OGH 3Ob591/86 (3Ob592/86)

OGH3Ob591/86 (3Ob592/86)3.12.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Warta, Dr.Klinger und Mag.Engelmaier als Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei prot.Firma J.& L.L***, 1010 Wien, Körntnerstraße 26, vertreten durch Dr.Friedrich Eckert, Rechtsanwalt in Baden, wider die beklagte und widerklagende Partei W*** S***- UND K***, registrierte Genossenschaft m.b.H., 1180 Wien, Weimarerstraße 26-28, vertreten durch Dr.Wilhelm Klade, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Klage 48 C 250/85) und Räumung und Feststellung (Widerklage 48 C 267/85) infolge Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 12.März 1986, GZ.48 R 27/86-12, womit infolge Berufung der beklagten und widerklagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 20.Oktober 1985, GZ.48 C 250/85, 267/85-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei und widerklagende Partei ist schuldig, der klagenden Partei und widerbeklagte Partei binnen 14 Tagen die mit 18.052,65 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.641,15 S Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei zu 48 C 250/85 begehrte die Feststellung, es bestehe hinsichtlich bestimmter Geschäftsräumlichkeiten eines im Eigentum der beklagten Partei stehenden Hauses in Wien, Kärntnerstr.26, ein Hauptmietverhältnis. Die klagende Partei stützte ihr Begehren auf verschiedene alte Mietverträge, in die die beklagte Partei eingetreten sei. Im Jahr 1985 habe die beklagte Partei erstmals einen unangemessen hohen neuen Mietzins gefordert und vertrete seither zu Unrecht den Standpunkt, die klagende Partei benütze die Geschäftsräumlichkeiten titellos.

Die beklagte Partei zu 48 C 250/85 beantragte die Abweisung dieser Klage, wobei sie den Standpunkt vertrat, es sei nach Beendigung früherer auf Zeit abgeschlossener Verträge durch die Weigerung der klagenden Partei, einen neuen Mietvertrag abzuschließen, zu einem vertraglosen Zustand gekommen, so daß sehr wohl eine titellose Benützung vorliege und kein Mietverhältnis mehr bestehe. Die beklagte und widerklagende Partei begehrte zu 48 C 267/85 ihrerseits die Räumung der titellos benützten Geschäftsräumlichkeiten (I), anderseits die Feststellung, daß die widerbeklagte Partei seit 1.1.1985 ein ortsübliches und angemessenes "Miet- bzw.Benützungsentgelt" in Höhe von 306.045,80 S zuzüglich Umsatzsteuer und anteilige Betriebskosten zu bezahlen habe (II). Die widerbeklagte Partei beantragte Abweisung der Klage 48 C 267/85. Die beiden Rechtssachen wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Das Erstgericht gab der Klage 48 C 250/85 statt. Die Klage 48 C 267/85 wurde hinsichtlich des Begehrens auf Feststellung einer bestimmten Mietzinshöhe wegen Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges zurückgewiesen, im übrigen wurde sie abgewiesen. Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert jedes einzelnen Streitgegenstandes 300.000 S übersteige.

Die beiden Vorinstanzen trafen folgende Tatsachenfeststellungen:

Mit Mietverträgen vom 26.1.1895 (Beilage 1), 23.11.1903 (Beilage 2 und 4) und November 1913 (Beilage 5) mietete die klagende und widerbeklagte Partei (im folgenden kurz: klagende Partei) von einer Rechtsvorgängerin der beklagten und wiederklagenden Partei (im folgenden kurz: beklagte Partei) im Eigentum des strittigen Hauses die fraglichen Geschäftsräume jeweils für 10 Jahre (Beilagen 1, 2 und 4) bzw. für fünf Jahre (Beilage 5), wobei die neuen Verträge immer vor Ablauf des jeweils älteren Vertrages abgeschlossen wurden. Der letztgenannte Mietvertrag sah einen Mietzins von jährlich 32.000 Kronen zahlbar halbjährlich, jeweils am 1.5. und 1.11. im Vorhinein vor. In diesem Mietzins sollten alle Nebengebühren enthalten sein und weder eine Erhöhung noch eine Herabsetzung derselben zu einer Änderung des Mietzinses führen. Dieser letztgenannte Mietvertrag sollte im Mai 1920 enden.

Nach Ablauf dieser Zeit setzte die klagende Partei die Benützung der gemieteten Geschäftsräume fort, ohne daß die damaligen Hauseigentümer dagegen Widerspruch erhoben hätten. Auch die beklagte Partei, die die Liegenschaft im Jahr 1940 käuflich erwarb, unternahm keine zur Auflösung des Vertrages führende Schritte, sondern forderte von der klagenden Partei wie früher Mietzins. Noch mit dem nicht strittigen Schreiben der beklagten Partei vom Dezember 1983 wurde der Mietzins ab 1.1.1984 mit dem Betrag von 20.206,10 S bekanntgegeben (Beilage 14).

Mit dem ebenfalls nicht strittigen Schreiben vom 18.12.1984 (Beilage 15) forderte der Rechtsfreund der beklagten Partei jedoch von der klagenden Partei einen monatlichen Mietzins von 306.045,80 S zuzüglich Umsatzsteuer, weil zufolge der Bestimmungen des MRG jetzt dieser ortsübliche und angemessene Mietzins begehrt werden könne. Auf Grund dieser Feststellungen gelangten beide Vorinstanzen in rechtlicher Hinsicht kurz zusammengefaßt zum Ergebnis, daß zwischen den Streitteilen durch die fortgesetzte Verlängerung der alten Mietverträge konkludent ein Mietverhältnis auf unbestimmte Dauer entstanden sei, das mangels bisher geltend gemachter Kündigung weiter bestehe und in das die beklagte Partei gemäß § 1120 ABGB eingetreten sei. Die einseitigen Auflösungsversuche seit dem Schreiben vom 18.12.1984 hätten nicht zur Beendigung des nicht mehr befristeten Bestandverhältnisses geführt.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhebt die beklagte Partei Revision wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Klagsabweisung zu 48 C 250/85 bzw. Klagsstattgebung zu 48 C 267/85 (wobei aber auf das teils abgewiesene, teils zurückgewiesene Feststellungsbegehren nicht Bezug genommen wird und sich der Revisionsantrag nur mehr auf das Räumungsbegehren bezieht) abzuändern oder es aufzuheben.

Die klagende Partei beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision kommt keine Berechtigung zu.

Der Revisionsgrund nach § 503 Abs.1 Z 2 ZPO liegt nicht vor (§ 510 Abs.3 ZPO).

Im übrigen ist es müßig zu untersuchen, wie weit seinerzeit ein Mietvertrag auf eine bestimmte Zeit bestand und inwieweit es durch die anfänglich (als das Mietengesetz noch nicht in Geltung war) vorgenommenen neuen Vertragsabschlüsse zu einer Verlängerung der Bestandzeit nach den Bestimmungen der §§ 1113 bis 1115 ABGB kam, aber auch in welchem Umfange die beklagte Partei nach dem Erwerb der Liegenschaft gemäß § 1120 ABGB in die bestehenden Mietverträge eintrat. Für die Zeit von 1940 (Zeitpunkt des Erwerbs durch die beklagte Partei) bis 18.12.1984 (Abfertigung des Schreibens Beilage 15) ist nämlich nach den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen erwiesen, daß die beklagte Partei die klagende Partei als Hauptmieter der strittigen Geschäftsräumlichkeiten behandelte, Mietzins forderte (zuletzt mit Schreiben vom Dezember 1983 Beilage 14) und kassierte, ohne darauf zu bestehen, daß ein Vertrag auf bestimmte Zeit vorliege, und ohne irgend welche zur Auflösung des Bestandverhältnisses dienliche Schritte zu unternehmen. Dieses Verhalten kann gemäß § 863 ABGB nur dahin gedeutet werden, daß es damit zumindest stillschweigend jedenfalls zu einem Neuabschluß eines Mietvertrages oder einer ausdrücklichen Verlängerung oder Übernahme des alten Mietvertrages kam (vgl. dazu etwa die bei Würth in Rummel Rz 4 zu §§ 1092 und 1094 ABGB angeführten Entscheidungen). Weil aber der Vertrag unter die Bestimmungen des Mietengesetzes bzw.dann des MRG fällt - ein Gegenteil hätte von der beklagten Partei behauptet und bewiesen werden müssen (Entscheidungen wie MietSlg.33.256) -, konnte es sich dabei gemäß §§ 20, 23 Abs.2 MG bzw. jetzt § 29 Abs.3 MRG nur um einen Mietvertrag auf unbestimmte Zeit handeln, der von der klagenden Partei nur nach den Vorschriften über die gerichtliche Kündigung beendet werden könnte (vgl. dazu Würth in Rummel Rz 9 zu § 29 MRG).

Die klagende Partei begehrt daher mit Recht die Feststellung ihrer Hauptmietrechte. Und von einer titellosen Benützung kann keine Rede sein.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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