OGH 3Ob644/86

OGH3Ob644/863.12.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Irmgard W***, Inhaberin eines Reisebüros,

4550 Kremsmünster, Franz Hönigstraße 13, vertreten durch Dr. Thomas Watzenböck, Rechtsanwalt in Kremsmünster, wider die beklagte Partei Alfred Z***, derzeit ohne Beschäftigung, 4020 Linz, Obere Donaulände 49, vertreten durch Dr. Aldo Frischenschlager, Rechtsanwalt in Linz, wegen 102.439,16 S s.A., infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 12. September 1986, GZ. 3 R 226/86-8, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Steyr vom 8. August 1986, GZ. 4 Cg 245/86-5, "mit einer Maßgabe bestätigt", tatsächlich aber abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Akten 4 Cg 245/86 des Kreisgerichtes Steyr und 3 R 226/86 des Oberlandesgerichtes Linz werden dem Oberlandesgericht Linz

zur amtswegigen Berichtigung seines Beschlusses vom 12. September 1986, 3 R 226/86-8, durch Beisetzen des nach § 526 Abs.3 in Verbindung mit § 500 Abs.3 ZPO nötigen Ausspruches, ob der Rekurs nach § 502 Abs.4 Z 1 ZPO zulässig ist, und einer kurzen Begründung dieses Ausspruches zurückgestellt.

Text

Begründung

Mit unter Benützung des ZPForm 25 (Auftrag zur Klagebeantwortung, § 243 ZPO) ausgefertigtem Beschluß vom 29.3.1984 trug der Einzelrichter, ohne eine erste Tagsatzung anzuberaumen, die Beantwortung der auf Zahlung von 102.439,16 S samt Nebenforderungen gerichteten Schadenersatzklage binnen 4 Wochen auf. Dieser Beschluß wurde dem Beklagten, der damals Strafgefangener im Gefangenenhaus des Kreisgerichtes Steyr war, mit der Klage am 30. März 1984 eigenhändig zugestellt.

Innerhalb der am 27.April 1984 abgelaufenen Frist langte am 5. April 1984 ein Schreiben des Beklagten vom 4.April 1984 ein, dessen Inhalt nicht aktenkundig ist und das ihm mit Beschluß vom 9. April 1984 als unzulässig und zur geschäftsordnungsgemäßen Behandlung ungeeignet unter Hinweis auf die Rechtsbelehrung im bereits mit der Klage zugegangenen Formblatt "Auftrag zur Klagebeantwortung" zurückgestellt wurde.

Auf Antrag der Klägerin erließ das Erstgericht am 17.5.1984 ein dem Klagebegehren stattgebendes Versäumungsurteil, dessen auf ZPForm 86 b hergestellte Ausfertigung dem Beklagten am 21.5.1984 im Gefangenenhaus des Kreisgerichtes Steyr persönlich zugestellt wurde. Am 26.6.1984 wurde die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteils bestätigt.

In einem am 30.7.1986 zur Post gegebenen Schriftsatz beantragte der am 27.6.1986 aus der Strafhaft entlassene Beklagte die Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumten Fristen zur Beantwortung der Klage und zum Widerspruch gegen das Versäumungsurteil, hilfsweise die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist. Gleichzeitig holte er die versäumten Prozeßhandlungen nach.

Als den Wiedereinsetzungsantrag begründende Umstände führte er an, er habe mit den ihm im Gefangenenhaus zugestellten Schriftstücken (Klage samt Auftrag zur Klagebeantwortung und Antrag auf Erlassung des Versäumungsurteils und Versäumungsurteil) nichts anfangen können bzw. die Tragweite des durch das ungenützte Verstreichenlassen der gesetzten Fristen bewirkten Verlustes der ihm zustehenden Rechte nicht erkennen können. Er sei damals der festen, auch durch Erkundigungen im Rahmen der im Gefangenenhaus gegebenen Mögichkeiten unterstützten Überzeugung gewesen, daß vor einer

1. Tagsatzung kein endgültiges und unumstößliches, also rechtskräftiges Urteil erlassen werden könne. Er sei daher die ganze Zeit der Meinung gewesen, wegen der Höhe des Schmerzengeldes noch mit dem Vertreter der Klägerin verhandeln und im Fall der Nichteinigung im Gerichtsverfahren den eingeklagten Betrag noch bei der erst anzuberaumenden ersten Tagsatzung bestreiten zu können. Die Rechtsbelehrung auf dem "Auftrag zur Klagebeantwortung" sei für ihn unverständlich gewesen. Jedenfalls habe er ihr nicht entnehmen können, daß eine rechtskräftige Erledigung der Rechtssache vor Anberaumung eines Termins, bei dem er das Klagebegehren mündlich bestreiten könne, erfolgen würde. Schriftliche Äußerungen habe er auch deshalb für zwecklos gehalten, weil sein Schreiben vom 4.4.1984 beschlußmäßig zurückgewiesen worden sei. Nach seiner Entlassung aus der Strafhaft am 27.6.1986 habe er sich unverzüglich zur Klärung der Schadenersatzansprüche der Klägerin zur Geschäftsstelle der Bewährungshilfe in Linz begeben, dort seine schriftlichen Unterlagen deponiert und am 16.7.1986 eine eingehende Auskunft erhalten. Dabei habe er erstmals erfahren, daß eine erste Tagsatzung nicht anberaumt werden müsse und das Verfahren bereits rechtskräftig erledigt sei. Nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten sei ihm kein Verschulden, jedenfalls nicht mehr als leichte Fahrlässigkeit anzulasten. Er sei beim Schreiben und Lesen eher unbeholfen und weise im Umgang mit Behörden, insbes. im Verfassen von Eingaben etc. geringe Kenntnisse auf, weshalb ihm keine auffallende Sorglosigkeit vorgeworfen werden könne.

Als Bescheinigungsmittel legte der Beklagte seine eidesstättige Erklärung und eine solche Dr. Ingrid L*** vor, auf deren Vernehmung er sich hilfsweise berief.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Beantwortung der Klage und zum Widerspruch gegen das Versäumungsurteil und den Widerspruch gegen das Versäumungsurteil ohne weiteres Verfahren mit der Begründung zurück, das rechtskräftige Versäumungsurteil stehe allen Anträgen des Beklagten entgegen. Wegen deren Zurückweisung sei die Bewilligung der Verfahrenshilfe überflüssig.

In seinem Rekurs beantragte der Beklagte, den angefochtenen Beschluß im Sinn seiner ursprünglichen Anträge abzuändern, allenfalls aufzuheben und dem Erstgericht eine sachliche Entscheidung über diese Anträge aufzutragen.

Das Rekursgericht gab "dem Rekurs nicht Folge" und bestätigte den angefochtenen Beschluß mit der Maßgabe, daß die Anträge des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erstattung eines Widerspruchs gegen das Versäumungsurteil sowie die Frist zur Erstattung einer Klagebeantwortung, der Antrag auf Verfahrenshilfe sowie der Widerspruch gegen das Versäumungsurteil abgewiesen werden. Nach Meinung des Rekursgerichtes seien die vom Wiedereinsetzungswerber vorgebrachten Umstände weder unvorgesehene noch unabwendbare Ereignisse. Die Rechtsmittelbelehrungen auf dem Formblatt "Auftrag zur Klagebeantwortung" und auf der Rückseite der Ausfertigung des Versäumungsurteils seien klar formuliert und könnten auch von Rechtsunkundigen mühelos verstanden werden. Daß der Beklagte beim Lesen und Schreiben eher unbeholfen sei, müsse ihm schon vor Zustellung dieser Schriftstücke bekannt gewesen sein. Mangelnde Kenntnisse und Fähigkeiten könnten keine Wiedereinsetzungsgründe sein. Weil keine solchen Gründe vorlägen, sei der angefochtene Beschluß mit der Maßgabe zu bestätigen, daß der Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen werde. Der Verfahrenshilfeantrag sei ebenfalls abzuweisen, weil die weitere Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung wegen der rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens offenbar aussichtslos sei.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält keinen Ausspruch, ob der Rekurs nach § 502 Abs.4 Z 1 ZPO zulässig sei (§ 526 Abs.3 iVm § 500 Abs.3 ZPO).

Nicht gegen die Entscheidung über die Verfahrenshilfe, aber gegen die übrige Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs des Beklagten, der sicherheitshalber auch als außerordentlicher Revisionsrekurs ausgeführt wurde und in dem sicherheitshalber der an das Rekursgericht gerichtete Antrag gestellt ist, die angefochtene Entscheidung durch einen Ausspruch über die Zulässigkeit eines weiteren Rekurses zu ergänzen. Das Rekursgericht legte den Akt ohne diesbezügliche Ergänzung vor.

Rechtliche Beurteilung

In den im § 528 Abs.1 ZPO genannten Fällen sind Rekurse gegen Entscheidungen des Gerichtes zweiter Instanz unzulässig, unter anderem nach Z 1 dieser Gesetzesstelle gegen Entscheidungen, soweit dadurch der angefochtene erstrichterliche Beschluß bestätigt worden ist (§ 502 Abs.3 ZPO).

In allen anderen Fällen ist der Rekurs gegen eine Entscheidung des Rekursgerichtes nur zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 502 Abs.4 ZPO vorliegen. Hat das Rekursgericht ausgesprochen, daß der Rekurs nicht nach dieser Bestimmung zulässig sei (§ 526 Abs.3 iVm § 500 Abs.3 ZPO), so kann dagegen nur ein außerordentlicher Rekurs erhoben werden, für den sinngemäß die Bestimmungen über die außerordentliche Revision (§ 505 Abs.3 ZPO) gelten (§ 528 Abs.2 ZPO). Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten ohne weiteres Verfahren mit der Begründung zurückgewiesen, das rechtskräftige Versäumungsurteil stehe diesem Antrag entgegen.

Dabei handelt es sich um eine sofortige und ohne sachliche Prüfung erfolgte Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages ähnlich der im § 148 Abs.3 ZPO angeordneten sofortigen Zurückweisung offenbar verspäteter Wiedereinsetzungsanträge.

Das Rekursgericht wies den Wiedereinsetzungsantrag nicht aus formellen Gründen zurück, sondern nach sachlicher Prüfung der behaupteten Wiedereinsetzungsgründe ab.

Entgegen ihrer Formulierung "mit der Maßgabe bestätigt" handelt es sich bei der Entscheidung der zweiten Instanz um keine die erstgerichtliche Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags nur verdeutlichende bestätigende, sondern im Sinne einer Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages abändernde Entscheidung (4 Ob 160/52, zitiert in RZ 1965, 101; EvBl. 1971/182; SZ 52/181; vgl. auch RZ 1972, 185).

Da der Streitgegenstand 102.439,16 S beträgt, hätte das Rekursgericht nach § 526 Abs.3 iVm § 500 Abs.3 ZPO aussprechen müssen, ob der Rekurs nach § 502 Abs.4 Z 1 ZPO zulässig ist, und diesen Ausspruch kurz begründen müssen.

Die Unterlassung dieses notwendigen Ausspruchs und seiner kurzen Begründung stellt eine offenkundige Unrichtigkeit der Ausfertigung der Rekursentscheidung dar, die nach § 419 ZPO berichtigt werden kann und muß (EvBl. 1984/15 ua).

Dazu sind die Akten dem Rekursgericht zurückzustellen. Sollte das Rekursgericht aussprechen, daß der Rekurs nicht nach § 502 Abs.4 Z 1 ZPO zulässig sei und dafür Gründe anführen, mit denen sich der Beklagte in seinem (außerordentlichen) Revisionsrekurs noch nicht auseinandergesetzt hat, wäre ihm Gelegenheit zu einer diesbezüglichen Ergänzung seiner Rechtsmittelschrift zu geben.

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