist und "für jedes Arbeitsjahr" gebührt (§ 2 Abs 1 UrlG), typisch ist. Mit dem Gegenargument, daß auch der Urlaub kraft Vereinbarung auf Jahre hinaus zeitlich fixiert sein könne, zieht Tomandl ein Extrembeispiel heran, an dem eine Regelung im allgemeinen nicht zu messen ist. Gewiß gibt es Unternehmen (vor allem Großbetriebe), in denen der Arbeitnehmer beim Verbrauch des Urlaubs (wenigstens für einen Teil seines Urlaubsanspruches) an die generell festgesetzten Werkferien gebunden ist. Erkrankt aber etwa der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum länger als drei Kalendertage (§ 5 Abs 1 UrlG), so bleibt ihm sein Urlaubsanspruch erhalten, während der vorliegende Anspruch auf Feiertagsgewährung nur an diesem Tag verbraucht werden kann. Eine Gutschrift der Freizeit - wie in dem der Vorentscheidung ZAS 1986/26 zugrundeliegenden Fall - war nicht möglich. Mußte also ein evangelischer Dienstnehmer an diesem Tage ausnahmsweise arbeiten, oder war er krank, oder verzichtete er auf die Freizeit, so fiel die an die Begehung dieses Feiertages geknüpfte Begünstigung endgültig weg. Damit hätte aber ein evangelischer Dienstnehmer der beklagten Partei im Fall der Beendigung des Dienstverhältnisses aus der Nichtinanspruchnahme des Feiertages auch keinen Ersatzanspruch nach den §§ 9 und 10 UrlG erwerben können, obwohl dieser Anspruch gemäß § 12 UrlG unabdingbar wäre. Ein "das bisherige gesetzliche Urlaubsausmaß übersteigender Anspruch" hätte dem Kläger hingegen auch in jenen Jahren gebühren müssen, in denen der 31.10. auf einen Sonntag fiel. Die von Tomandl (aaO 212) ins Treffen geführte fehlende Bindung im Freizeitgebrauch grenzt den Urlaub nicht von allen sonstigen Arbeitsfreistellungen ab. Es handelt sich daher um eine vertragliche Feiertagsregelung und nicht um die Gewährung eines zusätzlichen Urlaubs. Auf die besonderen Voraussetzungen, unter denen nach Art VII leg.cit. ein höherer vertraglicher Urlaubsanspruch nicht auf den erhöhten gesetzlichen Urlaubsanspruch anrechenbar ist, braucht somit nicht eingegangen zu werden. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.

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